Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.12.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001210026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900121002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900121002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-12
- Tag1900-12-10
- Monat1900-12
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs.Preis f» her Hanptexpedition oder den im Ttadd- beiirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich <50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: Vierteljahr!. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Bostaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egnptrn. Für alle übrigen Staate i. ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blatte- möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint «m >/,7 Uhr^ di» Abend-Ausgabe Wochentag« um 5 Uhr. Le-actiou un- LrpeLitio«: Johannisgasse 8. Filiale«: Tlfted Lahn vorm. v. Klemm'- Soriim. Unwrrsitätsstraße 8 (Paulinum), Louis Lösche, Katharineustr. 14, Part, und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. UchMrr TaBlak Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Montag den 10. December 1900. Anzeigen.Preis die st gespaltene Petitzeile Sss Reklamen unter dem Redactionsstrich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennach. richten (0 gespalten) SO H. Tabellarischer und Zifiernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). (Srtra lveila-en lgesalzh, nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördrrung uü ÜO.—, ui i t Postbrfürderung 70. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filiale» und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richtrir. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von S. Polz M Leipzig. 9L Jahrgang. Die Wirren in China. Rückwärts! Rückwärts! OfficiöS schreibt die „Kölnische Zeitung": Soweit sich jetzt übersehen läßt, haben die Verhandlungen der fremden Gesandten in Peking über die gemeinsame an di« chinesische Regierung zu richtende Note nunmehr volles Einverständniß ergeben, so daß ihr jetzt wohl auch alle Kabinette zustimmen werden. Graf Bülow bat bereits in der ReichSlazSsitzung vom IS. November alle wesentlichen Puncte in dankenswerlher Ausführlichkeit mitgetheilt, die für diese Note in Betracht kommen. Seitdem haben allerdings einige Cabinette beantragt, einzelne Stellen im Entwurf der Note zu ändern. Bei den mangelhaften telegraphischen Ver bindungen hat eine Einigung über diese ÄendernngSanträgc den Abschluß der Berhandlungen bis jetzt verzögert. Es ist aber jetzt auch unter allen Cabinetten volle- Emverständniß dabin erzielt, daß nur (!) folgende zwei Aenderungen an dem bisherigen Entwurf vorgenommen werden sollen. Danach soll im Artikel 2 nicht geradezu ausgesprochen werden, daß über die Prinzen Tuan und Tschwaug, sowie über die anderen Hauptschnldiaen die Todesstrafe verhängt werden muß, sondern eS soll der chinesischen Regierung die volle und glatte Zustimmung zn diesen LorauSsctzungen deS Beginnes der FriedenSverhandlungen dadurch erleichtert werden, daß eine Umschreibung dieser Forderung erfolgt und statt Les Aus drucks „Todesstrafe" der Ausdruck „thnnlichst schwerste Strafe" gewählt mird. Dieser Ausdruck schließt die spätere Bollstreckung der Todesstrafe an den Haupträdelsführern nicht aus. Weiter ist vereinbart worden, daß in der Ein leitung die Note nicht als „ir rövocrrdlo^, sondern daß die darin gestellten Forderungen als „udsolumont inäis- pjonsablss" bezeichnet werden. Auch das ist keine Aenderung, der eine größere sachliche Bedeutung beizumessen ist, denn es kommt weniger auf die äußere Bezeichnung, als darauf an, wie sich später nach Ueberreichung der Note die verschiedenen Mächte gegenüber den AbschwächungSversuLcn der chinesischen Unter händler verhalten werden. Erst dann wird sich zu zeigen habe», wie weit die einzelnen Mächte bereit sind, einig zu bleiben und etwaige Sonderwünsche znrückzustellen, um diese China gegenüber dringend erwünschte Einigkeit zu sichern. Einst weilen ist jedenfalls der Fortschritt erzielt, daß in den nächsten Tagen die fremden Gesandten in Peking diese ein- beitlich vereinbarte Note zeichnen und sie der chinesischen Regierung unterbreiten können, sobald sich herauSgestellt haben wird, ob die Vollmachten der chinesischen Unterhändler sich in Ordnung befinden. Erst wenn die chinesische Regierung ihre ausdrückliche Zustimmung zu allen einzelnen Forderungen dieser gemeinsamen Note erklärt haben wird, können die eigentlichen FriedenSverhandlungen beginnen. Dabei werden namentlich die Einzelheiten über die Ermittlung der Haupt schuldigen, über die andern zu vollziehenden und von den Mächten zu controlirenden Strafen, sowie vor Allem über die Höhe der zu zahlenden Entschädigung und die Bürgschaften, die für den richtigen Eingang der Zahlungen zu leisten sind, noch weitgehende Ansprüche an die Fortdauer der bisherigen Einigkeit der Mächte erbeben. Hoffen wir, daß auch in dieser Hinsicht die Gemeinsamkeit der Interessen aller be- tbeiligten Staaten gegenüber China zu einem unzweideutigen Ausdruck gelangen wird. Der „Magdb. Ztg." wird ebenfalls officiöS au« Berlin berichtet: Die Zustimmung Deutschland« zu diesen Ab änderungen bedeutet keinen Rückzug (!?); man hat hier nicht darauf gerechnet, daß die ersten Forderungen, die auS einer Vereinbarung der Gesandten hervorgegangen waren, im vollen Umfang bewilligt werden würden. Die Kaiserln-Wittwc. Die „Times" berichten, wie unS der Draht auS London meldet, aus Peking unter dem 6. December, nach der Ver sicherung eine- bekannten chinesischen Beamten beginne die Kaiserin-Wittwe, sich die ernste Gefahr klarzumachen, die dem Hofe und dem Reiche drohe,wenn sie nicht eine entgegen kommende Haltung annehme und die fremden Mächte zu versöhnen strebe. Daö Edict, durch dasTung-fu-hsiang degradirt worden, sei auf eine lebhafte Beunruhigung zurück- zusühren, in die die Kaiserin durch Denkschriften der Aangtse- Bicekönige versetzt worden sei, die ihr mitgetheilt hätten» daß durch Expeditionen den Aangtse- und den Han-Fluß hinauf dem Hose dieZu fuhren adge schnitt en werden sollen. Der erwähnte chinesische Beamte meinte, der Hof sei bereit, Aühsien zum Sünden bock zu machen, dessen Hinrichtung könne jeden Tag erfolgen. Von der Rückkehr Tung-fu-hsiangS nach Kansu und von der, wie es beißt, in dem Edicte gleichfalls angcordneten Auflösung des 5500 Mann starken TbeileS seiner Mohamedanertruppe be fürchtet er ein Anwachsen der stets vorhandenen Gefahr deS Mohamedaner-AufstandeS in China. Der Krieg in Südafrika. Hinter «en Coulissc». Unter dieser Ueberschrift geben die „Times" einer Zuschrift Raum, welche Enthüllungen über die Haltung der französischen Regierung in der Transvaal krisis bringt. Sie lautet: „Geehrter Herr! Ich bin in der Lage, Ihnen im Folgenden die völlig authentische Geschichte der Beziehungen zwischen Mr. Krüger und Mr. Delcassö zu geben, sowie einen Bericht darüber, wie Krüger in der vergangenen Woche einen derartig starken Druck auf die französische Regierung ausiiben konnte, daß es ihm gelang, ihr das Versprechen einer Intervention abzuzwingen, im Falle, daß Deutschland bestimmt werden könne, voran- zugehen. Am Sonntag, den 8. October 1899, war ich in Brüssel und sprach bei Ör. Leyds vor, mit dem ich befreundet war. Der Diener theilte mir mit, daß „Seine Excellenz zu krank sei, um irgend Jemand empfangen zu können". Da ich aber nach Herrn M., einem wohlbekannten Beamten der Gesandtschaft, fragte, wurde ich in das Allerheiligste des Doctors eingelassen, und zwar in einem höchst wichtigen und intereffanten Augen blick. vr. Leyds war keineswegs krank, sondern er befand sich gerade in Paris und seine Beamten hatten gerade ein Tele gramm von ihm erhalten mit der Ordre, ihn um II Uhr Abends in Brüssel zu erwarten und auf Nachrichten von be sonderer Wichtigkeit aus Pretoria zu harren. Am nächsten Tage — dem historischen 9. Oktober — sah ich vr. Leyds, und er theilte mir mit, daß das Ultimatum noch am gleichen Tage an England überreicht würde. Schon seit vierzehn Tagen sei es fertiggestellt gewesen, aber General Joubert zögerte noch und es habe einige Mühe gekostet, ihn actionsbereit zu machen. „Auf diese Weise gingen vierzehn Tage verloren, und jeder Tag, an dem jetzt die Sache noch weiter hinausgeschoben wird, bringt nus Schaden", sagte I)r. Leyds und fügte hinzu: Er habe an Mr. Aubert, den französischen Generalconsul, ein K abeltelegram m in der officiellen Chiffre der französischen Regierung ge sandt, und durch diesen sei es Herrn Reitz ausgehändigt worden. Der Inhalt dieser Botschaft, welche um 11 Uhr 40 Minuten Vormittags in Paris aufgegeben wurde, war der: Herr Delcassö betrachte jede weitere Ver zögerung in der Ueberreichung des Ulti matums als einen verhängnitzvollen Fehler und Transvaal könne der moralischen und materiellen Unterstützung Frankreichs gewiß sein. Bis zu dieser Zeit hatte die moralische Unterstützung in einer officiellen Ermuthigung und darin bestanden, daß man guten Rath und den uneingeschränkten Gebrauch des tele graphischen Codes des Quai d'Orsay zur Verfügung gestellt hatte. Die „materielle Unterstützung" bestand in der Einführung des inzwischen verstorbenen Obersten Villebois-Mareuil und anderer Officiere, welche bereit waren, sich dem Transvaal als Freiwillige zur Verfügung zu stellen, bei vr. Leyds. So jedoch hatte man in Pretoria daS Telegramm nicht aufgefaßt. Der französische Consul übersetzte es klar und deutlich genug; aber die Antwort darauf, ebenso wie andere Kabeltelegramme, gingen nach Brüssel und nicht nach Paris, und vr. Leyds hatte diese Stadt schon drei Stunden nach seinem Besuch bei Delcassö ver lassen. Leute mit gutem Gedächtnis; werden, sich entsinnen können, daß an jenem Sonntag Herr Krüger, Reih und Grobler das Telegraphenbureau in Beschlag nahmen — ein Schritt, den der puritanische Präsident niemals vorher gethan — und bis spät in die Nacht damit beschäftigt waren, telegraphisch mit Brüssel zu Verkehren, wo zahlreiche Meldungen einliefen, auf welche die Antworten in meiner Gegenwart dictirt worden sind. Ich möchte behaupten, daß die Verhandlungen, welche letzte Woche in Paris stattfanden, sich auf dieses erste Telegramm vom 8. October und seine richtige Auslegung bezogen. Mr. Delcassö bestritt, mit den: Ausdruck moralische und materielle Unterstützung irgend etwas Anderes, als das Obenerwähnte gemeint zu haben. Da man ihm aber in Aussicht stellte, man werde die Sache veröffentlichen, ebenso wie noch dies und jenes Andere — worüber discret ein Schleier gebreitet wurde —, so hielt es die Regierung für klüger, ein harmloses Kompromiß zu schließen. Das französische auswärtige Amt hat Beziehungen zu den Boeren unterhalten, vor wie nach dem Ultimatum, und i st mit allen ihren diplomatischen Geheimnissen vertraut gewesen. Mr. Delcassö ist darin nur Herrn Hanotaux ge folgt, der noch ein schlimmerer Sünder war. Aber auch Deutschland war in die Jntrigue hineingezogen worden. Es wurde in der letzten Woche folgende Vereinbarung getroffen: da in den Telegrammen au den französischen Consul in Pretoria die Möglichkeit eines Mißverständnisses von Seiten Krüger's vorliege, so wolle das Cabinet Waldeck-Rousseau seine Ver pflichtung anerkennen, zu interveniren für den Fall, daß Deutschland eine ähnliche Verpflichtung an erkenne und vorangehe. Daher das „u Berlin", dem in Köln ein so grausames Ende gemacht wurde." Die Wendung, daß Deutschland in die Jntrigue hinein gezogen worden sei, ist etwas dunkel gehalten. Wenn sie be deuten soll, daß Deutschland an jenen Vorgängen thätig be- theiligt gewesen sei, so würde sie ohne Zweifel mit den That- sachen in Widerspruch stehen; es ist wohl anzunehmen, daß die Absicht in Paris bestand, aber in Berlin klug durchschaut wurde. Obige Mittheilung ist in den „Times" am Donnerstag ver öffentlicht worden. Eine Widerlegung ist von franzöffscher Seite bisher nicht erfolgt. Laut Pariser Telegrammen giebk der „Siöcle" die Veröffentlichung der Londoner Blätter wieder, ohne ihr einen Widerspruch entgegenzusetzea. Wahrscheinlich wird sich der deutsche Reichstay — voraussichtlich heute schon — mit der Angelegenheit beschäftigen. > Te Wet «dermal« entwischt. De Wet ist noch immer o«r Held des Tages, lieber sein: weiteren Operationen melvet Lord Kitchener aus Bloemfontein vcin 8. December: General Knox meldet bekanntlich aus Roux Ville, daß De Wet's Streitmacht, nachdem sie vergeblich versuch: hatte, die Commissteörücke zu forcirrn, welche sie englischen Truppen hielten, unter Zurücklassung von 500 Pferden unks vielen Capwagen in nor dö st licher Richtung ab gerückt ist. Sein Durchbkuchsversuch nach der Capcolonie ist also mißlungen, und er ist von allen Seiten bedrängt. Die Commissiebrücke führt bei der Commissiedrist über den Caledon, den in letzter Zeit viel genannten großen nördlichen Nebenfluß des Oranje. Auf dieser Brücke überschreitet die Straße von Smith field nach Rouxville den Fluß. Aus dieser Orientirung ergiedr sich, daß De Wet thatsächlich nach seinem vergeblichen Versuche, den Oranjefluß durch die Odendaldrift zu durchschreiten, sich wioder nördlich gewandt, also di« Absicht, in die Capcolonie ein zufallen, aufgegeben hat. Er hatte wohl gehofft, daß die ge nannte Brücke frei wäre und er über sie ungehindert nach Norden entkommen könnte. Indessen scheint General Knox auf 'der eng lischen Seite diesen Fall vorgesehen und die Garnison von Smithfield nach der Brück« beordert zu hüben. Gleichwohl der suchte De Wet den Uebergang, allerdings mit negativem Erfolge, denn er mußte 500 Pferde und viel« Wagen in den Händen der Feinde lassen. Indessen ist er wieder noch nicht ab gefangen. Knox muß selber zugeben, daß er in nordöstlicher Richtung, d. h. mn südlichen Ufer des Caledon entlang abgezogen ist. Mch seinen -bisherigen Leistungen ist es reicht unwahrschein lich, daß er auch sieses Mal sich -wieder aus 'der Schlinge zieht, zumal, da auch seine Verfolger, wovon die englische amtliche Mel - düng allerdings schweigt, von den Anstrengungen der fortgesetzten Gewaltmärsche sehr gelitten haben müssen. Bei der Odenvalvrift, die etwa in der Mitte zwischen Be- thulie und Aliwal North liegt, ist De Wet offenbar der Heber gang über den Fluß beinahe gelungen, und zur Zeit befürchte: man, -wie aus den Vorsichtsmaßregeln der Engländer heroorgeh:, daß er bei Akiwal North einen erneuten Versuch machen wirs. Eine günstige Stelle -dafür liegt etwa Halbwegs zwischen der Odcndal-drrft und Aliwal North, wo eine Ponte beide Ufer ver bindet. Die Engländer haben übrigens >inen wichtigen Bundesgenossen, den hohen Wasserstand; d«r tropische Regen ha. nicht nur den Oranjefluß gewaltig angeschwellt, sondern auch seine Nebenflüsse und -sküßchen, di« ven Weg De Wet's in großer Zahl kreuzen. Politische Tagesschau. * Leipzig. 10. December. Zn der Presse ist rin Streit darüber entstanden, ob die CentrumSfraction deS Reichstags in der Verweisung seines „TolcranzantragS" an eine Commission eine Niederlage oder einen Erfolg zu erblicken habe. Zn denjenigen Blättern, die in dieser Verweisung eine Niederlage der Antragsteller erblicken, wird zur Begründung dieser Ansicht angeführt, daß die betreffende Commission bis Ostern keine Zeit zur Thätigkeit finden werde, daß der übrige Arbeitsstoff bis dabiu zu bewältigen sei und daß lediglich de« CentrumSantragS wegen die Session nicht über Ostern hinaus verlängert werden könne. Ganz abgesehen davon, daß diese Annahmen ganz willkürlich sind, wurde daS Centrum durch seine Stellung in der Lage sein, die eingesetzte Commission zur Thätigkeit zu nöthigrn. Um seinen Antrag begraben zu Leriillrtsn. Sj Lucie. Origtnal-Roman von Ferd. Gruner. Natdruck »ertoNn. Der junge Bildhauer sprang überrascht auf. Einen Augen blick war er bestürzt, als er aber in Lucie's glühendes Gesichtchen sah, wurde er ernst. „Woher hast Du diesen Verdacht? Hast Du irgend einen -Grund, einen solchen auszusprechen? Du siehst, Lucie, wie schwer ich leide unter diesem entsetzlichen Ver hängnisse." - DaS junge Mädchen neigte seinen Mund dicht an sein Ohr und in scheuem Flüstern gestand sie ihm: „O, ich habe gar keinen Grund, gar keinen, den ich geltend machen könnte. Aber weiht Du, ich fühl's an meinet Herzen« Schlag, an dem Zittern meiner Glieder, wenn jener Mensch in mein« Nähe kommt, daß er der Mörder ist. Sonst kann ich nicht« sagen, aber schwören könnte ich, daß ich ihn dafür halte." Wange an Wange lehnten sie aneinander. Er fühlte den schnellen starken Schlag des Pulse» in ihren Schläfen. „Dein Herz zittert zu viel um mich, Geliebte", sagte er zärtlich, „und darum suchst Du nach einem Anderen, auf den Du diesen schweren Verdacht wälzen könntest. Aber noch einmal, Lucie, bedenke, wie entsetzlich e» wäre, wenn er wiederum einen Unschuldigen träfe!" Lucie schüttelte ihr Haupt. „Nun muh tch scheiden, Lucie. Fass' mich noch einmal um den Hal«, so recht fest, und dann behüt' Dich Gott!" Mit heißem Ungestüm umfaßte er sie und bedeckte ihr Gesicht, ihre Augen und Haare mit zärtlichen Küssen. Dann drückte er ihr noch «inen Kuh auf die schmalen weißen Hände, die ihn zurückhalten wollten. „Ich muß", flüsterte er und eilte davon. „Kommen Sie", sagte er draußen zu Dr. Bollant, der im Corridor auf- und abschrttt. „Kommen Eie, Herr Doctor, sonst wird mir da» Sehen zu schwer." Der Arzt fühlte, wie der Arm deS jungen starken Manne« in dem seinen zitterte. Max stieg rasch tn den Magen rin, auf dessen Kutschbock der treue Johann saß. vr. Rosen nahm neben ihm Platz. „Herr Doctor", wandte sich der Letztere an den Arzt, „ich bitte, dem gnädigen Fräulein meinen besten Dank übermitteln >« wollen." Mit scharfen Schlägen hieb der Diener auf die edlen Pferde ein, daß sie in gewaltigen Sätzen davonstürmten. Herr von Eichentreu hatte den Salon nicht verlassen. Als er den Wagen hinausrollen hörte, trat er zum Fenster, und ein eigenthümliche« Lächeln glitt über sein Gesicht, als er die im Wagen Sitzenden erkannte. In dem Zimmer über ihm lag in dem Rahmen des weit geöffneten Fensters eine schlanke schmerzdurchbrbte Mädchengestalt und sah dem Wagen nach, der in das dämmerige Dunkel der Nacht hinausrollt«, mit immer mehr ersterbendem Geräusch. Nur die Laternen leuchteten wie zwei Helle stets kleiner werdende Sterne. Al« auch der letzte Schein derselben verblaßt war, preßte sie das brennende Gesicht in die Hände: ihr Stern war untergegangen. .. II. Theil. , Erstes Capitel. Vorsichtige leise Schritte schreckten Lucie aus ihren Träumen auf. Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter und eine freundliche Stimme rief sie beim Namen. „Fräulein Rawen!" Sie wandte sich um und schaute in das leidenschaftslose blaffe Gesicht der Krankenschwester, die ihre Mutter pflegt«. „Verzeihen Sie, Fräulein Rawen, aber unsere Kranke ver langte so sehr nach Ihnen, und da meinte ich, es würde ihr einige Erleichterung bringen, wenn Sie in ihrer Nähe wären." Ein Blick stillen Mitleide« glitt über der Nonne Gesicht. „O gewiß, liebe Schwester, ich gehe gleich mit zu Mama." Die Schwester blieb stehen. „Wenn ich gewußt hätte, Fräulein, Sie in solcher Stimmung zu finden, ich hätte Sie gewiß nicht gestört." Lucie schüttelte den Kopf. „O nein, im Segenthril, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mich auS meinen Träumen gerissen haben." Sie drückte warm die Hand der Nonne. Dann schritten Beide hinab in da- Krankenzimmer. Die Kranke hatte sich mittlerweile beruhigt, die brennenden Lippen flüsterten nur mehr unverständliche Worte. Ihre Be wegungen verloren an fiebriger Hast, nur rin oder zweimal fuhren die Hände tastend über di« Deckt, dann lagen sic still. Die kurzen schweren Athemzüge wurden tiefer und regelmäßiger. Der Anfall war vorübergegangen, und so sandte Lucie die Schwester Clara, welche seit den frühesten Morgenstunden den beschwerlichen Dienst am Krankenbette versehen hatte, für einige Stunden zur Ruh«. Sie selbst stellte die durch einen matten Schirm sehr ge dämpfte Lampe noch mehr seitwärts von der Kranken und nahm in einem Sessel am Fenster Platz. Es war eine wunderherrliche Nacht. Der Himmel mit leichten Wolken umspannt, durch die der Sterne Licht in matten gelblichen Tinten schimmerte, nur hier und da ein Helles Aufblitzen, wenn ein winziges Stückchen am Firmament« wolkenfrei wurde und der Gestirne Glanz ungehindert bis zur Erde dringen konnte. Kühlend strich eine Windwelle über Lucie's heißes Gesicht, die, den Kopf auf den Arm gestützt, in das ungewisse Dämmern der Nacht hinaussah. Der tiefe Friede, den Alles athmrte, begann seine suggestive Kraft auch auf Lucie auszuüben. Schon wurden ihr die Lider über den verweinten Augen schwer, da hörte sic, wie ein Wagen von dem Portale aus dem Hofe hinausrollte. Wenn er den Weg nach dem Dorfe zu nahm, konnte sie ihn sehen. Sir beugte sich etwa» vor und erblickte das Gespann deS Herrn von Eichentreu, das in leichtem Trabe die Dorfstraße entlang rollte. Sie konnte genau die kleinen unschönen, aber kräftigen und ausdauernden Pferde erkennen. Auch die bequem in den Wagen zurückgelehnte Gestalt Eichentreu's war in ziemlich deutlichen Umrissen wahrnehmbar. Nun flammte ein Streich holz auf, an dem er sich die Cigarre entzündete. Da» hagere gefurchte Gesicht umspielte ein zufriedenes Lächeln. Aber plötzlich verzerrte e» sich in Angst und Ueberraschung. Au« dem Straßengraben erhob sich eine dunkle Gestalt, welche tief den Hut zog. Das Streichholz war leider erloschen, so daß Lucie nicht wußte, wer es war. Sic hörte nur, wie Eichentreu zornig rief: „Scheert Euch zum Kuckuck!" worauf sich der Wagen, her einen Augenblick angehalten hatte, in scharfer Gang art entfernte. Ein kurzes rauhes Gelächter drang verhallend an ihr Ohr, die schwankende Gestalt de« höflichen Grüßers verschwand im Dunkel der Nacht, dann war es wieder still. Die kleine Scene scheuchte Lucie den Schlaf vollständig aus den Augen. Zum zweiten Male war es heute, daß sie Eichentreu in unbewachten Augenblicken so jäh erschrecken sah, mit allen Zeichen einer tödtlichen Angst in den Mienen. Sie versank in Nachsinnen. Bei dem natürlichen Widerwillen, den sie gegen diesen Mann von dem Augenblicke an gefühlt, wo seine Augen zum ersten Male In heißem Begehren auf ihr geruht, hatte sie ohne besonderen äußeren Anlaß ihn stet« mit mißtrauischen Augen beobachtet und noch dem schrecklichen Verbrechen, wiewohl erschauernd, zuerst an ihn gedacht, al« Denjenigen, welchem sie von Allen, die sie kannte, diese Tbat zunächst zugetraut hätte. Unter diesem Gesichtspunkte gewann die Scene am Sarge und nun die zweite besondere Bedeutung. Sie sah es als eine Bestätigung ihres Verdachtes an, wiewohl sie wußte, daß eine öffentliche Anklage auf anderen, gewichtigeren Voraussetzungen basiren mußte. Sie war ja nicht im Stande, auch nur den kleinsten positiven Anhaltspunct für ihren schweren Verdacht geltend zu machen. Wie sehr sie auch nachgrübelte, um einen solchen zu finden, sie kam zu keinem Resultat. Aber in dem Maße, wie es ihr klar wurde, daß ihr ganzer Verdacht nur ihrem Inneren entspringe, au» ihrer eigenen Seele geboren war, fühlte sie ihn auch wachsen und erstarken. Im Dämmerlichte der Nacht, da ihre Augen unruhig von dem Antlitze der schlummernden Kranken hinüber wanderten zu dem in grauen Schatten liegenden Gartenpavillon und sie das herbe Leid der letzten Tage noch einmal in Gedanken durchlebte, fällte ihr Herz den völligen Schuldspruch über Eichentrru. Nur Eines blieb ihr unenträthselbar: warum Jener seine Hand mit Blut befleckt. Ihr Vater war dem verschuldrten Gut»nachbar doch stet« wohlgesinnt gewesen, mehr al« e« die Mutter und sie selbst gern sahen. Sie kannten sich seit Jahren, und oft hatte Rawen Eichentreu hilfreiche Hand geboten, wenn die Gläubiger ihn allzu sehr drängten und sein Gütlein unter den Hammer bringen wollten. Rawen hatte e» auch nicht so genau genommen, wenn Eichentreu mit der Rückzahlung der geborgten Summen etwas säumig war. E« mochte sein, daß er damit in vornehmer Art seinen Dank für die Rathschläge abstattete, die ihm Sichentreu zur Bewirthschaftunq seine« Gutes besonder» in den ersten Jahren ertheilt hatte. Denn wiewohl Eichentreu's Gütlein auch in ökonomischer Hinsicht in keineswegs musterhaftem Zustand« war, hatte er doch ein richtige« Urtheil und eine gewisse Erfahrung in landwirthschaftlichen Dingen, die der allzu sehr beschäftigte Rawen gern in Anspruch nahm. Sichentreu fand dabei aber immer seinen Bortheil, denn Rawen war eine durchaus ritterliche Natur, die sich immer kehr erkenntlich bew-ie«. Es mochte überhaupt wohl nur da« gründliche landwirthschaftliche Wissen de» ehemaligen Officier« gewesen sein, da« zwei im Grunde so durchaus verschiedene Charaktere zu Freunden gemacht. Denn Eichentreu war im Aebrigen rin ziemlich leichtsinniger Mensch, dem Spielteufel mit Leib und Seele ergeben, und ver stand e« nie, sein« Einnahmen mit seinen Aufgaben in die nöthige Aebereinsttmmung zu bringen. Ein gewisser Zug des Hochmuthe», au» der seligen LeutnantSzeit mit herüberzenommen, und da« Bestreben, zu imponiren, machten ibn zu keinem be sonder» liebenswürdigen Charakter. Wiederholt war Rawen in seiner kurzen, fakt rauhen Art dem Nachbar ziemlich
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite