Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.12.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001212010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900121201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900121201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-12
- Tag1900-12-12
- Monat1900-12
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
SA Bez«gs-PreiS k der HasptexpedUton oder den tm Stabt» be»irk und den Vororten errichteten Aus gabestellen 'bgeholt: vierteljährlich 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland «. Oesterreich: vterteljährl. «. Man abonntrt ferner mit entsprechenden» Postausschlag bei den Postaustalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Douaustaateu, der Europäischen Türket, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch dü. Expedition dieses Blatte» möglich. Li« Morgen-AuSaab« erscheint um */,7 Uhr, die Lbend-Au-gabe Wochentag» um 5 Uhr. Redaktion und Expedition r JohanniSgasse 8. Filiale«: Alfred Hahn vorn». 0. Klemm t Sortim. Umversitütsstraße 8 (Paulinum), Laut» Lösche, Kathariuenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Morgen - Ausgabe eipMer. TagMatt Mittwoch den 12. December 1900. Anzeiger. Ämtsölatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nnd Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Attzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclanien unter dem Redactionsstrich (4gespalten) 7'» vor den Familiennach» richten jt> gespalten) S0 L,. Tabellarischer und Zifferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen nur Ossertenannahme L5 sercl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe» ohne Poslbesorderung .« «0.—, mit Pvstbefürdrrung .« 70. Annahmefchlvß fiir Anzeigen: Abend-Ausgab«: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Bolz in Leipzig. 94. Jahrgang. Die Niederlage Les bürgerlichen Nadicalismus in Süddeutschland. Sü In Württemberg haben bekanntlich in der vergangenen Woche die Neuwahlen zum Landtage stattgefunden. Sie haben, wie vorauSzusehm gewesen war, dieselbe charakteristische Eigenthümlich- teit gezeigt, wie die allgemeinen Reichstagswahlen von 1898, nämlich einen starken Rückgang der bürgerlichen Demokratie und einen erheblichen Fortschritt der Socialdemokratie. Bei der Beurtheilung deS Ausyangs der Wahlen seitens des bürgerlichen Radikalismus, also seitens der dabei Nichtbetheilig- ten, tritt wieder einmal eine dieser Gruppe noch mehr als den Menschenkindern im Allgemeinen eigene Besonderheit hervor: während man nämlich die Fehler und die Niederlagen der Gegner nicht kräftig genug herausstreichen kann, beschönigt man die eigenen Mißerfolge, selbst unter Hintansetzung der Prin- cipien der Partei. Die „Frankfurter Zeitung" stellt bcreiis fest, daß die Volkspartei von den 23 Stichwahlen, in die sie gelangt ist, 12 sicher erfolgreich bestreiten werde und daß sie in den meisten anderen günstige Aussichten habe. Damit wird gesagt, daß die Einbußen der Partei an Mandaten jedenfalls nur eine geringe sein werde. Man sollte meinen, daß eine solche Beschönigung gerade einer demokratischen Partei übel anstehe. Denn die Demokratie be tont doch oft genug, daß es nicht auf die Zahl der Mandate an kommen dürfe, sondern auf die Zahl der abgegebenen Stimmen. Und vom demokratischen Standpunkte aus ist diese Auffassung eine vollständig zutreffende. Denn in Folge einmal der un gleichen Größe der Wahlkreise und zweitens der Machenschaften bei den Stichwahlen giebt die Zahl der schließlich von einer Partei errungenen Mandate kein zutreffendes Bild von der Äolksstimmung. Wohl aber läßt sich «in Bild Herstellen aus einem Vergleiche der den einzelnen Parteien zugefallenen Wähler stimmen. Nimmt man aber diese Ziffern zur Grundlage, so ergiebt sich ein