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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.12.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001205021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900120502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900120502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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ÄmtsUatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aatyes «nd Nolizei-Änttes der Ltadt Leipzig. Anzeigen «Preis die 6gespaltene Petitzkile L5 Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten 6 gespalten) 50 L,. Tabellarischer nnd Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osserteiianiiahme 25 (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .^> VO.—, niit Postbesörderung .eG 70—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Nb end-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag-ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leivzig. 61S. 94. Jahrgang. Mittwoch den 5. December 1900. Die Wirren in China. Die Schwierigkeit der Lage. Die Wiener „Politische Correspondenz" schreibt: „In den französischen Colonialkreisen, welchen auch viele ehemalige Beamte in Indo-China angehören und andere Persönlich keiten, welche die Hilfsmittel der chinesischen Diplomatie zu kennen in der Lage sind, wird, wie man unS aus Paris schreibt, die Frage viel erörtert, mit welchen Mitteln Wohl Europa, Amerika und Japan die Achtung der chinesischen Machthaber vor den abzuschlie ßenden Verträgen erzwingen werden. Die seit langem bekannte Doppelzüngigkeit der Chinesen habe man auch während der jetzigen Wirren in eiupsindlicher Weise kennen gelernt, und die Mandarinen, die immer unverantwortlich bleiben, werden nicht aushören, gegen die Verträge' zu agitiren. Die Chinesen werden wahrscheinlich dem auf sie auSgeübten Druck keinen gewaltsamen Widerstand ent gegensetzen, da sie sich ihrer Schwäche gegen den be waffneten Westen bewußt sind, aber was sie wider willig und erst nach Erschöpfung aller ibrer VerschleppuugS- tünste jetzt zugcstchen, werden sie später mit List und Betrug wieder znrückzunehmen bestrebt sein; darin liegt, wie sich die „Depßche Coloniale" ausdrückt, die Gefahr. Die formlose Masse, welche China darstellt, ohne Kopf, ohne Glieder, ohne einen wirklichen Herrscher, ohne eine regelrechte Regierung, eine gewaltige Volksmenge, die nur. im Haß gegen das Fremde einig ist, vermag mit der furchtbaren Kraft seiner Apathie und Unthätigkeit allen vereinten Bemühungen der civilisirten Mächte vollen Widerstand zu leisten. Der wahre Zweck der chinesischen Negierung oder der Mandarinen, die jetzt ihre Stelle einnebmcn, ist, wie daö genannte Blatt hinzufügt, die Dinge in die Länge zu ziehen, damit vielleicht ein Zwischenfall eintrete, der die Einmütbig- kcit der Mächte gegen China zerstören würde. Diese An schauungen finden in den französischen Colonialkreisen volle Zustimmung, und eben im Hinblick auf diese Perspective erachten sie ein endgiltiges und dauerndes Einverneh men der Mächte auch in allen weiteren Phasen der China frage für das einzige Mittel zur Erreichung wirklicher Erfolge gegenüber der chinesischen Diplomatie." An dem Einvernehmen der Mächte fehlt es aber bekannt lich gar sehr. Tie Kaiscrin-Wittwe. Nach einer Meldung der „Morning Post" aus Sbanghai feuerten die deutschen und die englischen Kriegsschiffe vor Chinkiang einen Salut zu Ehren des Geburtstages der Kaiserin - Wittwe. Aus Peking wird dem Bureau Lassan gemeldet, daß dort der Geburtstag der Kaiserin zum ersten Male seit vielen Jahren nicht gefeiert worden sei. Li - Hung - Tscha ng und Prinz Tsching gingen zum Tsung li Aainen, warfen sich dreimal nieder und klopften mit ihren Kopsen neunmal auf den Fußboden und noch einige andere Beamte befolgten dieselbe Etikette. In Gegenwart der Ausländer gab es aber keine Demonstrationen. InSinganfu soll es außer dem Niederwerfen und Klopfen mit den Köpfen auf den Fußboden keine Feier gegeben haben. Die Kaiserin-Wittwe erhielt aber aus den Provinzen viele Geschenke und die südlichen Vicekönige schickten Seide, Sammt und Silber. * London, 5. December. (Telegramm.) „Standard" be richtet auS Tientsin unter dem 8. December: Zwei Chinesen versuchten, das Arsenal in die Luft zu sprengen, der Versuch mißlang aber. Ein Mann wurde dabei getödtet. — Die „Times" berichten aus Shanghai unter dem 4. December: Die Russen in Niut sch wang haben den Postdienst übernommen und durch eine Proklamation bekanntgegeben, daß sie auch die Einziehung der Grundsteuer besorgen. Der Krieg in Südafrika. Deutschland, die Boeren, bnglaud «uS Frankreich. Aus Berlin wird uns geschrieben: Während ein Blatt wie die „Hamburger Nachrichten" an leitender Stelle den Nichtempfang des Präsidenten Krüger durch den Kaiser im Hinblick auf das Telegramm vom Jahre 1890 und auf die ostasiatische Frage als eine politische Noth- wendigkeit hinnimmt, wird von boereufrcundlicher Seite ans dem Verhalten der Berliner Diplomatie eine Schä digung deutscher Interessen hcrgeleitet. Die Voraussetzung für diesen Standpunct ist dabei eine doppelte: nämlich sie besteht einmal in der Annahme, daß Deutschland gegen über England nicht mehr freie Hand habe, daß also geheime Klauseln zu dem deutsch-englischen Abkommen vorhanden seien; und sie besteht zum Zweiten in der Rechnung auf die Möglichkeit, eS könnten sich die Boeren gegenüber England militärisch behaupten. Da wir nicht zu der letzteren Hoffnung uns anfzuschwingen vermögen, und da die Existenz irgend welcher Klauseln zum deutsch-englischen Abkommen an best unterrichteten Stellen mit aller Entschiedenheit in das Reich der Fabel verwiesen worden ist, können wir an eine Schädigung deutscher Interessen, wie sie unter jenen zwei Voraussetzungen befürchtet werden, nicht glauben. Eine weitere angebliche Schädigung deutscher Interessen wird von boerenfreundlicker Seite in der Wirkung gesunden, die das Verhalten der Ber liner Diplomatie gegenüber Krüger in Frankreich geübt hätte. Man schließt aus dem Lärm der nationalistischen Pariser Presse auf die Beseitigung aller der Er folge, die hinsichtlich einer Abnahme der deutschfeind lichen Stimmung in den letzten Jahren erzielt worden seien, und besorgt deshalb, daß das Zusammengehen Deutschlands und Frankreichs bei colonialen uud internationalen Fragen künftig kaum möglich sein werde. Unseres Erachtens liegt dieser Auffassung zunächst eine Ueberschätzuug der ver meintlichen deutschfreundliche» Stimmung in Frankreich zu Grunde. Wie kurz vor der Welt-AuSstellung die Nationalisten kein Bedenken trugen, anläßlich der Dreyfus- Angelegcnheit bekannte Proben ihrer Feindseligkeit gegen Deutschland abznlegen, so thun sie sich auch kurz nach der Welt-AuSstellung, nachdem Paris das Geschäft gemacht, Deutschland gegenüber um so weniger Zwang an, je sicherer sie bezüglich Krüger's auf die Wiederholung der Pariser Vor gänge in Berlin gerechnet hatten. Die französische Regierung aber hat auch bisher bei colonialen und internationalen Fragen mit Deutschland nicht um seiner schönen Augen willen, sondern wegen des französischen Interesses cooperirt, und wird sich der Boeren wegen auch in Zukunft nicht ab halten lassen, daö Gleiche zu thun —, wenn daö französische Interesse es erfordert. Einem Briese unseres Londoner Berichterstatters ent nehmen wir das Folgende: Parlaments-Eröffnung, Krüger'S Reise nach Köln nnd die „früheren Arrangements" deS deutschen Kaisers. Diese drei wichtigen Ereignisse stehen im engsten Zusammenhänge mit dem Boerenkriege und erregen in ihrer verbältnißniäßig günstigen Constellation den Hellen Jubel der Jingos und blutdürstigen Bverenfresser hier zu Lande, zumal da man sich auch gleichzeitig vo- der Uebernahme des Oberbefehls in Südafrika durch Lord Kilchener, dem der temporäre Rang als commandirender General verliehen wurde, trotz aller traurigen Erfahrungen mit dem größten, neubelebten Optimismus ein sehr schnelles Ende des unheimlichen Kleinkrieges in den beiden Republiken verspricht. — Mit echt englischer Unver frorenheit, um keinen drastischeren Ausdruck zu gebrauchen, constaliren verschiedene Morgen- und Abendblätter mit trium- phirendem Bebagen, daß „diesefrüheren Arrangements natür lich nichts anveres seien, alS gewisse Abmachungen mit Lord Salisbury". (Siehe die obige Information unseres Berliner Gewährsmannes. Die Rev.) Uud so sind denn in England die..provious urrangemeuts", die früheren Arrangements deS deutschen Kaisers das hochwillkommene, die gehaßten Boeren und ihre Freunde verhöhnende Schlag wort und Witzwort des Tages geworden. Der völlige Untergang des Boerenvolkes aber stebt nunmehr in den Augen aller Anhänger Chamberlain'S bombenfest und sicher, und wenn es sich nicht um eine so betrübende Thatsache handelte, könnte man in Deutschland sehr stolz darauf sein, daß von der Entscheidung Kaiser Wilhelms, die hier in den letzten Tagen mit verhaltenem Äthern erwartet wurde, sozusagen die Zukunft Englands, auf jeden Fall aber die nächste Aktionsfähigkeit John Buü's abhing. Das stolze Albion in Abhängigkeit vom deutscher Kaiser — man denke und staune. Einige Halspcnny Blätter in der englischen Metropole fordern den General Kilchener jetzt mit dürren Worten auf, doch nur ja keine sentimentalen Rücksichten in der Nieder werfung der Boeren mehr walten zu lassen, als wenn dies jemals der Fall gewesen wäre; andererseits werden die Schlappen der letzten Tage mit protzigem Uebermutb als „Nienle" behandelt und geradezu belacht, trotz der ca. 500 Ge fangenen des Generals De Wel und der sehr starken Verlust liste an Tobten und Verwundeten auf Seiten der englischen Truppen, die u. A. wieder einen der besten und energischsten Stabsofsiciere auS der Kitchener'schen Schule, den Obersten Lloyd umfaßt. Lord Roberts sieben ganz besondere Ehrungen und Be lohnungen bevor. Wie aus Regierungskreiseu verlautet, wird er eine außergewöhnliche Rangerhöhung erhalten und mit dem Herzogstitel beglückt werden, während die Ehrung deö Parlamentes in einer Dotation von mindestens 100 000 Lstrl., also über zwei Millionen Mark bestehen wird. vules et clecoium ost . . . Bom Kriegsschauplätze. * Lauda», 4. December. Eine Depesche Lord Kitcheuer's aus Bloemfontein vom 3. December meldet: Die unter General Knox stehenden berittene» Truppen waren heute den ganzen Tag über bei Goddehoop, drei Meilen nördlich von Bethulie, an der Straße von Smithsield, in einGefecht verwickelt. Die Boeren, welche von einem großen Convoi begleitet waren, -wurden aufgehalten und mußten sich znrückziehen. Die Engländer blieben mit denselben in Fühlung. General Scttle erreichte nach einigen Scharmützeln, bei denen er 30 Gefangene machte und einiges Vieh erbeutete, JagerSsontein, General Plaget hat den Feind in der Nähe von Leeunfontein znrückgedrängt. Der Gesund heitszustand der in Komatipoort befindlichen Truppen bessert sich * Turban, 4. December. (Reuters Bureau.) In Eund- gleugh bei Ladysmith tauchte am 29. Novembersssein Boeren- cvmman do in einer Stärke von 50 bewaffneten Berittenen auf. Ein ähnliches Commando soll sich in der Nachbarschaft befinden. Präsident Krüger In Köln. (Unbrrechtigtrr Nachdruck verboten.» 8. u. L. Köln, 4. December. Wider alles Erwarten sammelten sich am gestrigen Abend nach 7 Uhr wiederum kolossale Menschen mengen an, deren Zahl gegen 10 Uhr auf ca. 10000 Personen an- geschwollen war. Man sang und brachte unermüdlich Hochrufe auf Krüger auS, der sich dann auch nach vielem Drängen um 9 Uhr noch einmal, mit einem dicken Pelz bekleidet, auf dem Balcon zeigte und für die Kundgebungen dankte. Auch heute fanden sich von früh ab wieder viele Leute, unter denen sich zahlreiche Fremde befanden, vor dem Domhotel ein, da es hieß, daß Krüger um V-H Uhr eine AuS- fahrt unternehmen würde. Die Wagen waren auch bereits bestellt, doch wurde der Zeitpunct der Abfahrt immer wieder verschoben und schließlich wurde bekannt, daß die Fahrt des schlechten Wetters wegen unterbleiben würde. Thatsüchlich schien zu dieser Zeit gerade die Sonne und die Temperatur war im Gegensatz zu gestern und vor gestern sehr angenehm. Erst gegen Nachmittag fielen einige Regen tropfen. Auch den erneuten Vorschlag, gegen Mittag den Dom zu besichtigen, lehnte der Präsident angeblich wegen Ermüdung ab. Um dieselbe Zeit etwa wurde bekannt, daß die für deute Abend vorgesehene Serenade der vereinigten Kölner Mannergesangvereine nnd der geplante Fackelzug von der Polizei verboten worden sei, weil Kundgebungen gegen England befürchtet würden. Thatsüchlich ist bisher nicht ein einziger gegen England gerichteter Ausruf oder eine Kund- gebnng dieser Art bekannt geworden und von den aus gebildeten Kreisen sich recrutirenden Gesangvereinen wären solche Aeußerungen wohl noch weniger zu erwarten gewesen, als von den wie überall stark mit radaulustigen Elementen durchsetztem Straßen» publicum, das sich bisher an den Demonstrationen sür Krüger bethciligt hat. Von 10 Uhr Morgens ab empfing Krüger wieder eine lange Reihe von Privatpersonen in Audienz: Gelehrte, Osficiere, In dustrielle, mehrere Damen und auch vier in vollem MichS erschienene Studenten. Zwischendurch zeigte er sich um '/,1 Uhr, 4 und 7 Uhr aus dem Balcon und erregte damit jedesmal eine großartige Kund gebung der unten geduldig ausharrenden Menge. Auch vr. Leyds hatte zahlreiche Audienzen an mehrere Redacteure auS Berlin, Leipzig und München zu ertheilen. Gegen Mittag lief folgendes Telegramm an Krüger ein: „In dem Augenblick, in welchem Ew. Excellenz den Boden des stammverwandten deutschen Landes betreten, bringen wir aus tiefstem Herzen unsere heißesten Wünsche sür einen glücklichen Erfolg Ihrer Reise Lar. Möchte eS Ihnen, dem erlauchten Führer seiiits Volkes, in dem heiligen Kampfe für Haus und Hof, sür Weib und Kind, sür Freiheit und Vaterland beschielten sein, für Ihr Volk bald einen dauernden, die völlige Unabhängigkeit Ihres Landes sichernden Frieden zu erreichen. Möchte Lieser ruchlose, alles Gefühl für Recht und Menschlichkeit andauernd aufs Tiefste verletzende Krieg rin schleuniges Ende finden, zum Heile JbreS namenlos leidenden Volkes, zur Freude und Genngthnung der ganzen mitleidenden ge sitteten Welt. Im Anschluß an deu bereit) Ew. Excellenz übermittelten Ausdruck der Gefühle von weit über eine Million Deutscher: Max von Pettenkofer, Professor Grüber, Professor Günther, Professor von Defregger, Professor Lipps, Mar garete L. Selenka, Staatsrath von Eisenhart. Namens der deutschen Centrale für Beendigung des Boerenkrieges in München." Auf dieses Telegramm sandte vr. Leyds alsbald eine Antwort, in welcher er der Centrale den Tank des Präsidenten ausspracb. Außerdem liefen unzählige Telegramme von Vereinen und Gesell schaften, studentischen Corporationen, Bürgerclubs und Einzelpersonen ein. Auch aus dem Auslande, namentlich auS Holland, erhielt Krüger eine Menge Sympathiebeweise. Das nunmehr festgestcllte Reiseprogramnt Krüger'S geht dahin. Laß derselbe am Donnerstag um 10,5 früh mit dem Amsterdamer V-Zuge von hier über Düsseldorf, Duisburg, Oberhausen. Arnhem, Utrecht nach dem Haag absährt, woselbst er um 3,32 Nach- mittags eintrifft. In den Städten Düsseldorf, Duisburg und Oberhausen sind bereits Vorbereitungen zu einer Begrüßung Krüger's getroffen. Tie holländischen Cousuln der drei Städte werden Krüger bis zur Grenze geleiten, wo der Präsident Lauilletsn. -j Lncie. Original-Roman von Ferd. Gruner. Nachdruck «erbet-n. Max geleitete die beiden Herren, denen sich auch der Schreiber anschloß, in den Gartenpavillon. Angesichts der Leiche erzählte der Arzt kurz, wie er den Gutsbesitzer aufgefunden habe, und gab sein bereits Lucie gegenüber geäußertes Urtheil dahin ab, daß Rawen aus geringer Entfernung durch einen Schuh in den Rücken getödtet worden sei. Aufmerksam hörte der Unter suchungsrichter der Erzählung zu, wiewohl aus seinen hier und da dazwischen geworfenen Worten ersichtlich war, daß sie ihm schon bekannt sei. Die grauen ernsten Augen ruhten dabei fast unablässig auf dem Tobten, als könne er aus dessen starren Zügen die Enträthselung des Mordes lesen. Seine Stirn zog sich dabei in Falten, als arbeiteten seine Gedanken schon jetzt und suchten den Faden anzuknüpfen, der von dem Ermordeten zum Mörder hinüberführt. „Mit wem sprach Herr Rawen zuletzt?" wandte er sich, als sie den Pavillon verließen, an Max. „Mit Johann, dem alten Reitknechte. Derselbe kommt dort drüben eben aus den Stallungen." Er winkte ihn herbei. „Wann verließen Sie Herrn Rawen?" forschte vr. Rosen und unterzog das Gesicht des alten Dieners einer scharfen Prüfung. „Es mochte gegen 6 Uhr sein", erwiderte, durch den barschen Ton der Frage etwas eingeschüchtert, der Alte, dem die Musterung nicht sehr zu behagen schien. „Und wo war das?" fragte der Untersuchungsrichter weiter. „Am Brettgrund«." „Wie weit ist derselbe von hier entfernt?" Max antwortet«: „Eine kleine Viertelstunde; mit dem Pferd oder Wagen indeß in etwas mehr als fünf Minuten zu erreichen. Wollten Sie vielleicht, Herr Doctor, noch jetzt denselben in Augenschein nehmen? Ein Wagen wäre zur Hand. Dort kehrt gerade der Jagdwagen, mit welchem die Köchin in der Stadt war, zurück. Wir können denselben sogleich benützen." Der Untersuchungsrichter bejahte lebhaft. „ES wäre mir in der That sehr lieb, heute noch wenigstens ungefähr den Ort kennen zu lernen, wo das Verbrechen geschah. Eine Viertelstunde dürfte eß wohl noch dauern, bi» di» Nacht hereinbricht; wenn es also mit dem Wagen nur fünf Minuten bis zum Brettgrunde ist, so bleiben uns immer noch ze' r Minuten zur Jnspicirung übrig." Die Herren, nnd auf Befehl des Untersuchungsrichters auch der alte Johann, stiegen in den Jagdwagen, der sie in raschem Trabe bis in die unmittelbare Nähe des Brettgrundes brachte. Am „Kirchwege" machte der Wagen Halt, und unter Führung des Dieners schritten die Herren durch das thaufrische Gras längs des Waldrandes bis zu jener Stelle, wo der Reitknecht, nachdem Herr Rawen abgestiegen, allein weiiergeritten war. Der Untersuchungsrichter sprach nichts, seine Augen musterten nur aufmerksam den schmalen Fußpfad, der längs des Waldsaumes sich hinschlängelte. Es schien, als erwarte er, daß Jemand dort auftauchen müsse. Als sie jene Birkenlichtung erreicht hatten, wandte sich vr. Rosen an den Reitknecht: „Bemerkten Sie an Ihrem Herrn Zeichen von Aufregung, als er in den Wald hineinschritt?" „Nein, der gnädige Herr war nur um die Felder auf der gegenüberliegenden Seite des Brettgrundes besorgt, die wegen des abfallenden Terrains durch heftige Regen viel mitgenommen werden. Die Melioration sollte in Kürze durchgeführt werden, da sich die bisherigen Gräben als unzulänglich erwiesen." „Woher haben Sie eine so genaue Kenntniß alles Dessen?" unterbrach ihn der Beamte. Der Alte stutzte und ein wenig gekränkt erwiderte er: „Der gnädige Herr hat mir dies oft genug auseinandergesetzt. Er freute sich ordentlich, daß jetzt am Brettgrunde Alles in Ordnung kommen sollte." „Auch ich weiß, daß das Papas Lieblingswunsch seit Langem war, den er aber nicht früher ausführen konnte, da es viel dringendere Arbeiten zu erledigen gab", warf Max dazwischen. Der Beamte erwiderte darauf nicht», erst nach einer Weile sagte er: „Für heute müssen wir von einer näheren Besichtigung des 'Brettgrundes absehen, denn die Zeit ist zu vorgeschritten. Kehren wir also zurück!" Die Herren stimmten ihm bei und man kehrte um. Während sie dem Wagen zuschritten, fragte vr. Rosen Max so unbefangen wie möglich: „Der alte Johann, den Reitknecht meine ich, genoß Wohl das vollste Vertrauen des Herrn Rawen?" „Gewiß, und er hat sich dessen auch vollständig würdig erwiesen. Fünfundzwanzig Jahre war er in den Diensten Papas und ich hörte nie ein Wort der Klage über ihn", erwiderte mit einigem Befremden der junge Bildhauer. „Sie meinen, Herr Doctor, doch nicht etwa, daß . . .?" „Ich meinte nicht», mußte aber nothwendigerwrise diese Frage thun." Die Antwort des Eriminalisten war in ver bindlichstem Tone gegeben, klang aber ziemlich kurz. Max wurde eigenthümlich davon berührt. Dieser Mann mit den endlosen Fragen wurde ihm unsympathisch; ein un angenehmes Gefühl stieg in ihm auf, für das er sich keine Rechenschaft zu geben wußte. Es schien ihm, daß der Unter suchungsrichter, den sein Beruf, immer nur in die düsteren Tiefen des Lebens schauen ließ, den Verbrecher in Jedem suche, der ihm auch nur den kleinsten Verdacht bot, und er im Geheimen an Jedermanns Ehrlichkeit zweifle. Fünftes Capitel. Die Nacht war vollständig hereingebrochen, als der Wagen wiederum vor dem Herrenhause hielt. Max lud die Herren ein, an dem Abendessen theilzunehmen, was von denselben dankend angenommen wurde. vr. Bollant begab sich, während Max den Untersuchungs richter in den Salon geleitete, in das Hintere Erkerzimmer des ersten Stockes, wo Frau Rawen in schweren Nervendelirien darniederlag. Eine barmherzige Schwester, welche Lucie sich von der Oberin des Franciskanerinnenklosters in Bärenstein erbeten hatte, wartete abwechselnd mit dieser, welche durch die übrigen wirthschaftlichen Angelegenheiten sehr in Anspruch ge nommen war, der Kranken. Mit Besorgniß mußte der alte Arzt leider constatiren, daß das Fieber noch immer im Steigen be griffen sei, wiewohl die Körpertemperatur kaum mehr eine Er höhung zuließ, ohne daß das Leben der Patientin äußerst ge fährdet 'ward. Nachdem er der Schwester die nöthigen In structionen ertheilt und ihr dringend eingeschärft hatte, bei einer weiteren Ficberzunahme auch Nachts ihn durch einen Boten ver ständigen zu lassen, ging er ebenfalls in den im Erdgeschosse befindlichen Salon. Dortselbst hatte sich, während die Herren im Brettgrunde gewesen waren, ein neuer Gast eingefunden: Herr Rudolf von Eichentreu, der in der Nachbarschaft ein kleines Gütchen, kaum so groß wie ein Bauerngut, besaß, dos überdies tief verschuldet war. Won Eichentreu, der ehedem Officier gewesen war und wegen verschiedener Vorfälle, die eigentlich niemals recht bekannt wurden, quittirt hatte, war etwa fünfundvierzig Jahre alt, doch glich sein Aussehen weit mehr einem Fünfundfllnfzig- jährigen. Ein hagerer großer Mann, dessen knappanliegende Kleider einen gewissen eleganten Schnitt trugen, aber Spuren der Benützung aufwiesen. Aus dem blendend weißen Hemd kragen, um den sich eine nachlässig gebundene Cravatte schlang, wuchs ein brauner, allzu hoher Hal», auf dem rin mächtiger Kopf saß, der vom Haare fast ganz entblößt war. Nur an den beiden Schläfen zog sich ein dünner schwarzer Streifen bis zu dem Hinterkopfe, der noch mit krausem Haar bewachsen war. In das gebräunte Gesicht hatten Leidenschaften ein paar kräftige Furchen gezogen, die über den Augenbrauen in einer tiefen Rinne sich vereinigten. Die matten in den Höhlen liegenden Augen erhielten durch ein Pincenez eine Verschärfung ihrer Sehkraft. Unruhig und unstät flackerten sie, wenn sie nicht hinter den halbgeschlossenen Lidern starr auf einer Stelle wurzelten. Das Antlitz war nicht unschön, wenn auch die bläulich angelaufenen Lippen etwas aufgeworfen waren. Aber einem aufmerksamen Beobachter konnte es nicht entgehen, daß in diesem unruhigen Blicke, dem Zucken der Mundwinkel und Vibriren der Nasenflügel sich ein unbestimmtes Etwas aus prägte, das die anfängliche Sympathie vollständig rauben mußte. Dazu kam noch, daß die höflichen, verbindlichen Worte mit unter im Widerspruch waren mit der Miene. vr. Bollant war nicht sonderlich angenehm berührt, als er von Eichentreu wahrnahm, und ziemlich kühl erwiderte er die liebenswürdige Begrüßung desselben. Nur flüchtig berührte er die ihm dargrbotene langfingerige knochige Hand des Guts besitzers, der mit einiger Salbung begann: „Heute, Herr Doctor, mag Ihnen Ihr ohnedies mühevoller Beruf gewiß recht be schwerlich geworden sein. War es doch ein Freund von Ihnen, unser Aller Freund, dessen fliehendes Leben Sie nicht mehr zurückzuhalten vermochten. In Bärenstein vernahm ich die entsetzliche Kunde, und ich konnte es anfangs nicht glauben, daß das Schreckliche wahr sein könnte. Leider war es so. Vor wenigen Tagen erst sprach ich mit Herrn Rawen. Da hatte er noch so große Pläne, so Vieles wollte er noch schaffen, und nun..." — er seufzte. Der alte Arzt blickte ihn unwillkürlich schärfer an. Eine Gemüthsbewegung hätte er Herrn von Eichentreu kaum zugetraut. Aber es lag wirtlich so ernste Trauer auf dem Gesichte des ehe maligen Officiers, daß er gleichfalls in bedauerndem Tone sagte: „Pläne! Was sind Pläne, wenn so jäh ein Menschen leben gefällt werden kann, wenn selbst ein so edler Mann keinen Augenblick sicher ist vor der Kugel eine» schurkischen Meuchel mörders?" „Meine Herren!" wandte der Untersuchungsrichter, der sich in einen Sessel zurückgelehnt hatte, ein, und ein überlegenes Lächeln ging über seine strengen Züge; „Sie haben Recht, daß das Menschenleben trotz aller Sicherheitsvorkehrungen recht schutzlos ist. Aber eine theilweise Erklärung — natürlich gilt die» nicht für alle Fäll« — liegt darin, daß d»r Mensch vielfach
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