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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.11.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001115015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900111501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900111501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Ämtsötatt -es Äötttglichett Land, im- Amtsgerichtes Leipzig, -es Rothes un- Voüzei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Donnerstag den 15. November 1900. Anzeige»-Preis die stgcspoltenc Petitzcile 25 Neclanren unter dem Redactionestrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familirnnach- richten (0 gespalten) 50 ,H. Tabellacückcr und Zisserusap entsprechend höher. — «Gebühren sür Nachweisungen und Osfcrtenannahme -5 4^ (excl. Porto). Crtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .« 60.—, mit Postbesörderung 70.—. AunaiMeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 9L Jahrgang. siieutor LiLtam. Dr. T. Die englischen Parlamentswahlen sind vorüber, sie haben deutlich gezeigt, daß das Volk in seiner überwiegenden Mehrheit die von der gegenwärtigen Regierung verfolgte Reichs politik billigt. Immerdar Mehrer des Reichs, das ist dir Losung der Conservativen seit Disracli's Uebernahme der Leitung dieser Partei stets gewesen. Und die Conservativen haben in den letzten Jahren Schule gemacht. Wenn früher auch mancher voll ihnen — die Liberalen waren ja immer der Ansicht — die einzig richtige Politik Englands darin erblickte, daß man die Colonien sich selber überlassen müsse, sobald sie der Hilfe des Mutterlandes nicht mehr bedürfen und als erwachsene Mitglieder der Familie den gegründeten Hausstand aus eigener Kraft zu führen und zu schützen im Stande seien, so wünscht man jetzt das Haus so zu erweitern, daß Alle in seinen Räumen Platz finden können. Es war der Traum Sir Charles Dilke's, in solchem Hause alle englisch sprechenden Völker zu vereinigen, er hat ihn in seinem berühmten Werk: Oronter Dritairr schon vor 32 Jahren ausgesprochen, und der Gedanke ist von einem seiner späteren politischen Genossen, wie der Republikaner 8ans pirruso, Joseph Chamberlain, mit der diesem rücksichtslosen Manne eigenen Energie ausgenommen worden. Aber beide fanden dort, wo sie Verständniß für ihre Idee am meisten erhofften, in den Ver einigten Staaten von Amerika, gar kein Entgegenkommen. Der Iankce dachte nicht an Anschluß und Aufgeben seiner eigenen Stellung, die ja, so hoffte und glaubte er zuversichtlich, bald die des alten verrotteten Europa mitsammt dem Mutterlande überragen mußte. So beschied man sich, einen engeren Zu sammenschluß der äisjoota nreiubra des britischen Reichs anzustreben. Aber nicht nach den idealen Gefühlsregungen alter Rassen gemeinschaft, nein, nach den sehr realen Gesichtspuncten des Handels. Der Vorsitzende des Imperial Federation League, Sir Rawson W. Rawson, schrieb schon 1888, daß ein Handels- bündniß zwischen den verschiedenen Theilen des englischen Welt reichs eins der stärksten Elemente für eine dauernde politische Vereinigung sein würde. Aber er verkannte nicht die Schwierig keiten, die sich einem solchen Plane entgegenstellen. Die selbstständigen Colonien, wie Canada, die Capcolonie, Natal, die sieben australischen Schwestern, die längst keine Hilfe mehr von England verlangen oder erwarten, bestreiten seit vielen Jahren ihre Ausgaben zumeist aus den Einnahmen, die sie aus den Einfuhrzöllen beziehen. Deren Höhe bestimmen die colonialen Parlamente nach eigenem Ermessen, ohne die eng lischen Minister in Downingstreet zu befragen. Zwar haben die Gouverneure ein Veto, aber sie hüten sich wohl, davon Ge brauch zu machen, besonders in einer so internen Angelegenheit, wie die Zollgesetzgebung. Die ist aber in jeder Kolonie ver schieden, hier herrscht der entschiedenste Schutzzoll, dort huldigt man mit gleichem Nachdruck dem weitestgehenden Freihandel. Allerdings sind mit der Zeit Zusammenschlüsse verschiedener Gruppen zu Stande gekommen, zuerst der aller nordamerika nischen Colonien (mit Ausnahme von Neufundland) zu einer Dominion ok Oanacl.a, dann die der Capcolonie und Natal, der auch der Oranje-Freistaat beitrat, wenn nicht zu einer politischen Einheit, so doch zu einem Zollverein, und vor wenigen Monaten auch die der fünf australischen Colonien des Festlands nebst Tasmanien zu einem Oommonwenltli ok Amstralia. "Dadurch sind drei einheitliche Gebiete geschaffen, statt einer großen Zahl kleinerer mit den verschiedensten Zolltarifen, denen wir früher Rechnung tragen mußten. Das vereinfacht die Sache und macht den Verkehr bequemer. Aber dieser Verkehr, der von Jahr zu Jahr wächst, soll nach Chamberlain und den anderen Imperialisten eingeschränkt werden, womöglich ganz aufhören. Was sagen die Kolonisten dazu? Der englische Canadier, Capländer und Australier, der Eng land seine Heimath nennt, spricht von ihm noch immer als solcher, auch wenn er längst und für immer den Gedanken auf gegeben hat, in das Land seiner Geburt zurückzukehren. Der in der Colonie Geborene blickt, wie jener, mit Stolz und Be wunderung auf die Wiege seiner Ahnen, aber er weiß von seinen Eltern, daß es da zwar viel Reichthum, aber noch viel mehr Armuth giebt, daß die Alten, die er um sich sieht, sehr froh waren, das jetzt von ihnen so hoch gepriesene Land zu verlassen, und er wird, wenn ihm seine Mittel es erlauben, einmal die c>iä oorrntrzc zu besuchen, gern und dankbar für sein Loos die dicken, braunen Nebel der schmutzigen Riesenmetropole verlassen, um zu dem sonnigen Klima seiner sauberen Städte und Städt chen zurückzukehren. Er ist stolz auf England, aber er möchte da nicht leben, er will aber auch das Band nicht zerreißen, das die neue Heimath mit jenem verknüpft. Nicht aus überheißer Liebe, denn der Kolonist ist sehr selten Gefühlsmensch. Aber im Anschluß an das große britische Reich fällt auch auf ihn ein Abglanz der Macht, die heute über ein ebenso ausgedehntes Gebiet herrscht, wie das himmlische Reick, dieses aber an Bolkszahl noch überbietet und das, wenn es auch weit hinter dem russischen Koloß an Größe zurücksteht, doch eine Volksmenge unter dem Scepter seiner Königin sieht, die mehr als dreimal so groß ist, als das europäisch-asiatische Völkergemisch, das dem weisen Zaren gehorcht. Aber der englische Kolonist ist vielleicht noch mehr als seine Stammesgenosien des alten Jnselreichs Realpolitiker. Er weiß, daß er für fast alle seine Jndustrieerzeugniffe auf das Ausland, worunter hier auch England verstanden sein soll, jetzt und noch für lange Zeit angewiesen ist. Die Zolleinnahmen sind seine bequemste Einnahmequelle, die australische Föderatlon will ja auch aus ihr die nöthigen Ausgaben bestreiten. Folgt man den Plänen Chamberlain's und schafft man ein Pan englisches Zoll gebiet, das die englischen Maaren frei zuläßt und nur die fremden besteuert, so unterbindet man diesem Finanzsystem den Lebensnerv. Die bisherigen Handelsbeziehungen mit nicht - englischen Ländern würden sofort einen schweren Stoß erfahren, namentlich der deutsche Handel würde schwer getroffen iverden. Aber vielleicht mehr zum Nachtheil der britischen Colonien, als zu dem Deutschlands. Denn Wolle, Felle und Häute findet dieses auch an anderen Orten, und wenn Australien von Deutsch land für 31 Millionen Mark Jndustrieproducte bezieht, so schickt es nach Deutschland für fast 86 Millionen Mark seiner Roh stoffe. DaS Verhältniß zwischen Deutschland und anderen eng lischen Kolonien ist für den deutschen Absatz allerdings weit günstiger. Jedenfalls müßten die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Australien in bedenkliches Schwanken gttathcn, würden Chamberlain's Wünsche in Erfüllung gehen. Indessen wollen die australischen Colonien von dem angestrebten HandelS- bündniß mit England nichts wissen, und sie haben ihren Willen in London durchgesetzt. Die kanadische Regierung hat freilich seit dem 1. Juli d. I. die Eingangszölle für englische Maaren auf 45 Proc. von denen aus anderen Ländern herabgesetzt und hat damit unseren Handel empfindlich getroffen, dem englischen hat sie jedoch nicht aufgeholfen und den der Union nicht zurück gedrängt. Aber die australischen Colonien, denn um diese handelte es sich bei den jetzigen Auseinandersetzungen hauptsächlich, gingen in ihren Forderungen noch viel weiter. Sie beanspruchten volle Freiheit in ihrer Politk in Betreff der Süvseeinseln und auch einen von der Centralregierung unabhängigen obersten Gerichts hof. Die erste Forderung wurde ihnen nebst anderen nicht mintder bedenklichen nach langen Verhandlungen endlich be willigt, aber gegen die zweite nahm auch die öffentliche Meinung Englands Stellung. Jndeß, die Australier wollen kein Zu- geständniß machen; dem altehrwürdigen (freilich nicht für sie!) Dvivz Couuoit die höchste endgiltige Entscheidung über ihre Streitgkeiten anzuvertrauen, weigerten sie sich ganz entschieden. Da fand der gewandte Chamberlain einen Ausweg. Unange brachte Ehrfurcht vor dem Bestehenden hat diesen ehemaligen Re publikaner niemals verhindert, das zu thmst was er für opportun erachtete. Das Drivz- (louneit mußte einem neuen Gerichtshof weichen, in dem neben einem indischen auch ein australischer Richter seinen Sitz zu nehmen hat. Wir werden wohl auch bald von einem Richter hören, der Canada, von einem zweiten, der Südafrika vertritt. So hat Chamberlain klug den Abfall oder die Lockerung des Bandes bei den australischen Colonien verhindert. Freilick wer den diese jetzt gewährten Forderungen nicht die letzten sein. Schon denkt man in den Colonien an eine Vertretung im eng lischen Parlament. England ist längst kein europäischer Staat mehr, und die Kolonisten verlangen immer eindringlicher, daß bei Entscheidungen in der Politik des Weltreichs auch ihre Stimme gehört werde. Sie weisen darauf hin, daß sie durck Schaffung von Flotten zum Schutze ihrer Küsten uno Gewässer dem Mutterlande eine wesentliche Hilfe leisten, wobei sie gern vergessen, daß dieser Schutz doch ihnen selbst am meisten zu Gute kommt, und sie erinnern daran, daß mehr als einmal, und auch jetzt wieder in Südafrika, ihre Söhne Englands Schlachten mit geschlagen haben. Sie fordern, daß auch sie berufen werden, mitzurathen, daß man zu Thaten schreitet. Das wird man ihnen nicht mehr lange verweigern können. Die Wirren in China. Tie endgiltigen FriedenSbedingungc». Es verlautet in Washington, daß außer den Punkten, über die sich die Gesandten in Peking als Grundlage zur Regelung der chinesischen Angelegenheit geeinigt haben, mehrere andere wahrscheinlich Beachtung finden werden. Einer dieser betrifft die Frage, ob Peking die Eigenschaften eines offenen Hafens eingeräumt werden sollen, wodurch die Freiheit deS Handels und der freie Verkehr mit den Aus ländern, wie eS bis jetzt nur für VertragSbäfen besteht, auf die Hauptstadt auszudehnen wäre, und es ist von hoben chinesischen Kreisen in dieser Richtung eine Anregung ausgegangen. — Die „Times" melden auS Sbangbai vom 12. d. Mts.: Man verlangt hier, daß in die Friedensbedingungen die Forderung der Entfernung chinesischer Truppen aus der Um gebung von Shanghai ausgenommen werden solle. Die Wiener Biälter verhallen sich zu stimm end zu den China bekannt gegebenen Bedingungen. Die „Neue Freie Presse" meint, es werde ohne eine gewisse Demülhigung deS chinesischen Hochmuths nicht abgehen. Es bandle sich darum, den Chinesen die Ueberlegenheit der geeinigten civilisirten Mächte darzuthun. Die Friedensbedingungen ver folgten diesen Zweck, der jedenfalls, wenn vielleicht auch nach langwierigen Verhandlungen, erreicht werden würde. — DaS „Neue Wiener Tagblatt" wünscht, daß die Mächte ebenso wie beim Feldzuge auch beim Friedens schlüsse svlidarisch vorgehen. Jedenfalls könne heute, wo der deutsche Reichstag zusammentrete, Graf Bülow sagen, daß die chinesische Frage nicht mehr uferlos sei, indem man den Frieden bereits nahe sehe. — Das „Fremdenblatt" bezeichnet cs als bemerkenSwerth, daß, abgesehen von der Reform deS Tschung li Aamens und gewissen Maßregeln zur Wahrung der Verträge, keine Ansprüche betreffs der inneren Verwal tung Chinas gestellt worden. ES bleibe China somit Vor behalten, nach den gemachten schlimmen Erfahrungen sich neu zu conslituiren oder bei der alten zu verharren. * London, 14. November. (Telegramm.) Wie den „Times" aus Peking unter dem 11. November berichtet wird, scheint es, daß China alle in der Note der Mächte enthaltenen Bedingungen an nehmen wird, ausgenommen die Forderung, an gewissen Prinzen und Würdenträgern die Todesstrafe zu vollstrecken. (Wiederholt.) In einer Melduna der „Times" aus New Uork wird die Nachricht des „New Dorkcr Herald" dement irt, daß der Staatssekretär Hay über die an China von den Gesandten gestellten Forderungen ungehalten sei. In keiner veröffentlichten Depesche sei davon auch nur eine Spur zu entdecken. Bom chinesischen Hofe. AuS Shanghai wird unS depeschirt: Verschiedene Zei tungen haben aus Hsian berichtet, daß der Kaiser von China an chinesische und fremde Beamte in Peking ein Telegramm habe abgeben lassen wollen, in dem er mittbeilt, wenn seine Umgebung nicht den Gehorsam verweigert hätte, wäre er längst nach Peking zurückgekehrt. Die Blätter haben weiter berichtet, daß die Kaiserin zwei Ver trauensmänner deS Kaisers, die dieses Telegramm zur Beförderung bringen wollten, habe hin richt en lassen. Diesen Nachrichten wird jetzt von dem Telegraphen vir ector Sch eng auf das Entschiedenste widersprochen; sie werden als unbegründet erklärt. Deshalb brauchen sie aber nicht unbegründet zu sein. Wo sind die Japaner ? * London, 14. November. Wie den „Times" ans Ohaughai berichtet wird, legt man in Tientsin lebhaftes Interesse bezüglich des gegenwärtigen Aufenthaltes der japanischen Truppen an den Tag, die, obwohl sie das Land nicht verlassen haben, ans Tientsin und Peking verschwunden sind, ohne daß man weiß, wohin sie gerückt sind. (Wiederholt.) Die flinken Japaner haben sich schon manche Ucbcr- rasckung geleistet. Sollten sie vielleicht „hintenrum" ab geschwenkt sein und plötzlich, als „Eecorte des chinesischen Hofes" wieder auf der Bildfläche erscheinen? Zuzukrauen wäre eS ihnen schon. Tie Lage im Lüde». Aus Hongkong, 11. November, telegraphirt „Reuters Bureau": Berichten aus Can ton zufolge wurden in Fatschau Pla rate angescklageu, durch die die Bevölkerung gegen die Christen aufgercizt wird. Die Christen werben als Seeteufel beschrieben, die vor mehreren Jahr zehnten in Canlon ciudraugen und Pläne ersannen, um sich des Landes der Chinesen zu beiuäcktcgcu und ihre Zaubereien die Leute lehrten. Dio rechtschaffenen Männer Falschans kochten vor Groll gegen das gefährliche Gift der Teufel; sie seien begierig darauf, die Kirchen zu zerstören, die Häuser der eingeborenen Christen wegzunehmen und sich Wongtschong- tings, des Hauptes der fremden Kirche, zu bemächtigen. Die Placate setzen als Termin für die Vernichtung der Capellen und des Kirchenvorstehers den 20. November fest. Aus einem Chinabriese. Einem Briefe des Professor Dr. Küttner, der im Dienst des Rothen Kreues die Leitung eines Spitals in Tsintau (Kiautschau) übernommen hat und den der „S chwäb. Mer k." veröffentlicht, entnehmen wir Folgendes: „Dec deutsche Namen hat jetzt in China einen ganz außer ordentlich guten Klang sowohl wegen der vorzüglichen Haltung unserer Truppen in den letzten Kämpfen, als besonders wegen des energischen Auftretens unseres Kaisers, welches von allen Europäern in China aufs Lebhafteste begrüßt wird. Man ist hier allgemein der Ansicht, daß man sich auf das Schlimmste ge faßt zu machen hat, wenn nach den Vorkommnissen dieses Jahres den Chinesen nicht gründlich das Handwerk gelegt wird. Der Charakter des Krieges ist ein sehr grausamer. Die Schändlichkeiten, die von Chinesen an Ge fangenen oder Verwundeten verübt worden sind, spotten jeder Beschreibung. Sehr inter essant ist es mir, daß die letzten Kämpfe meine kriegschirurgischen Erfahrungen aus dem Transvaalkrieg vollständig bestätigt haben. Die durch die Bleigeschosse verursachten Wunden, welche nicht selten vorgekommen sind, haben sich durchweg als viel schwerer herausgestellt, als die durch moderne Mantelgeschosse veranlaßten, doch genügen die letzteren vollständig, um selbst einem fanatischen Gegner, wie den Chinesen, außer Gefecht zu setzen. Die Haltung der chinesischen Truppen scheint nach den Schilderungen der Kombattanten eine verschiedene gewesen zu sein. Stellenweis haben sie offenbar sehr tapfer gekämpft; die fanatischen Boxer, welche sich für unverwundbar halten oder an eine Auferstehung nach drei Tagen glauben, sollen bisweilen ohne Deckung mit Sensen und Lanzen direct auf die feuernde Truppe losmarschirt sein." Sehr angenehm sind die Chinesen als Bediente. Besonders gefällt mir die lautlose Stille, mit der sie auf ihren dicken Filz schuhen alle Verrichtungen vornehmen. Die Verständigung ist etwas erschwert, denn der Chinese spricht nur Pitchen- Englisch, und auch dieses mangelhaft. Was Pitchen-Eng- lisch für eine Sprache ist, geht schon aus dem Worte selbst her vor. Pitchen ist nämlich gleich dem englischen bus-niosZ (Ge schäft). DuZinvsg spricht der Chinese aus Pitcheneß, das eß am Ende des Wortes ist ihm zu langweilig, daher Pitchen. In der Art geht es weiter: Alles, was Bedeutung hat, ist „iiuimlöc-I- ono" (Nr. 1), so z. B. ist der deutsche Kaiser ein „germnn mn8ter numbol-one". „Hast Du verstanden?" heißt „8-rvi". Daher heißt der Kopf „gavi-kox", zu 'deutsch Verstandskasten, der Magen dagegen ist die „c-ntinF-box", die Futterkiste, u. s. w. Ich könnte Ihnen noch Vieles aus diesem Lande des Zopfes und der Widersprüche erzählen, doch fürchte ich, daß es Ihnen heute zu viel wird. Deshalb ein anderes Mal mehr." Steuer» und Steuerreform in China. Der „Welt-Corresp." schreibt man aus Tokio, 4. Octoüer: „Bei der großen Wichtigkeit, die auch für Deutschland — man denke nur an die zukünftige Kriegsentschädigung — eine Neuordnung der chinesischen Finanzverhältniffe besitzt, dürften die nachfolgenden Auffassungen und Vorschläge eines hochangesehenen japanischen Blattes — die Japaner sind ja für die Beurtheilung chinesischer Verhältnisse sozusagen „die Nächsten dazu" — von Interesse sein. Die „Uomiuri Schimbun", das Organ der Fortschrittspartei des Grafen Okuma, beschäftigt sich in einer Serie von Leitartikeln mit der Frage, ob China im Stande sein würde, die Kriegsent schädigung zu bezahlen, welche die Mächte nach Beendigung der gegenwärtigen Operationen von ihm würden verlangen müssen. DaS gut unterrichtete Blatt kommt zu folgendem Ergebnisse: Die chinesischen Finanzen dürften augenblicklich wohl die schlechtesten der ganzen Welt sein. Einer Einnahme von 88 bis 89 Millionen Taels steht eine Staatsschuld von 90 Millionen Pfund Sterling (über 700 Millionen Taels) gegenüber. Die auswärtigen Anleihen Chinas schwellen von Jahr zu Jahr an, und die Finanzlage wird immer gedrückter. Das Volk seufzt schon heute unter der Steuerlast, und neue Steuerquellen können kaum erschlossen werden. Betrachtet man die chinesischen Finanzen genauer, so muß das Mißverhältniß auffallen, welches zwischen der Bodenfläche und der Bevölkerungszahl Chinas und seinen Steuereinnahmen besteht. Hierbei stellt sich heraus, daß die Schuld an dem chinesischen Steuersystem liegt: die Central regierung bestimmt, wieviel Steuern aus jeder Provinz an sie abzuführen sind, und überläßt es den Localverwaltungcn, wie sie diese Steuern eintreiben. Das führt zu den unglücklichen Zu ständen, wie sie in allen uncivilisirten Ländern anzutreffen sind: die Beamten mißbrauchen ihre Machtbefugnisse, um sich selbst in schamlosester Weise zu bereichern, und das Volk wird ausgesogen, während die Centralregierung ungenügende Einkünfte hat. Zur Deleuchtung dieser Behauptung faßt die „Uomiuri" die Grundsteuer ins Augc: China, das „Vierhunderi-Provinzen- Land", führt an Grundsteuer nur 32 Millionen Taels an die Centralcasse ab. Vergleicht man damit Indien, welches schlech teren Boden, geringeres Areal und eine niedrigere Bevölkerung!-- Ziffer hat, so findet man, daß die Staatseinnahmen aus der Grundsteuer allein dort über 100 Mill. Taels betragen. Das allein läßt schon den Schluß zu, daß an dem chinesischen Steuersystem etwas hapern muß. Nach den Studien eines National-Oeto nomen, der sich mit diesen Fragen beschäftigt hat, werden von der Bevölkerung in China an Grundsteuern allein thatsächlich 700 bis 800 Millionen Taels jährlich eingezogen. Wenn also die Mächte sich entschließen, durch Einführung einer Reform des Steuersystems unter der Controle eines fremden Beamtenstabs, etwa nach Art der chinesischen Seezollverwaltung, den unerhörten Untcrschleisen ein Ende zu machen, so werden dadurch sowohl die chinesischen Staatsfinanzen, wie auch die Interessen der Mächte am besten gefördert werden. Es wird nicht verkannt, daß die Seezollverwaltung mit sehr viel einfacheren Verhältnissen zu rechnen hat,als die Steuerverwaltung. Wenn man aber unter Benutzung einer nickt zu vielstufigeu Wcrthscala die Grundstücke nach ihrem Flächengehalt zur Besteuerung heranzöge, und dabei eine Bedrückung des kleinen Mannes möglichst zu vermeiden trachtete, so sollten sich wenigstens einer Grundsteuer-Reform keine allzu großen Schwierigkeiten in den Weg stellen. Eine Reform der Salzsteucr und der Likinzölle könnte dann folgen, wenn erst die Grundsteuer einmal auf eine gesunde Basis gekrackt sein würde. Eine Reform des chinesischen Steuecwesens unter Abschaffung der gegenwärtigen Uebelstände ist wohl schwierig, aber keineswegs unausführbar. Die Hauptsache wäre, von Peking aus den voll ziehenden Organen der Steuervcrwaltung bis in die fernsten Provinzen Gehorsam zu verschaffen. Diese Centralisirung könnte gerade während der Zeit, wo die Mächte Peking besetzt halten, mit Erfolg ins Werk gesetzt werden." In ganz ähnlichem Sinne hat sich bereits vor mehr al? Jahresfrist der Mitarbeiter der „Welt-Corresp." in Peking aus gesprochen. In dem Artikel „Die Möglichkeit eines Finanzkrach> in China" heißt es u. A.: „Die jährlichen Einnahmen betrage Alles zusammen etwa 89 Millionen Taels Diese für ein so ungeheures Reich mit so riesiger Einwohnerzahl lächerlica geringe Summe reichte bis zum japanischen Kriege aus" Auch dieser Gewährsmann führte, ebenso wie „Uomiuri Schimbun", die schlechten Einnahmen aus die Unterschlagungen der Beamten zurück. Er meinte: „Da die Beamten nur ein ge ringes Gehalt beziehen, so sind sie darauf angewiesen, Heu zu machen, so lange die Sonne scheint." Ebenso gab er dasselbe Heilmittel für die kranken Finanzen an, wie „Uomiuri Schimbun". Es hieß in dieser Beziehung in dem angezogenen Artikel: „Die Interessen der Gläubiger Chinas würden am wirk samsten gewahrt durch allmähliche Einführung einer internatio nalen Controle über den chinesischen Finanzmechanismus nach dem bewährten Muster der Seezollverwaltung." Diese Ueber- einstimmung der Auffassung wohlunterrichteter, dabei aber von einander völlig unabhängiger Persönlichkeiten läßt die Aus lassungen der „Uomiuri Schimbun" um so bedeutsamer erscheinen. Der Krieg in Südafrika. General vnllcr. ist in Southampton gelandet und vom Volke enthusiastisch em pfangen worden. Eine Rede des Generals ist bemerkenSwerth durch sachliche Behandlungsweise ihres für den Eingeschloffenen von Ladysmith doch immerhin empfindlichen Themas und durch die völlige Abwesenheit von Bramarbasiren und Rodomontaden. Wir führen aus ihr an: „Der Soldaten wegen will ich noch einige Puncte erwähnen, worauf, so viel ich gesehen habe, keine Zeitung hingewiesen hat, die jedoch die Quelle unserer größten Schwierigkeiten ausmachten. Zunächst ist England kein sehr großes Land und viele unserer Leute stammen aus der Stadt. Wir gingen in ein Land, wo die Mehrzahl unserer Gegner in sehr offenem Gelände, in einem sehr ausgedehnten Gebiete geboren waren, und es ist nicht un zutreffend, wenn man sagt, daß die durchschnittliche Sehfähigkeit unserer Gegner diese mindestens zwei Meilen weiter sehen ließ, als es durchschnittlich der Engländer, der gegen sie kämpfte, vermochte. Das ist eine Thatsache. Ein Holländer oder Afrikaner sieht einen auf ihn zukommenden Mann zwei Meilen eher, ehe jener ihn entdeckt hat. Das ist stets ein ernster Nack theit für unsere Truppen gewesen und hat vielen tapferen Soldaten das Leben gekostet; auch ist es eine der vielen Ursachen, weshalb wir unser Vordringen so schwierig fanden; schwieriger vielleicht, als man uns zugcstanden hat. Ein anderer Punct ist der, daß wir in einem Lande kämpften, in dem sich überall Ein geborenen-Niederlassungen befanden. In gewissen Gebieten waren eine Anzahl Kafsern-Kraale. Unsere Gegner konnten deren Sprache sprechen, was unsere Leute nicht konnten. Unsere Gegner brauchten nur nach einem Kaffern-Kraal zu gehen, um alle Nachrichten aus dem District zu erhalten. Natürlich hatten wir eine bestimmte Anzahl Dolmetscher, aber ein Dolmetscher ist doch nicht dasselbe. Ein Officier kann Fragen stellen, auf die er durch einen Dolmetscher nie Antwort erhalten wird. Das war ein ernster Nachtheil für unsere Truppen, und auch dem Um stände, daß unsere Leute die holländische und die Kaffernsprache, die beide von unseren Gegner» beherrscht werden, nickt kannten, ist meiner Ansicht nach von unseren Kritikern nickt genügend Be achtung geschenkt worden. Neben diesen zwei Hauptschwierig keiten, die, wie ich glaube, nicht beachtet wurden, könnte ick noch mehr nennen, die schließlich jedoch durch die Tapferkeit und Disciplin der englischen Armee überwunden wurden." Der Redner nannte dann noch die Entsendung der Truppen und ihre Verpflegung eine Arbeit, die heute keine Nation der Welt hätte ausführen können. Die Leistung sei eine der größten, die je im Kriege bewirkt worden seien, und daß England das hätte leisten können, beweise, daß es doch nicht so sehr zurück sei, wie viele Leute behaupteten." Tas mag richtig sein, aber der Heeresreform arbeiten solche nicht chauvinistische, aber doch militärisch-conservative Reden keineswegs vor; vielmehr bleiben die Aussichten für eine wirk liche durchgreifende Armeereorganisation nach wie vor sehr zweifelhaft. Die britischen Generale und Politiker werden eben stets aus die zahlreichen Kriege der Vergangenheit Hinweisen in denen „Tapferkeit und DiSciplin der englischen Armee" nach
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