enormer Rückgang der Volkspartei zu Gunsten der übrigen Parteien, und zwa-r vor Allem der Socialdemokratie. Bei den vorigen Landtagswahlem erhielt die Volkspartei 96 000, die Socialdemokratie' 32 000 Stimmen von inSge- sammt 2W 000 abgegebenen Stimmen. Diesmal brachte es die Volkspartei nur auf 74 000 von insgesammt 302000' abgegebenen Stimmen, während die Social demokratie 68000 Stimmen erhielt. Nimmt man zu nächst das Verhältniß der auf die Volkspartei gefallenen Stimmen zu der Gesammtivahlbetheiligung, so ergiebt sich, daß die Volkspartei vor fünf Jahren ein volles Drittel aller abge gebenen Stimmen auf sich vereinigte, diesmal nicht ganz ein Viertel. Nimmt man das Verhältniß der beiden radikalen Par teien zu einander, so ist das Ergebniß noch unerfreulicher für die Volkspartei. Denn damals entfielen auf die Social demokratie genau drei Mal so wenig Stimmen, als auf die Volkspartei, während diesmal «die Socialdemokraten nur noch um ein Fünftel hinter der Stimmenziffer der Volkspartei zurück stehen. Seht sich der Rückzug der einen, der Fortschritt der anderen Partei bis zu den nächsten Landtagswahlen so fort, so wird dann die Socialdemokratie an Stimmenziffer bei Weitem über der Volkspartei stehen, binnen einem Jahrzehnt wird unter der gleichen Voraussetzung eine fast vollständige Umkehrung der Machtverhältnisse stattgefunden haben. Der Grund zu diesem Massenübergange bllrgerlich-radicaler Wähler zum socialen Nadicalismus liegt auf der Hand. Das verflossene halbe Jahrzehnt wird gekennzeichnet durch eine starke Entwickelung der deutschen Wehrmacht zur See und der colo nialen Politik. Für Beides haben die volksparteilichen Führer nur billige Witze gehabt. Es ist ihnen durch ihre — man ver zeihe das harte Wort — „schnoddrige" Agitation allerdings aealückt, «ine große Zahl der wllrttembergiscben Wähler von dem Anschlüsse an nationale Auffassungen ssernzuhalten, aber dieser „Erfolg" sollte nicht ihrer eigenen Partei zu Gute kommen. Die Wähler haben sich gesagt, daß, wenn wirklich eine starke Marine und eine energische Weltvolitik dem weiteren und engeren Vaterlande zum Nachtheile gereichten, sie diejenige Partei unterstützten müßten, die diese Auffassung nicht mit billigen Witzen, sondern mit grimmigem Ernste und unerschütterlicher Eonsequenz bekämpft. So wenig erbaut wir von jedem MaHt- uiwachse des Socialismus sind, so müssen wir doch diese Argu mentation der Wählermassen als richtig anerkennen. Entweder — oder, d. h. in diesem Falle, entweder aufrichtig national oder aufrichtig international, entweder die schwarz-weiß-rothe Flagge oder die rothe. — DaS Schwarz-Roth-Gold, das einst seine volle Berechtigung hatte, ist heute überlebt; das haben die württem- bergischen Kammerwahlen von Neuem bewiesen. Die Wirren in China. Mehr Aussichten? Wenn die aus dem Innern Chinas zu uns gelangenden Nachrichten auf Wahrheit beruhen, so vollzieht sich dort all mählich ein Umschwung,- der den Mächten sehr willkommen sein muß. Es taucht aus dem Chaos die Macht der Kaiserin als ein zwar angefochtener, aber immer Noch feststehender Punct auf. Nach Entfernung des schwer zu behandelnden mohame- danischen Generals Tungfuhsiang aus Singanfu scheint die Kaiserin sich mit Keg Piceko.nige n des Aangtsethales in Verbindung gesetzt.zu. haben und sich Lei ihren Entschließungen auf die militärische Macht dieser beiden Vicekönigc stützen zu wollen. Tungfuhsiang weilt noch in der Provinz, in der sein mohamedanischer Anhang am größten ist, in Kansu, an geblich, um dort seine Truppen zu entlassen. Während seiner Abwesenheit von Singanfu hat Hungku verstanden, sich bei der Kaiserin bemerkbar zu machen; ihm ist nach einer Meldung der „Morning Post" aus Shanghai der Auftrag ertheilt worden, Truppen auszuheben, denen der besondere Schutz deS Hofe» an vertraut wrrden solle. An einer genügenden Zahl solcher Truppen scheint es also noch zu fehlen; dabei wird e» für möglich gehalten, daß Tungfuhsiang seine Rebellentruppen in Kansu nicht entlaßt, sondern mit ihnen gegen Singanfu rückt, um sich de» Einflüsse» auf den Hof zu versichern. Die Vice könige haben einstweilen ihre Truppen noch am Dangtse; die Lage de» Hofe», der jetzt zur Nachgiebigkeit gegen die Mächte geneigt ist, kann demnach noch nicht al» gesichert angesehen werden. Bunglu steht im Alter von 66 Jahren; er gilt al» ein thatkräf« tiger, verschlagener Mann. Bei den Pekinger Fremdenver folgungen haben seine Truppen jedenfalls mitgefochten. Die neue Fassung der Forderungen der Mächte ermöglicht dem Hofe, sich auch der Männer zu bedienen, die der Theilnahme an den Wirren verdächtig sind. Aunglu's Schuld wird von mancher Seite be zweifelt; der schlaue Chinese scheint verstanden zu Haben, die Spuren seiner Schuld zu verwischen. Wie sicher er sich fühlte, geht auch daraus hervor, daß er früher neben Li-Hung-Tschang als Unterhändler mit den Gesandten in Aussicht genommen war. Er ist ein Mann, der seine Landsleute in vielen Beziehungen überragt und dem auch manche Einflüsse der Klugheit und der Milde zugeschrieben werden. Tie Vollmachten DaS „Bureau Lassan" meldet aus Peking, 8. December: Keiner der beiden chinesischen Unterhändler bat eine officielle Copie deS Ernennungsdecretes, die mit kaiserlichem Siegel und den anderen nöthigen Formalitäten auSgestattet ist. Li-Hung- Tschang schlug vor, er und Prinz Tsching sollten sich gegen seitigbescheinigen, daß sie vollgiltiz bevollmächtigte Unter händler seien. Dieser Vorschlag wurde von den Gesandten belacht und nicht für annehmbar erklärt. Li-Hung-Tschang ließ dann sagen, infolge der Zerstörung deS Tsung li Hamen sei keine Copie von der ihm für die Unterhandlungen mit Japan aus gestellten Beglaubigung verfügbar. Er bat, baß man ihm eine leihen möge. Dieses Ersuchen wurde erfüll». Tcutschc und Franzosen in Tientsin. 6. L. Der „Figaro" veröffentlicht einen am 1. October in Tientsin geschriebenen Brief eines französischen OfficierS, dem wir folgende interessante Stelle entnehmen: . . Von Tientsin ist eigentlich nur eine Straße »»zerstört geblieben, nnd zwar die interessanteste, Victoria Road, im englischen Stadtviertel. Von vier bis sechs wird sie jeden Tag die „Uuo des Xkckions" der Ausstellung. Deutsche, amerikanische, italienische, japanische, russische nnd französische Soldaten und Officiere treffen sich und grüßen stch herzlich; die englischen Officiere aber werden fast allgemein „geschnitten". Ich will da» Factum nicht zu erklären suchen, ich eonstatirc eS nur. Die Deutschen sind unS gegenüber von einer außerordentlichen Höflichkeit. Sie setzen sogar eine gewisse Coquettcrie darein, un» entgegenzukommen, und haben offenbar ein Losungswort und eine Weisung, die sie getreu befolgen. Ihre Capellen spielen fortwährend die bekanntesten franzö sischen Melodien. Gestern zog eia deutsche» Infanterie- Bataillon durch unsere CantonnementS unter den Klängen deS „köro la Victoirv". Und vor einigen Tagen wies daS Programm der deutschen Capelle bei einem Concert in dem im Stadtpark gelegenen MusikkioSk ausschließlich Werke französischer Componisten auf, von Gounod bis zu den Melodien auS dem „Kleinen Herzog", der „Schonen Helena" und „Orpheus in der Unterwelt". Das ist nicht bloßer Zufall; daS ist gesucht, daS ist gewollt, und das macht einen sehr guten Eindruck. Marschall Walversce ist hier vor drei Tagen angckommen. Truppcnabtheilungcn der verschiedenen Nationen empfingen ihn am Bahnhof, und seine ersten Einladungen galten den französischen Heerführern, welchen er sagte, wie glücklich er sich schätze, für sie den „französischen Champagner" zu entkorken, den der Kaiser ihm vor seiner Abreise geschickt habe . . * London, 11. December. (Tel.) „Daily News" be richten aus Shanghai unter dem 10. December: Der Vicekönig Tschang-tschi-tung hat dem britischen General- consul mitgetheilt, daß er aus Nordchina ein Telegramm erhalten habe, wonach die Verbündeten sieben Districte in der Provinz Petschili, südlich von Tientsin bis an die Grenzen von Schantung, besetzt hätten. * Petersburg, li. December. (Tel.) Der große Kreuzer „Grvmokoj" ist von L»bau nach Ostasien a'ogegangen. * Peking, 11. December. (Tel.) Der erste durch gehende Zug aus Tientsin seit dem Ausbruche des Boxeraufstandes ist heute hier eingetroffen. Der Krieg in Südafrika. Die Verstärkung der englischen Streitkräfte in Südafrika. Die Forderung Lord Roberts', von den in Südafrika unter Waffen stehenden Truppen 20 000 Mann zurückzuberufen und dafür ebenso viele frische Mannschaften hinzusenden, ist von Lord Kitchener zurückgezogen worden. Er sagt, eine solche theilweise Rückberufung würde die Moral der gesammten Armee schädigen, und die Neuankommenden würden, da sie noch nicht an das Klima gewöhnt seien, für den Guerillakrieg noch weniger taugen. Da gegen verlangt Kitchener 6000 Mann Reiterei und außerdem noch 40000 Pferde. Außerdem gedenkt er, wie gemeldet aus den Randflüchtlingen und aus den loyal ge sinnten Colonisten noch etwa 20 000 Mann unter Waffen zu stellen. Der übrige Bestand, wie ihn Kitchener übernommen hat, ist folgender: Es waren nach Südafrika aus England und den Colonien 210 000 Mann gesandt und in Südafrika selbst 30 000 Mann ausgehoben worden. Davon fielen und starben 12 000, wurden verwundet 14000, wurden als invalide zurückgesandt 37 000, blieben in Gefangenschaft oder verschwanden 1000, wurden zurückgesandt im Ganzen 30 000, verblieben im Felde noch etwa 146 000 Mann, welche Zahl Kitchener in der bezeich- neten Weise auf 170 000 Mann bringen will. * London, 11. December. (Tel.) Zu der gestrigen Reich», tag-rrde de» deutschen R«ich»kauzl«r» bemerkt der „Daily Telegraph", dies« bedeutsame Rede rrsumire die Art und Weise, in der die internationalen Angelegenheiten von diesem praktischen Staatsmann geregelt worden seien. „Standard" meint, Graf Bülow'» Rede müßte die Hoffnung aus eine deutsche Intervention beseitige», die Krüger und seine Rathgeber etwa noch gehegt habe« künnte«. (Wiederholt.) * Veri», 11. Dttember. (Tel.) Der BundeSrath hat ein- stimmig beschlossen, gegen den im Rationalrath gestellteu Antrag über di« Forderung ei,«» Schiedsgerichte» in der Transvaal, frage Stellung zu nehmen, und den Bundespräsidenten beauftragt, diesen Standpunkt im Ratioaalrath zu begründen. Tie künftige politische (Gestaltung Südafrikas. Man schreibt uns; Am gleichen Tage haben sich oer Hels oes Schwertes uns der Helv der Fever über die zukünftige Entwickelung in Südafrika ausgesprochen: Lord Roberts, der Oberbefehlshaber der eng lischen Armee in Südafrika und von jetzt ab der_ Oberbefehls haber >d«s englischen Heeres überhaupt, und Lord Salisbury, der englische Premierminister. Krieger und Diplomat hatten dabei ihre Rollen vertauscht: der Krieger schlug einen friedfertigen Ton an, der Diplomat einen kriegerischen. Denn Lord Roberts sprach davon, daß mün nach Beendigung Des Krieges den Boeren die Bruderhand reichen solle und ihnen die Privilegien zukommen lassen müsse, die jeder Engländer Hochhalte, Lora Salisbury aber erklärte kategorisch, daß den beiden Republiken auchnichr ein Stückchen Unabhängigkeit gelassen werden würde; sie würden einfach englische Colonien werden und damit basta. Lors Salisbury gilt als einer der tüchtigsten uns der- schlagendsten europäischen Diplomaten, aber so kategorisch sollte er doch lieber nicht die Zukunft sestlegen wollen. Das nach Be endigung des letzten Verzwerflungskampfes der Boeren die Leisen Republiken zunächst englische werden, erscheint allerdings als sicher; aber nicht minder sicher erscheint es, daß sie es nicht bleiben werden- Tas schließliche Ergebniß der südafrika nischen Krisis Urird sein, daß England nicht die beiden Colonien zu seinem südafrikanischen Besitze hinzuschlagcn wird, sondern daß es seinen ganzen südafrikanischen Besitz verlieren wird, wenn auch nicht formell, so doch factisch. Charakteristische Vorboten dieser Entwickelung sind zwei Vorgänge, die sich am Beginne des letzten Herbstes im Cap-Par- tamente zugetragen haben und über die seiner Zeit die „Wclt- Corrcspon'vcnz" berichtet hat. Der erste Vorgang besteht darin, daß Cecil Rhodes, der doch wohl über die südafrikanischen Zu stände und Verhältnisse genauer Bescheid weiß, als Lord Salis bury, sich bemüht hat, wieder Fühlung mit der Asrikanderpartei im Cap-Parlament« zu gewinnen; Cecil Rhodes wird, wofern ihm früher oder später dieser Plan gelingt, ohne jedes Bedenken von denjenigen Elementen im Parlamente abrücken, die lediglich die Interessen Englanss im Auge haben. Der zweite Vorgang aestand darin, daß -ine rheblich- Mrhrheil des Cap-ParlamenteZ «inen Antrag annahm, der darauf hinau.-lief, womögt.ch in Zu kunft di« Hand auf Deutsch 'Südwestafrika legen zu können. (?) Zu dieser Mehrheit gehörten auch holländische Afrikander, die doch wahrlich nicht daran denken, etwa Englands Macht ver stärken zu wollen. Wir sehen also, daß noch während des Krieges sich bereits wieder Fäden anspinnen, um eine »mehr als ein halbes Jahrzehnt hindurch unterbrochene Entwickelung wieder aufzunehmen, die Entwickelung nämlich im Sinne des Losungswortes: SüS- afrikaden Afrikandern. Diese Entwickelung wurde unterbrochen einerseits durch dir Goldgier der englischen Speculanten — was so bekannt und so viel erörtert ist, daß hier schon die bloße Erwähnung genügt, — andererseits aber, was weniger bekannt ist, d u r ch d i e S ch u l 2 ehrgeiziger holländischcrElemente. Wir stützen uns bei dieser Auffassung auf die Auslassungen «ine» hochange sehenen, in. dec Capcolonie lebeüscn und dort auch bereits gebore nen Mannes, dessen Sympathien -durchaus auf Seiten oer Boeren sich befinden. Dieser Mann ist der Usberzeugung, daß die zahl reichen, im Laufe des verflossenen Jahrzehnts nach den südafri kanischen Republiken übergesiedelten Holländer, die es verstanden, sich einflußreiche politische Stellungen zu verschaffen, in hohem Grade zu der Verbitterung zwischen dem afrikanisch-hollänvischen und dem afrikanisch-englischen Elemente beigetragen haben, in dem sie an Stelle des Losungswortes „Südafrika den Afrikanern" di« Forderung aufstelltcn „Südafrika den Holländern" — nicht den Holländern als dem niederländischen Staate — denn das wagten diese Herren doch nicht zu hoffen —, sondern den Hol ländern als Rasse aufgefaßt. So wurde also nicht mehr zwischen im Lande geborenen und Neueingewanderten geschieden, sondern zwischen holländischer und englischer Abstammung. Diese Hervorkehrung des nationalen Elementes hat die Ent wicklung Südafrikas zu einem selbstständigen, mit einem euro päischen Staate höchstens in loser Fühlung stehenden Staats ganzen um Jahrzehnte zurückgeworfen. Denn zunächst werden die Engländer nicht nur in den eroberten Bezirken, sondern auch in der Capcolonie und in Natal ihren Standpunct als .Herren des Landes 'schärfer markiren. Im Interesse ihrer Oberhoheit läge «S auch, die nationalen Gegensätze rege zu erhalten. Auf die Dauer aber wird sich dies nicht ermöglichen lassen, denn abge sehen von allem Anderen weisen schon die einfachsten wirthschaft- lichen Eigenthümlichkeiten die holländischen und englischen Afri kander darauf an, zusammen zu gehen und gemeinsam Front zu machen gegen das unansässige fremde Element, dem es nuc darauf ankommt, möglichst rasch Geld zu machen, um dann wieder zu verschwinden. Und wenn erst diese Erkenntniß all gemein Platz greift, dann wird England auch die englischen Afrikander gegen sich haben, und dann dürft« das harte Wort Salisbury'S, daß man auch kein Stückchen Unabhängigkeit lassen dürfe, zu Schanden werden. Deutsches Reich. v/vv. Berit«, 11. December. (Katholische Zeugnisse für di« ultramontane „Toleranz".) ES mag dienlich sein, gegenüber dem „Toleranzantrage" deS CentrumS im deutschen Reichstage, der liberale Geister so leicht bethört, immer wieder neue Zeugnisse zusammenzustcllen, au« denen die principielle Unduldsamkeit des päpstlich-katholischen Wesens in greller Beleuchtung ersehen werden kann. Au«Marriott « „Wahrem Protestanten", I. Band, 1852, seien hier etliche Aeußerungen römisch-katbolischer Blätter erwähnt, die vor einem halben Jahrhundert bezeugten, wie man in den Kreisen de« UltramontaniSmu« über Toleranz dachte und Toleranz übte. Zm „UniverS", dem Hauptorgau der römischen Kirche in Frankreich, la« man Folgende«: „Ich bedauere nur, daß Johann Huß nicht früher verbrannt wurde, und daß Martin Luther nicht auch verbrannt worden ist; daß keiner der damaligen Fürsten so weise war, «inen Kreuzzug gegen di« Protestanten zu beginnen." Der „Tablet", ein englische« ultramontanes Blatt, schrieb: „Uaser großer Grundsatz: Außer der Kirch« kein Heil! ist nicht von gestern her; unsere Unduldsamkeit ist eine alte Geschichte. Wir haben nie versucht, dies« große Wahrheit zu leugnen, die in der That trotz unserer Ableugnung nicht aufhörcn würde, wahr zu sein." Im gleichfalls stockultramoutanen „Rambler" stand zu lesen: „Wir sind Kinder einer Kirche, welche stets die tiefste Feindschaft gegen den Grundsatz der Religionsfreiheit ausgesprochen hat und nie auch nur den Schein einer Anerkennung der Lehre gegeben hat, daß bürgerliche Freiheit alS solche über» hanpt nothwendiger Weise eia Segen sei. . . . Glaubt es doch nimmermehr, ihr Protestanten England« und Irland?, wenn ihr unsere Freisinnigkeit ausposauncn hört. Das geschieht nur zur Täuschung dcr protestantischen Welt. Wenn ihr einen katho lischen Redner bei irgend einer öffentlichen Versamm lung (z. B. im deutschen Reichstage!) feierlich erklären hört, das; eS der beschämendste Tag seines Lebens sei, wenn er ausgefordert wird, den glorreichen Grund satz der Re ligioussreiheit erst noch zu vertheidigen, so seid nicht so einfältig, dies zu glauben. Das sind tapfere Worte, aber sie bedeuten nichts, nicht mehr als die Ver sprechungen eines Parlamentscandidaten an seine Wähler, wenn cr auf der Rednerbühne steht. Er spricht nicht Katholicismus, sondern Protestantismus und Unsinn und wird unter anderen Umständen solchen Ansichten gemäß auch nicht handeln. Wenn es der Sache des Katholicismus nützlich wäre, so würde er auch dulden, wenn hinderlich, so würde er auch einkerkern, verbannen, an eurem Vermögen strafen, möglicherweise selbst hängen. Seid aber jedenfalls dessen versichert, daß er niemals um des „glorreichen Grundsatzes der bürgerlichen nnd religiösen Freiheit" willen auch Duldung gewähren würde." Diese offene Aeußerung ist darum so bemerkenSwertb, weil die CentrumSrcdner in ihrer Unterstützung LeS Toleranz» antrageS die sehr jesuitische und durchaus nicht durchführbare Unterscheivuncs einer „politischen" und einer „dogmatischen" Toleranz mit Vorliebe gemacht haben. DaS ist auf bloße Blendung berechnet und wird von dem angeführten Citat au« dem „Rambler", daS beides verwirft: „bürgerliche und religiöse Freiheit", schlagend widerlegt. Er sagt geradezu, daß auch bürgerliche Freiheit eine Täuschung sei: „Religionsfreiheit in dem Sinne von Freiheit für Jedermann, seine Religion nach eigenem Belieben zu wählen, ist eine der gotl- losesten Täuschungen, die unserem Zeitalter von dem Vater der Lüge eingeprügt ist. Niemand hat das Recht, seine Religion zu wählen. Nur ein Atheist kann die Grundsätze der Re ligionsfreiheit aufrecht erhalten. (Was sagt dazu da deutsche Ccntrum?) Soll ich mich an diesem abscheulichen Betrüge betheiligen? Soll ich meinem irrenden pro» testantischen Bruder die Hoffnung machen, daß ich mich nicht in die Angelegenheiten seines Glaubens mischen wolle, wenn er sich nicht in die meinigen mischt? Nein! Der KatholiciSmuS ist der unduldsamste Glaube, den es giebt. Er ist die Unduldsamkeit selbst, denn er ist die Wahrheit selbst." Wir fragen vr. Lieber und seine Genossen, ob sie Len Muth haben, diese Sätze al« unkatbolisch zu verdammen, oder ob sie nicht vielmehr eingestehen müssen, daß der „Rambler" die echte, päpstliche, von den „unfehlbaren Stellvertretern Cbristi" allezeit aufrecht erhaltene Lehre wiedergezeben bat. Dann aber wird Wohl der socialdemokraliscke Herr v. Vollma r mit seiner Behauptung im Reichstage recht behalten, daß die ganze CentrnmSpartei durch die Einbringung ihres Toleranz antrageS eigentlich von vornherein der päpstlichen Excommuni- cation iatav 86ntentiao verfallen sei! U Berlin, 11. December. (Bestreitung der Kosten für die ärztlichen Gutachten über Jnvaliden- rentenanwärter.) Das ReichS-Versicherungsamt hat an läßlich eines Spccialfalles entschieden, daß die Versicherungs anstalten nicht verpflichtet sind, die Kosten für die ärztlichen Gutachten über Jnvalidenrentcnanwärter in allen Fällen zu tragen. Vielmehr ist durch das neue Jnvalidenversicherungs Gesetz an dem grundsätzlichen Standpuncte des alten, wonach in erster Linie den Rentenbewerbern selbst die Kosten für die Gut achten zur Last fallen, nichts geändert. Demgemäß werden also dann, wenn der Rentenbewerber ein Gutachten gleich mit dem Anträge einreicht, oder wenn er ein solches auf Erfordern der unteren Verwaltungsbehörde nachbringt, die Kosten für dieses Gutachten lediglich von dem Rentenbewerber zu tragen sein, soweit nicht auf Grund eines Uebereinkommens der Vcrsichc rungsanstalt mit der Aerzteschaft ein Theil der Kosten von jener getragen wird. Soweit aber vie untere Verwaltungsbehörde ihrerseits den Rentcnanwärter durch einen Ärzt untersuchen läßt, sei es, daß der Sachverständige zum Verhandlungstermin vorgeladen wird, sei es, daß er veranlaßt wird, den Renten - anwärter anderswo zu untersuchen und ein Gutachten einzu senden, sind die Kosten für diese Untersuchungen von den Ver sicherungsanstalten als baare Auslagen des Verfahrens zu tragen; denn es handelt sich hierbei um Angelegnheitcn der An stalt, in denen die untere Verwaltungsbehörde für sie nur die Geschäfte führt. Eine Belastung der Versicherungsanstalten in diesen Fällen wird um so weniger zu beanstanden sein, al» sie bei sachgemäßem Verfahren im Allgemeinen nur dann vor kommen werden, wenn anderweit das Vorhandensein der Invalidität glaubhaft gemacht ist, oder wenn bereit» ein Zeug niß beigebracht ist, aber nicht als ausreichend erachtet wird. Inwieweit die Ortsarmenverbände verpflichtet sind, bedürftigen Rentenbewerbern bei Beschaffung der ärztlichen Gut achten behilflich zu sein, richtet sich lediglich nach den landesgesetz- lichen Bestimmungen und entzieht sich deshalb der Entscheidung durch das Reichs-Versicherungsamt. Da» letztere hat d:n Jnvaliden-Versicherungsanstalten von dieser Entscheidung Kenntniß gegeben und der Annahme AuSdruä gegeben, daß die unteren Verwaltungsbehörden nicht in zu ausgedehntem Maße selbst ärztliche Gutachten anordnen werden, anstatt zunächst d-u I Rentenbewerber zur Beibringung eine» ärztlichen Gutacbtcns »oder -inderweiter Glaubhaftmachung seiner Invalidität an,u»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite