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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001122010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900112201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900112201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-11
- Tag1900-11-22
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Amtsblatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes nn- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzcile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstnch (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 Tabellarischer nnd Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannohme 25 H (excl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung ÜO.—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. Donnerstag den 22. November 1900. 84. Jahrgang. Zur Entwickelung -er sächsischen Finanzen. v. Die Steuern waren sehr hoch, das Land im Elend, der dreißigjährige Krieg ging zu Ende. Gegen vor fünfzig Jahren war das Land taum zur Hälfte noch steuerkräftig. Man nahm 1641 seine Zuflucht zur Landaccise, indem auf eingehende Maaren 3 Pfennige Steuern für den Thaler Werth gelegt wur den, man erhöhte die Abgabe auf den Eimer Landwein auf acht Groschen, man verwilligte weiter bis 1651 die Nahrungs steuern und außerdem führte man eine neue Steuer ein, die zur Unterhaltung der kurfürstlichen Miliz dienen sollte, die Kopf- und Gewerbe st euer. Jetzt wurde jeder Kopf über 15 und unter 70 Jahren monatlich mit 1 Groschen und das Gewerbe oerhältnißmäßig von 2 Groschen bis 2 Thaler belegt. Wegen ihres Fortlaufes erhielt sie den Namen Currentsteuer und seit dem Jahre 1653 nannte man sie die Quatembersteuer, weil sie auf die vier Jahreszeiten oder cjuatuor toinpoia ausgeschrieben wurde. In Folge derselben ging die oben erwähnte Pfennig steuer während der Jahre 1646 bis 1652 ein. Sie begann aber auch wieder in dem Jahr« 1653, in welchem sich abermals ein ständischer Ausschuß versammelte, der außer der Verlängerung der bisherigen Verwilligungen wiederum 20 000 Fl. Gesandt schaftsspesen und auch noch 2 Pfennige aus der Steuer für die Universitäten bewilligte. Doch trugen die 1653 versammelten Ausschußmitglieder nachdrücklich auf die Abschaffung der nur durch die Kriegsbedürfnisse veranlaßten Landaccise an, aus welcher sich der Kurfürst allmählich auch eine Kammerhilfe ge bildet hatte. Auch war Johann Georg I. Anfangs geneigt, da für ein Aequivalent von 60 000 Thalern anzunehmen. Die Städte, welche diese Summe auf die Steuerschocke repartirt wissen wollten, waren damit einverstanden; allein die Ritter schaft widersetzte sich. So zerschlugen sich die diesfallsigen Unter handlungen auf dem bereits erwähnten Deputationstage vom Jahre 1655, auf welchem außer 10 000 Fl. Gesandtschaftskosten unter Anderem auch 2 Pfennige vom Schock zur Wiederherstel lung der Festungen bewilligt und die Accise beibehalten wurde. Gegen diese machten insbesondere Vie Hansestädte nicht blos schriftliche, sondern auch durch eine im Jahre 1657 nach Dresden reisende Gesandtschaft mündliche Vorstellungen, wobei sie sich auch auf die noch von Johann Georg 1. im Jahre 1618 feierlich be stätigten Leipziger Meßprivilegien beriefen, und man suchte daher imJahre 1658 durch ein mit den fremden Kaufleuten getroffenes billiges Abkommen den Beschwerden der Hansestädte einiger maßen abzuhelfen. Alle diese bisher erwähnten Verwilligungen wurden seit 1635 nicht mit auf die Lauschen bezogen, welche ihre besondere Steuer verfassung behielten, wenngleich die erbländischen Stände im Jahr 1645 den Versuch Machten, sie zu einer Quote zu ihren Staatsabgaben beizuziehen. Doch trugen jene Verwilligungen weniger das Gepräge der Planmäßigkeit, als das der Noth, und wurden für die Unterthemen um so drückender, je mehr Steuer- befreiungen in diesem Zeiträume yervortraten. — Die Steuerfreiheit dcrRittergüter, deren Besitzer indeß doch noch ihr übriges Vermögen bis zum Jahre 1661 ver steuern mußten, wurde seit den Bewilligungen auf dem unter August 1561 gehaltenen Landtage thatsächlich nicht unterbrochen, wenn sie gleich noch mehrmals, wie in den Jähren 1595 und 1631, Anfechtungen erlitt. ' Auch forderte der Kurfürst Christian II. auf dem Landtag des Jahres 1609 eine ordentliche Steuer von den Rittergütern, aber die Ritterschaft verweigerte dieselbe „wegen der vielen Ritterdienste, Aufwartungen bei Hofe und den Geleiten". Indeß, als Johann Georg I. auf dem Land tage 1612 dasselbe Ansinnen wiederholte, beeilte sie sich, um die Freiheit ihrer Güter vor Anfechtungen zu bewahren, eine Summe von 200 000 Gülden als ein freiwilliges Geschenk (Präsentgeld) wegen der rühmlichen Qualitäten und Tugenden des Kurfürsten, wegen seiner Zuneigung zum Adel und wegen der Freude, die di« Beschaffenheit des kurfürstlichen Regiments erwecke, zu bewilligen. Auch auf den Landtagen 1622 und 1631 geschah dies, in welchem letzteren Jahre die Städte nochmals einen Beitrag zur Steuer von den Lehngütern verlangt hatten; allein es blieb noch bei obenerwähnter Summe der Präsent gelder, wenngleich die Ritterschaft dieselbe wegen der vom Kur fürsten erkauft«» Rittergüter vermindern wollte. Nur wurden die Beiträge zu diesem freiwilligen Geschenke noch nicht nach der Zahl der Ritterpferde ausgeschrieben, sondern nach dem Werth: der Rittergüter vertheilt, der in jedem Kreise von adeligen De putaten abgeschätzt wurde. Auch erfolgte dafür keine Erlassung der Lehnsdienste, vielmehr wurde in diesem Zeiträume, wie wir bereits hin und wieder bemerkt haben, die Ritterschaft häufiger als je zu Ritterdiensten aufgeboten, wobei denn öfters der mit der Auslösung auf den Landtagen in Verbindung stehende Solo erwähnt wurde. So im Jahre 1612 wegen etwaiger Unruhen, welche während des Zwischenreiches entstehen könnten, dann 1622, wo man eine größere Bereitwilligkeit zum Erscheinen zeigte, als im Jahre 1620. Als danach 1631 die abermals auf gebotene Ritterschaft nach beendigter Gefahr ihre alsbaldige Entlassung aus dem Dienste forderte, versprach dies zwar de: Kurfürst, aber schon im April 1632 mußte er von Neuem di: Dienste der Ritter in Anspruch nehmen, wobei er ihnen jedoch die Wahl ließ, die Dienste wirklich zu leisten, oder für die einjährig: Befreiung von denselben von jedem Ritterpferve 15 Thaler zu entrichten. Ebenso schrieb Johann Georg I. im Jahre 1639 von jedem Ritterpferde 3 Thaler aus, welche binnen drei Mo naten zu erlegen waren. So wurde in diesem Zeiträume das Abkaufen der Ritterdienst«, von dem man schon früher Spuren findet, ungeachtet jener freiwilligen Geschenke immer häufiger. Erst nachdem die Ritterschaft, erschöpft durch die Lasten des dreißigjährigen Krieges, auf dem Ausschußtage 1653 und auf dem Deputationstage 1655 ihren Lehnsherrn dringend gebeten hatte, sie nicht ohne die äußerste Noth aufzubieten, wurden im Anfänge des folgenden Zeitraumes, auf dem Landtage des Jahres 1657, die Ritterpferdsgeld«r als ein Donatio unter der Bedingung des Erlasses der Ritterdienste außer dem Nothfalle während der Verwilligungszeit dargeboten. Befreit waren im Allgemeinen theilweise die Kammergüter, die geistlichen Dotalgüter, Communegüter; Professoren von der Quatembrrsteuer, Geistliche und Schuldiener von der Trank steuer, daher wohl auch das öftere Vorkommen von von Geistlichen gehaltenen Wirthshäusern und Angriffe auf diese Freiheiten. Die Stifte, welche ihre eigenen Steuern erhoben, wurden nur theilweise zur staatlichen Steuer herangezogen. Unter Johann Georg II. wurde die Steuerdrückerei noch größer und verworrener, da sich die Linie, dem Testamente des Vaters gemäß, theilte. Das Land schien 1657 vor einem Bankerott zu stehen. Endlich trat der denkwürdige Landtag von 1660 zusammen. Mit Nachdruck ürang der Landtag auf Ab stellung der Mißbräuche im Steuerwesen, um den Credit des Landes zu retten, sowie auf Berücksichtigung der Gläubiger, insbesondere der milden Stiftungen. Der Kurfürst schlug vor, die bisherigen Ober- und Kreissteu«reinnehmer zu entlassen und jeden Regenten (ihn und seine drei Brüder; August zu Querfurt-Weißenfels, Christian zu Niederdeutsch-Zörbig, Moritz zu Henneberg-Voigtland) mit der Steueraufsicht zu betrauen.! Eine Revision der Veranlagung der Bcsoldsteuer (Landsteuer) sollte der großen Kosten wegen unterbleiben, es galt also die Ver- willigung von 1628, wie heute die aus den dreißiger Jahren gilt, weiter, die Abrechnung gewisser Rentkammern und Steuern ab geschafft, der kurfürstlichen Kammer wegen ihrer alten Anforde rungen an die Steuer 13 Tonnen Golvgulden Capital gutge schrieben und ihr von den Land- und Tranksteuern, sowie den Ritterschaftssteuern abgetragen und bis dahin mit 5 Procent verzinst werden. Gegen einen solchen Vergleich erhoben sich die Stände energisch. Sie hatten schon früher auf die Anzahl Ab gaben hingewiesen (Landsteuer, Tranksteuer, Feuersteuer, Accise, Quatember, Kammerhilfe, Preß- und Pferdegelder zu Leipzig, Festungsbaugeldcr, Defensionswartegelder, Defensionssteuer, Extraordinarsteuer, Römerzüge, Kriegssteuer, Landtagsunkosten, Rentschaftssteuer, Weinsteuer und noch mehr, etwa dreißig) und betonten nun, daß „vermöge heilsamer Verfassung der Landesfürst in wichtigen, sein und des Landes Wohlfahrt be treffenden Sachen immer ohne Rath und Einwilligung der Landschaft gehandelt habe". Der Kurfürst sah dies ein, und es kam zu einem Steueroergleich, indem der Landschaft Sitz und Stimme in der Obersteuereinnahme eingeräumt blieb. Zugleich wurde eine Conversion der Zinsen vorgenommen. Das kurfürst liche geliehene Kammercapital wurde mit 5 Procent verzinst, ebenso das von den Kirchen, Schulen, milden Stiftungen und städtischen Communen geborgte, während der Zinssatz der an deren Gläubiger von 4 auf 3 Procent herabgesetzt wurde. Man sieht, wie hock die Noth des Landes gestiegen war. Und trotz dem lebte Johann Georg I. prunkvoll und seine Schösser be reicherten sich aus den Abgaben des Voltes. Die Landaccise wurde gegen ein Aequivalent aufgehoben, di« Accise auf fremde Maaren blieb, obgleich die freihändlerischen Stände sich für Aufhebung aussprachen. Noch höher stiegen die Lasten unter dem kriegerischen Johann Georg III., welcher einen durch mannigfache Veräußerungen von Aemtern, Dörfern, Gütern, Zinsen u. s. w. so zerrütteten Zustand der Kammer vorfand, daß die kurfürstlichen Einkünfte an 100 000 Thaler jährlich verloren. Gegen das Vorhaben des Kurfürsten, solche abgekommene Stücke seinem Hause wieder zuzueignen, traten die Stände im Jahre 1681 auf und wollten dies nicht ohne Untersuchung, damit Ungerechtigkeit verhütet werde, geschehen lassen, wiewohl sie sich auch 1689 und 1692 über das Verfahren dec zu diesem Zwecke niedergesetzten Commission beschwerten, in dem sie eine Schmälerung des Landescredits er blickten, da sich die Meinung verbreitet habe, als wenn in Kur sachsen der Grundsatz gelten solle, daß der Regierungsnachfolger nicht an die Handlungen seiner Vorfahren gebunden sei. Der Kurfürst versprach bei der Zurücknahme jener Veräußerungen rechtliche Gebühr beobachten zu lassen. — Die Zerrüttung des Kammerwesens hatte auch die Veräußerung beträchtlicher Theile des zu 13 Tonnen Goldes berechneten kurfürstlichen Capitals in der Steuer zur Folge gehabt, welche 1681 die Landschaft auf Verlangen Johann Georg's III. durch eine Verwilligung von 500 000 Fl. ergänzte, sowie sie 16 000 Fl. zur Tilgung rück ständiger Dienerbesoldungen und 3 Quatember und 3 Pfennige wegen stattgefundener Vorausnahmen in der Steuer bestimmte. Ebenso gelang es dem Kurfürsten, die Wiedereinführung der Landaccise dürchzusetzen, da er durch das dafür seinem Vor gänger früher gewordene Aequivalent sich nicht hinreichend ent schädigt glaubte. Von 1681—1687 betrugen die verwilligten Abgaben gegen 8 518 517 Fl. 13 Gr., wozu die Kriegslust Johann Georg's III. mit Veranlassung gab, weil insbesondrre die seit 1681 gewöhnlich zu 700 000 Rthlr. jährlich berechneten Milizgelder sich unter ihm und auch unter seinen Nachfolgern, worauf wir noch zurückkommen werden, vermehrten, während die Stände immer wieder aufs Neue Kammerschulden, wie auf dem Landtage 1692 150000 Fl. auf auf dem Landtage 1694 bis 1695 250 000 Fl., übernehmen mußten. Weder die be deutenden Zuschüsse, noch die außerordentlichen Verwilligungen an Quatembern und Pfennigen, noch versuchte neue Auflagen (z. B. Mahlgroschen, Stempeltaxe), noch Darlehne (wie das, welches von der Steuer mit 150 000 Thlr. im Jahre 1694 auf' genommen werden sollte) vermochten dem Wachsen des Uebels Einhalt zu thun. Vergebens suchte man auch die Gläubiger durch das Versprechen von 6 Procent Zinsen anzulocken. Das Obersteuercollegium mußte 1694 bestimmt erklären, daß es sich außer Stande sehe, die rückständigen Zuschüsse (239 982 Thlr.) aufzubringen. Und doch verlangte der Kurfürst Fried rich August auf seinem ersten Landtage 1694/95 nicht blos die Fortdauer der sämmtlichen bisherigen Verwilligungen, son dern auch manche neue. Die wehmllthigen Vorstellungen der Stände mit Rücksicht auf die gesunkene Nahrung des Landes und den jammervollen Zustand der Steuerpflichtigen schienen nicht zu wirken; vielmehr trat Friedrich August am 14. März 1695 mit neuen Anforderungen auf. Da riß den Ständen Kursachsens endlich die Geduld. Am 16. Märe 1695 war es, als sie folgende Erklärung feierlich ablegten: „Es liegt uns als treuen Vasallen und Unterthanen ob, die Wohl fahrt Ew. Kurf. Durch!, und Dero hohen Kurhauses, auch ge jammter Lande vor Augen zu haben, und auf die Erhaltung derselben, als worin das wahre Interesse Ew. Kurf. Durchlaucht besteht, auch auf die schweren Pflichten, so wir ob uns, und auf die Verantwortung, so wir bei Gott und der Nachkommenschaft zu thun haben, unser Absehen zu richten. Es kränkt uns höchst schmerzlich, daß wir ohne alle unser Verschulden und mit einem bei den Kurfürsten von Sachsen (welche ohnedieß in den Historie-i wegen ihrer hohen Milde und Gnade gegen Dero Land in sonderheit berühmt) nie erhörten Exempcl, ungeachtet alles unsers beweglichen Bittens, nicht die geringste Erleichterung von den Postulatis erhalten können, vielmehr immer noch ein Mehreres gefordert werden will; können daher nicht begreifen, wie Ew. Kurf. Durchl. noch bei Lebzeiten Dero in Gott ruhen den Bruders Kurf. Durchl. uns jederzeit bekannt gewesenes barmherziges Gemüth sogar von uns abgewendet zu haben scheint; daher wir uns nicht anders einbilden können, als daß einige gegen uns widrig Gesinnte, da wir doch solche nicht wissen, auch selbigen Anlaß dazu gegeben zu haben uns nicht erinnern können, uns in dergleichen Ungnade zu sehen Ursach geben müssen. — Dafern aber Ew. Kurf. Durchlaucht, wie wir dock nicht hoffen wollen, allen unfern unterthänigsten Bitten, Flehen, Vorstellungen und Entschuldigungen ungeachtet, bei den Postu latis bestehen, und selbige zum Effect bringen zu lassen wirklich gemeinet, wollen wir vor Gott und aller Welt an dem daraus entstehenden Unheil entschuldigt sein und mög«n es diejenigen schwer verantworten, welche Ew. Kurf. Durchl. hierzu rathen. Wir sind hingegen in unfern Herzen und Gewissen versichert, daß wir zu dessen Abwendung alles dasjenige gethan, was uns als treuen Vasallen und Unterthanen, unserer obhabenden schweren Pflicht nach eignet und gebühret." — In Folge dieser kräftigen Vorstellung ließ der Landtagsabschied vom 31. März 1695 die Abgaben nicht nur fast in demselben Maße, wie bei dem vorigen Landtage bestehen, sondern es wurde auch die Kriegssteuer ansehnlich vermindert. Fenilletsir. ... Frau Hertha's Schwärmerei. Von R. T a r i n a. Nachdrul v-rbsttn. Frau Hauptmann Hertha MUHlenbrink war eine allerliebste kleine Frau. Allzeit munter und vergnügt und ihres Gatten Stolz und Freude. Aus ihrer Backfisch- und Mädchenzeit hatte sie ihren leichten, heiteren Sinn, aber auch ihre Schwärmerei mit in die Ehe hinllbergenommen. Frau Hertha schwärmte un sinnig für Theodor Körner. Ueberhaupt das zweierlei Tuch! Nur einem Officier wollte sie ihre Hand zum Bund fiir's Leben reichen, und einen Officier hatte ihr auch ein gütiges Geschick bcschrert. Aber Theodor Körner, dieser Vereinigung von Dichtersinn und Heldenmuth, gebührte die Krone von allen Namen, die in der Geschichte glänzen. Heute blitzten Frau Hertha's Augen in einem ganz beson deren Glanze. Der Augenblick war gekommen, der Verehrung für ihren Lieblingshelden greifbaren Ausdruck zu verleihen. Freilich, ihr gestrenger Herr Gemahl durfte nichts von ihrem Plane ahnen. Die erste Heimlichkeit in ihrer sechsjährigen Ehe! Doch Georg hatte ein so unangenehmes Lächeln und ein so geringschätziges Achselzucken für diese Kindereien, wie er es nannte. Nein, kein Wort davon durfte über ihre Lippen kommen. Der Abend eines schönen Septembertages sank herab. Die Dämmerung trat ein, und in ihrem Schutze wanderte Frau Hauptmann Mühlenbrint mit ihrem fünfjährigen Töchterchen durch die Promenaden der kleinen Garnison Z. dem Postamt zu. Der Weg durch die Stadt wäre näher gewesen, doch Hertha fürchtete, Bekannten zu begegnen. Hier war es, Gott sei Dank, menschenleer. Kleinstädter gehen nicht nach Sonnenuntergang in den Anlagen spazieren. Ach, überhaupt diese Kleinstädter! Hertha war diese Menschensorte ganz besonders verhaßt. Der enge Horizont! Wenn eine dieser Seelen geahnt hätte, was sie zu thun im Begriff stand, man hätte sie reif fiir's Irrenhaus erklärt. Ein wenig bang war es Hertha doch. Aber, was thut man nicht für ein angebetetes Ideal! Klein-Evchen stöhnte: „Ach, Mutti, sind wir nicht bald da?" Klein - Evchen trug einen ziemlich umfangreichen Papp kasten. In dem Kasten lag der schönste Kranz, der je ein Denk mal geziert. Halb Lorbeer, halb Eiche, mit einer schönen, schwarz- weiß-rothen Schleife versehen. Dieser Kranz sollte morgen, am hundertjährigen Geburtstage Theodor Körner's, das Standbild ihres Liebling» in D. schmücken. „Gieb her, mein Kind", sprach Frau Hertha, und bemächtigte sich selbst des Kastens, ihre Blicke nach allen Seiten schweifen lassend. Wenn man die gnädige Frau mit einem solchen Packet gesehen hätte! Auf dem Postamte reichte sie den Kasten mit der obligaten Postanweisung, auf der sie wohlweislich die Stelle für den Namen des Absenders frei gelassen, in den Schalter. Erleichtert aufseufzcnd, wandte si« sich zum Gehen. „Gnädige Frau haben vergessen den Absender " Halb vertraulich, halb überlegen lächelte der Postbeamte sie an. „Darf ich vielleicht gleich selbst ausfüllen?" In Frau Hertha's Wangen stieg brennendes Roth. Was bildete der unverschämte Mensch sich ein? Das war ja gerade, als hätte er sie, Frau Hauptmann Mühlenbrink, auf heimlichen Schleichwegen ertappt. „Wenn Sie die Güte haben wollen", sagte sie von oben herab in gletscherhafter Kälte, und wunderte sich in ihrer Aufregung gar nicht, daß der Postbeamte ihren Namen nebst Wohnung ohne jede Frage vorschriftsmäßig ausfüllte. Zwei Tage waren vergangen, und Familie Mühlenbrink saß im traulichen Wohnzimmer um den Kaffeetisch vereinigt. Frau Hertha war sehr gespannt auf den Bericht über die Feier am Körner-Denkmal. Aber laut althergebrachter Ueberlieferung hatte ihr Gemahl das Vorrecht beim Lesen des „D.'rr Anzeigers". In einer wohlgeordneten Ehe liest immer der Mann zuerst die Zeitung, und die bessere Hälfte wartet geduldig, bis auch für sie etwas abfällt. Frau Hertha konnte beinahe ihre Ungeduld nicht mehr be zähmen. Sie suchte in den Zügen ihres Mannes zu lesen. Da, was war das? Eine dunkle Röthe des Zornes stieg in seine Wangen. Mit der geballten Rechten schlug er auf den Tisch, daß sämmtliches Kaffeegeschirr Walzer zu tanzen begann. Hauptmann Mühlenbrink stieß einen so fürchterlichen Kernfluch aus, wie ihn wohl der Exercierplatz oft, doch seine vier Wände noch nie zu hören bekommen. Hertha fuhr erschrocken empor. „Was ist?" frug sie zitternd. „Bist Du von Sinnen?" fuhr er sie an. „Wie kannst Du Dich unterstehen, auf eig'ne Faust, — nein, da hört wirklich Alles auf!" „Ach, bitte, willst Du mir nicht sagen " „Schweig!" donnerte er seine Frau an. „Mit dem Haupt mann ist's aus. Nun kann ich mich ja nach einem Schreiber posten umsehen. Und Alles wegen dieser Kindereien! Wir sind unsterblich blamirt, und Du bist an Allem schuld!" Frau Hertha hatte unterdessen das Zeitungsblatt zu sich herangezogen. Ihr Blick fiel auf die Schilderung der Denkmals feier. Da, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, ihr war », al« thäte sich ein tiefer Abgrund vor ihr auf; da stand klar und deutlich zu lesen: „—Verschiedene Studentenschaften, (die alle einzeln aufge- fllhrt waren), legten Kränze am Denkmal nieder. Einen prachtvollen Kranz aus Lorbeer und Eiche hatte eine warme Verehrerin des Dichters: Frau Hauptmann Mühlenbrink aus Z., gesandt." — „Ach, hätte ich das gewußt", sprach sie mit bleichen Lippen. „So sag' doch wenigstens ein Wort, ehe Du solche Ge schichten anfängst!" Hertha schluchzte. „Wie oft habe ich Dir gesagt: hüte Dich vor der Oeffentlich- teit! So viel Standesbewußtsein hätte ich Dir wenigstens zu- getraut, daß Du nicht unseren Namen durch alle Blätter trage» läßt! Das kann ja nun in diesem Nest nett werden!" Frau Hertha schluchzte ärger. „Dieser entsetzliche, unverschämte Postbeamte!" „Welcher Postbeamte?" frug er streng. Von Schluchzen und Thränen unterbrochen, bekannte Frau Hertha ihre ganze Heimlichkeit. „So, so, an Museumsdirector Werther hast Du den Kranz geschickt. Wenn Du etwas nachdenkst, wirst Du Dich erinnern, daß ich Dir schon von ihm erzählt habe. Er war der beste Freund meines Vaters. Wird sich wundern, was für eine über aus ideal angelegte Frau sich der praktische Georg gewählt hat!" Mit diesen, in beißender Ironie hervorgestoßenen Worten schritt er zur Thür und warf dieselbe mit einem kräftigen Knall zu. Bald verkündete ein zweiter, wenn möglich, noch kräftiger'! Knall der Corridorthür, daß er das Haus verlassen. Frau Hertha war fassungslos. Also auch noch ein alter Bekannter! Das wurde ja immer besser! Als praktische kleine Frau wußte sie, daß ein gut zu bereitetes Lieblingsgericht auf eine verdüsterte Männerseele wirken kann wie Vollmondschein auf ein Dichtergemüth. Ein gutes Mittagessen hat immer etwas Beruhigendes, Erheiterndes, Besänftigendes. Heute schlug diese so oft praktische erprob'.« Weisheit nicht an. Auf Hauptmann Miihlenbrink's Stirn lag ein ganzes Gewitter von Wolken, und dies klärte sich auch nicht auf, trotz der saftigen Lendenbeefsteaks und der süßen, zarten Schotenkrrne. Am Abend gab es sogar eine zweite schwere Ent ladung. Das Z.'er Blättchen, das Abends erschien, brachte den selben Bericht, nur mit dem Unterschiede, daß der Name: Frau Hauvtmonn Mühlenbrink aus Z., fettgedruckt zu lesen war. Wüchrnd schleuderte Georg MUHlenbrink das Blatt in die Ecke, wütheud griff er nach der Mütze, in's Officierscasino zu gehen. So bittere Thränen hatte Hertha noch nie in ihr Kopfkissen gew-'nt wie an diesem Abend. Der nächste Morgen brachte ihr einen zwar noch etwas kühl:» Kuß ihres Gemahls auf die Stirn ein; aber es war doch imn-crhin ein Kuß. Weiter brachte der Morgen einen Br es. Ein Brief erfreut den Empfänger immer, wenn er sich mich späierhin boshafter Weise als eine Rechnung oder eine Gerichts Vorladung ausweist. Dieser Brief war aber ein wirklicher Frcudenorinaer. Er war vom Museumsdirektor Werther, und erging sich in sc-ncin ersten Theil, der an Frau Hertha gerichtet war, in höchst schmeichelhaften Lobreden über die echt Vater ländische Gesinnung, die, wie der Kranz bewiesen, auch in den Herzen der deutsche» Frauen noch nicht ausgestorben sei. Don der Pflege des Ideale», die nur so recht das Frauenherz aus führen könne, und schloß mit Bismarck s Worten: „Deutsch lands Zukunft liegt in den Händen der Frauen." In dem zweiten, etwas kürzeren Theile, richtete sich der Schreiber an Herrn Hauptmann Mühlenbrink. Er gedachte der alten Freundschaft und beglückwünschte seinen lieben Georg zu einem so herzigen und patriotischen Frauchen. Nachdem Frau Hertha gelejen, reichte sie ihrem Gatten drn Brief. Er las, und las noch einmal, und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Jedes Ding hat zwei Seiten. Von dieser Seite hatte er die Handlung seiner Frau »och nicht betrachtet. Er wirbelte seinen flotten Schnurrbart in die Höhe. „Hm", machte er, und legte den Brief auf den Tisch, genau -wischen sich und seine kleine Frau. Dann stand er auf und betrachtete gedankenvoll den in dunkler Bläue strahlenden Sep temberhimmel. Hertha's Augen folgten gespannt seinem sonderbaren Be nehmen. Plötzlich wandte er sich um und war mit drei Schritten bei ihr. Er nahm Hertha's lockiges Köpfchen in seine beiden Hände und bedeckte Augen, Lippen und Wangen mit heißen Küssen. „Du lieber, kleiner Racker! So ein Tollkopf! Wie konntest Du cs nur über s Herz bringen, keinem Menschen ein Wort zu sagen?" Klein-Evchen stand dabei und betrachtete mit auf dem Rücke» zusammengelegten Händchen aufmerksam die VersöhnungSscene. Bei den letzten Worten des Vaters warf sie sich mächtig in die Brust und sagte: „Aber Papa, ich habe es ja gewußt!" Hertha und Georg brachen Beide in ein herzliches Gelächter aus. Was noch von Groll in ihren Herzen war, ging unter in dem erquickend«» Lach«n. Mittags wurde einer Wittwe Cliquot der Hals gebrochen. Die Versöhnung war nach allen Regeln der Kunst besiegelt. Frau Bertha schwärmt nach wie vor für Theodor Körner, doch ist sie in den Aeußerungen ihrer Schwärmerei etwa» vorsichtiger geworden.
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