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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001128027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900112802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900112802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-11
- Tag1900-11-28
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklame» unter dem RcdactionSstrich (4 gespalten) 7ü L,, vor den Familienuach« richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Hüber. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbesürderung .zl 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags lO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- nnunterbroche« geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz t« Leipzig. Mittwoch den 28. November 1900. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. Wen» eS wahr ist, was die „Pol. Corr." gemeldet hat, daß der Verzicht ans die Todesstrafe für die Haupträdelsfübrer das Ende der langwierigen Ver handlungen der Gesandten mit ihren Cadinelten sein soll, so ist das höchst deprimirend und arg bedauerlich. Unter den chinesischen Großwürdeuträgern, die am grau samsten gegen die Missionare gewülhet haben, befindet sich Jühsien, der Gouverneur von Taijuenfu. Wie seiner Zeit gemeldet wurde, hatte er eine Schaar gefangen ge nommener Missionare nach seinem Hamen in Taijuenfu bringen und dort niebermetzeln lassen. Wie er selbst gegen sie den ersten Streich geführt hat, schildert ein Augen zeuge, ein Chinese, nicht ein Christ, in einem Briefe, den die „North China Daily News" veröffentlicht, folgendermaßen: „Die Boxerbanden, die Aübsien gegen die Missionare in der Provinz Schansi auSzesandt halte, erhielten den Befehl, ihre Gefangenen nach Taijuenfu „zum Proceß" zu bringen. Als die erste Schaar dort eingelicfert war, ließ Hühsien sie direet nach dem Damen bringen und dort nach dem Schieß platz für Bogenschießen schaffen, wo sie in einer Reihe aus gestellt wurden. Dann entledigte sich der Gouverneur seiner Amtskleider und Kette, bestieg ein bereit gehaltenes Pferd, ergriff ein langes Schwert und sprengte, es über dem Kopf schwingend, in vollem Galopp auf die Gefangenen los. Au ihnen vorbeisprengend, schlug er vier oder fünf Gefangenen den Kopf ab. Dann scheute sein Pferd, bockte und wollte nicht mehr vorwärts. Der Gouverneur mußte absieigcn und dann wurde der Rest der unglücklichen Missionare von den Boxern und Soldaten nieder-gemacht. Auf diese Weise gab Dübsien seinen Schaaren ein Beispiel. Auch späterhin wurden alle gefangen genommenen Missionare im Damen niedergemacht, damit Niemand entkomme, aber Dübsien betheiligte sich nicht mehr persönlich an diesen Metzeleien." Der Schreiber bestätigte auch, daß eS vor der Ankunft Dühsiens in Schansi nicht einen Boxer gab. Solche Bluthunde sollen mit Tuan und Consorten nicht mit dem Tode bestraft werden, d. h. nach chinesischer Praxis frei auSgehen? Deutschland scheint sein endgilligcs Wort in der Sache noch nickt gesprochen zu Haden und wir sind gespannt, wie eS aussälli. Die Unmöglichkeit, die Schuldigen zu fassen, vermögen wir noch nickt einzuseden, muß auf die genügende Bestrafung der Uebelthätcr verzichtet werden, so ist es nur die Uneinigkeit der Mächte, welcher diese Un möglichkeit zu danken ist. Ein neuer Zwischenfall. Ueber den Zwischenfall in Shanghai wird den „Daily News" weiter bericktet: 30 französische Soldaten haben, wie eS heißt, aus Rache für frühere Thätlich- keiten englischer Soldaten gegen Kameraden eine An zahl Engländer angegriffen. Sie forderten vie städtische Polizei heraus und griffen Civilpcrsoncn an. wobei sie sich der Bajonette bedienten und mehrere Personen verwundeten. Es wurden einige Berhaf lungen vorgenommen. Die militärische Untersuchung ist eingeleitet. — Den „Times" wird aus Shanghai berichtet, daß die französischen und englischen Truppen angewiesen worden seien, sich nicht aus den französischen bez. englischen Niederlassungen zu entfernen, bis die schwebenden Verhand lungen über den mockus vivsucki abgeschlossen seren. * Marseille, 27. November. Der Dampfer „Melbourne" ist mit 289 Unteroificieren und Soldaten der Infanterie, Artillerie und Marine hier eingetroffen, welche an den Kämpfen bei Tientsin und Peking theilgenommen haben. Sie befinden sich sämmtlich, bis aus 3 Verwundete, wohl. Die Soldaten rühmen dieguteKamerad- schäft, die zwischen ihnen und den Deutschen bestanden hat. Der Krieg in Südafrika. Krüger i» Parts. Ueber den Empfang deS Präsidenten Krüger im Elysöe berichtet der „Temps" folgende Einzelhnten: Präsident Krüger drückte seinen Dank für die warmen Sympathie» aus, die er in Frankreich gefunden habe, sprach von dem ungerechten Kriege, den eine einstmals liberale Nation gegen em kleines Volk unternommen, das seine Freiheit behalten wollte, und schilderte die Greuel des Krieges, in welchem Gebote der Menschlichkeit nur in den Reihen der Boeren beobachtet worden seien. Als der Dolmetscher diese Stelle der Ansprache übersetzte, unterbrach ihn Präsident Loubet mit den Worten der Krieg sei leider immer brutal. Präsident Krüger erklärte weiterhin, er sei sich der Schwierigkeiten seiner Mission vollauf bewußt und hege keine große Hoffnung auf die Hilfe der Menschen, er sei aber davon überzeugt, daß Gott die gerechte Sache nicht verlassen könne. Präsident Loubet, welcher auf das Tiefste bewegt war, erwiderte, daß ihn das Unglück deS Boerenvolkes lief rühre. Ter Helbcnmuth, den die Boeren zeigten, sei ein hohes Beispiel und die Boeren könnten in der Bewunderung und dem Mitleid der ganzen civilisirten Welt einen schönen Trost finden. Das ist wenig — nichts, und Krüger'S Hoffnungen sind denn auch offenbar beute schon begraben. Aber was konnte er anderes erwarten! Hätte er nicht besser gethan, diese Täuschung sich zu ersparen und seine Europareise zu unterlassen? Auch in Belgien, de» Niederjanden, den Vereinigten Staaten wird er nichts einbeimsen, als mehr oder minder aufrichtige Bewunde rung und Worte deS Mitleids. Thaten wird er nirgends sehen. Es ist tief beklagcnswertb, daß eS so ist, aber cS zu ändern, liegt in keines Menschen Macht. Im Laufe des gestrigen AbencS empfing Krüger Schüler deS lau dwirthsck östlichen Instituts und des Cbarle- mazne-Lyceums, welche ihm eine Bronzefigur überreichten, die David, seinen Säbel schärfend, darstell:. Um 6'/» Uhr begab sich der Präsident nach dem Ministerium des Auswärtigen Amtes, um dem Minister Delcasss einen Besuch abzustalten. Auk der Fahrt dorthin wurde er überall lebhaft begrüßt. Del- cassö empfing ihn von dem Beamten seines Cabinels um geben. Nachdem Dclcassü und Krüger sich begrüßt hatten, führte der Minister den Präsidenten in sein Arbeitszimmer, wo er brs 7^ Uhr eine Unterredung mit demselben hatte. Später stattete Dclcassv dem Präsidenten einen Gegen besuch ab. Die Zahl der Studenten, die sich am Zuge nach dem Hotel Scribe betbeiligten, wuchs auf etwa 2000 an. Eine Deputation von 20 Sludirenden wurde vom Präsidenten Krüger empfangen. Der Sprecher theilte mit, raß die Studentenschaft eine Petition an alle Staatsober häupter zu richte» beabsichtige, in der schiedsgericht liche Regelung des Streites zwischen England und den südafrikanischen Republiken erbeten werden soll. Krüger äußerte sich zu dem Vorhaben zustimmend und gedachte der Sludirenden unter den Boeren, die für ibr Vaterland mit in den Kampf zogen und für dasselbe Tod oder Gefangen schaft erlitten. Später zeigte sich der Präsident, umgeben von vier Studenten, auf dem Balkon. Die unten ver sammelte Menge brachte ihm stürmische Huldigungen dar und marsckirte dann in guter Ordnung nach dem Ouarlier Latin zurück. . Auch das Comit6 für die Revision deS D reyfu s-ProcesseS bat Krüger begrüßt. Gabriel Monod hielt eine Ansprache, aus die der Präsident erwiderte: „Ich bin dankbar für den Beweis der Sympathie, die mir eine Gruppe von Männern bringt, welche für die Gerechtigkeit einsleht. Unsere Sacke ist gerecht. Wer für die Gerechtigkeit kämpft, der kämpft für Gott und ist der Unterstützung Gottes sicher. Er muß siezen. Auch ich habe daS andere England gekannt, das England Gladstone'S, aber das heutige England hat das Werk Glad- stone'S vernichtet, welches ein Werk des Friedens und der Gerechtigkeit war. Ich danke Ihnen, daß Sie für unsere Sacke so sckön empfinden. Wenn man nnS unser Recht, unsere Unabhängigkeit gewährt, dann wird dies auch der Frieden sein." Der Dolmetsch übersetzte diese Worte, die stürmischen Beifall hervorriesen. Krüger nahm abermals das Wort und sagte: „Ich lege Werth darauf, noch einmal zu betonen, daß die Gerechtigkeit eine Sacke Gottes ist, und bitte Sie, in Zukunft für die Gerechtigkeit zu kämpfen, bei Ihnen und in der Fremde. Sie kennen mein Volk nicht. ES ist nur die Liebe zum Recht, welches Ihre Sympathie für uns ge schaffen hat". Krüger besichtigte, wie schon kurz erwähnt, am Montag Mittag bi: AusstcllungSplätze, welche fast vollständig abgcräumt sind und dem Präsidenten kein Bild mehr von der Ausstellung geben konnten. Doch gestattete ibm die Be steigung vcS Eiffelthurmes eine schöne Aussicht über di: Gebäude und die äußere Gestalt der Weltausstellung. Krüger wurde am Fuße deS Eisselihurmes vom General- Commissär der Weltausstellung, Picard, begrüßt, fuhr dann mit dem Aufzug bis in das zweite Stockwerk deS ThurmeS, promenirte hier auf der Galerie und ließ sich vom Polizeipräfecten Lepine die einzelnen Tbeile des Panoramas erklären, welches die Stadt Paris, ihre Um gebung und die Ausstellung bilden. Krüger bemerkte: „AlS ich 1876 hier war, da gabS noch viele Ruinen, Ueberreste des Krieges, heute ist Paris viel schöner." Dann sprach er seine Bewunderung sür den Eiffellhurm und für Paris aus, worauf er hiuzusügtc: „Mau kann eS kaum fassen, was menschlicher Geist alles zu schaffen vermag." Am Fuße des Eiffelthurmes batte sich eine große Menschenmasse ein- gcsundcu, welche Krüger stürmisch begrüßte. Neben den Rusen: „Es lebe Krüger! Hoch die Boeren!" böite man auch den Ruf: „Es lebe bas Schiedsgericht!" Dann begab sich Krüger mit seinem Gefolge in die Transvaal- Ausstellung. In der Nähe des Transvaal - Pavillons ist eine Statue der Königin Victoria aufgestellt. Hier grüßten Arbeiter den Präsidenten mit Hochrufen. Krüger betrachtete im Pavillon seine bekränzte Büste, dann eins alle Kanone und zeigte sich sehr befriedigt darüber, daß das Unterrichtswesen von Transvaal mit dem tlranci xrix ausgezeichnet wurde. Im Unterrichls-Pavillon befindet sich eine alte bolländische Bibel. Krüger hielt vor der selben, ließ sich eine Seite auS dem Deuteronomium auf- scklagen und laS dann mit lauter Stimme einen VerS vor, der von der Hilfe GotteS bandelt. Consul Pierson fügte einige boffnungSfreudige Worte bei. Dann fuhr Krüger davon. Nur wenige Leute befanden sich in den weiten Avenuen. Man hörte keine Zurufe. Die Ovationen erneuerten sich erst wieder vor dem „Hotel Scribe", wo eine große Menschenmenge den heimkehrenven Präsidenten erwartete. Ein neues Complott gegen Roberts. Die Londoner „Corning Standard" giebt unter Vor behalt ein Gerücht wieder, nach welchem eine Verschwörung zur Ermordung Lord Roberts' entdeckt worden sei. Etwa 20 Ausländer seien dabei betheiligt gewesen. Die Ver schwörer hätten eine Mine gelegt, welche am letzten Sonntag, während Roberts in IobanneSburg in der Kirche war, auf fliegen sollte. Die Verschwörung sei durch die Wachsamkeit der Polizei und der Schutzwache deS Feldmarschalls entdeckt worben. Es heißt, etwa 10 Personen, meistens Italiener, seien verhaftet. * Lord Roberts selbst meldet aus Johannesburg unter dem 26. November: „Da wahrscheinlich daS Gerücht von einem Complott gegen mein Leben nach London ge drungen ist, halte ich eS für meine Pflicht, die Tbatsacheu mitzulheilen. Die Polizei batte seit einiger Zeit Kenntniß davon, daß eine Versckwörung bestand. Man nahm am 16. November 5 Italiener, 4 Griechen und einen Franzosen fest; sie werden dem Gericht übergeben. Ihre Absicht war, am 19. November während deS Morgengottes- diensles in der Marienkirche um 11 Uhr eine Mine springen zu lassen." Guerillakrieg. * London, 27. November. Das „Reuterssche Bureau" meldet aus Standerton vom 25. d. M.: Eine englische Colonne griff in der Nähe von Greylingstad einen 150 Mann starken Boeren- trupp an und vertrieb denselben von den Hügeln, welche er inne hatte. Die Boeren hatten beträchtliche Verluste; die Engländer er beuteten eine große Menge Lebensmittel. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. November. Auf die gestrigen Verhandlungen deS Reichstags brauchte man heute nickt zurückznkommen, wenn sie nickt bewiesen hätten, daß die Socialdeniokratie keineswegs gesonnen ist, die „12 V0V-Mark-Affäre" ruhen zu lassen. Ter Abg. Singer lieferte diesen Beweis, indem er den Staats sekretär des Innern Grafen Posadowskn bei der Bc- rathu-'g der Seemannsordnunz durch einen Zwischenruf an die Affäre erinnerte. Je üblere und compromittirendere Er fahrungen sie jetzt im eigenen Lager macht, um so mehr wird sich die Socialdeniokratie bemühen, den Grafen Posadowsky zu einer Erklärung zu drängen, durch die er sich entweder als Mitschuldiger des Herrn von Woedtke bekennt oder diesen als einen Beamten erscheinen läßt, der hinter dem Rücken seines Chefs gehandelt har. Und wie es scheint, will inan sich auch auf Seiten des Central- verbandes deutscher Industrieller mit dem Ab schlüsse, den die Angelegenheit am Sonnabend im Reichstage Fenrlleton» iss Die Malerin. Roman von I. Marsden Sutcliffe. Nachdruck verdr^n. „Sobald ich Winfriede unter gutem Schutze weiß, werde ich es schon lernen, mich mit meiner Enttäuschung abzufinden. So lange ich sie schutzlos weiß, finde ich aber keine Ruhe." „Wenn ich dessen ganz sicher wäre, wollte ich Winfriede, so bald wir sie erst gefunden haben, gern zu mir nach Glen-Orloch nehmen." „Wie gut Du bist, Mutter! Das ist ja Alles, was ich wünsche." „Dann aber dürftest Du nicht hinkommcn, so lange sie anter meinem Dache weilt!" „Du selbst hast mich gelehrt, jeden conventionellen Zwang zu verachten. Warum dürften wir denn nicht freundschaftlich miteinander verkehren?" „Das wäre nicht ohne Gefahr für Euch Beide." „Für mich nicht, Mutter! Ich habe die Stunde dec Ver suchung gehabt. „Gottlob ist sie vorüber. Durch mich soll ihr Ruf nicht leiben." „Das könnte aber leicht geschehen, weiltest Du mit ihr zu sammen auf Glen-Orloch." „Dann bleibe ich einfach weg." Lady Falk fand nur noch in der Liede zu ihrem Sohne einen Reiz am Leben. Seine Besuche, die Zeit, welche er auf Glen- Orloch ihr widmete, waren schon seit vielen Jahren ihre einzige Freude, der sie mit großer Erregtheit und Vorfreude entgegen iah. Nun sollte sie dieses ihr letztes Glück dem seinigen zum Opfer bringen! Nach kurzem, schwerem Kampfe siegle dec Opfer- muth der Mutterliebe, und sie sagte zu, auch trotz dieser Be dingung Winfriede unter ihren Schutz nach Glen-Orloch nehmen zu wollen. Für den Augenblick aber war sie völlig außer Stande, ihm z« helfen. Sie hatte Winfrieden- Erzählung in Ser Erinnerung an sich oorüberziehen lassen, aber nichts darin gefunden, was einen Anhalt über ihren möglichen Zufluchtsort gegeben hätte Einige Tage später ließ sich der von Maclean beauftragte Geheimagent van de Weier bei Klaus melden. Mutter und Sohn empfingen ihn zusammen. In seinem A-ußeren verrieth der Detectiv nichts von seinem Beruf. Seiner langen Dienstzeit entsprechend, hatte er eine straff«, soldatische Haltung bewahrt, die zu seinem Alter von fünfunddreißig Jahren und seiner hübschen athletischen Gestalt besonders gut paßte. In jeder Bewegung verrieth sich völlig unerschütterliche Ruhe und das Bewußtsein großer körperlicher Kraft. Aus den klugen Augen sprach das Vermögen raschen Erfassens. »Ich hoff«, Sie bringen gute Nachrichten", sagte Klaus. „Herr Baron, das vermögen nur Sie selbst zu beuriheilen", sagte der Detectiv, ich habe Ihnen nur zu meloen, daß Sir Reginald Denison heute Morgen von Charing-Croß-Station aus in dem Pariser Zuge London verlassen hat." „Wissen Sie, ob der Baron etwas über die bewußte Dame erfahren hat?" „Das vermag ich zur Zeit nicht zu sagen." „Warum betonen Sie das „zur Zeit" so sehr?" „Weil ich bis jetzt noch keinerlei Nachricht von meiner Frau habe. Sie ist im selben Zuge nach Paris gereist und seht unter wegs wie in Paris die Ucderwachung deS Barons fort." „Aber ist Ihre Frau denn auch Geheimpolizistin?" fragte Lady Falk lächelnd. Sich achtungsvoll vor der alten Dame verbeugend, sagte dec Detectiv: „Meine Frau ist auch in der Beziehung, wie man so zu sagen pflegt, mein« bessere Hälfte. Sie hat mir gerathen, dem Herrn Baron anzuempfehlen, sofort nachzureisen." „Das halte ich auch für das Beste. Aber Sie müssen mich begleiten." „Meine Frau ist genau mit ihr«r Aufgabe vertraut gemacht. Sie können sich vollkommen auf sie verlassen. Aber Sie müssen ihr den Zeitpunct Ihrer Ankunft in Paris mittheilen." „Ich möchte Sie doch lieber mitnehmen." „Ich stehe vollständig zu Diensten, wenn Sie e» so wünschen. Mit dem heut« Nachmittag von Newhaven nach Dieppe ab gehenden Schiff ist die Reise zwar sehr langiveilig, aber Si- waren schon um Mitternacht in Paris, und Sir Denison hätte dann keinen zu großen Vorsprung." „Ein sehr guter Vorschlag", rief Klaus begeistert, „oder wäre Dir das zu zeitig, liebe Mutter?" „Ich habe keinerlei Vorbereitungen zu treffen, ich habe nock gar nicht ausgrpackt." „Dann ist Alles abgemacht, und wir treffen uns auf dec Victoria-Station." „Wie der Herr Baron befehlen." Bald nach Mitternacht trafen Laoy Falk, ihr Sohn uns der Geheimagent in Paris ein. Achtzehntes Capitel. Der von Denison mit Maclean's Ueberwachung betraute Detectiv sah sich vor «ine sehr lästige Aufgabe gestellt. Klaus suchte, theils weil er Gefallen daran fand, theils um neue Vor würfe zu sammeln, die entlegensten Gegenden Londons auf. Ec hatte diese Entdeckungsreisen zwar der Arbeit wegen wieder auf gegeben. Seit WinfrievenS Flucht war «r aber völlig arbeits unfähig und ruhelos. Er irrte daher planloser umher, denn je, sehr zum Vertruste seines Aufpassers. Dieser halte anfangs wohl geglaubt, saß hinter diesen stundenlangen Wanderungen vielleicht etwas stecken möchte, was mit seiner Aufgabe in Ver bindung stände, nach gar nicht langer Zeit erkannte er aber seinen Jrrthum und unterrichtete Denison hiervon. Reginald aber hielt an seinem Glauben fest, daß Maclean um seiner Frau Ver steck wisse, vielleicht auf diese Weise Verbindung mit ihr unter halte, oder doch im Einverständniß mit ihr Handl-. Erst als der Detectiv seine völlige Rathlosigkeit gegenüber Maclean's Wanderungen bekannte und meinte, es sei in dem Kopfe des Herrn, den er Zu beobachten hätte, gewiß nicht Alles in Ordnung, mußte Denison seine Ansicht sehr zu seinem Leid wesen fallen lassen und den Geheimagenten von seiner Aufgabe entbinden. Seine Leidenschaft unterjochte ihn aber täglich mehr und mehr, und unausgesetzt beschäftigte er sich damit, wie er Win friede ausfindig machen könne. Wie nach einem letzten rettenden Strohhalm greifend, ent schied er sich für eine Reise nach Paris. Vielleicht hälfe ihm ein glücklicher Zufall, dort eine Spur von ihr zu entdecken, wo sie dis zu ihrer Verheirathung gelebt hatte. Diesen eigentlich nahe liegenden Gedanken hatte er von sich gewiesen, so lange er noch glaubte, daß Winfriede gemäß Weisungen von Maclean handle. Es war zwar wenig wahrscheinlich, daß sie an einer der ihm ja von früher her auck bekannten Stätten Zuflucht gesucht Haden sollte. Ec wollte aber nichts unversucht lassen uns schmeichelte ,einer Schwester das Versprechen ad, nachzukommen, falls ec Winfriede entdecken sollte. In Paris angekommen, nahm ec in einem vornehmen Gast hause Wohnung und dinirte sehr gut, was für ihn im täglichen Leben eine sehr große Hauptsache war. Da es an diesem Tage schon zu spät war, für seinen eigentlichen Reisezweck noch thätia zu sein, entschloß er sich zu einem planlosen Spaziergänge durch die belebtesten Boulevards. Seine für Paris ja ziemlich leicht- Aufgave würde diesen Aufschub ivohl ertragen. Winfriede hakt: nach ihres Vaters Tove bis zur Hochzeit bei einer Madame Faveri in der Straße Vaugirard gewohnt. Wenn irgendwo, dann mußte er cs dort erfahren, falls seine Frau in Paris war. Der Abend lag vor ihm; er war in Paris, der Stadt dec Vergnügungen, in welcher er schon so manchen Strauß mit Forruna bestanden halte, freilich auch oft genug nach einem Un glückstage ohne einen Napoleon in der Tasche heimgekehrt war. Diese schrecklichen, sorgenvollen Tage waren zum Glück vorüber. Jetzt, als einer der reichsten Grundbesitzer Englands, spielte der Verlust eines Abends keine Rolle mehr. Er durfte sich dem auf regenden Vergnügen des Spieles hingeben. Diesen lang entbehrten Genuß wollte er sich heute verschaffen, und zwar nicht in einer jener Spielhöhlen, in Venen man die herabgekommene vornehme Welt antraf, sondern in einer solchen der niedrigsten Art. Reginald, dem es an persönlichem Muth nicht fehlte, sah sich gern in Gesellschaft von Abenteurern und Betrügern. Den rohen Scherzen und Flüchen, die dort ausgetauscht wurden, hörte er gern zu. In solcher Umgebung fühlte er sich wohler und fand viel mehr Vergnügen, als da, wo es galt, wenigstens den Schein des Anstandes und guten Tones noch zu wahren. Er hielt den nach ihm, dem vornehm gekleideten Manne, ge richteten raubsüchtigen Blicken ruhig Stand. Da er sehr gut Französisch sprach, war er bald „Gut Freund" mit den Haupt personen in der von ihm aufgesuchten Spielhöhle. Das Glück war heut« sehr launenhaft. Oesters hatte er ge wonnen, aber fast immer wieder verloren. Als er sich plötzlich ganz ohne Geld sah, zog er die Uhr und ging fort, da es bereits zwei Uhr Morgens war. Er war sehr erregt von dem lange nicht gehabten Vergnüge» und batte viel Sect getrunken. Er konnte sich daher nicht mehr recht klar machen, warum ihm eines der Gesichter am Spieltische so bekannt vorgekommen war. Es war ja auch gletckqiltig, wer es war, und da Jener sich ihm nicht genähert, unterließ er es in Anbetracht des OrteS ebenfalls. Es kam ihm nicht in Erinnerung, daß er das Gesicht vor noch nicht vierundzwanztg Stunden auf dem Bahnsteig in London gesehen hatte. Van de Weier war sofort nach seiner Ankunft herbeigeeilt, um seine Frau von dec Wache außerhalb der Epielhöhle ab- zulösen. Um drei Uhr oina der Geheimagent von Reginaldl Hotel fort, in lxr festen Ueoerzeuqunq, daß er ihn heute nicht mehr zu überwachen brauche. (Fortsetzung folgt.)
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