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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010906028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901090602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901090602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-06
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Aus Capstadt, Mitte August, schreibt man uns: Durch Verhängung des Kriegsrechts seitens der colonialen Regierung über die Capcolonie ist dem Militär eine weitgehende Macht eingeräumt, und da das Ministerium einmal die Zügel der Regierung aus der Hand "gegeben hat, ist es nicht in der Lage ober darf es nicht wagen, sie wieder straff anzuziehen. Nach der Constitution müßte das Cap-Parlament iclwn vor Ende Juni ;u- sammenberufen sein, um vor dem I. Juli die nöthigen Gelder der Regierung zu bewilligen. Das ist aber nicht geschehen und cs sind auch keine Anzeichen da, daß das Parlament so bald zusammen berufen wird. So regiert denn das Ministerium ohne Budget, in der Hoffnung, daß später durch Passiren einer LiU ol 1n- ckeiuuit^ das Verfahren des Ministeriums für gerechtfertigt und straflos erklärt werden wird. Offenbar fürchtet sich aber das Ministerium, das Parlament zusammenzu rufen, denn es liegt doch zu viel vor, worüber es hart ange griffen und zur Rechenschaft gezogen werden wird. So z. B. wird die Hinrichtung manches Unschuldigen seitens des Militärs sicher zur Sprache kommen. Das Parlament hatte in der vorigen Session einen besonderen Gerichtshof eingesetzt, um über Aufständische, die vor einem gewissen Datum dem Feinde irgend welche Dienste erwiesen, zu urtheilen, — aber die Militärbehörde hat in gewissen Fällen diesen Gerichtshof einfach übergangen, hat nach eigenem Ermessen abgeurtheilt und die härteste Strafe (Auf hängen) auch selbst an Solchen zur Ausführung gebracht, die nicht direct die Waffen ergriffen hatten. Ein anderer Punct, der sicher zur Sprache kommen würde, ist folgender. Nach der Verfassung sollen coloniale Truppen nur zum Schuhe der Grenzen verwendet werden. Bei dem Vor dringen der englischen Truppen auf Freistaatliches und Trans- vaalsches Gebiet hat man aber den colonialen Truppen einfach befohlen, auch über die Grenze vorzudringen, und den Spazier gang nach Pretoria nitzumachen. Schien ja doch Alles so rosig nach der Gefangennahme Cronje's! Trotz der Annectirung der Republiken auf dem Papier und Roberts' Prahlerei „rke xvar iu ovar", konnte man die colonialen Truppen, die zudem nur für einige Monate verpflichtet waren, nicht entbehren. Das Mini sterium scheint auch gar keine Schritte zu ihrer Rückberufung ge- than zu haben. Jetzt hat sich der Bürgermeister von Capstädt anKitckener gewandt, um wenigstensdie CapeVolunteerS, die viel fach ibre Stellungen verlassen hatten und nun schon 20 Monate im Felde stehen, zurückbeordert zu sehen, er muß sich aber mit dem Trost begnügen, daß der edle Lord sein Gesuch so bald als thunlich berücksichtigen werde, augenblicklich sei die Lage jedoch so, daß er sie noch nicht entbehren könne (!). Und während die colonialen Truppen tief in Feindesland stehen, wird die Colonie selbst seit acht Monaten von den Boeren heimgesucht, und ist man noch immer nicht so weit, sie zu ver treiben. Im Gegentheil, die Boeren wagen sich bis in nächste Nähe von Beaufort, ihre Streifzüge im Süden sollen in die Nähe von Montagu vorgedrungen sein, die im Norden in der Nähe von Clanwilliam unweit des Atlantischen Oceans stehen. Gewiß, man thut ja alles Mögliche, ihr Vordringen zu verhindern: Vor- räthe von Lebensmitteln werden in die von den Truppen besetzten Orte geschafft, durch Town Guards werden die Städte beschützt, und unter allerlei Drohungen sucht man selbst Deutsche, die in der Capcolonie wohnen, zu zwingen, bei der Defence Force einzu treten. Es soll den Boeren erschwert, ja unmöglich gemacht werden, die nöthigen Lebensmittel und dergleichen irgendwo im Lande aufzutreiben. Uebrigens, da alle Vorrätbe im Lande scharf controlirt werden, und man an verschiedenen anderen Orten die Einwohner auf „ratioirs" gesetzt hat, sieht es fast so aus, als ob man vorhabe, die ganze Co'ouie eine kleine Hungercur durchleben zu lassen. Aber auch alle Einwohner, besonders in den Städten, erfreuen sich einer scharfen Controle ihres Thuns und Treiben o. An manchen Orten müssen du Namen aller Insassen an die Hausthüre angeschlagen werden; wer Abends zu einem Spaziergang ausgehen will, muß sich vorher mit einer Legitimationskarte versehen, um nicht arre- tirt zu werden, was nicht ausschließt, daß am Hellen Tage irgend Jemand als ein „8uspeet" angehalten und ohne viel Federlesens nach einem anderen Ort (gewöhnlich KUstenstadt) deportirt wird. Das Reisen von einem Ort zum anderen ist sehr erschwert. Ohne pk-iiuit darf Niemand per Bahn Capstadt verlassen oder auch dahin reisen, obschon hier kein Mangel an fragwürdigen Ge stalten und Existenzen ist. Solche strenge Ueberwachung mag ja nöthig sein bei dem bald bevorstehenden Besuch des Duke of Dort. Aber inständigen Leuten in der Nähe von Capstadt die Reise dahin zu verwehren, geht doch etwas weit. Unbekümmert um die Zustände in der Colonie und die prekäre Finanzlage hat die Regierung 20 000 Pfund Sterling (gleich 400 000 o/() bestimmt, um den H e r z o g v o n N or k festlich zu empfangen. Subscriptionen in Capstadt haben diese Summe noch bedeutend vermehrt. Für das Feuerwerk allein sind 6000 Pfund Sterling bestimmt und zwei Feuerwerker aus England schon angekommen; kurz,' es soll ein Stückchen Geschichte gemacht werden, und England, ja der ganzen Welt einmal gezeigt werten, wie loyal die Capcolonie gesinnt ist. Wie wenig man aber im Lande etwas auf diesen Besuch giebt, davon erzählt uns die Zeitung ein Pröbchen. Bei einer öffentlichen Versamm lung in dem nahen Stellenbosch regte ein Jingo zum Schluß die Frage an, was für Feierlichkeiten das Städtchen renn zu Ehren des hohen Besuchs anstellen würde. Aber als ob eine Bombe in ihrer Mitte geplatzt wäre, stob die Versammlung im Nu ausein ander — und so wird cs dort wohl keine Volksbelustigungen geben. Und dieses Gefühl der Gleichgiltigkeit, wenn nicht Ver stimmung über solchen unzeitgemäßen Besuch herrscht wohl so ziemlich überall im Lande. Das genügt, um zu zeigen, wie sehr den Rapporten der Zeitungen über den so überaus loyalen Em pfang seitens der Capcolonie Glauben zu schenken sein wird. Man schreibt uns aus London unter dem 4. September: „Der bekannte Kriegscorrespondent des „Daily Telegraph", Mr. Bennet Burleigh, sendet seinem Blatte eine interessante tele graphische Beschreibung des Angriffs der Boeren auf dcn englis chen Bahnzug in der Nähe von Water- val, nordöstlich von Pretoria, wobei der Oberstleutnant in den irischen Garde-Grenadieren, Vandelour, seiy Leben verlor: Dieses Malheur an der Eisenbahn in der Nähe von Waterval ist eines der beklagenswerthesten und peinlichsten Ereignisse in dieser Periode des endlosen Krieges. Die Besatzung des Zuges war vollständig ahnungslos mit Bezug auf irgend welche drohende Gefahr, und gab sich daher einem gesunden Schlafe hin, zumal man wußte, daß die Linie durch verschiedene Blockhäuser und Waterval selbst durch eine Besatzung gesichert sei. Die Strecken- Controleure hatten an dem fraglichen Morgen ihren sonst üblichen Rapport über den Theil der Strecke gemacht, auf dem das Un glück sich zutrug. Als so der Train in voller Fahrt durch einen tiefen Einschnitt . . . dampfte, wurde auf der Linie ein Neger sichtbar, der plötzlich seine Hand hochhob, worauf ein Boer zwei Dynamit m inen zur Explosion brachte, welche die von Soldaten besetzten Panzerwagen zertrümmerten und verschiedene Leute tödteten oder verwundeten. Im selben Augenblicke eröffneten die Feinde ein wüthendes Gewchrfeuer von den Rändern des Durchstiches aus auf sämmtliche Wagen, und es hatte den Anschein, als ob etwa 100 Boeren vorhanden wären. Unsere Soldaten waren meistens gar nicht im Stande, zu ihren Waffen zu greifen und das feindliche Feuer zu erwidern. Oberst Vandeleur gab mit lauter Stimme den Befehl, daß alle Passagiere sich flach auf den Boden der Wagen niederlegen sollten, um den Kugeln der Boeren zu entgehen. Als sodann sich dieser Officier auf die Plattform seines Wagens begab, wurde er aufgefordert, sich zu ergeben, was er aber verweigerte, worauf ein Boer aus nächster Nähe sein Gewehr auf ihn abfeuerte und ihn mitten durchs Herz schoß. Zwei Boeren bedrohten mit ihren Gewehren die weiblichen Passagiere und ein Schurke feuerte ab sichtlich (?) auf die im Zuge befindliche Pflegerin Page, die er verwundete (?). — Schließlich plünderten die Feinde den ganzen Train, selbst das Gepäck der Passagiere, ließen die Todten und Verwundeten durch unsere Leute entfernen und steckten den ganzen Zug in Brand, worauf sie verschwanden. Um sich gegen Verstärkungen von Pretoria zu sichern, hatten die Boeren etwa eine Meile südlich die Bahn ebenfalls zerstört und konten so den Uebcrfall erfolgreich ausführcn. * Lissabon, 3. September. Einer amtlichen Depesche aus Mozambique zufolge ist die Eisenbahn! in iePretoria- Lourengo Marquez 30 Kilometer von Komatipoort zerstört. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. September. Selbst Blätter, die durch den der chinesischen Sühne gesandtschaft bereiteten Empfang in Potsdam ibre früher geäußerten Besorgnisse zerstreut sehen — die „Köln. Ztg." gehört nicht dazu, denn sie betont, daß es der Würde des Reiches nicht geschadet haben würde, wenn man auf der Unterzeichnung des Protokolls vor dem Empfange bestanden hätte —, geben dem Wunsche Ausdruck, daß endlich auf die Frage, warum die Gesandtschaft in Basel Halt machte, eine Antwort erfolge. Auch nachdem die Episode durch den Potsdamer Empfang zum Abschluß gebracht sei, müßte noch eine Aufklärung willkommen sein, da nur durch sie dem Gerede von einer diplomatischen Schlappe, welche Deutschland durch die schlauen Chinesen erlitten habe, ein Ende gemacht werden könne. Das Gewicht dieser Argumente wird verstärkt durch Meldungen, die engli schen Blättern aus Peking zugeben und aus denen ersichtlich ist, daß man dort am Werke ist, nicht nur China als den zu einem Triumphe berechtigten Theil, sondern auch Ruß land als Protektor Chinas bei dem Zwischenfalle erscheinen zu lassen. Der» „Boss. Ztg." wird nämlich aus London berichtet: Der Pekinger Berichterstatter der „Times" meldet, unter dem 4. September, die Chinesen frohlocken darüber, daß der deutsche Kaiser die Forderungen zurückgezogen hat, welche den Prinzen Tschun verhinderten, zur Audienz zu erscheinen, und die Unterzeichnung des Protokolls mehrere Tage verzögerten. Der Zwischenfall lieferte Rußland neue Gelegenheit, die cs geschickt ergriff, sich China geneigt zu zeigen. Während des ganzen Streites verkehrte die russische Gesandtschaft täglich mit Li und rieth ihm an, China möge fest bleiben. Sie erklärte, dcr Zar, der niemals aushöre, Freundschaft für China zu bekunden, habe den deutschen Kaiser ersucht, Schonung gegen China zu üben und ihm Temüthigungen zn ersparen. Folglich schreiben die Chinesen in Peking das erfolgreiche Ergebniß des Protestes Tschnn's dem willkommenen russischen Beistände zu. Aus diesem Telegramm ist nun nicht ersichtlich, ob die „Times" an die Einmischung des Zaren in die Angelegenheit glauben, aber aus einem anderen Telegramme der „Voss. Ztg." auS London geht wenigstens hervor, daß daS Cityblatt einen diplomatischen Sieg der Chinesen für nicht unmöglich hält. Nach diesem Telegramm sagen nämlich die „TimeS" über die Antwort des Kaisers auf die Ansprache deS Prinzen Tschun: „Der Kaiser sprach mit Wahrheit, Kraft und Würde, aber eS ist zu fürchten, daß der angebliche diplomatische Sieg hinsichtlich des Kotaus, womit die Chinesen prahlen, das Gewicht seiner Worte schmälern dürfte." Nun kann es doch jedenfalls der deutschen Diplomatie nicht gleichgiltig sein, ob in England und anderwärts die Ansicht sich verbreitet, Rußland habe den Chinesen zu einem Triumphe über den deutschen Kaiser verholfen. Auch in China selbst kann der Eindruck der in Potsdam gehaltenen Ansprachen und ausgewechselten Schriftstücke nur ab geschwächt werden, wenn derartigen Ausstreuungen nicht durch Klarstellung der Thatsachen entgegengewirkt wird. Je später dies geschieht, um so mehr muß sich die Ansicht fest- setzcn, daß die deutsche Diplomatie wirklich etwas zu ver bergen habe. Dem Jubel der Ultramotttane» über den Verlauf derCen« trumsparade in Osnabrück folgt der Katzenjammer auf dem Fuße, denn Pole» unv Welfe» fühlen sich durch diesen Verlauf bitter gekränkt. Den Polen liegt bekanntlich die Frage der PastorisiruiD der polnischen Katholiken in Westdeutschland sehr am Herzen, sie hatten daher gehofft, daß diese Frage in Osna brück eingehend erörtert werden würde. Da das nicht geschehen ist, so schreibt die „Gazeta Slonska" sehr ergrimmt, in Osnabrück habe man zwar über die Seelsorge für die in Deutschland weilen den italienischen Kat'holiekn berathen, aber kein Wort über die Seelsorge für die im Innern Deutschlands angesiedelren polnischen Arbeiter, die der Seelsorge mehr als die Italiener benöthigten. Es dürfe nicht übersehen werden, daß die Zahl der in Deutschland ansässigen polnischen Katholiken weit größer sei, als die der Italiener. Woher komme nun auf einmal dieses große Wohlwollen für die Italiener, während man die Polen überhaupt nicht erwähne? Die deutschen Katholiken ließen sich offenbar mehr von Politik als den katholischen Bedürfnissen leiten. Der Geist der Gerechtigkeit sei angesichts der heiklen Polenfrage selbst in einer Katholikenversammlung bereits er storben. Hätten denn die in so glänzendem Kreise versammelten deutschen Katholiken diese Angelegenheit nicht berühren dürfen? Ihnen habe daran offenbar nichts gelegen, denn die Polen gälten bei ihnen nicht mehr viel, sie seien dem Aussterben und der Ent- nationalisirung geweiht, ein „verkommenes Volk" in den Augen mancher deutscher Bischöfe. — Die „Köln. Volksztg." wird nun alle ihre Künste spielen lassen müssen, um den Riß zwischen Ccntrum und Polen, der durch katholische Redner in Westfalen noch vertieft wird, wenigstens nothdürftig zu verkleistern. — Nicht minder heftig, als die polnische „Gazeta Slonska" äußert sich die welfische „Deutsche Volkszeitung" über den letzten „Katholikentag". Ziemlich unverblümt wirf dieses Blatt dem Ccntrum Feigst eit und Verratb an derTradition vor, weil man sich in Osnabrück um die welfische Frage herumgedrückt habe. Das Blatt monirt, daß man wohl Bennigsen's und Miquel's gedacht habe, nicht aber des Königs Georg V. von Han nover. Eine ähnliche Unterlassungssünde habe Herr vr. Porsch begangen, als er zwar Windthorst gefeiert habe, aber mit keinem Worte dessen Treue zu seinem angestammten Fürstenhause. Zum dritten Male habe sich die Gelegeneit, der welfischen Frage zu gedenken, geboten, als ter „Katholikentag" gegen die Annexion des Kirchenstaates protestirt habe; warum habe man da nicht in analoger Weise gegen die Annexion Hannovers durch Preußen protestirt? Das welfische Blatt schließt mit der versteckten Feitilletsn Arbeit. Von Eva Treu. «achtruck l?n. „Und wenn es zehnmal Dein Vaterhaus ist, so hast Du hier doch zu gehorchen. Wie denkst Du Dir denn das mit der Pflege, sollte ich die vielleicht übernehmen? Oder meinst Du, daß dr Mägde so viel überflüssige Zeit haben? — Oder wer sollte sich sonst damit befassen?" „Ich meinetwegen", sagte Life und richtete sich schlank empor. Susanne lachte belustigt. „Ja, das wäre auch wohl gerade das Richtige! Ein Glas Bier in die Gaststube zu tragen, hältst Du Dich zu vornehm, — ich hab's nicht vergessen, — aber einen jungen, hergelaufenen Menschen, — Du sagtest ja wohl, er wäre jung? — der Gott weiß was auf dem Gewissen haben mag, als barmherzige Schwester zu pflegen, das wäre Dir recht, nicht wahr? Die Dummheiten schlage Dir nur aus dem Sinn. Für solche Leute, die nachher, wenn man sie mit Mühe und Noth gesund gepflegt hat, nicht 'mal zahlen können, — denn sonst hätte er sich wohl nicht eine Kugel in die Brust ge schossen — für solche Leute ist das Krankenhaus da, wo die Stadt für sie sorgt. Vielleicht wäre es dann überhaupt besser, sie ließen ihn todt sein und todt bleiben. Er hat es ja nicht anders gewollt." Life schwieg. Ihrer schnell bereiten Freude, helfen zu dürfen, die so warm in ihr aufgeflammt war, schien aller Glanz genommen. Sie konnte sich nicht verhehlen, daß von ihrem Standpunkte aus die Stiefmutter diesmal nicht ganz Unrecht hatte. Doch aber empörte sich etwas in ihr gegen die Art der Frau, ihre Ansicht geltend zu machen. Es hatte etwas Rohes darin gelegen, eine hämische Freude, dem Mädchen, das so gut wie nie einen Wunsch äußerte, einmal ein Verlangen abschlagen, die Herrin herauskehren zu können. Dann stand sie lange wartend am Fenster, an dem die Träger mit ihrer Bürde jedenfalls vorüber mußten, ob sie nun einen Todten oder einen blos Verwundeten bringen mochten. Dabei ging ihr immer ein Wort, das Frau Susanne gesprochen hatte, durch den grübelnden Sinn: „Es wäre ihm besser, wenn sie ihn todt sein und todt bleiben ließen, er hat es ja nicht anders gewollt." Ja, warum mochte er es wohl so gewollt haben? Ob ihm ein Unglück zu schwer geworden war — ob ein« Schuld ihm das Leben vergällte? Ein unruhiges, brennendes Interesse erfüllte sie, es zu wissen. Es kam ihr vor, als hätte sie an ihn eine Art von Anrecht, und als sie endlich den Arzt, dcr den langsam folgenden Trägern vorangegangcn war, kommen sah, eilte sie auf die Straße hinaus. „War er sodt, Herr Doctor?" fragte sie mit blassen Lippen. Der alte Herr zog den Hut. „Noch nicht ganz, kleines Fräulein", sagte er freundlich, „die Wunde ist nicht einmal sehr schwer. Mit seinen anatomischen Kenntnissen scheint es nicht weit her zu sein, das Herz, das er wohl hatte treffen wollen, sitzt ganz anderswo. Na — lange genug kann es freilich dauern, bis er wieder auf die Beine kommt, aber ich denke doch, es wird gelingen." „O, Gott sei Dank!" sagte Life recht aus Herzensgrund. vr. Lukas nickte ihr zu. „Es läßt sich zwar in solchen Fällen nicht immer mit Bestimmtheit Voraussagen, ob man Jemand, den man wider seinen Willen in das Leben zurück bringt, einen Gefallen damit thut, indessen, wenn der junge Herr später doch zufrieden damit sein sollte, daß er noch athmct, werden Sie cs schon sein, der er für die Lebensrettung zu danken hat. Nun, Sie brauchen deshalb nicht roth zu werden und den Kopf zu schütteln, es ist so. Wir bringen ihn jetzt in das Krankenhaus. Da ist Platz und er ist am besten dort auf gehoben — besser als in einem geräuschvollen Gasthause, liebes kleines Fräulein, — ich werde Sie wissen lassen, ob er am Leben bleibt oder nicht." „Ja, wenn Sie das wollten!" sagte Life dankbar. Ihr war zu Muthe, als wenn ihr ein großes Geschenk gemacht worden wäre. Sie hatte etwas gethan — etwas genutzt — einem Menschen das Leben gerettet, sagte dcr Arzt sogar. Sie konnte nun freilich nicht finden, daß sie viel dazu beigetragen hätte, dies zu thun, indessen ein wenig hatte sie doch jedenfalls geholfen, während sie sonst immer gewohnt war, bei Seite zu stehen und Niemand nöthig zu sein. Von nun an hatte sie ein Menschenwesen, an das sie ihr Interesse hängen konnte. Ohne daß sie selbst sich dessen recht klar bewußt wurde, that ihr das gut. Mittags zwischen Zwölf und Eins Pflegte vr. Lukas vorllberzugehen; er kam dann aus dem Krankcnhause. Dann stand Life schon vor der Hausthür bereit, um seinen Krankenbericht zu hören, und nach und nach schlossen die Zwei, der alte, freundliche Mann und das junge, ernste Mädchen, dabei förmlich eine Art von Freundschaftsbund, obschon sie immer nur wenige Worte mit einander wechselten. Dem alten Herrn fehlte schließlich geradezu etwas, wenn Life einmal nicht zur gewohnten Zeit da war. Sie hatte etwas in ihren dunklen Augen, was ihm gefiel. „Ihren Schützling" nannte er den Kranken, wenn er zu Life von ihm sprach, und Life selbst mochte das Wort gern hören; es entsprach der Theilnahme, die sie fühlte. Zuerst zuckte der Arzt wohl noch mit den Schultern — eS ging nur langsam vorwärts mit dem Kranken, aber bald wurden die Nachrichten von Tag zu Tag besser, und nach und nach schwand jeder Zweifel an einer in Aussicht stehenden völligen Genesung. „Freilich, was dann nachher, wenn wir ihn hier entlassen haben, aus ihm werden soll", sagte der alte Herr, die Augen brauen in die Höhe ziehend, „das weiß ich nicht. Was er an Geldmitteln zu besitzen scheint — wenn er nämlich nicht mehr hat, als was wir bei ihm gefunden haben — wird wohl fast daraufgehen, um seine Verpflegung hier im Krankenhause zu bezahlen. Wir haben ihn nach seiner Familie gefragt, die wir benachrichtigen wollten, aber er hat keine Auskunft gegeben, und eine übermäßige Begeisterung darüber, daß er noch lebt, scheint er bis jetzt nicht gerade zu empfinden. Doch vielleicht wird das anders, wenn er erst wieder besser zu Kräften kommt." Darüber mußte Life nachher viel Nachdenken. Ob er wohl in den Tod hatte gehen wollen, weil er arm war? Freilich war er gut gekleidet gewesen und hatte wie ein Herr auSgesehen, auch sprach vr. Lukas von ihm wie von einem gebildeten jungen Manne, aber darum konnte man doch wohl arm sein und un glücklich auch. Ein paar Tage später erzählte ihr I)r. Lukas, in längstens einer Woche würde der Patient entlassen werden. Er sei wohl noch ein wenig schwach, aber eigentlicher ärztlicher Behandlung nicht mehr bedürftig. Schon dürfe er Spaziergänge in der Umgebung der Stadt machen. „Ja, aber —", sagte Life und sah den alten Herrn unruhig an, — „was wird denn nun aus ihm?" vr. Lukas zuckte nach seiner beliebten Manier mit den Schultern. „Ich kann's nicht sagen, kleines Fräulein! Er ist sehr ver schlossen. Tie Pflege im Krankenhause will er bezahlen, -weitere Mittheilungen über seine Person und seine Verhältnisse hat er nicht gemacht. Im Grunde kann man ihm das ja «ruck, kaum ver denken. Wir haben an ihm unsere Pflicht gethan; in seine An gelegenheiten uns hineinzudrängen, haben wir kein Recht. Ich mag ihn sonst wohl leiden, denn er ist für jede kleine Freundlich keit dankbar, aber sein Vertrauen hat er mir nicht geschenkt, Fräulein Ohle. Uebrigens habe ich ihm von Ihnen erzählt, und es scheint fast, als möchte er Ihnen gern danken, ehe er fortgeht. Darf ich ihn herschicken?" „Ach nein!" sagte Life scheu und schnell. „Aber, warum denn nicht? Sie haben sich doch so lebhaft für ihn interessirt diese ganze Zeit", meinte dcr alte Herr. Life erröthete heftig und schüttelte den Kopf. Was würde wohl Frau Susanne zu einem solchen Besuche gesagt haben, und wie hätte sic, Life Ohle, sich wohl dabei benehmen sollen? „Ich meine, es müßte peinlich für mich sein — unb für ihn noch mehr", sagte sie, zu Boden sehend. „Ich habe ja auch gar nichts für ihn gethan, als was selbstverständlich war. Ja, hätten wir ibn hier gepflegt, das wäre etwas Anderes, — und selbst dann!"^ Sie hätte ihn gern einmal gesehen, jetzt, ohne die Leichen blässe auf den Wangen. So lebhaft war in diesen Wochen ihre Theilnahme für ihn gewesen, daß es ihr vorkam, als würde eS auf einmal ganz leer in ihrem Leben 'werden, wenn sie nicht mehr nach ihm fragen konnte, aber mit ihm reden, seine Dankesworte für ihr selbstverständliches Thun hinnehmen, wie «inen schul digen Tribut, das hätte sie nicht gemocht. Höchstens aus der Ferne hätte sie ihn einmal unbemerkt beobachten mögen, ehe er von hier schied, ohne vermutlich jemals wieder hierher zu kommen. „Nun, wie Sie wollen", entgegnete I)r. Lukas, „Sie em pfinden wohl darin richtiger, als ich alter Knabe", und damit ging er. Ein paar Tage darauf ging Life Nachmittags nach ihrer Gewohnheit in den Wald. Es war ein sonniger Tag, aber in der Luft lag etwas schwer Bedrückendes, und am Horizont stiegen, der Windrichtung entgegen, einzelne Wolken auf, so, als würde es im Lauf« des Nachmittages noch «in Gewitter geben. Lis« wagte sich deshalb nicht 'weit in den Wald hinein, sondern suchte sich einen trockenen, moosigen Platz am Rand«, von wo aus sie nöthigen Falles schnell in das Haus zurückkehren konnte. Als sie nach einer Weile von ihrer Arbeit emporblickte, sah sie Jemand auf dem nämlichen Pfade, auf dem sie selbst ge kommen war, auf sie zuschreiten, einen Mann, der langsam ging, wie ein Kranker oder Genesender. Und dann plötzlich, als sie aufmerksamer hinsah, stieg ihr «in Helles Roth in die Wangen: sie erkannte Denjenigen, um den sich alle diese Wochen ihre Gedanken so oft gedreht hatten. Er fah gerade vor sich nieder auf den Weg und bemerkt« sie offenbar gar nicht; so konnte sie ihn betrachten. Er war noch jung, so war er ihr ja auch damals gleich vorge- kommen, und offenbar ein Herr. Die grau« Sommerkleidung, die jetzt nur ein wenig allzu lose um die abgemagerte Gestalt hing, mochte dieselbe wohl einst flott und elegant umschlossen haben; das noch ein wenig bleiche Gesicht mit der geraden, feine«
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