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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190012099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19001209
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19001209
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-12
- Tag1900-12-09
- Monat1900-12
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1900
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Nuzeigeu-Preis die gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem Redaction-strich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten l'i gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Lssertenannahme llS H (excl. Porto). ..... W, Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen Ausgabe, ohne Postbesörderung ./6 NO.—, mit Postbesörderung .4l 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di» Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 626. Sonntag den 9. December 1900. 94. Jahrgang. Aus -er Woche. Präsident Krüger hat den Staub Deutschlands, der ihn nicht lange incommodiren durfte, von den Füßen ge schüttelt. Der deutschen Nation ist durch die Abweisung des greisen Bolkshclden vorläufig eine bittere Enttäuschung bereitet worden, verschärft durch dreiste Zumuthungen, die das Osficiösenthum bei dieser Gelegenheit an ihre Ge dankenlosigkeit stellt, weiter verschärft durch die vor ihr in neuester Zeil gesprochenen Worte von Selbstbewußtsein und überseeischer Geltung und natürlich nicht gemildert durch die nichtssagenden Worte des Grafen Posadowsky im Reichstage. Die „Selbslbcschränknng", die sich Deutschland in diesem Falle England gegenüber bisher auferlegt, wäre für unsere Zukunft von großer und vielleicht verhäugnißvoller Bedeutung, wenn es bei ihr sein Bewenden haben sollle. Wir Horen aber sonst von gut unterrichteter, vielleicht diesmal allzu optimistischer Seile, rS sei nicht ausgeschlossen, daß man in Berlin in Bezug auf den Besuch Krüger'S eie noch vor gestern herrschend gewesene Auffassung von Neutralität und Unabhängigkeit noch revidiren werde, und verzichten deshalb ' bis aus Weiteres auf die Schätzung des Unheils, das durch daS Festhalten an einer Politik der Aengstlichkeit dem deutschen Nationalgedanken zugesügt werden würbe. Einstweilen mag der Hinweis auf Köln genügen, in welcher Stadt man Neichs- fahnen erst auszuhängen begann, als bekannt geworden war, Krüger'S Reise nach Berlin sei verbeten worden. Deutsche Farben als Demonstration gegen officielle deutsche Politik, d«S erinnert an die BuudeStagszeit. Der Augenblick, für die Unterlassung eines politisch zu nichts verbindenden, aber vom ganzen Bolke ersehnten Schrittes sich ob seiner Besonnenheit loben zu lassen, war herzlich schlecht gewählt. In Edina wird von dem deutschen Aktions programm Stück für Stück zerschnitten und unser Land ist das einzige, daS dort Beschämungen erlebt, weil es daS einzige war, dessen Repräsentanten sich in seinen Forderungen über da« Maß des durch die außerordent lichen ostasiatischen Vorgänge notbwendig Gewordenen und durch die gewohnten chinesischen Verhältnisse Bedingten heraus gewagt batten. Die Gescheidigkeiten, die die Liebediener des Reichskanzlers Grafen Bülow drucken lassen, um den Austausch eines Händedruckes mit dem Präsidenten Krüger als Versündigung an den Interessen Deutschlands bin- zustellen, hätte der Reichsstaatssekretär Graf Bülow lieber zur Geltung zu bringen suchen sollen, als in Deutsch land der chinesischen Campagne Linien vorgezeichnct wurden, die bedenklich ans Abenteuerliche grenzen und denen allem Anscheine nach daS gewöhnliche Schicksal der Abentcuerri nicht erspart bleibt. Der Reichstag, und da« gereicht ihm zum Ruhme, läßt sich durch die Romantik, die iti das chinesische Unternehmen des deutschen Reiches — und zwar dieses Reiches allein — hinein spielt, nicht beirren, für das von Ehre, Gerechtigkeit und Interesse Geforderte zu sorgen. In seiner Budget commission, die jetzt den China-Etat berätb, verlaufen die Dinge — trotz des von dem gekränkten Abg. Müller- Fulda berbeigeführten Zwischenfalles — so glatt, daß der „Vorwärts" kaum Raum genug findet, um die Nachgiebigkeit — des Centrums und der freisinnigen Volkspartei schlecht zu machen. Ob daS Geld für Li- Medaillen voraus bewilligt wird, wissen wir allerdings nicht, die Commission „ging über die Position ohne Erörterung hinweg" und ihre Abstimmung darüber hat noch zu erfolgen; im klebrigen zeigt sich, daß die endgiltigen Beschlüsse des Reichstags, was den Umfang der Bewilligung angeht, wenig von der BundeSrathSvorlage sich unterscheiden werden. Auf die „verfassungsrechtlichen" Correcturrn, die in sie eingezeichnet werden, kommt praktisch so viel nicht an. Die Commission hat eine vom Kanzler natürlich acceptirte „Indemnität" verfügt, in der Er wägung, daß nicht nur die obne Genehmigung verausgabten Gelder, sondern auch die ohne Zustimmung des Reichstags erfolgte Bildung von Truppenthrilen eine rechliche Sühne erfordern. Diese Indemnität gewinnt aber vielleicht einmal einen Werth. Sie bekundet, wie aus den Verhand lungen der Budgetcommission, insbesondere auch aus Be merkungen de« nationalliberalen Abg. Or. Paasche hervor geht, daß der Reichstag durchaus nicht gewillt ist, eines schönen Tage- durch die Existenz einer Colonialarmee über rascht zu werden. Wenn man eine solche Einrichtung will, wird man sich schon bequemen müssen, sie rechtmäßig sich ge stalten zu sehen. Ueber die Zweckmäßigkeit eines Colonial- heereS sind die Ansichten noch getheilt. Manche, Vie noch schwanken, würden gerne zustimmcn, wenn sie sich überzeugen könnten, daß die „Vorsicht", die zur Abweisung des Präsi denten Krüger fühlte, in Fällen, wo sie nöthiger wäre, beobachtet werden würde. Die Verhandlungen über den „Toleranz-Antrag" befriedigen die CentrumSpressc zunächst insofern, als sie ihnen zu entnehmen sich den Anschein giebt, die Mittelparteien dätten „ihren Culturkampfgelüsten entsagt". 0 guae mu- tutio rerum! — ruft die „Germania" aus. DaS Blatt bat es mit Lesern zu thun, die die ultramon tane GeschichtSlüze glauben, der Culturkampf sei von der Regierung und den Liberalen begonnen worden; eine Fälschung de- ThatbestandeS, die allein durch eine Tabatiöre und gewisse bei ihrer Ueberreichung ge sprochenen Worte den Schein einer Unterlage erhalten hat, also eben nur den Schein. Noch größere Zufriedenheit als über die Redner der „ehemaligen Culturkampsparleien" verräth die klerikale Presse über den Grafen Bülow, der durch einig« „für seine Person" gemachte Bemerkungen, die die im Namen der Regierungen abgegebene, rund abweisende Erklärung adschwachtea, dem au- parlamen tarisch-konventionellen Erwägungen gefaßte« Beschlüsse auf Commission-berathuag einige Bedeutung und — einige Ge fährlichkeit verlieh. Di« mrttrlstaatlichen Regierungen werden gut thun, sich vorzusehen. Die preußisch« Regierung, an deren Spitze bekanntlich Graf Bülow steht, scheint sehr geneigt, im Reich«tag eine allgemeine Fassung, eine Art „Grund recht" tntsteben zu lasten, da- anderen Bunve-ftaaten bei der Ausübung idrer Rechte gegenüber den kirch lichen Genossenschaften Verlegenheiten bereiten kann, di« di« preußische Regierung selbst nicht zu befahren hat, da sie ihrerseits entschlossen ist, den ultramontanen Aspirationen in Allem und Jedem nachzugeben. Hoffentlich bleibt der vom Abg. Baffermann stark betonte Standpunkt gewahrt, daß der Schaffung reichsgesetzlicher kirchenpolitischcr Bestimmungen, welcher Art sie auch sein mögen, eine Verfassungsänderung vorherzugehen habe. Von den Maßgebenden in Berlin glauben wir nicht, daß sie diesen Standpunkt theilen. Der Reichstag war die ganze Woche nicht auf den BundesrathStisch angewiesen, er behalf sich aus Eigenem. Darunter drei Tage mit Kohlen lheuerung. Daß die Debatte über diesen Gegenstand völlig werthlos gewesen, dürfen wir persönlich nicht sagen, denn sie hat uns, was wir zu bekennen altmodisch genug sind, von der Ansicht, daß der Nutzen eines KohleiiausfuhrvcrboteS den Schaden über wiegen könnte, zurückgebracht. So bleibt nur die Ueberzeugung übrig, daß der Staat überhaupt nichts Erkleckliches thun kann; denn ein Eingriff in das SyndicatSwesen, wie eS bedingter und unbedingter Weise vorgeschlagen worden, wäre jedenfalls verfrüht. Bemerkenswerth war, daß selbst ein Agitator wie der klerikale Aba. I)r. Heim die Großkohlenkaufleute von der Sckuld au der Theurung freisprach und dagegen den Klein handel mitverantwortlich machte. Aber auch di-iem gegenüber scheint ein hartes Unheil nicht gerechtfertigt. Gruben, Groß händler und Dctaillisten, sie alle haben herzlich schlechte Zeiten mitgemacht, und da die Conjunctur ihnen nun — auf wie lange noch'? — günstig ist, so sollte man den Staat deswegen nicht allzu stark behelligen, eS sei denn, man wollte Herrn Bebel unterstützen, der die Verstaatlichung aller Kohlenzechen verlangt, eine Forverung, für deren „Unabwcisbarkeil" aus AnSeinander- setzungen höchst bürgerlicher Zeitungen ja nicht unschwer Scbcingründe beigebracht werden könnten. Halbamtlich wird jetzt die Dringlichkeit der Warnung vor der Polengefahr erläutert, was sehr löblich ist. Weniger schön ist cs, wenn ein Blatt, wie die „Kreuzzeilung", ohne den Namen des Staatsmannes zu nennen, die Polenpoluih deS Fürsten Bismarck als verfehlt halb preiSgiebt. Die Polenpolitik des ersten Kanzlers war ihrer Natur nach wie einst die des Herrn von Flottwell aus eine Geltungsdauer von mindestens einem kalben Jahrhundert berechnet. Sie war die Politik eines von MeliorirungSabsichten erfüllten LandwirtbeS und nicht die deS bekannten Knaben, der Datteln für sein Leben gern aß und deswegen einen Dattelkern pflanzte, ihn aber nicht im Erdreich ließ. Bismarck hatte nicht vier Jahre Zeit zur Durchführung seiner Pläne; nach ihm kam die Ver söhnung mit dem Leithammelsatz „Alle Parteien in Deutsch land sind national", und dann kam noch viel Schlimmeres, eine scheinbare Abkehr vom Versöhnenwollen, ein geheuchelter Ernst und damit thatsächlich eine Irreführung des Deutsch- tbumS. Der Mann der Versöhnungs-Aera, Herr v. Wilamowitz- Möllendorff, blieb Oberpräsident von Posen und verfuhr nach seiner ersten Instruction. Man muß übrigens in den letzten zehn Jahren sehr wenig gelernt haben, um das Ver trauen zu gewinnen, die halbamtlichen Artikel über die Polengefahr könnten den Beginn einer wirklich deutschen, also cuier dem Papst nicht genehmen Polenpolitik signalisiren. Die Wirren in China. Militärische Actione» im HtnterlanSc vo» Kiautscha». Die „Deutsch-Asiatische Warte" berichtet in ihrer soeben ein- getroffcnen Nummer vom 28. Octobrr: „In der Gegend von K aumi scheinen unsere Truppen, nachdem man lange genug ge zögert hat, jetzt Ernst zu machen. Alle Dörfer, die sich an den diesjährigen Unruhen bcthe'iligt hatten, wurden durch das De tachement des Hauptmanns Conradi gezwungen, ihre Wälle nisderzureißen. Die Bewohnerschaft mehrerer Dörfer zog sich -daraufhin unter Mitnahme von Waffen in südwestlicher Richtung auf Kelun zurück. Ein« dorthin entsandte Patrouille, bestehend aus dem Oberleutnant z. S. v. Grumbkow, Leut nant Dziobeck vom 3. Seebata'illon, Obevasftstenzarzt Dr. Ni oll, und 6 Reitern, wurde am 22 aus dem Dorfe Li-tschia- ying beschoffen. Es entspann sich ein Gefecht, wobei Leutnant Dziobeck schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt wurde. Di: Ladung, die ihn traf, bestand aus gehackten Bleistücken, und ver wundet« ihn an acht Stellen des Körpers. Der Gefreite Goepel erhielt ein« leichte Verletzung am rechten Auge. Der Verlust der Chinesen wird auf 20 bis 25 Btann geschätzt. Am s«lb«n Tage wurde auch noch aus mehreren anderen Dörfern, darunter namentlich Kelan, auf di« Patrouille geschaffen, aber in so großer Entfernung, daß Niemand getroffen wurde. Am 23., also am nächsten Tage, zog Hauptmann Conradi mit seinem ganzen De tachement aus, und nahm die Dörfer Li-tschia-ying und K«lan im Sturm. Die Chinesen hatten etwa 200 Tool«, wogegen di« Deutschen ohne Verlust blieben. Ein« erste Folge dieser Züch tigung war, 'daß eine größere Anzahl von Dörfern ihre Waffen, Mm Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung, auslieferte. In den Tagen nach 'den Gefechten fand zwischen dem General gouverneur von Schantung und dem Gouverneur von Tsingtau ein Depeschenwechfel statt, wobei der Erstere sein Bedauern über Vie Vorfälle bei Kaum! und die Verwundung des deutschen Offiziers zum Ausdruck brachte und mittheilte, daß er die Orts- brhöüden angewiesen habe, nicht mißzuverstehende Proklama tionen zu erlassen, damit ähnlich« Vorkommnisse für die Zukunft verhütet werden. Besser als all« Proklamationen Halfin Exempel wie das Detachement Conradi eines constatirt hat, und es empfiehlt sich, bei erster bester Gelegenheit di« Sach« zu wieder holen. Ueber die Ausreise der Truppen-TranSport-ampfer nach Lhlna liegen folgende letzte Meldungen vor: „Köln" (N. D. Lloyd) 5. Dec. Gibraltar passirt (Heimr). „Dresden" (N.D. Lloyd) S. - von Moji (Heimreise). „Halle" (N.D.Lloyd) L. - in Tsingtau (Heimreise). „Batavia" (Hamb. A. 8.) 28.Nov. von Hongkong (Heimreise). „Sardinia', (Hamb A. 8.) 2. Dec. Perim passirt (Heimreise). „Aachen" (N. D. Lloyd) 4. - von Port-Said (Heimreise). „Adria" (Hamb. A L.) 3. - von Port-Said (Heimreise). „Pbönieia" (Hamb. A. 8.) 27. Nov.von Port-Said (Heimreise). „Hannover" (N.D. Lloyd) 4. Dec. Galle passirt (Heimreise). „Arcakia" (Hamb. A. 8.) 1. - von Nagasaki. „Creseld" (N. D. Llovd) 5. - von Moji. I „Valdivia" (Hamb. A. 8.) 2. - von Ssanghai. * Washington, 8. December. („Reuter's Bureau.") Eine vom 6. d. M. aus Peking datirte Depesche besagt, die Ge sandten hätten einSchreibendesbekanntenReform- mannes Kangyuwei erhalten, worin dieser sagt, China habe ein großes Unglück betroffen durch die Schuld der Rath geber der Kaiserin-Wittwe, Tuan, Tsching, Uunglu, Kangje und Andere. Das Schreiben sagt ferner, Kangyuwei sei sehr dank bar dafür, daß die Fremden in den Legationen ausgehalten hätten, und es betont, alle Chinesen, die das Völkerrecht kennen, bedauerten die Ermordung des Freiherrn von Ketteler. Kangyuwei schlägt vor, die Kaiserin- Wittwe und ihre Rathgeber zu den Friedensver handlungen nicht zuzu lassen. Der Kaiser, der fremdenfreundlich gesinnt sei, müsse wieder eingesetzt und die reaktionären Beamten müßten verhaftet werden. Außerdem sei auf die sogenannten fremdenfreundlichen Vicekönige im Süden ein wachsames Auge zu haben. Kangyuwei sagt ferner, falls man mit Tuan und Uunglu, sowie den Anderen nicht streng verfahre, würden sie nicht davon ablassen, zu be haupten, die Fremden seien machtlos. Ferner fügt er die Mah nung hinzu, die Fremden möchten sich nicht auf die Vice- könige verlassen, die Mannschaften und Geld an die Kaiserin-Wittwe gelangen ließen und die ergebenen Diener der selben seien. Wenn der Kaiser wieder eingesetzt würde, werde sich das ganze Reich freuen. Die Partei des Kaisers bestehe aus den aufgeklärtesten und fremdenfreundlichsten Chinesen, die sich danach sehnten, daß die Civilisation und Cul- tur des Westens ihr altes Land durchdringe. Kangyuwei betont, er sei zur Durchführung dieser Aufgabe durch ein ge heimes Edikt des Kaisers vom Jahre 1898 ernannt worden. Der Kaiser hätte sich damals zu diesem Zwecke an die aus wärtigen Mächte gewandt, wenn zu jener Zeit auf ihn gehört worden wäre. Der Krieg in Südafrika. Aohanne-bnrg unter englischem Regiment. Aus Johannesburg, Ende Octob«r, wird der „Welt- Corresp." geschrieben: Als «die englischen Truppen hier «inzogen, grüßte sie kein Jubel, keinen Dank fanden sie für ihr« Strapazen durch ein herzliches Willkommen; Schrecken malt« sich auf dem Gesichtern der Boerenfvauen und ihrer Kiüver, Neugierde belebt« die schwarze Bevölkerung, die Ausländer aber verhielten sich beim Einzuge so gleichgiltig, als wenn,englische Soldaten, „Khakis", eine tägliche Erscheinung wären. Das erste Ereigniß von weitgehender Bedeutung war das Aufhören des Erscheinens der täglichen Zeitung (auch di« deutsche Zeitung wuvoe sofort unterdrückt) und ihr Ersatz durch einen Reg'ierungsanzeiger, die „Johannesburg Gazette". Seit 'dem 2. Juni, 'dem Tage des erstmaligen Erscheinens, hat sich durch sie ein Regen von Proklamationen, Polizeiverord- nungen und ähnlichen Dingen über uns ergossen, der Angst und Schrecken verbreitet hat in alle Kreise; für Tagesnachrichten hatte diese Zeitung in den ersten Wochen überhaupt keinen Platz, und noch heute — nach fünf Monaten — gilt der erste Blick den neuesten Proklamationen. Di« Proclamationen bieten dem ruhigen Beobachter uns Kritiker, der sich durch sie nicht ein schüchtern läßt, eine Fülle interessanten Materials. Manchmal gewinnt man den Eindruck, daß der für einen bestimmten Posten auserlesene Officier es als di« vornehmste und erste Pflicht seinem neuen Amtes «rächtet, eine Proklamation zu erlassen. Anfangs wurden die Proclamationen in Englisch und Holländisch erlassen; gegenwärtig sind sie fast ausnahmslos in englischer Sprache ab gefaßt. Der Erfolg der Proclamationen war Anfangs ein schüchternd; di« enorme Anzahl, ihre schnell« Aufeinanderfolge' und in manchen Fällen ihre Abänderung öder Außerkraftsetzung hat aber abhärtend gewirkt; wie man sich an platzende Bomben gewöhnt, so auch an Proklamationen. Die erst« Sorge der Engländer war naturgemäß, die Recht sprechung und den Verkehr durch geeignete Maßregeln in ge ordnete Bahnen zu leiten. Für die Rechtspflege wurden Offiziere zu Vorsitzenden der Gerichshöfe ernannt und es zeigte sich, daß diese in Ausübung ihrer neuen Aemter in berr'itwilligfier Weise durch die früheren Inhaber derselben Stellungen unter stützt wurden. In manchen Fällen ist das Urtheil anscheinend recht hart gewesen; zum Unglück der Betroffenen stand den An geklagten in den meisten Fällen kein Rechtsanwalt zur Seite, sa diese sich namentlich im Anfang nicht entschließen konnten, den von ihnen verlangten Eid der Treue zu leisten — solches war unter der Regierung 'der Südafrikanischen Republik nicht nötbig gewesen. Mit der Ausgab« vonPässen wurde auch sofort in d-n er oberten Gebieten begonnen; 'in den abgelegenen Distr'.cien haben die anfangs ausgegebenen Pass« wiederholt neuen — verbesserten — Auflagen weichen müssen. So ist jetzt in den entfernteren Distrikten ein Paß zur Ausgabe gelangt, der eine bis in die kleinsten Details gehende Personalbeschreibung enthält und den Inhaber verpflichtet, sich in größeren oder kleineren Zwischen räumen (von alle sieben Tag« an bis täglich) zu melden. Sieben Tage ist die äußerste Grenze und es ist bemerkenswerth, daß zum Sichmekden auch Ausländer aller Nationalitäten verpflichtet sind. D«r Zweck dieses Meldesystems ist, zu verhindern, daß auf den Farmen lebende Boeren auf länger« oder kürzer« Zeit zu Boeren- commandos zurückkehren, oder ihren Paß an vom Commando kommende Boeren verleihen. Dieser Zweck wird zweifellos er reicht, indessen giebt d«r täglich« Zusammenfluß von Boeren aller Himmelsrichtungen diesen die schönst« Gelegenheit, etwaige Nach richten auf di« schnellst« Weise verbreiten zu helfen. Seit dem Einzüge der Engländer hat die geringe Zufuhr von Lcben-mittelu und Bedarfsartikeln zu wiederholten Malen zu Th « uerungen und Einschränkungen im Verbrauch geführt. Tie verschiedensten Artikel täglichen Bedarfe» sind wiederholt äußerst knapp gewesen, ganz besonders gilt die» von Mehl, Zucker uns allen Beleuchtungsartikeln, einschließlich d:r Streich hölzer. Von Luxusartikeln gar nicht zu reden, hat dir Noth an diesen Artikeln schon zu ernsten Sorgen Veranlassung gegeben, und wenn einmal neue Zufuhr ankam, war der ganz« Vorrath in wenigen Tagen verschwunden. Durch ein« besondere Prokla mation hat die Regierung versucht, die Preis« auf den Umständen angemessener Höhe zu erhalten; es hat sich aber, wie es scheini, herausgestellt, daß eine solche Preisregulirung sich selbst unter Androhung hoher Strafen nicht durchführen läßt. An Versuchen hat es nicht 'gefehlt und es ist z. B. laut einer Bekanntmachung die groß« deutsche Firma Rolfes, Nebel L Co. zu 100 Pfund Sterling — 2000 ctt Geldstrafe verurtheilt, weil diese Petroleum zu einem höheren als dem 'durch die Proklamation festgesetzten Preise verkauft hat. Gegenwärtig hat die Regierung den Allein verkauf aller importirtrn Levensmittel übernommen, und dieselbe hat sich sogar dennoch verpflichtet gesehen, etwaiger Spekulation uns übermäßiger Verproviantirung dadurch vorzubeugen, daß sie unter polizeilicher Controle für die einzelnen Haushaltungen nach Maßgabe »eS Personenstandes gewisse Quantitäten wöchent lich erlaubt. Die Zeit, während welcher Civilpecsonen innerhalb ihrer Häuser sich aufhalten müssen, ist nach und nach auf die Zeit zwischen 10 Uhr Abends und 6 Uhr Morgens ausgedehnt wor den, in einigen Außcnsistricten darf man nur bis 9 Uhr Abends draußen sein und für zwei Districte ist sogar bestimmt worden, daß zwischen 10 Uhr Abends und 6 Uhr Morgens irgend welches Licht zur Beleuchtung nicht brennen 'darf. * München, 8. December. Die von Honoratioren der Kunst, Wissenschaft und Politik in dem größten Saal Münchens einbe- rufen«, von der Polizei schließlich wegen Nicherfüllung abge sperrte Versammlung verlief als eine sehr lebhafte Demon stration f ü r d i c B o e r e n, für ein Eingreifen der Mächte gegen die unmenschliche Kriegführung und für di« Freiheit der Boerenstaaten. (Frkf. Ztg.) * Zürich, 8. Decbr. Der schweizerische Nationalrath hat in seiner heutigen Sitzung die Sympathieadresse für die Boeren mit 90 gegen 28 Stimmen angenommen. * Lissabon, 8. December. (Tel.) Die Studenten der Universität Coimbra haben an den Präsidenten Krüger im Haag eine Sympathiekundgebung gerichtet. * Johannesburg, 7. December. („Reuter's Bureau.") Die Boeren haben in der letzten Woche 17 000 Schafe erbeutet, die von einer kleinen Abtheilung Soldaten von Potschefstroom nach Krügersdorp getrieben wurden. * Alidal Rorth, 8. December. („Reuter's Bureau ") Nach dem Gefecht bei Sterkspruit ging Dewet südwärts und über sch r i t t am 5. December während der Nacht den Caledon-- f lu ß. Er marschirte dann nach Odenalorift, fand aber, daß der Fluß unpassirbar war, und wandte sich darauf ostwärts. Er ging nördlich vom Oranjefluß weiter, bis er sich in einer Ent fernung von 15 Meilen von Alival befand. Hierauf wandte er sich nordwärts in der Richtung nach Rouxville. General Knox verfolgte ihn auf dem ganzen Wege auf Schritt und Tritt. Die britische Vorhut stieß auf Dewet's Nachhuc bei Karreportorift am Caleüonflusse und erbeutete dort einen Neunpfünder und 35 000 Geschosse. Der Cale- donfluß war so hoch, daß das Gepäck nicht hinüber gebracht werden konnte. Aber mit Schwierigkeiten gelang es, die Kanonen und die Munition an das jenseitige Ufer zu bringen. Dewet's Truppen waren erschöpft. Die Briten fanden auf dem Wege von Smithfield-Road nach dem Oranjefluß 300 todte oder krepirende Pferde. Da die britischen Truppen ohne Gepäck den Fluß überschritten haben und deshalb der Lebensmittel beraudt sind, werden sie sich Nahrungsvorräthe durch Requisition verschaffen. * London, 8. December. (Tel.) Ein Telegramm des Gene rals Kitchener aus Bloemfontein vom 8. December besagt: General Knox meldet aus Rouxville, daß Dewet's Streitmacht, nachdem sie vergeblich ver sucht habe, die Brücke über den Commassie, die von englischen Truppen gehalten wurde, zu forciren, unter Zurücklassung von 500 Pferden und vielen Wagenin nordöstlicher Richtung abgerückt sei. Dewet 's Durchbruchversuch nach derCapcoloniesei so nach mißlungen, und er selbst von allen Seiten bedrängt. * Kapstadt, 8. December. (Tel.) Lord Roberts ist hier eingetroffen. * Haag, 8. December. (Tel.) Die Königin Wilhel- mina empfing heute den Präsidenten Krüger. Da sich Krüger inkognito hier aufhält, wurde er nicht mit dem für Staatsoberhäupter vorgeschriebenen Teremoniell empfangen. Ein Würdenträger des Hofes holte ihn im Hotel ab und geleitete ihn in einem Hofwagen nach dem Palais, vr. Leyds war im Palais anwesend, als Krüger dort ankam, wohnte aber nicht der Unterredung der Königin mit dem Präsidenten bei. Deutsches Reich. Berlin, 8. December. (Die deutsche Kriegs führung in China.) Die socialdemokratische Presse setzt das Geschäft, die deutsche KriegSfübrung in China durch die Veröffentlichung sogenannter „Hunnenbriefe" zu di-cre- kitiren und zu verunglimpfen, unentwegt fort, obwobl di« Vertreter der socialdemokratischen ReichstagSfraction in der Budartcommission ebenso wie die Redner der Partei im Plenum bei der ersten Lesung der Cbina-Vorlage «s unterlassen haben, irgend welche greifbare» Unterlagen und Beweise für ihre Behauptungen betreffend die Verübung unuötbizer Grausamkeiten auf Seiten der deutschen Truppen in China beizubringen. Der vom Abg. Bebel be- liebte Hinweis auf die der Armeeverwaltung offeostehrnde Möglichkeit, di« Blätter, welche derartige „Hunnen briefe" veröffentlichten, zu verklagen und eventuell durch den Zeugnißzwang zur Angabe ihrer Quellen zn veranlasse», kann unmöglich als «in Ersatz der unerläßlichen Beweisstück« gelten, zumal auch der socialdemokratische Wortführer sich über die Schwierigkeiten klar sein dürfte, die sich einem solchen Ver fahren, das auf eine ausgedehnt« kommissarische Vernehmung von im Felde stehende« Soldaten hinav-laufen müßte, ent gegenstellen. Da» Vorgehen der socialdemokratischea Prrff« hat inzwischen bewirkt, daß auch solche Briefe von Thrilaehmern an der Cbina-Expeditioa in die Oeffentlichkrit gelangt stad, welche gewissermaßen dir Kehrseite der Medaille darstellrn und zugleich den schlagendsten Beweis für die teudenriöse Einseitigkeit liefern, mit welcher jener Presse die „Hunnrabrttfe" zum Zweck« der Herabsetzung der deutschen Trupp«, in Ehiaa zugestutzt bat und fortgesetzt zustutzt. In einer ganzen Reibe von Briefen der Th.'ilnebiner an dem Feldzuge wird die Kinter. Ust und Grausamkeit der Ehia-sen. d«, «»gehörigen »n
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