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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190109154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010915
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010915
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-15
- Monat1901-09
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1901
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Miquel ge wesen, den Neid und die Verbitterung deS durch eigene» Verschulden Verarmten sprechen ließ und seine alte Verlegen- heitStheorie aufwärmte, ein „Charakter" müsse mit seinen politischen Grundsätzen im 70. Jahre dort stehen, wohin ihn Schulmeinungen oder Zeitströmunaen im 25. gestellt haben, kleine Variirunacn deS „DessinS", wie z. B. Aenderung der Ansicht über die Zulässigkeit deS Schul geldes oder die Staatsaufsicht über den Straßenhandel von Kindern, zugestanden. Und natürlich auch der Partei taktik ihr Recht. Denn da die Partei die Maschine ist, die den Principien zur praktischen Anerkennung verhilft, so muß sie auch mit dem einen oder dem andern Principe geheizt werden, wenn es sonst nicht anders geht. Wenn einmal die Wand lungen, die Miquel durchgemacht, gegen die deS LinkSlibera- liSmuS abgewogen werden, so wird die Schale de» „unsicheren Cantonisten" emporschnellen und sich Herausstellen, daß dem radikalen Starrsinn so ziemlich alles von seinem obersten Grundsätze feil war. Jedenfalls da» Wichtigste. Miquel glühte, al» er ernsthaft Politik zu treiben begann, für ein einiges Deutschland mit preußischer Spitze. Die Fortschritts- Partei auch, wenigsten» that sie so. Aber Miquel starb, nach dem er unausgesetzt für sein Ideal gewirkt; die Fortschritts partei hingegen hat nie etwas für die Entwickelung, wie sie durch Bismarck glücklich herbeigeführt wurde, gethan, sich ihr vielmehr bei jeder Gelegenheit entgegen gestemmt. Miquel opferte, wo eS riöthig war, Doktrinen dem Ideal, der Fortschritt jederzeit das Ideal dem Parteiinterefse. Wenn e» nach den Todtenrichtern deS genialen Staatsmannes gegangen wäre, so wäre heute, statt Straßburg und Metz deutsch, Köln unv Landau französisch und alle die großen Reformen im liberalen Sinne wären Wünsche geblieben. Am schärfsten vielleicht zeigt sich der Unter schied zwischen der Beständigkeit der Miquel'schen und der radikalen Grundanschauung in der Beurtbeilung der Gefähr lichkeit de» UltramontaniSmu». Die Firma „Fortschritt" konnte sich zu Beginn des von ihr so getauften „CulturkampfeS"an Verschärfung der gegen die Bethätiaung klerikaler Reichs feindlichkeit vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen nicht genug thun, und die Firma „Freisinn" war die erste, die den Staat in dem Abwehrkampfe gegen Nom im Stiche ließ — um kleri kaler Wahlunterstützung willen. Miquel aber war bis zuletzt auf dem tzui vivs gegen diesen Feind, wenn er auch der be herrschenden Situation Rechnung trug und tragen mußte, die der Freisinn mit Hilfe der Socialdemokratie der ultramontanen Partei geschaffen. Um aber gerecht zu sein: die äußerste bürgerliche Linke isi e» nicht, die den Mann am schlechtesten behandelt. Es waren viele Leute betreten, als sie hörten oder lasen, Rudolf v. Bennigsen sei an dem Grabe seines Kampf genossen erschienen und habe ihm einen Nachruf, einen solchen Nachruf gehalten. Dem gegenüber war die „geschichtliche" Darstellung vom Vcrräther nicht aufrecht zu erhalten. Die Verlegenheit war und ist so groß, daß man, da mau Bennigsen'S Rede nicht iguoriren darf und man das Zeugniß, daS er Miquel auSstellt, nicht hervorheben will, bei diesem Anlaß die längst bekannte Geschichte von der ersten Unterredung Bennigsen'S mit Bismarck, mit der Miquel keinen Zusammenhang hat, auSgräbt. Nur, damit etwas über den Nationalverein gesagt wird, ln dem und durch den der stammende Hannoveraner so Werthvolles bewirkte, wie der kühl sich gebende Hannoveraner. Die Ebenbürtigkeit der Leistungen hatte ihre Ursache darin, daß der feurige Mauel diplomatisch so bedächtig zu wägen wußte und die Bedächtigkeit seines Freundes stärkste Gluth verbarg. Bennigsen selbst hat den Antheil de- Mitstrebenden am Einigungs werke stet» höher bewerthet al» den eigenen. Ihm hierin bei zupflichten, sind Organe, die der nationalliberalen Partei sehr nahe stehen, sowenig verpflichtet, al» wir dazu geneigt sind. Aber den Grabredner mißbrauchen, um da» von ihm gefeierte Andenken de» Todten in der Versenkung verschwinden zu lassen, da» ist ein starkes Stück. Der Politiker Miquel, obwohl man gerade ihn zu kritistren sich da» Ansehen giebt, ist r» nicht gewesen, der ihm, von den Ultramontanen abgesehen, ein so impo- «irendeS Maß von Haß zuzog, «» war der WirtbschaftS- politiker und der Finanzmiuister. Der Verstorbene hatte mit der Börsengesetzgebung nicht» direkt zu schaffen, aber sie entstand, während er dem Ministerium angehörte, und daß ein so ausgezeichneter Kenner de» Börsengeschäfte» gegen die Beschneidung von Auswüchsen de» Börsenhandels nicht protestirte, wurde ihm al» schwere Schuld von Denen an gerechnet, die nicht zu lernen vermochten, daß man politisch Und wirthschaftlich liberal sein und dennoch eine gewisse Eindämmung deS geschäftlichen Egoismus billigen könne. Daß Bureaukratrn ein Börsengesetz machten, war schlimm, daß der verkörperte Gegensatz de» BureaukratiSmuS, al» welchen mau den Finauzminister kannte, daß der ehemalige Syn- dim» einer Bank aescheheu ließ, waS geschah, war schlimmer. Die unbestrittene kaufmännische Autorität schien dadurch eine Autorität für da» Entstehen unv Fortbestehen de» Banken gesetze» geworden, und so war eS auch. Die Mittel- standSpoutik — man kann sagen, Miquel habe sie al» Oberbürgermeister von Osnabrück durch die erfolgreiche An regung eine» korporativen Zusammenschlusses von Handwerkern gerade»« inaugurirt — diese Politik, die Ausschreitungen zeitigte, aber viel Nützliche» wirkte, schon wegen ihrer moralischen Eindrücke, war die Quelle grimmiger Feindschaft. Wie Wurde er wegen der Begründung der Centralgenossenschaft»- cafse angegriffen, eine» Institut», da» der Börse, dem Frei handel keinen Eintrag thut und für kleine Landwirthe und Ge werbetreibende eia Segen geworden ist! Dann dir Reform der direkten Steuern in Preußen. Wie eS heute keinen Gutsherrn mehr giebt, der die Beseitigung der Frohnden öffentlich beklagt, so hört man auch die Einführung der Selbsteinschätzuag der Bürger mit höherem Einkommen nicht mehr tadeln. Die Gerechtigkeit der Miquel'schen Neuerung ist so sonnenklar, daß laute Kritik sich nicht mehr hervorwagt. Aber vergessen und vergeben ist die Reform, die einen die Reichsten begünstigen den Schlendrian beseitigt, noch lange nicht überall, und wenn auch nur Einer erklartermaßen wegen diese» „staat- ichen UebergriffeS" da» Land Preußen verlassen hat und nach Elsaß-Lothringen verzogen ist: Hunderte hätten es ihm nach gemacht, wenn eS ihre Erwerbs-Interessen erlaubt oder wenn le sich nicht geschämt hätte». Der Steuerreform, seinen, größten Werke, hat der mit den geschäftlichen Verhältnissen und Bräuchen so fatal Vertraute den größten Theil der ,hn ehrenden Abneigung zu danken. — Der Zar ist langst abgereist, nachdem er sich eine Weile unweit der deutschen Küste gezeigt hat. Er hat das Land nicht betreten, eS wurden keine Trinksprüche gewechselt; von dem Inhalt politischer Unterredungen, sei es der beider, Herrscher, sei es deS Zaren mit dem Grafen Bülow und des deutschen Kaiser» mit Lambsdorff oder auch der beiden Minister untereinander, ist nichts be- ännt geworden. Im Uebrigen scheint das Ganze gut ab gelaufen zu sein. Von der ersten Hälfte hat es die „Natwnalztg." ausdrücklich bezeugt. Das Blatt schrieb am Donnerstag Abend: „Der Verlauf der Zusammen- unft de» Kaisers von Rußland mit dem deutschen Kaiser ist, wie wir erfahren, nach den bisher vor liegenden Meldungen ein durchaus zufriedenstellender." Bon der zweiten Hälfte hat eS gestern die „Nat.-Lib. Corr." ver- lchert, nach der „bei allen Betheiligten die vertrauensvollste und freudigste Stimmung über die Eindrücke dieser Danziger Tage herrscht." Diese Feststellungen gehören zu dem Un gewöhnlichsten, was un» in der Politik vorgekommen ist. Hat man in Berlin etwas Anderes erwartet und sich deshalb beeilt, einer angenehmen Enttäuschung Luft zu machen? AuS Eigenem schrieben die in der internationalen Politik taktfeste „Nationalzeitung" und die von den Danziger Ein- drücken gänzlich unberührt gebliebene „N.-L. C." Derartiges nicht. Sie berufen sich ja auch auf Informationen, denen der Wunsch nach Veröffentlichung wohl beigefügt war. Sonderbar, höchst sonderbar! Der Präsident der Vereinigten Stafaten ist einen Wunden erlegen. Die ganze Welt widmet dem so chändlich dahiogemordeten und der amerikanischen Nation mfrichtige» Beileid. Die Unthat, der Mac Kinley zum Opfer fiel, ist bisher in Deutschland weniger lebhaft von Er örterungen über Maßnahmen gegen die anarchistische Verbrecher- öande begleitet gewesen, als die früheren Verbrechen gleichen Charakters. Da» hat seinen guten Grund. Wir haben nur zu oft erfahren, daß bei unS einer derartigen Abwehrgesetz gebung nicht nahe getreten werden kann, ohne sofort das Ver- angen nach Schritten, nicht etwa gegen die Socialdemokratie oder nur gegen die Socialdemokratie, sondern für daSCeutrum und seine Zwecke nach sich zu ziehen. Wir haben auch diesmal „Erklärungen" de» tückischen Morde» gelesen, deren Strafbar keit wünschenSwerth wäre. Aber ein amtlicher Versuch nach dieser Richtung — und sofort werden die deutsche Volksschule und erst recht die deutsche Hochschule wieder als die eigentlichen Brutstätten von Unthaten wie die Czolgost'S denuncirt und „Abhilfe" nach dieser Richtung hin wird als daS Unumgängliche bezeichnet werden. Daö hätte nicht so viel zu sagen, wenn solche bösen Worte nicht erfah rungsgemäß eme gute Statt an maßgebenden Stellen fänden. Bei der „Umsturzvorlage" bat die Regierung fast jeden ultra montane Versuch, die Action gegen die Wissenschaft, gegen Rede- und Preßfreiheit auszubculen, ruhig gewähren lassen und bei der lex Heintze ging es ähnlich. Man ist gewitzigt und im Lande schwerlich für mehr zu haben, als für etwaige materielle Unterstützung der Durchführung internationaler Ab machungen. Diese würden aber sogleich auf den Wider stand England» stoßen, wie sie noch vor vier Wochen auf den Amerikas gestoßen wären. Ohne ehrliches Mitthun der Regierung der ersteren Anarchistenasylsiätte ist aber nicht das Mindeste zu erreichen. Die evangelischen Arbeitervereine am Scheidewege. 2 Heute soll es sich auf der Vorstandsversammlung der evangelischen Arbeitervereine entscheiden, ob der vom Pfarrer Naumann und seiner „national-socialen" Agitation in die evangelischen Vereine hineingetragene Zwist beseitigt wird, oder ob Pfarrer Naumann sich eine- augenblicklichen Triumphes er freuen kann, den binnen kurzer Zeit doch die Socialdemokratie an sich reißen dürfte. Für d,e Socialdemokratie wenigstens gilt Pfarrer Naumann als willkommenes und brauchbares Werkzeug. Dies hat der socialdemokratische Abgeordnete Peus aus gesprochen, als er die national-socialen Bestrebungen folgender maßen beurtbeilte: er wolle nur eine milde Kritik an der neuen Bewegung üben; er sehe in ihr kein« Gefahr, sondern einen Nutzenfür die Socialdemokratie. Die seit dem Jahre 1882 bestehenden evangelischen Arbeiter vereine haben besonders in Rheinland und Westfalen feste Wurzel und Verbreitung gefunden und im Kampfe mit den Ultra montanen und den Socialdemokraten kulturelle und sociale Aufgaben im rheinländisch-westfälischen Jndustriebezirkc zu lösen. Die Principien der Vereine sind in § 1 ihrer Satzungen ausgedrückt, worin es heißt: „Der Vereins steht auf dem Boden de» evangelischen Be kenntnisses, hält treu zu Kaiser und Reich und bezweckt: Be lebung und Stärkung des evangelischen Bewußtseins, sittliche und allgemeine Bildung seiner Mitglieder, Wahrung und Pflege eines friedlichen Verhältnisses zwischen Arbeiter und Arbeitgeber, vornehmlich im Gegensätze zu den Bestrebungen der Social demokratie." An diesen Grundsätzen hielt der au» den einzelnen Vereinen gebildete allgemeine Verband fest, bis Pfarrer Naumann, unter stützt durch hervorragende evangelisch« Männer, seinen Einzug m die evangelischen Arbeitervereine halten und den Apfel der Zwietracht unter sie werfen konnte; seit jener Zeit wurde der evangelische und patriotische Gedanke immer mehr zurückgedrängt, der sociale nach den Lehren Naumann'S aber immer weiter in den Vordergrund geschoben. Hierbei standen ihm zumeist Reichs- tagsabgeordnetrr Frank und Redakteur Quendel im Wege, die nicht gewillt waren, die Geschäfte der national-socialen Parte- in den evangelischen Arbeitervrremen zu besorgen. Daher die Angriffe Naumann'» nicht nur auf jene beiden Männer, sondern auch auf die nationalliberale Partei. Ihm selbst gelang es, seinen Einfluß so weit zu stärken, daß er über den Abgeordneten Frank auf dem Delegirtentage des Verbandes, zu Speyer einen Sieg davontrug. Denn alle Beschwerden der sogenannten, vom Abg. Frank vertretenen „Bochumer Richtung" (die sich strer-g an den oben erwähnten § 1 der Satzungen hält) über Herabsetzung ver dienter Vereinsvertreter in socialdemokratischen Versammlungen durch „national-sociale" Redner, wie über deren Hand-in-Hand- gehen mit den ausgesprochensten Gegnern der Bochumer Richtung waren beim Gesammtvorstande vergeblich. Der Delegirtentag zu Speyer ging in der Hauptsache nicht nur über die Klagen der )urch Pfarrer Naumann Angegriffenen zur Tagesordnnüg über, sondern stellte sich in der Mehrheit auf Seite des Angreifers, in dem er diesen in den Ausschuß wiederwählte, während er den An gegriffenen, Herrn Frank, trotz seiner großen Verdienste um die Arbeitersache fallen ließ. Es handelt sich bei diesen tiefgehenden Differenzen nicht um persönliche, sondern um principielle Fragen. Der Rheinisch-Westfälische Verband stellte sich zwar durch eine Vertreter auf dem Delegirtentage zu Speier auf Seite des Herrn Frank und in Königssteele wurde der Beschluß gefaßt, der Rheinisch-Westfälische Verband möge, damit er in seinem bis herigen Stande zusammengehalten werden könne, aus dem Ge- ämmtverbande ausscheiden, während es den einzelnen Vereinen rcigestellt sei, beim Gesammtverbande zu bleiben. Der Ausschuß des Rheinisch - Westfälischen Verbandes will nun aber auf der heute stattfindenden Verbandssitzung einen entgegengesetzten Vorschlag beantragen, nämlich den, daß der Rheinisch-Westfälische Verband im Gesammtverbande bleibe; er lehnt also ein Zusammengehen mit der Bochumer Richtung ab. Die bisher Jahre hindurch dilatorisch behandelte „Naumann"- Frage kommt also heute voraussichtlich zur Entscheidung. Zahl reiche evangelische Arbeitervereine wollen sich nicht länger, um mit den Worten Naumann's zu reden, als „Beiwagen" benützen lassen, um hinter national-socialen Güterwagen herzulaufen. Wird auch diesmal der Riß wieder durch ein schwächliches Kompromiß zuzudecken versucht, so steht zu befürchten, daß Tausende aus den evangelischen Arbeitervereinen austreten. So wie die Dinge jetzt liegen, ist aber zu erwarten, daß, falls dec Rheinisch-Westfälische Verband beim Gesammtverbande ver bleiben will, ersterer sich durch den Austritt der meisten Einzel vereine, die sich um die Bochumer Richtung schaaren werden, auflöst. Zu Mac Linley's Tode. ES liegen folgende weitere Depeschen vor: * Buffalo, 14. September. Ueber die letzten Augen blicke des Präsidenten Mac Kinley wird berichtet: Der Prä sident verschied um 2 Uhr 15 Minuten, nachdem er seit gestern Abend 7 Uhr 50 Minuten bewußtlos gewesen war. Ein Geistlicher war nicht zugegen. Die letzten Worte des Präsidenten waren: „Lebt Alle wohl! Lebt Wohl! Es ist Gottes Weg, sein Wille geschehe!" Diese Worte wurden von vr. Mann ausgezeichnet. Frau Mac Kinley sah ihren Gemahl zuletzt zwischen 11 und 12 Uhr NachtS, sie saß am Sterbebette und hielt die Hand ihres Gemahls in der ihrigen. Die Mitglieder de» CabinetS wurden einzeln um dieselbe Zeit in das Sterbezimmer ge lassen. Beim Eintritt des Todes waren zugegen der Privat sekretär Cortelyou, vr. Rixey, Frau und Fräuleiu Barber und Fräulein Duncan. Die unmittelbare Ursache des TodeS steht nicht fest, es wird daher Autopsie der Leiche nöthig. Die Leiche wird nach Washington gebracht, wo die Bestattung auf Staatskosten erfolgt. Roosevelt leistet den Amtseid an dem Orte, wo ibn die Nachricht von dem Hinscheiden des Präsidenten erreicht. Die Minister geben sofort in corpore ihre Entlassung, um Roosevelt Gelegen heit zu geben, ein neues Cabinet zu bilden, wenn er dies wünscht. * Buffalo, 14. September. Im Laufe des Nachmittags wird die Leichenschau vorgenommen werden. — Gestern Abend um 8 Uhr wurde die Ausstellung geschlossen und wird auch heute geschloffen bleiben. * Washington, 14. September. Die Nachricht von dem Ableben des Präsidenten traf hier um 2 Uhr 35 Minuten ein. Der Staatssekretär des Auswärtigen hat sie sofort den Botschaftern und Gesandten der Regierung der Vereinigten Staaten telegraphisch mitgetheilt, damit sie die selbe den Regierungen, bei denen sie beglaubigt sind, notificiren. * Washington, 14. September. Bis zu dem Zeitpunkte, an welchem Vicepräsident Roosevelt nach den Bestim mungen der Verfassung die Leitung der StaatSgeschäste über nimmt, wird Staatssekretär Hay als das älteste der Mitglieder deS CabinetS die Regierung führen. Dem Vicepräsidenten Roosevelt wird, wie Staatssekretär Hay gegenüber Berichterstattern erklärte, morgen früh vom Tode Mac Kinley'S amtliche Mittheilung gemacht werden. Nach allgemeiner Annahme wird der Congreß nicht vor der regelmäßigen Tagung im December einberufen werden. * Danzig, 14. September. Nach Eingang der Nachricht vom Tode deS Präsidenten Mac Kinley befahl der Kaiser, daß die Flotte die Flaggen Halbstocks zu führen und die amerikanische Flagge am Großtopp auf halbmast zu setzen habe. * Danzig, 14. September. Der Kaiser richtete nach stehende Telegramme nach Buffalo: „Tdo socrotarx ok »tato ok korsign Lffairs, Luffalo, America. Oeeph affooteck d/ tko ncvvs ^>k tko untiwcl)' ckeatk ok presickent Hlc-Linlex I tiaeten to express tko ckoepest anck most koartkelt s^mpatky ok tko gorman pvoplv to tko great aweriean uation. Oorwany mourns vitk America kor der noble 8vv, »ko lost bis like vkilst ko was kulklling bis ckutzc to bis country auck bis xeoplo. ^ilbelw, I. k.« „Urs. LlcXinlex, Buffalo. — Her Llajostzc tbe empress anck Ick^selk dog Vou to accept tbe exprsssioa ok our siu- cerest sorrow in tbe loss, wbicb Von bavs suffsreck dzc tbe (leatk ok Vour delovecl kusdanä keilest tbe rüttle«» kaust ok » wursterer. Llaz tko Borst, «ko grautest Vou so mavy ^ears ok kappiuess »t tke siste ok tbe steceasest, grant Von streugtk to boar tbe beav^ dlow, witk «kick bs bas visvteä Von. Vildolm, I. k." In der Uebersetzung: „An den Staatssekretär für aus wärtige Angelegenheiten, Buffalo, Amerika. Tief bewegt durch die Nachrichten über den vorzeitigen Tod des Präsi denten Mac Kinley, eile Ich, Ihnen die tiefste und herzlichst gefühlte Sympathie des deutschen Volkes für die große amerikanische Nation auszudrücken. Deutschland trauert mit Amerika um den edlen Sohn Amerikas, der in Er füllung seiner Pflicht gegen sein Land und sein Volk sein Leben verlor. Wilhelm, I. k." „Frau Mac Kinley, Buffalo. Ihre Majestät die Kaiserin und Ich selbst bitten Sie, den Ausdruck unserer aufrichtigsten Trauer bei dem Verluste entgegenzunehmen, deu Sie durch den Tod Ihres von ruchloser Morderhand gefallenen geliebten Gatten erlitten haben. Möge Gott, der Ihnen so manche Jahre Glückes an der Seite des Dahingeschiedenen schenkte. Ihnen Kraft geben, um den schweren Schlag zu verwinden, mit dem er Sie heimgesucht hat! Wilhelm» I. R." * Berlin, 14. September. Der Staatssekretär de» Aus wärtigen Amtes Freiherr v. Richthofen stattete heute in früher Stunde dem amerikanischen Botschafter Wight einen Besuch ab, um ihm da» innigste Beileid der Regierung anS- zudrücken. DaS Reichskanzlerpalais und daS Auswärtige Amt haben die Flaggen halbmast gesetzt. * Berlin, 14. September. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Wahrhaft tragisch erfüllt sich daS Geschick eine» der hervorragendsten Präsidenten von Amerika. Mac Kinley'S Amtsführung fiel mit einer seltenen Zeit politischer Macht steigerung und wirtschaftlichen Aufschwunges der Ver einigten Staaten zusammen. Wenige Nachfolger Washington's haben auch außerhalb Amerikas per sönlich und politisch ein ähnliches Ansehen ge nossen. Kaiser und Könige ehrten Mac Kinley durch Kundgebungen ihrer Freundschaft unv während der letzten Tage blickte die ganze civilisirte Welt teilnahmsvoll nach dem Schmerzenslager. Die bloße Thatsache, daß eS der erste Beamte des Landes und der erwählte Vertreter de» ameri kanischen Volkes war, reichte hin, um auch gegen diese» Ober haupt eines freiheitlichen Staatswesens die Mordsucht zu entfesseln, die sich zur Schande unserer Zeit unter den Trägern der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung in den Culturlanden immer neue Opfer aussucht. Erschüttert durch den AuSgang seines heldenmüthigen TodeSringenS stimmen wir mit dem Volke und der Regierung der Ber einigten Staaten ein in die Trauer um den vortrefflich«« Mann, der au der Glanzstätte amerikanischer Cultur, als er sich vertrauensvoll unter seinen Mitbürgern bewegte, von der Kugel eines Meuchelmörders getroffen wurde. ES schmerzt unslief, daß die stammverwandre große Republik abermals daS nationale Unglück eines PräsidentenmordeS in seiner vollen Schwere empfinden muß. * Pari», 14. September. Der Minister des Auswärtigen, Delcasss übermittelte dem Staatssekretär Hay „den Aus druck des aufrichtigen und lebhaften Beileids der französische» Nation und Regierung, die sich von ganzem Herzen der Trauer der amerikanischen Nation und Regierung an schließen". — Der Präsident Loubet begab sich um 10 Uhr Vormittags, sogleich, nachdem er die Nachricht vom Tode Mac Kinley'S erhalten hatte, mit dem Minister Del- cafss in die amerikanische Botschaft. Zugleich sandte er folgendes Telegramm an Frau Mac Kinley ab: „Mit schmerzlicher Bewegung erhielt ich die Nachricht vom Tode deS Präsidenten Mac Kinley. Ich nehme von ganzem Herzen an dem Unglücke Theil, welches Sie in Ihren theuersten Empfin dungen trifft, und welche» der großen amerikanischen Nation mit Recht ihren geachteten und geliebten Präsidenten raubr." — Auf dem Elysoe, den Ministerien, den fremden Botschaften und zahlreichen Häusern, die Amerikanern gehören, sind die Flaggen halbmast gehißt. Die Minister, zahlreiche politische Persönlichkeiten und hervorragende Mitglieder der amerika nischen Colonie schrieben sich auf der amerikanischen Bot schaft ein. * Rom, 14. September. Sofort nach dem Eintreffen der Nachricht vom Ableben des Präsidenten Mac Kinley sandte der Ministerpräsident Zanardelli an die italienische Bot schaft in Washington ein Telegramm, in dem er sie beauf tragt, der Wittwe Mac Kinley'S Namens des Lande» und seitens der Regierung die Gefühle des tiefsten Beileids zum Ausdruck zu bringen. Der Ministerpräsident begab sich dann auf die amerikanische Botschaft, wo er seinen Namen in die Liste eintrug. Dasselbe thaten die übrigen Minister, sowie die Mitglieder der amerikanischen Colonie und deS diploma tischen Corps. Der König und der Papst sandten Beileids telegramme ab. Der Krieg in Südafrika. 2n den EoncentrationS lagern. Wie bekannt, hat sich Kitchener veranlaßt gesehen, den Boerenleutnant Malan in ein Concentrationslager zu senden, um sich von den Zuständen daselbst zu überzeugen. Das ist geschehen, um das große Aufsehen, das die schon im Januar geschriebenen Briefe der Frau Hobhouse in England machen, und die Entrüstung, die sie hervorgerufen, zu dämpfen. So theilt z. B. Frau Hobhouse aus dem Lager in Bloem fontein folgende Einzelheiten mit: „Das Lager der Verbannten ist gut zwei Meilen von der Stadt errichtet, am Südabhang eine» Kopje». RingS herum das nackte, braune Feld. So weit man sehen kann, ist kein Baum, noch irgend eine Spur von Schatten weit und breit. Es war etwa 4 Uhr an einem sengend heißen Nachmittag, al» ich meinen Fuß in da» Lager setzte; und wenn ich e» selbst versuchte, so könnte ich nicht schildern, wie mir dabei zu Muthe war. Ich fand zuerst eine Frau, deren Schwester ich in Cap stadt getroffen hatte. Es macht große Schwierigkeiten, in einem Dorfe von glockenförmigen Zelten, ohne Straßennamen und -Nummern, den Weg zu finden. In diesem Lager sind beinahe 2000 Menschen, darunter nur sehr wenige Männer, sie sagen eine Hand voll Männer und über 900 Kinder (diese Zahlen sind jetzt verdoppelt). Sie können -sich die Hitze außerhalb der Zelte Vorsteven und die stickige Luft dadrinnen! Wir saßen auf den zusammenaerollten Khakidecken in Mr». B.'S Zelt und die Sonne brannte durch das einfache Segeltuch, und die Kliqga»
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