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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010905026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901090502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901090502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-05
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Donnerstag den 5. September 1901. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzeile SV H. Necla men untrr dem RedacttonSstrtch (4 grspilten) 75 vor den Familiennach« richten (v gespalten) 50 Tabellarischer und Hiffernsa- entspreche»» höher. — Gebühren für Nachweisung»» »ad Offertenanoayme SS L, (exel. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgrn-AuSgabe, ohne Postbesörderuug V0—, mit Postbesörderung 70.—. Iinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Lu-gab«: vormittag« 10 Uhr. Morgeu-Au-gaber N-chmtttag« 4 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestelle» je ei»e halbe Stunde früher. Tazetgeu sind stet« a» di« Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet vor früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Druck und versag vou U. Bolz iu Leipzig. 95. Jahrgang. Der ürieg in Südafrika. vr. Krause al« Hochverrather in London arretirt. I'. Man schreibt uns aus London unter dem 3. Sep tember: „Vr. Krause, ein früherer hervorragender Beamter der südafrikanischen Republik, der sich seit längerer Zeit bereits in England Studien halber mit Genehmigung der britischen Regie rung aufhielt, wurde gestern Abend spät als des Hochverrcrthes unD der Spionage verdächtig auf Anstiften der englischen Ge heimpolizei in Johannesburg durch Detectivs im St. Ermins Hotel, wo er mit seiner Schwester abgestiezen war, verhaftet und heute Nachmittag dem ersten Verhör vor dem Polizeirichtec in Bowstreel unterzogen. Diese Verhaftung erregt hier all gemeines großes Aufsehen, zumal vr. Krause, der vor Jahren in England seine juristischen Studien und Prüfungen absolvirte und noch heute ein Mitglied Des „Inner Temple", jener uralten exclusiven Genossenschaft der Londoner Juristen ist, sich allgemeiner Beliebtheit erfreut und von Niemandem für fähig gehalten wirb, seinen Neutralitäiseid gebrochen und, wie die An klage lautet, Die Transvaalboeren heimlich durch zahlreiche und regelmäßige wichtige Information von England aus unterstützt zu haben, vr. Krause constatirte vor dem Magistrat, daß die Anklage jeder Grundlage entbehre, und daß er dem gerichtlichen Verfahren gegen sich mit Ruhe entgegeniehe, d"a er ein durchaus reines Gewissen habe. Der Richter verhängt« jedoch die Untersuchungshaft über ihn und weigerte sich, den An geklagten gegen Bürgschaft und hohe Caution auf freiem Fuß zu belassen. Der ganze Fall i st kennzeichnend für die augenblick liche verzweifelte und verworrene Stimmung m England, die schon längst eine nervöse Spionenfurcht und -Riecherei gezeitigt hatte, jedoch bisher noch nicht in so eklatanter und sensationeller Weise zum Ausdruck gekommen war. Es verlautet, daß über di« Einzelheiten der ernsten Anklage gegen einen bisher völlig un bescholtenen Mann, der sich sogar immer trotz seiner Boeren- nationalitäk als ein Freund Englands erwiesen Hai, absolut noch nichts bekannt ist, da die Arretirung einfach auf telegraphische Information, respectioe auf direktes Ansuchen der britischen Be hörden in Johannesburg mit der Begründung erfolgt sei, daß weitgehende Spionage vorliege; Die weiteren Details der An klage würden erst noch von Johannesburg herübergesandt werden, so daß vr. Krause bis auf Weiteres in Untersuchungshaft zu halten ist. vr. Krause war früher er st er Staatsanwalt des Transvaals unter dem Präsidenten Krüger und galt stets als der hervorragendste unpariciiscksie Jurist des Trans vaals; als die Engländer nach der Einnahme von Bloemfontein uod Kroonstad auf die Hauptstadt der südafrikanischen Republik vorrückten, wurde er zum Gouverneur von Johannesburg er nannt und ritt als solcher, nachdem die Boeren einsahen, daß der Platz nicht zu halten war, dem englischen Generalissimus Lord Roberts entgegen, um ihm die Schlüssel der Stadt zu überreichen. Roberts selbst erwähnte damals in seinen Berichten, daß «r dem vr. Krause für seine ehrliche und energische Unterstützung in d«r Verwaltung von Johannesburg während der ersten Zeit der britischen Okkupation zu großem Danke verpflichtet gewesen sei, und später bot der Fekdmarschall dem Doktor sogar einen wich tigen Posten in der Administration der „Colonie" an, den Krause jedoch mit der offenen Erklärung ablehnte, daß er sich nicht der Beschuldigung des Landesverrathes seitens seiner Landsleute aussetzen könne und wolle. Trotz dieser Ablehnung stand Krause stach wie vor im britischen Haupt'quaktier in Hohem Ansehen, und als «r schließlich nach England ging, verschaffte ihm Lord Roberts jede nur denkbare Erleichterung und Bevorzugung. Im „Temple", wo man große Stücke auf ihn hält wegen seiner hervorragenden juristischen Qualitäten und Kenntnisse, hält man Krause des gemeinen Verbrechens der Spionage schlankweg für unfähig und bringt ihm, obwohl die Jingopresse gegen ihn Vie üblichen Hetzereien veranstaltet, die größten Sym pathien entgegen, und bedauert lebhaft, daß gerade er das erste Opfer der krankhaften Spionenfurcht in London sein muß. Man schreibt uns aus London unter dem 3. September: „Die Voeren fahren fort, durch die lebhafteste Aktivität in der Durchführung des Kleinkrieges auf die letzte absurde Pro klamation des britischen Generalissimus zu antworten und ihren Feinden tagtäglich an den verschiedensten Sielleii des Kriegs schauplatzes empfindlichen Schaden zuzufügen, wobei es sich speciell in den letzten Tagen ganz besonders um reiche Beute an allerhand Kriegsmaterial für die siegreichen Beeren handelte. — Es haben übrigens letzthin wieder verschiedene Kämpfe in der Capcolonie, im Freistaat und im Transvaal stattgefunden, die für die Engländer sehr iv<erfreuNck verliefen, ihnen schwere Verluste zufügten und von Lord Kitchener bis heute überhaupt noch nicht des Erwähnens Werth befunden worden sind. Die Eisenbahnen sind wieder einmal fast überall von den Boeren unterbrochen worden und werden von ihnen trotz der englischen Blockhäuser und Streifcolonnen so gut wie vollständig und nach Belieben beherrscht, was am besten durch die unaufhörlichen Ueberfälle britischer Transportzüge durch die Burghers bewiesen wird. Diesen fast immer mit großen Kosten an Gut und Blut verbundenen „Calamitäten" auf den Schienen- und sonstigen Verbindungswegen ein Ende zu machen, scheint das britische Hauptquartier vollständig außer Stande zu sein, und so muffen die englischen Truppen ebenso wie die ganze britische Nation zähneknirschend zusehen, wie die tapferen und schlauen Feinde fortwährend sich auf Englands Kosten mit englischem Kriegsmaterial für die weitere Fort setzung des endlosen Feldzuges versorgen und neu ausrüsten. — Dabei sind die Telegraphenlinien fortwährend unterbrochen, wie z. B. seit Wochen ein regelrechter telegraphischer Betrieb zwischen Pretoria und der Natal-Colonie unmöglich gewesen ist und nur von Zeit zu Zeit, je nach den Bewegungen der be treffenden englischen Truppen in dem riesigen Gebiete zwischen Pretoria und Ladysmith, für Stunden oder wenige Tage intact gehalten werden kann. Trotz ibrer uugeh-ureo Nebe-mt finden sich die Engländer heute wie seit langer Zeit in der eigen- thümlichen und wenig beneidenswerthen Lage, daß aus den Angreifern und Eindringlingen die Angegriffenen und Be drängten geworden sind, d. h. die Engländer müssen sich fast vollständig darauf beschränken, sich gegen die unberechenbaren, zahllosen Angriffe und Operationen der Boeren zu Vertheidigen und sich der „Guerilla-Banden" der Burghers zu erwehren, gerade als ob die Letzteren im Transvaal und im Freistaat genau wie in der britischen Capcolonie die Rolle des ein gedrungenen Feineds spielten und dabei von der Uebermacht der Okkupationsarmee weder gefaßt noch erdrückt werden können. Das Londoner Kriegsamt veröffentlicht zwar soeben schon wieder die wöchentliche Statistik des Lord Kitchener, wo nach 19 Boeren feil dem 26. August getödtet, 3 verwundet und 212 „gefangen" wurden, während 127 sich angeblich „über gaben". Ferner werden da wieder verschiedene schöne runde Ziffern angeführt, wie „erobert und erbeutet wurden 194 Ge wehre, 27 550 Patronen, 144 Wagen, 1700 Pferde, 7500 Stück Vieh und eine Menge Kleinvieh", was sich für das gute und leichtgläubige Publicum in Old England gut auSmacht und für die „rastlose und unermüdliche Thätigkeit der britischen Truppen" sprechen soll. Nennenswerthe Erfolge irgend welcher Art sind aber in dem Wochenrapport des englischen Generals absolut nicht enthalten, und wenn er überdies ofsiciell zu be richten sich veranlaßt sieht, daß „im östlichen Transvaal wie in der Capcolonie im Allgemeinen die Situation gänzlich unver ändert ist", so ist diese- verdrießliche Zugeständniß von weit arößrer Bedeutung, als alle mühsam aufgestellten und ergänzten Wochenberichte des britischen Hauptquartiers zusammen genommen. Die Situation in der Capcolonie ist thatsächlich trotz aller Meldungen von „Niederlagen und Aufreibung" der verschiedenen Boerencommandos, die in Wirklichkeit immer weiter nach Süden Vordringen, gänzlich unverändert, soweit sie sich nicht vielleicht täglich mehr und mehr zu Ungunsten der Engländer verändert. In Capstadt selbst herrscht nach den letzten Kabelmeldungen der allergrößte Pessimismus vor, und zunächst wartet man in der ganzen Colonie wie auch in Eng land mit ängstlicher und großer Neugierde den durch die Kitchener'sche Proklamation bereits historisch gewordenen „15. September" ab, welcher Tag allgemein als ein durchaus „kritischer" betrachtet wird, da er ja einen Wendepunkt in der bisherigen „nachsichtsvollen" britischen Kriegspolitik den Boeren gegenüber bedeuten soll." * Lonvoi«, 4. September. Lord Kitchener tele« graphirt aus Pretoria unter dem heutigen Tage: General French berichtet, der Feind sei in nordöstlicher Richtung in den Transkei-District hinübergezogen. Oberst Monro bewache die Gebirgspässe, während die Obersten Scobell und Doran die Verfolgung ausgenommen hätten. Lotter stehe westlich von Cradock und ziehe nach Westen, im Rücken stehe 2 heron nahe bei Oudtshoorn,ebenfalls auf dem Marsche nach Westen, verfolgt von Oberst Kavanagh. Scheepers rückte am 2. dieses Monats auf Montagu, stellte sich den englischen Truppen aber nicht, sondern wandte sich nach Norden. General Wyndham jagt (?) den Commandanten Smit südlich von Fraserburg vor sich her. Die übrigen Boerenabtheilungen liegen in den Schluchten der Gebirge zerstreut. Etwa sechzig Boeren haben am 29. August bei Bethulie den Oranje, von Norden kommend, überschritten und sich einem kleinen, südlich von Lady-grcy stehenden Boercncommando angeschlossen. An allen übrigen Stellen ist der Fluß vom Feinde auf beiden Seiten gesäubert und wird eifrig bewacht. * Pretoria, 4. September. Heute wurden zwei Boeren vor Das Kriegsgericht gestellt, die eingestanden haben, daß sie sich dem Feinde (!) angeschlossen hatten. Das Urtheil wurde verschoben. * London, 4. September. „Daily Mail" meldet aus Capstadt vom 3. d. M., Christian Dewet habe bekannt gemacht, daß er alle englischen Soldaten, die er nach dem 15. d. M. im Oranjefrei st aate an treffen werde, erschießen lassen werde. Nach einer Capstadter Meldung der „Central News" vom 3. d. M. wurde ein auf dem Castle beschäftigter Civilbeamter deutscher Abkunft heute Morgen als Spion im Dienste der Boeren verhaftet. — Die Abteilungen unter dem Obersten Scobell haben C. Botha nach Mortimer (Bezirk Cradock) getrieben. Beinahe alle Pferde Botha's waren im Zustande der Erschöpfung, doch hat er dreißig Remonten erbeutet. — Die Boeren bedrohen jetzt den Zu u r b r a a k - P a ß, der Swellen- dam beherrscht, obwohl dieser Platz in gutem Vertheidigungs- zustande ist. * London, 5. September. (Telegramm.) „Reuter s Bureau" berichtet aus Baberton unter Dem 31. August, die Boeren hätten in der Nähe von Malesane am 30. August einenZug indieLuftgesprengt und angezündet und hätten einen zweiten Zug, der dem ersten zu Hilfe gekommen sei, zum Entgleisen gebracht. Niemand sei verletzt worden. * Middelburg, 4. September. („Reuter's Bureau.") Zwei Ausländer und ein Aufständischer, die in Camdebo gefangen genommen und in Graafreinet abgeurtheilt worden waren, sind am 4. September in Tolesberg erschossen worden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. September. Gelegentlich de« gestrigen Empfanges des Prinzen Tschnn durch den Kaiser ist der „Deutsche ReichS- anzeiger" wieder in seine alten Würden eingesetzt worden: er und nicht der „Berl. Loc.-Anz." veröffentlicht den Wortlaut der von dem Prinzen gehaltenen Anrede, der Ant wort des Kaiser« und Les von dem Prinzen überreichten Handschreiben« seines kaiserlichen Bruders. Daß diese wichtigen Kundgebungen zuerst durch das amtliche Organ zur Kennliiiß deS deutschen BolkeS gebracht werden, ist um so erfreu licher, je niehr aus ihnen bervorgeht, daß dem Prinzen auf ras Nachdrücklichste der Zweck seiner Mission zu Gemüthe geführt worden ist. Seine A nsp r a che ist als die des schuldlosen Trägers der Mission die farbloseste; sie beschränkt sich darauf, den Inhalt des kaiserlichen Handschreibens mit anderen Worten wiederzugeben und besonders heivorzubeben, daß der Kaiser von China, obwohl persönlich unschuldig an der Ermordung de- Deutschen, doch nach allem Brauch- diese Schuld auf sich genommen habe. In dem Handschreiben selbst betont ter kaiserliche Berfaffer nach begreiflichem Widerstreben nickt nur diese Verantwortlichkeit, sondern auch seine Betrübniß, seine Reue und Beschämung; er bequemt sick sogar dazu, für die Nicdrrwelsuug ces Boxerausstandes zu danken und die Hoffnung auszusprecken.daß nach deni gegebenen Reuebeweise die Entrüstung unseres Kaisers wieder der alten freundschaft lichen Gesinnung gewichen sei. Aber trotz der Temülhigung, die der Kaiser von China durch dieses Handschreiben sich auferlegt, blieb eS seinem Bruder nicht erspart, Worte unsere« Kaisers zu vernehmen, die da« in China Vor gefallene vom deutschen Standpunkte aus charakterisiren und die Ei morvung deS deutschen Gesandten als rin „unerhörtes, durch Völkerrecht und Sitte gleich sehr gebrandmarktes Ver brechen" bezeichnen, da« auf „höheren Befehl" erfolgt sei und deshalb den Kaiser von China, seine Rätbe und seine Regierung nicht nur formell, sondern auch moralisch mit der Verantwortung belaste und nicht durch eine Sühnemission allein, sondern nur dann gesühnt werden könne, wenn der Kaiser von China die Regierung seines Reiches fürderhin streng im Sinne der Vorschriften de« Völkerrechts führe. Wenn, woran nicht zu zweifeln ist, dafür gesorgt wird, daß sowohl die Ansprache des Prinzen Tschun und baS Handschreiben seine- kaiserlichen Bruders, als auch die Antwort unseres Kaisers zur Kenntniß der obersten Mandarinen in der Central regierung und an der Spitze der für den internationalen Verkebr wichtigen Provinzen gebracht werden, so bezweifeln wir nicht, baß daS einen tiefen und nachhaltigen Eindruck Her vorbringen wird. Auf das deutsche Volk — von den social- Leuilletsir. Arbeit. Von Eva Treu. Nachdruck »rrbotni. Ja, sie mochte Recht gehabt haben, die todte Frau. Christian Ohle war wohl von Haus aus ein guter Mann, aber ein schwacher Mann war er auch, der immer einer festen, ruhigen Harrd bedurfte, die ihn unvermerkt leitete. Für ihn kam Alle- auf den Kameraden an, mit dem er durch das Leben schritt, und der, den er jetzt hatte, war für ihn nicht der richtige. Er konnte Tage haben, wo er daS selbst empfand. Mitunter war Herr Ohle ganz hinten im Garten in jener Laube zu finden, in der ihn Life einst gesucht hatte, während ihr« Mutter starb, aber jetzt pflegte er dort allein zu sitzen, beide Ellenbogen aufgestützt und den Kopf in die Hände versenkt, mit einem mürrischen und sorgenvollen Ausdruck in sein Bierglas hinein starrend. Denn ganz im tiefinnersten Herzenswinkel saß die Sorge und drohte ihm mit ihrer hageren Hand. Der Stein rollte bergab, er wußte es recht gut, und auch, daß Steine nicht von selbst wieder bergan rollen. Ihm nach rennen — nach ihm greifen — ihn aufhalten, das wär« das Rechte gewesen und auch das Einzige — ja, wie hätte Christian Ohl« denn da« nicht wissen sollen? Aber es war Niemand da, der ihn bei der Hand nahm und mit ihm rannte, Niemand. Sie, die andere Frau, die Alte, die Lene, sie hatte sich dl« Mühe nicht verdrießen lassen, mit ihm zusammen den schweren Stein den Berg binaufeutvälzrn, ja, sie hatte wohl da» Meiste dabei gethan, und dlesr, d« er nun hatte, di« war eben nur ein Kamerad für Spiel und Tanz, nicht für die Arbeit. Allein aber konnte Christian Ohle nicht» thun. Da» sollte man da machen? Herr Ohl« trank mit einem Seufzer sein Lier, und je mehr er trank, um so mehr Sorgen wurden hinweggespükt, bi» er sie endlich vorläufig wieder ganz vergessen hatte. Einen Trunkenbold konnte man ihn bei Alle dem nicht gerade nennen, aber — ja, bergab ging r» eben. Auch die Tochter sah es, so jung sie war, aber ihr war in ihrem Vaterhaus« keinerlei Stimme und Einfluß eingeräumt, und sie hatte Niemand» der ihr hätte rathen wollen, wie sie in ihrer großen Unerfahrenheit die Verhältnisse hätte ändern können. Jbrr einzig« Freud« blieben immer neben dem träume rischen Umherstriifen in Wald und Feld di« feinen, kunstvollen Nadelarbeiten, für die sie von jeher eine besondere Begabung ge zeigt hatte, ja, sie versuchte sogar oft, sich für dies« mit eigener Hand Muster zusamm«nzustellen, die wohl die Aufmerksamkeit eines Sachverständigen hätten auf sich ziehen können, obschon sie allerdings weit davon entfernt waren, stilgerecht zu sein. Es lag über ihnen etwas Eigenartiges unv Frisches, was Be achtung verdient hätte, die es jedoch keineswegs von irgend einer Seit« fand. Wenn wirklich einmal Jemand in Lise's Um gebung diese selbstentworfenen Muster zu Gesicht bekam, so fand er gewöhnlich jeden beliebigen, bunt bestickten Morgenschuh weit schöner, und das Mädchen selbst besaß nicht einmal eine Ahnung davon, daß ihm nach irgend einer Richtung hin ein nicht ganz gewöhnliches Talent verliehen sei. Allerdings hatte ja ibr alter Lehrer früher einmal davon gesprochen, ihr Zrichentai^nt sei weiterer Ausbildung Werth, indessen war nie wieder die Rede davon gewesen, man hatte ihr die Aeußerung nicht einmal wieder holt, und der alte Lehrer war tobt. So verging die Zeit. Life war zwanzig Jahre alt geworden, ohne irgendwie einen Platz im Leben wirklich auszufüllen, ein einsames Menschenkind, in der Heimath lebend, ohne doch «in rechtes Vaterhaus zu haben, mit einem unbestimmten, beißen Drange, sich zu bethätigen, ohne daß sie einen Weg hätte dazu finden können. Gern hätte sie mit ihrem jungen Herzen irgend etwas in warmer Liede umfaßt, mit ihren gesunden, jugend frischen Kräften für irgend etwa» oder irgend Jemanv gearbeitet, aber es schien, als wenn Niemand ihrer bedürfte. Mit einer Bitterkeit, di« zu ihren jungen Jahren schlecht stimmte, sagte sie sich ganz ehrlich, daß sie ein unnützer Mensch sei, aber sie sah kein Mittel, etwa» Anderes zu werden, denn über den kleinen, eng begrenzten Kreis ihrer Umgebung ging ihr Blick nicht hinaus. Da fiel eine» Tages mitten in ihr Leben ein Schlag hinein, den sie nicht im Entferntesten erwartet hatte. Christian Ohle hatte seit einem Jahre über mancherlei kör perliche Beschwerden geklagt, ohne daß etwas Besonderes da gegen geschehen wäre, da seine Frau Alle» auf eine Verstimmung d«S Magen» in Folge zu reichlichen BiergenusseS zurückführt«, eine Ansicht, der er selbst ziemlich bereitwillig bripflichtete. Auch hatte er immer eine Abneigung gegen Aerzte gehabt, die ja auch seiner Lene nicht hatten hrkfrn können, und sich lieber um Rath an «inen in der Nähe wohnenden alten Schäfer gewendet, der in dem Ruf« großer Weisheit stand und — dir» war Christian Ohle besonder» bequem — den Patienten gar nicht zu sehen brauchte, sondern nach erfolgter Prüfung einiger brieflich über sandter Haare des Kranken seine Mixturen ohne Weitere»'schickte. Diese» Gebräu hatte Christian Ohl« ziemlich gewissenhaft eingenommen, wenn es ihm eben paßte, dabei seine gewohnte Lebensweise durchaus nicht verändert, da ihm dies nicht paßte, und hatte sich bald etwas wohler, bald schlechter dabei befunden. Daß es sich um ein ernstliches Leiden handeln könne, iwar ihm nicht eingefallen. Wie sollte denn er, Christian Ohle, der sein Lebtag immer gesund gewesen war, plötzlich zu einer gefährlichen Krankheit kommen? Lächerlich! Und der Meinung war auch Frau Susanne. Nur nicht gleich zum Arzte laufen, der dann natürlich sofort allerlei unbequeme Vorschriften machte Uber Dinge, die man thun, und andere, die man lassen sollte, und bei dem schließlich doch Alles darauf hinauslief, sich gut bezahlen zu lassen! Der Schäfer würde die Sache schon wieder in Ord nung bringen. Es schien aber auf die Dauer doch nicht, als ob der Schäfer dies thun würde. Die Anfälle, unter denen Herr Ohl« zu leiden hatte, wurden häufiger und lästiger, und auf einmal fühlte er sich, nachdem er in der Wirthschaft «in«n heftigen Aerger gehabt hatte, so krank, daß er — etwas Unerhörtes für den „immer so gesunden" Mann — sich niederlegen mußte. Nun plötzlich verlor er alle» Vertrauen zu dem klugen Schäfer und seinen Arzneien, und auch Fran Susanne sank bei dem Stöhnen und Klagen de» Mannes schnell der Muth. Es wurde zum Arzte geschickt, der eine bereits weit vorgeschrittene Verfettung der Leber und de» Herzens als Ursache der Krankheitserscheinungen angab, aber obgleich Herr Ohle jetzt keine Kosten scheute, um gesund zu werden, sondern sogar in seiner Herzensangst noch einen zweiten Arzt hinzuzog, war ihm nicht mehr zu helfen. Die Krankheit nahm sogar noch einen schnelleren Verlauf, als selbst die Aerzt« gemeint hatten, und an einem schönen Sommertage trug man Christian Ohle aus seinem Hause hinaus auf den Kirchhof, auf jenen eisenumgittrrten, kleinen Platz, auf dem die stille Lene schon so manches Jahr lag. Was in Frau Susanne's oberflächlichem und selbstsüchtigem Wesen an guten Eigenschaften etwa verborgen lag, hatten dies« schweren Wochen für kurze Zeit an da» Tageslicht gefördert. Auf ihre Art hatte sie den Mann lieb gehabt, und an Pflege, wenn dieselbe wohl auch nicht immer sachgemäß war, hatte e» ihm bei seinem Leiden nicht gefehlt. So einsam wie einst die arme Lene war er nicht gestorben: Frau und Tochter hatten bei seinem Tode an seinem Lager gestanden, wenigsten» vereint durch da» gleiche Gefühl, ihm die Krankheit nach Kräften erleichtert zu haben, durch den gleichen, wenn auch verschieden empfundenen und geäußerten Schmerz um den Scheidenden. Mochte die Frau sonst sein, wie sie wollte, eine Heuchlerin war sie nicht, und die Lhränen, die sie überreichlich vergoß, waren echt. Freilich, es kam für sie hinzu, daß, wenn der Mann starb, fast Alles, was er besaß, an sein einziges Kind fallen mußte, wenn er nicht vorher noch^ andere Bestimmungen traf, und daß Life fast mündig war. Was sollte dann aus ihr, aus Susanne, wer den? So drang sie denn, von einem Uebermaß an Zartgefühl nie belästigt, in ihn, ein Testament zu machen, damit sie nicht, von der Stieftochter abhängig, in Noth und Elend gerathe, und Christian Ohle, der solche Wünsche ganz begreiflich und berechtigt fand, hatte ihnen nachgegeben. Hätte die Frau zugegen sein dürfen, als er seine letztwilligen Verfügungen traf, so würde freilich das Testament doch wohl noch etwas anders ausgefallen sein, als es sich nun bei der Er öffnung herauSstellte. Anstatt sie zur Universalerbin einzusetzen und die Tochter mit einem Pflichtteil abzufinden, wie Susanne es wohl erwartet haben mochte, hatte Christian Ohle, verführt durch die Eintracht, mit der beide Frauen ihn auf seinem letzten Krankenlager gepflegt hatten, angeordnet, daß Beide sein ge- sammtes Vermögen zu gleichen Tyeilen erben sollten, wobei der Tochter noch das kleine Capital von einigen Tausend Mark, das ihre Mutter einst mit in die Ehe gebracht hatte und das für sie nach dem Tode derselben sichergestellt worden war, obschon es im Geschäfte verblieb, als Vorkehaltsgut zufiel. So waren denn die Beiden, vorläufig gemeinsame Besitzerinnen des Gasthauses. Denn das zeigte sckon der erste flüchtige Blick, den Lise's Bormund in die Geschäftsoücher that: die Vermögens Verhältnisse waren nichts weniger als glänzend und recht ver wickelt; sie waren eben in den letzten Jahren allzu sehr zurück gegangen, und e» mußte einige Zeit verstreichen, ehe sich da über- Haupt ein klarer Ueberblick gewinnen ließ. Was die erste Frau durch Fleiß, Ordnung und unermüdliche Arbeit zusammen gebracht hatte, die zweite hatte es zum größten Theil wieder ver lottert. Die Verhältnisse im Hause und der beiden Frauen zu einander blieben zunächst ungefähr die, welche sie vorher gewesen waren. Innerlich näher hatte Mutter und Tochter die gemeinsame Trauer nicht gebracht. Frau Susanne betrachtete sich nach wie vor al» Jene, die zu gebieten hatte, behielt ihre sämmtlichen Dienstboten und schob die Tochter sachte bei Seite. Nur ein wenig unordentlicher und verfahrener noch wurde die Wirthschaft, da jetzt da» Auge de» Herrn ganz fehlte. Life aber hatte sich so lange gewöhnt, im Hause eine Null zu sein, daß sie jetzt, wo ohnehin noch der aufrichtige Schmerz um den Vater sie tief niedrrdrückte, gar nicht auf den Gedanken verfiel, sie könne irgend welche Rechte in An spruch nehmen, die man ibr bisher verweigert yatte. Dazu lag in ihrem Wesen allzu wenig Herrschsucht. So sah man sie denn jetzt wieder, wie vor der letzten Krank heit de» Vater», einsam Feld und Wald durchstreifen. Da» fein»
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