Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.11.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001123012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900112301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900112301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-11
- Tag1900-11-23
- Monat1900-11
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS.PreiS k der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und dea Vororten errichtete» An»» gabestelleu 'bgeholt: vierteljährlich 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vterteljährl. ^tl 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaafschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem- bürg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaatrn, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition dieses Blattes möglich. Die Moraen-Ausgabe erscheint um >/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Nedaction und Erve-Moy: Ivhanni-gasse 8. Filialen: Alfred Sahn vorm. O. Klemm'» Tortim. Universitätsstraße 3 (Pauliuum), Louis Lösche, Katbarinenstr. 14, part. und Sönigsplatz 7. 588. Morgen-Ausgabe. MpMerTaMM Anzeiger. ÄmlsVtatt -es königliche« Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 23. November 1900. Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (»gespalten) 75 Lp vor den Famtliennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung «0.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 94. Jahrgang. Rußland und die Türkei. Man schreibt uns: Der gegenwärtige Aufenthalt des Zaren Nikolaus am Süd ufer der Krim hat in Konstantinopel den Anlaß gegeben, mehrere Würdenträger nach Livadia zu entsenden, um den Kaiser die Grüße des Sultans zu überbringen. An und für sich bildet die türkische Mission noch kein Ereigniß von irgend wie hervor ragender politischer Bedeutung. Wenn ein Herrscher sich an den Grenzen seines Reiches aufhält, so erfordert es die Etikette, daß der benachbarte Souverän ihn durch einen eigens dazu bestimm ten Gesandten in feierlicher Weise begrüßen läßt. So wird es in allen europäischen Staaten seit langer Zeit gehalten, und die Unterlassung dieser Vorschrift der höfischen Regel würde allenthalben berechtigtes Aufsehen machen. Auch zu Lebzeiten des Kaisers Alexander's III., der ebenfalls gern die Krim be suchte, wurde diese Form genau erfüllt. Man hat aber gleichwohl der türkischen Gesandtschaft, die dieses Mal zu Nicolaus II. reiste, eine größere Bedeutung beige legt und ist der Meinung, daß neben den üblichen Begrüßungs formalitäten auch politische Dinge zwischen den Diplomaten Leider Staaten verhandelt und entschieden werden sollen. Dafür spricht schon der eine Umstand, daß der ehemalige Minister des Auswärtigen, Turkhan Pascha, an der Spitze der Mission steht. Auch die gleichzeitige Anwesenheit des Botschafters Sinowjew am Hoflager des Zaren verdient bemerkt zu werden. Wenn es sich lediglich um die Erfüllung höfischer Pflichten handelte, so wäre Herr Sinowjew schwerlich vom Bosporus in die Krim gefahren und würde nicht vom Herrscher und vom Grafen Lamsdorff zu eingehenden Konferenzen hinzugezogen worden sein. Und zwar, noch bevor die türkische Gesandtschaft in Livadia eintraf. Berücksichtigt man ferner die gegenwärtige Weltlage, so ist es begreiflich, wenn die russische und die tür kische Regierung eine Aussprache über die schwebenden Fragen wünschen. Officiös ist bereits der Versuch gemacht worden, den Zweck der Reise der türkischen Würdenträger als einen verhältnißmäßig harmlosen hinzustellen. Aber gleichzeitig hat man zugegeben, daß die Bagdad-Bahn und die Reise des kretischen Obercom- missars Gegenstand der Erörterung in Livadia waren. In der That dürften hierüber die russischen und die türkischen Diplo maten conferirt haben. Aber das allein hat doch kaum die Reise der Türken und des Botschafters Sinowjew nothwendig gemacht. Rußland fühlt, daß jüngst seine Weltstellung durch verschiedene Ereignisse eine Erschütterung erfuhr, und sieht sich deshalb nach Freunden und Bundesgenossen um. Die Pforte kann ihm nach mehrfacher Richtung Nutzen bringen, seine Position stärken und ein beachtenswertheS Gegengewicht gegen seine Gegner in Asien werden. Es ist vollkommen erklärlich, wenn die Peters burger Staatsmänner die Möglichkeit einer Annäherung an die Türkei zu benutzen suchen. Die Beziehungen beider Staaten haben sich in den letzten Jahren oft geändert. Auf die „Schuhpolitik" aus dem Beginn der Regierung Nicolaus' II. folgte eine Periode großer Zurück haltung. Das Eintreten Rußlands für das niedergeworfene griechische Königreich verdarb das Verhältniß füc längere Zeit. Die russische Diplomatie trat auf einmal schroff und rücksichtslos gegen die leitenden türkischen Kreise auf und fühlte sich selbst beim Beginn der Verhandlungen über die kleinasiatischen Eisen bahnen kaum veranlaßt, ihre Haltung zu ändern. Man forderte und drohte in einer die Pforte verletzenden Form. In Peters burg glaubten die leitenden Kreise die Rücksicht am Bosporus außer Acht lassen zu können, weil die Stellung des Reiches außer ordentlich sicher und fest erschien. In China war die zarische Regierung maßgebend geworden, die Alles zu erreichen ver mochte, und deren Wünsche ohne Weiteres Erfüllung fanden. In Persien trat der Einfluß der Petersburger Diplomaten noch stärker und nachdrücklicher zu Tage. Seit dem Abschluß des bekannten Eisenbahnabkommens ist die Abhängigkeit des Schah vom Kaiser von Rußland endgiltig besiegelt und kichert dem Letzteren die Vorherrschaft in Vorder- und in einem großen Theile Mittelasiens zu. Auch in Afghanistan war das Ansehen des Zarenreiches auffällig gewachsen, und der Emir bot England nicht mehr die Gewähr einer sicheren und zuverlässigen BundeS- genofsenschaft. Zu dem Allen kam noch die Fesselung Groß britanniens im Süden Afrikas, die den Russen ihre vielen asiati schen Operationen erleichterte. Man hatte in Petersburg mit einem Worte genügend Ursache, zufrieden zu sein und mit ruhiger Gewißheit der Zukunft in die Augen zu sehen. Die Pforte kam Lei den weitreichenden Plänen des Zarenreiches als ent scheidender Machtfactor eigentlich nur wenig mehr in Betracht. DaS Wohlwollen und die Freundschaft Abdul Hamid's spielten zeitweilig für Rußland keine sonderliche Rolle. Man war über zeugt, auch ohne dieselben seine Ziele zu erreichen. Manche- hat sich seitdem wesentlich geändert. Mit China steht Rußland thatsächlich im Kriegszustände, und die Versicherungen der Blätter, man «volle nur die Ordnung im Reiche der Mitte her« stellen, werden schwerlich die dortigen herrschenden Kreise über die Lage der Dinge Hinwegtäuschen. Und sollte auch der Einfluß der zarischen Diplomatie unerschüttert in China bestehen, so würde daS den Russen doch augenblicklich wenig helfen. Durch ihre theilweise Absonderung von Europa sind sie in Ostasien thatsächlich in bedeutende Schwierigkeiten gerathen, deren Folgen noch gar nicht abzusehen sind. Dazu kommt dann noch der jüngst zwischen Deutschland und England geschloffene Vertrag, der Rußland, auch wenn man eS nicht zugeben will, in hohem Maße unangenehm ist und sein Vordringen im Osten sicher hemmt. Man hat es im Hinblick auf diese Ereignisse nunmehr in Petersburg für nöthig befunden, sich auf «in Mal der „Freund schaft" des Sultans zu erinnern. ES kann unmöglich einem Zweifel unterliegen, daß während der Conferenzen in Livadia unter Anderem auch die Lage in China, die Haltung deS Schah und de» Emirs von Afghanistan, sowie besonders der deutsch englische Vertrag Gegenstand der Erörterung gewesen sind. Rußland wird sich jetzt Mühe geben, das alte Verhältniß zu der Pforte wiederherzustellen, um am Großherrn eine Stütze gegen di« Briten zu gewinnen. Diese Stütze wäre im Verein mit Persien beachtenSwerth und wird sich voraussichtlich um so be reitwilliger finden, al» die Engländer bekanntlich auch in türki sches Gebiet hinübergreifen und durch ihr Vorgehen in Klein asten und Arabien wiederholt den Unwillen und da» Mißtrauen Abdul Hamid'» wachgerufen haben. Daß es schon jetzt zu einem förmlichen Vertrage zwischen Rußland und der Pforte kommen sollte, glauben wir mcht, denn ganz ohne Weiteres werden sich die türkischen Staatsmänner den Russen gewiß nicht in die Arme werfen. Aber denkbar ist es, daß gewisse Möglichkeiten eines gemeinsamen Handelns be sprochen worden sind, für den Fall, daß die Ansprüche Groß britanniens neuerdings einen unmäßigen Umfang annehmen sollten. Die russischen Diplomaten werden das notorische Miß trauen der Pforte gegen Großbritannien nach Möglichkeit schüren, und sie werden wahrscheinlich nicht nur die gewünschten klein asiatischen Bahnen, sondern auch feste Zusicherungen gegen Eng land erhalten, die die Weltlage erheblich beeinflussen müssen. Wir sehen hier somit eine neue, beachtenswerthe Gruppirung erstehen, deren Wirkungen die Lage in Europa und Asien beein flussen werden und schwerwiegende Veränderungen schaffen können. Man wird sic bald genug zu spüren bekommen. Die Wirren in China. Amerikanische Wünsche. „Daily Telegraph" meldet aus Washington vom 21. d. M.: Mac Kinley und seine Natbgeber erwägen zur Zeit die Möglichkeit, daß die Vereinigten Staaten für den Fall einer Äuftheilung CbinaS genölhigt sein könnten, einen Handelshafen in China zu erwerben. Der Präsident habe einem Herrn, der in Ostasien Geschäfts interessen hat, versichert, dies werde der Fall sein, wenn es thatsächlich zu einer Tbeilung Chinas komme. Tie Haltung Rußlands. Die Petersburger „Nowosti" sagen in einem Leitartikel über die russisch-deutsche Chinapolitik, daß in dieser Frage zwischen beiden Mächten kein Antagonismus bestanden habe. Der Reichskanzler Graf Bülow habe in seiner Rede die Sachlage richtig beurtheilt. DaS Blatt hebt die Worte des Reichskanzlers über daS Be stehen guter Beziehungen zwischen Deutschland und Ruß land hervor. — „PeterSburgSkija Wjedo- niosti" stimmen dem Grafen Bülow darin bei, daß Niemand die Ehrlichkeit der deutschen Politik anzweiselr. DaS Hauptmotiv für die Zustimmung der Mächte zur Ernennung deS Grafen Waldersce zuiu Obercommanbirenden sei aber die Ermordung des deutschen Gesandten Frbr». v. Ketteler ge wesen. Damals war die Befreiung der Gesandten die Auf gabe der Verbündeten. Jetzt haben sich die Verhältnisse ge ändert, und die Interessen der einzelnen Mächte sind ver schieden. DaS Blatt tritt daher für ein Separalab- kommeu Rußlands mit Cbina ein. Der „Russische Invalide" berichtet aus PortArthur, daß die Rückkehr von Theilen der dritten, vierten und fünften Schützenbrigade aus Ostasien begonnen habe. Am 15. November traten auf dem französischen Dampfer „Ville Tematave" 12 Officiere, 4 Beamte und 666 Soldaten vom Stabe des 1. Bataillons des 13. Sckützen-Regiinents, sowie 2 Officiere und 130 Soldaten der 1. Batterie der 4. Schützcn- Artillerie-Division von Port Arthur aus die Heimreise an. Am 18. November schifften sich an Bord des Dampfers „Tambor" die übrigen Theile der genannten Truppen körper ein. Der Krieg in Südafrika. Krüger in Marseille. Gestern, kur; nach 9 Ubr Vormittag-, lief das Kriegs schiff „Gelderland" im Hafen von Marseille ein und gab einen Salut von 21 Schuß ab, den die Hafenbatterie er widerte. Am Landungsplätze hatte der EmpfangSauS- ausschuß Aufstellung genommen, gegenüber dem Landungs plätze hatten sich Militärvereine mit ihren Fahnen aus gestellt. Im Hafen umschwärmten zahlreiche Boote daS Kriegsschiff „Gelderland", aus der Volksmenge ertönten von Zeit zu Zeit die Rufe: „Es lebe Krüger!" „Hoch Sie voeren!" Um 10 Uhr brachte eine Schaluppe den Dolmetscher deS Präsidenten Krüger an- Land, der dem EmpfangsauS- schusie mittheilte, daß die Landung Krüger'S erst gegen Mittag erfolge» könne. Krüger landete um II Uhr unter den begeisterten Kunbgebnngttt einer gewaltigen am Quai versammelten Menschenmenge, die fortwährend Hochrnfe auf Krüger und die voeren ausbrachte. Vorher hatte Krüger an Bord der „Gelderland" die Mitglieder der Boerenmission und den Gesandten vr. LeydS empfangen und mit ihm eine Berathung abgehalte». John Henrik Hof meier, ehemaliger Capminister, der sich in einer Familienangelegenheit vorübergehend in Prag aufhält, erklärte einem Redacteur deS „Prager Tageblattes" gegenüber den beinahe sagenhaft gewordenen Widerstand deS General» Tevet abgesehen von allen patriotischen Empfindungen dadurch, daß ihm seine, sein ganze« Vermögen reprasentirende Farm nieder gebrannt, sein Vieh weggeführt unv Alles vom Grund auS zerstört wurde. Dewet schwor, daß da» Vermögen, welches er hierbei verlor, den Engländer« hundert Mal so viel kosten solle. * vlaemsantet«, 22. November. (Telegramm.) Die Voeren erlitten am 18. November eine Niederlage bei Habersvan. Der Commaudant Brand wurde verwuudet. DI« Lanzenretter machten rin« Attacke ans die fliehende« Boer«, die durch Granat feuer von den Hügeln vrrtriebra wurden und große Verluste hatte». Bei Credock wird zum Schutze von Bloemfontein ein neues Fort gebaut. (Reuter'» Vorra«.) Grausame Kriegführung. John Morley veröffentlicht in der „Times" eine authentische Schilderung de» Ausplündern» und Nieder brennen» einer südafrikanischen Farm, die ihm von einem In Verantwortlicher Stellung in der Capcolonie lebenden Engländer übersandt und von der Tochter eines Farmers im Oranje-Freistaat verfaßt ist, die den vom 15. October datirten Bericht mit ihrem Namen, Ellie Cronje, unterzeichnet hat. Wir geben die eingehende Schil derung eines offenbar ganz typischen Falles nach der „Frkf. Ztg." hier vollständig wieder: „Unsere Farm liegt drei Stunden von Winburg entfernt. Mein Vater und vier Brüder von mir traten Anfang October in die Commandos ein, der fünfte Bruder ging am 8. Januar zur Front ab. Einer von den Vieren, die zuerst abgingen, wurde krank und kam nach Hause, aber nur für kurze Zeit. Zwei von meinen Brüdern wurden gefangen genommen, einer mit General Cronje im Februar, und einer wurde bei Kodoesrand verwundet und dann nach Bloemfontein mitgenommen. Am 10. Mai besuchte uns mein Vater zum letzten Mal, seitdem Haven wir ihn nicht mehr gesehen. Meine Mutter, sowie eine Lehrerin von einem benachbarten Dorfe und ich blieben vom 10. Mai ab mit den Dienstboten zusammen allein auf der Farm. Eine Woche darauf lagerte General . . . die Nacht hindurch auf der Farm. Am nächsten Tage erhielten wir von zwei Polizisten, die auf Befehl des Provost-Marschall zur Farm hinausgeschickt waren, unsere Pässe. General. . .mit seinen Truppen kam ein paar Tage später vorbei. Und diese lagerten während der Nacht auf der Farm, und der General ließ die Nacht hindurch das Haus von einem Posten bewachen. Nur wenige Soldaten besuchten das Haus, um Nahrungsmittel zu kaufen. Am 6. Juli lagerte General ... ungefähr eine halbe Stunde vom Hause entfernt und blieb dort ein paar Tage. Leutnant M. besuchte mit seinen Leuten und anderen Soldaten das Haus. Sie kauften Nahrungsmittel. Einige bezahlten daS, was sie erhielten, Andere nicht. Sie drangen in jedes Zimmer des Hauses ein, mit Ausnahme des Schlafzimmers meiner Mutter, und sie nahmen viele kleine Gegenstände aus dem Wohnzimmer, dem Eßzimmer und den Schlafzimmern weg, an der Thür des Wagenschuppens war eine Bekanntmachung des Provost-Marschalls angeschlagen, worin es hieß, daß ohne seinen Befehl nichts weggeschafft werden dürfe, aber daran kehrten sie sich nicht, sondern sie nahmen unseren Ochsenwagen, unser Kaffernmehl, Pferdegeschirr und Gemüse, ferner ein« Ladung Fourage, 12 Ochsen, Geflügel und andere Gegen stände. Wir ersuchten Leutnant M. um eine Quittung. Er sagte, wir sollten seine Leute darum ersuchen. Nachdem er fort gegangen war, ersuchten wir seine Leute darum, aber diese sagten, sie hätten kein Recht, Quittungen auszustellen. So er hielten wir für alle diese Dinge nichts. Unsere Ochsen mußte einer unserer farbigen Diener nach Ficksburg bringen, derselbe gab uns nach seiner Rückkehr seinen Paß, auf dem es hieß, man solle ihn nicht behelligen, da er erbeutetes Vieh habe weg treiben müssen. Wir behielten den Paß zu künftigem Gebrauche, aber einige Zeit später verlangte ihn der Kaffer, offenbar auf Anstiftung von irgend einer Seite hin, zurück, und da wir Un annehmlichkeiten befürchteten, gaben wir ihm denselben. Später kamen wiederholt Truppen vorbei, aber dieselben belästigten uns nicht. Im September kam wiederum eine Abtheilung Truppen vorbei. Wir fragten einen Hauptmann, wer der General sei, er sagte uns, es sei General . . . Dies war aber nicht richtig, denn wir erfuhren bald, daß es . . . war. Einige wenige Officiere mit ihren Soldaten, Schotten, sprachen im Hause vor, um Eier, Butter und Schinken zu kaufen, wofür sie bezahlten. Diese Leute waren sehr nett. Dann kam General ... mit einigen seiner Officiere und Mannschaften. Diese waren sehr unhöflich. Sie nahmen den Wagen u. s. w., räumten den Wagenschuppen aus und ließen uns kein Fuhrwerk zurück. Sie nahmen ge trocknetes Obst, Bettdecken, und von dem Dachboden wurde sogar die Kleidung der Dienstboten weggenommen. General. . . ging selbst in die Küche hinein und sagte mir, er werd« das Haus niederbrennen und fragte, was für Gründe ich dafür angeben könnte, daß es nicht niedergebrannt würde. Ich sagte: „Erstens ist es grausam, Familien so zu behandeln, wie Sie es thun, und zweitens, was soll aus meiner armen Mutter werden?" Er sagte: „Sie dürfen jetzt nicht an Ihre alte Mutter denken." Er sagte ferner, wir würden nicht einen Zoll Land bekommen, auch wenn mein Vater zurückkchrte, und außerdem sagt« er, wir seien das listigste, ver schlagenste, schlaueste Volk, mit dem er je zu thun gehabt habe. „Ihr schickt den Boeren hübsche Gegenstände, ihr habt Nach richten von eurem Vater, und wenn wir kommen und fragen, wo die Boeren sind, so stellt ihr euch ganz unschuldig und sagt, ihr hättet sie seit Monaten nicht gesehen." Er ging und schickte dann zwei Wagen, welche Fourage abholten. Am 16. Sep tember fand dicht bei der Farm ein kleines Gefecht statt. Am 17. September kamen sechs Engländer zum Hause und fragten, wo der Eigenthümer der Farm sei, ob er noch beim Commando sei, wo meine Mutter sei und ob einige meiner Brüder kämpften. Wir beantworteten diese Fragen. Dann fragten sie, ob einige Boeren, die am Hause vorbeigekommen seien, darin vorgesprochen hätten, ob einige wirklich in daS Haus eingetreten seien und wer dieselben gewesen seien. Wir antworteten, die Boeren sprächen vor, wenn sie vorbeikämcn. Wie könnten wir es denn auch verhindern, daß unsere eigenen Leute vorsprächen, da wir doch auch den Soldaten nicht den Eintritt verwehren könnten? Die Mutter sagte, sie fragte niemals nach dem Namen, und sie fügte hinzu: „Ich frage Sie auch nicht nach Ihrem Namen, und Sie gehen wieder fort, und ich weiß nie, zu wem ich gesprochen habe." MS sie gerade im Begriff waren, wegzureiten, riefen sie den Kaffern herbei und sagten ihm, er solle meiner Mutter fagen, sie solle ihre Möbel herausschaffen, da sie mit Oberst . . . Leuten zurückkommen und das Haus nrederbrennen würden. Wir hatten ungefähr eine Stunde Zeit und trugen die Möbel auS dem besten Zimmer, zwei Schlafzimmern, unser Clavier und da» Buffet, hinaus. Während wir damit be schäftigt waren, kamen die Truppen. Sie gossen etwas auf den Fußboden, um ihn entzündlich zu machen, und bald stand daS Wohnhaus mit den anstoßenden Seitengebäuden in Flammen, und unser trauliches Heim war dahin. Meine Mutter, die uns befreundete Lehrerin und ich blieben draußen bei den Möbeln, die wir hinausgeschafft hatten, und beobachteten den Brand. Einer der Leute fragte mich, wo wir die Nacht zubringen würden. Ich sagte, wenn ich das Haus verbrannt hätte, würde ich wissen, wohin ich zu gehen und was ich zu thun hätte. Andere sagten: „Das haben Sie den Präsidenten Steijn und Krüger zu verdanken. Warum kommen diese nicht her und ergeben sich? Warum ziehen diese umher wie Räuber?" Dar auf sagten wir: „Diese werden sich nie ergeben; diese kämpfen für ihr Land, und Sie kämpfen gegen Frauen, weil Sie wissen, daß diese nicht Ihre Schüsse erwidern können." Wir fragten auch, ob sie denn nach geben würden, wenn wir gegen sie kämpften und damit be gönnen, ihre Häuser niederzubrennen und ihre Frauen ohne einen Bissen Nahrung in das offene Veldt hinauszuschicken, weil ihre Gatten, Väter und Brüder sich nicht ergeben wollen? Während wir noch immer Sachen heraustrugen, wurden aus den Schub laden des Buffets die Messer und Gabeln weggcnommen und außerdem noch eine ganze Menge Küchengeräthe. Diese Nacht verbrachten wir zwischen den im Freien stehenden Möbeln, während der Wind die Funken vom brennenden Hause über unsere Köpfe Hinwegtrug. Zweimal fingen während der Nacht die Stallgcbäude Feuer, und zweimal mußten wir uns erheben, um das Feuer zu löschen, damit uns für die folgende Nacht ein Obdach blieb. Am nächsten Tage ließen wir die Ställe reinigen und einige von unseren Sachen hineinbringen, und wir schliefen dann in der zweiten Nacht in den Ställen. Dann nahm man uns die noch übrigen Pferde, das Vieh und Anderes weg, und man begann, unsere Schafe zusammenzutreiben. Ich bat darum, man mög« uns eine Kuh lassen, aber die Antwort lautete: Nicht eine, nicht eine! Dann wurden dreizehn Wagen geschickt, um alle obdachlosen Frauen zur Stadt zu befördern. An jenem Tage waren nämlich noch 17 andere Familien obdachlos geworden. Die meisten derselben sind sehrarm und haben viele kleine Kinder. Wir wollten nicht zur Stadt und baten darum, daß man uns auf unserer Farm ließ, und wir hofften, man würde uns in den Ställen wohnen lassen. Aber es half nichts, wir mußten weg. Wir haben ein eigenes Haus in der Stadt, und man versprach uns, wir würden darin wohnen dürfen. Um 10 Uhr wurden wir auf einen offenen Ochsenwagen ge setzt, und um Uhr Abends kamen wir in der Stadt an, nach dem wir den ganzen Tag hindurch der heißen Sonn« ausgesetzt gewesen waren. Der Major sagte ruhig: „Ihr seid ja gewöhnliches Arbeitervolk und seid an solches rauhes Leben gewöhnt." Als wir in der Stadt an gekommen waren, gestattete man uns nicht, daß wir in unser Haus zogen, man schickte uns in den Gasthof und bezahlte für uns. Das war am 20. September. Am 23. September be suchte uns der Commandant und sagte, wir sollten uns entweder nach Bloemfontein oder in die Capcolonie begeben. Sollten wir dies ablehnen, so würden wir zusammen mit anderen Frauen in offenen Güterwagen nach Bloemfontein befördert und dort in Zelten untcrgebracht werden. Das wären seine Befehle. In Winburg befand sich noch eine Anzahl anderer Familien, welche weniger glücklich waren als wir und zusammengedrängt wohnen mußten. Sie erhielten Nahrungsmittel von der Militärbehörde, aber keine besonderen Eßwaaren, die für Kinder, Kranke oder alte Frauen geeignet waren. Diese Leute hatten gar nichts mit- zubringen vermocht. Eine Frau hatte fünf Monate alte Zwillingskinder bei sich, welche ihrer Tochter gehört hatten, die bald nach deren Geburt gestorben war. Als sie damit fortgeschickt wurde, hatte sie um Milch für die Kinder gebeten, aber man hatte ihr keine gegeben. Das sind nur Beispiele von vielen Fällen gleichen Leidens. Diesen unglücklichen Frauen war vom Commandanten gesagt worden, in keinem Falle würde man ihnen erlauben, dort zu bleiben, wo sie wären, sie würden in das Frauenlager bei Bloemfontein geschickt werden. Kann sich Jemand, ohne entrüstet zu werden, das Elend in einem solchen Orte Vorsteven, wo cs keine privaten Wohnräume giebt, wo Alte und Junge zusamengedrängt sind und kaum das zum Leben Nothwendigste vorhanden ist?" Deutsches Reich. * Leipzig, 22. November. Mit der „Leipziger Volks zeitung" ist etwas Seltsames vorgegangen — sie versucht sachlich zu polemisiren. Zwar fällt sie am Schluß ihrer langen Auseinandersetzung über die Ursachen des bei ihr auSgebrockenen Streiks aus der für sie schwierigen Rolle, aber das sei ihr als ein erklärlicher Rückfall in alteingewurzelte schlechte An- gewohnbeiten verziehen. Für den Anfang genüge die Tbat- sache, daß das Blatt sich zu einer Erklärung über den fatalen Streik herbeiläßt. Leider muffen wir nun die Bemerkung machen, daß dem Blatte noch fataler als der Streik selbst daS Bekanntwerden deS Streiks zu sein scheint. Bei einem Blatte, daS so gern die Wäsche anderer Leute wäscht, um sie für schmutzig auSgeben zu können, ist das recht ver wunderlich. Aber e» kommt noch viel Wunderbareres in dem Artikel vor, und daS ist die „Unternehmer moral", die das Blatt als zu Recht bestehend und mit Recht von ihm in die Praxis übersetzt von seiner Rcvaction vertheidigen läßt. Die „Leipziger VolkSztg.", das auf seine Capitalistenfeindschaft so stolze Blatt, proclamirt das Recht deS Unternehmers im eigenen Hause! Nach einer hübschen Auseinandersetzung über die Zweckmäßigkeit der Setzer sparenden Setzmaschinen, die auch von der den Prosit (anderer Leute) hassenden „Volkszeitung" eingeführt worden sind, heißt eS nämlich in dem Artikel weiter: „Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der Maschinensetzer wurden natürlich einige Handsetzer überflüssig. Unsere Ge- schäftSleituug hielt sich im Rahmen der Intentionen der Leipziger Parteileitung, wenn sie bei der Auswahl der zu Ent lassende» «eben der geschäftlichen Tüchtigkeit auch auf die Thätigkeit al» Parteigenossen Rücksicht nahm". Also auf die „Thätigkeit al- Parteigenosse" darf Rücksicht genommen werden, wenigstens von einem social demokratischen Arbeitgeber. Wenn aber ein „Bourgeois" auf die Parteistellung seiner Arbeiter einmal „Rücksicht" nahm, so hat ihn die „VolkSztg." regelmäßig für einen Tyrannen, brutalen Unternehmer oder ähnliches Ungeheuer erklärt. Das wird von jetzt an natürlich anders werden, denn wir er warten von dem „objectiv" gewordenen Blatte, daß e- bei seinen zukünftigen Besprechungen der nun einmal unvermeidlichen Collifionen zwischen den Interesse« von Arbeitnehmern und
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite