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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001220017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900122001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900122001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-12
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Frtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .Nl VO.—, mit Postbeförderung 70.—. Auzeigeu-Preis die «»gespaltene Petitzeile S5 Reclamen unter dem RedactionSstruh (-gespalten) 75 vor den Familiennach. richten («»gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend böher. — Gebühren zur Nachweisungen und Offertenaiinahmc 25 (excl. Porto). dgcr TagMalt Anzeiger. Ämtsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Nmtes der Ltadt Leipzig. Ännaymeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- lv Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Coalitionsrecht und öffentliche Ordnung. In den letzten Monaten sind wiederholt gerichtliche Ent scheidungen getroffen worden, die der Kürze halber alö „Ent scheidungen" über daö Streikpostenstehen bezeichnet und dem gemäß auch von socialdemokratischer Seite als Verletzungen des Eoalitionsrechts ausgegeben worden sind. Wie wenig aber diese einseitige Behandlungsweise angebracht ist, geht aus einem dieser Fälle hervor, der sich in Erfurt zugetragen hat und zur Ent scheidung des Kammergerichts gelangt ist. Mehrere Arbeiter, die „Streikposten" standen und der Aufforderung der Polizei, sich zu entfernen, nicht Folge geleistet, waren vom Schöffen gericht wegen „groben Unfugs" verurtheilt worden. Das Land gericht nahm zwar in der Berufungsinstanz an, daß die Streikenden sich stets ruhig und sachlich verhalten hätten und mithin grober Unfug nicht vorläge. Aber in Erfurt bestimme eine Polizeiverordnung vom 22. März 1897, „daß das Publicum den polizeilichen Anordnungen, welche zur Erhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit ergehen, Folge zu leisten habe". Das hätten die Angeklagten nicht gethan, dazu seien sie aber ver pflichtet gewesen. Gegen dieses Urtheil wurde beim Kammer gericht Revision eingelegt; über den Erfolg wurde in den Blättern berichtet: „Das Kammergericht wies die Revision ab: die polizeiliche Wegweisung der Streikposten sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung erfolgt, ohne daß die Streikposten Folge geleistet hätten; es sei nicht erforderlich, daß eine Störung der Ruhe und Ordnung auf den Straßen u. st w. stattgefunden habe. Die socialdemokratische Presse hat darauf mit dem Vorwurf reagirt, das Kammergericht habe sich Uber die Verfassung hinweg gesetzt und durch seine Entscheidung einer beliebigen städtischen Polizeiverwaltung in Posemuckel freigcgeben, mit ihren Ver ordnungen ein Gesetz des Reiches zu durchbrechen. Aber auch im bürgerlichen Lager hat eine ernste Kritik eingesetzt. So appellirt die „Sociale Praxis" an den Reichstag: er müsse es „als seine Pflicht betrachten, diese Rechtsprechung in Streit sachen vor sein Forum zu ziehen; es sei durchaus nothwendig, durch ein Gesetz festzustellen, daß ein Einschreiten der Polizei gegen Streikposten nur dann erfolgen darf, wenn thatsäch - l i ch durch ihr Verhalten eine Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung oder ein Vergehen gegen 8 153 der Gewerbeordnung bewirkt sei." In Folge dieser Erörterungen ^hat der Senatspräsident beim Kammergericht, Geh. Oberjustizraly Groschuff, in einer in dem Sprechsaal der ^Deutschen Juristenzeitung" veröffentlichten Erklärung den durch die Entscheidungen des Kammergerichtcs geschaffenen Rcchtsstand klargestellt. Das Kammergericht hat stets anerkannt, daß das Streikpostenstehen an sich eine strafbare Handlung nicht sei, beginnt die Erklärung und fährt dann fort: In allen jenen Fällen handelt es sich vielmehr lediglich um Uebertretung von Straßenpolizei-Verordnungen, welche be stimmen, daß derjenige strafbar sei, welcher den zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auf der Straße erlassenen Anordnungen der Aufsichtsbeamten keine Folge leistet. Diese Bestimmung ist wiederholt auf Personen ängewendet worden, welche bei ausgebrochencm Streit Posten standen. In solchen Fällen sind die Polizeibeamten davon ausgegangen, daß das Stehen der Posten geeignet sei, die öffentliche Ordnung zu stören, und haben deshalb die Posten aufgefordert, sich aus der betreffenden Straße zu entfernen. Haben die Posten keine Folge geleistet, so sinh, sie wegen Ueber tretung der betreffenden Straßenpolizeiverordnung verurtheilt. In solchen Fällen sind die betreffenden Personen nicht des halb bestraft, weil sie Streikposten gestanden haben, sondern weil sie der aus dieser Veranlas sung an sie gerichteten Aufforderung des Polizeibeamten keine Folge geleistet haben. Danach liegt also der Rechtsstand so, daß das Streikposten stehen gestattet ist, aber die Ausführung dieses Postenstehens an Vie Straßenpolizeibcstimmungen gebunden ist, die allgemein für die öffentliche Ordnung gelten; und in dieser Beziehung läßt sich nicht bestreiten, daß der Polizei auch die Befugniß cingeräumt werden muß, Personen fortzuweisen, die die öffentliche Ordnung zu stören sich a»schicken, also auch solche Streikposten, die in ihrem Verhalten eine Störung der öffentlichen Ordnung be sorgen lassen; cs geht nicht an, der Polizei das Recht zum Einschreiten erst dann zu gestatten, wenn der „grobe Unfug" zur Ausführung gelangt und die Störung der „öffentlichen Ord nung" oder eine Beeinträchtigung der auf die Oeffentlichkeit an gewiesenen Personen geschehen ist. Für den Verkehr auf Straßen und Plätzen haben keinerlei Privatpersonen ein Vor recht; Mreikposten sind in keinerlei Weise vor anderen Passanten privilegirt. Nur unklare Schwärmgeisterei — und die Social demokratie können ein solches Privileg fordern. Die Socialdemokratie bekennt dies auch ganz offen; so hat sie selbst im vorigen December im Reichstag einen Entwurf ein gebracht, der von Reiöhswegen zu bestimmen vorschlu^ daß Streikposten der Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen, Straßen und an anderen öffentlichen Orten nur dann untersagt werden dürfe, wenn durch den Aufenthalt der Thatbestand einer Anzahl durch das Strafgesetzbuch verpönter Handlungen erfüllt werde, und zwar waren ausdrücklich genannt Strafbestimmungen über öffentliche Zusammenrottung, Auflauf, Aufruhr, Haus friedensbruch, Landfriedensbruch und Sammlung und Aus rüstung bewaffneter Haufen. Der Reichstag hat dieses An sinnen, die gewaltsame Vorbereitung des Zukunftsstaates zu privilegiren, abgewiesen. Wie der Abg. Bassermann dar- that, würden dadurch „Straßen, Plätze und öffentliche Orte un begrenzt allen Bewegungen zur Verfügung gestellt, die.sich auf Zwecke der Ausübung der Koalition beziehen, und zwar offenbar unter Aufhebung der ganzen Straßenpolizei. Daß dadurch ein« Reihe von Unordnungen und Gesetzwidrig keiten gefördert werden, scheint mir ohne Weiteres klar zu sein." So liegen die Dinge auch bei der vorstehenden DiScussion, soweit sie von der Socialdemokratie betrieben wird. Es giebt wenig Länder, wo nachgewiesenermaßen die CoalitionSfreiheit einen solchen Spielraum hat, wie im deutschen Reiche, und wo von der Volksvertretung und allen verständigen Politikern so sorgsam darüber gewacht wird, daß dieses wichtige Anrecht der handarbeitenden Elasten keine Verkürzung erleidet, auch nicht durch polizeiliche Uebergriffe und polizeiliches Ungeschick. Auf der anderen Seite aber steht auch fest, daß in keinem Staats wesen «ia« so starke Partei existirt, die Ausschreitungen von Arbeitern gegen Arbeiter unter die Wahrung des Coalitions- rechts zu bringen sucht und selbst dann glorificirt, wenn offen bare Rohheiten und Gesetzesverletzungen vorliegcn. Jeden Monat ist es „unter dem neuesten Curs" im „Vorwärts" zu lesen. Daraus ziehen wir den Schluß, daß man. bei allen socialdemokratischen Schreiereien über Verkürzung des Coali- tionsrechts selbst den anscheinend neutral oorgetragenen That bestand sorgsam nachzuprüfen den allerdringendsten Anlaß hat. Nirgends ist es gefährlicher, als auf diesem Gebiete, sich schwäch lich in die Sclaverei der socialdemokratischen Entrüftungsmache und des umstürzlerischen Schlagwortes zu begeben — namentlich nach der Ablehnung des Versuchs eines stärkeren gesetzlichen Schutzes der Arbeitswilligen. ZUM Untergang der „Gneisenau" liegen beute folgende Nachrichten vor: "Berlin, IS. December. (Tel.) Capitün-Lcutnant Werner meldet auS Malaga: Es hat sich herausgeslellt, daß außer den bisher als vermißt Gemeldeten noch die Schiffsjungen Prom« schiefer und Ludes vermißt werden. Schwer verletzt sind der Matrose Pagel (Lungenentzündung), der Schiffsjunge Höck (Gehirnerschütterung) uud Gelhaar (Kopfwunde). Ihr Zustand wird als nicht lebensgefährlich bezeichnet. * Malaga, 19. December. (Tel.) Bis jetzt wurden 200 Gegeostände von der „Gneisenau" ans Land gespült, aber keine weiteren Leichen. („Berl. Tagebl.") * Pari-, 19. December. (Tel.) Der Marineminister Lanessan hat folgend« Deveiche erhalten: „Ich bitte Em. Excellenz, für da anläßlich des Verlustes des Schulschiffes „Gneisenau" ausgedrücku Beileid -en warmen Dank der deutschen Marine entgegen- zunehmen und den Kameraden der französischen Marine zu über mitteln. Staatssekretär v. Tirpitz." L. Berlin, 19. December (Privattel.) AuS London wird der „Nat.-Ztg." telegrapdirt, daß nach einem dort ein gegangenen Telegramm aus Malta der Kaiser an den englischen Admiral Fisher nachstehende Depesche ge richtet hat: Mein Consul telegraphirt, daß Sie gütigst zwei Schiffe ent- sandten, um unseren armen Mannschaften in Malaga beizustehen. Ich beeile mich, Ihnen aufrichtig zu danken. Ihre Handlungsweise zeigt aufs Neue, daß Seeleute in der ganzen Welt Kamr- raden sind und daß Blut dicker ist als Wasser. * Neber das Schicksal von thüringischen Mann schaften der „Gneisenau"-Besatzung wird uns gsschrieben: -r- Gera, 19. December. Durch den Untergang des Schul schiffes „Gneisenau" sind auch niedrere Familien in Thüringen in tiefe Trauer versetzt worden. Der Oberingenieur Prüfer hatte seine Schwiegermutter in Kahla und eine Schwester, sowie einen Schwager in Gera wohnen. Ferner ist der Matrose Petz aus Pößneck ertrunken. Auch auS Erfurt befanden sich vier Söhue dortiger Eltern auf dem Schiffe: Obermaat Wiegand, der Sohn deS Magistratsboten Völker, der Schiffsjunge Richard und ein Schiffsjunge auS JlverSgebosen, dessen Name noch nicht bekannt ist. Die beiden ersten werden al» „vermißt" bezeichnet, über da- Schicksal der beiden andern ist noch nicht» bekannt. Oberleutnant v. Kock, der Sobn de» Rittergutsbesitzers v. Koch in Saalbach bei Poltige, wurde gerettet. Weitzenfels, l9. December. Auf dem untergegangenen Schulschiff „Gneisenau" befanden sich auch drei Söhne unserer Stadt, die Schiffsjungen EblerS, Löffler und Weber. Der Mutter des Erstgenannten ist die Rettung ihre» Sohne» durch daS Reicksmarineamt mikgetheilt worden, der Zweite hat seine glückliche Rettung seinen Angehörigen selbst gemeldet. Nur über daS Schicksal des Dritten, eines SobneS des Kaufmanns Weber, fehlt bis jetzt nock jede Nack- rickt. Ein Bruder des ertrunkenen Capita»» Kretschmann ist in unserer Nachbarstadt Merseburg als FeuersocietätS- beamter ansässig. Die Wirren in China. Die FricdenSvsrschläge. * Lsndon, 19. December. (Tel.) „Daily Mail" be richtet auS Peking unter dem 17. December: Dem Ver nehmen nach ist der britische Vorschlag bezüglich der Aenderung in den einleitenden Worten der an China zu richtenden Note im Großen und Ganzen von allen Mächten angenommen worden. Auck Rußland und Japan haben zugestimmt, während die Haltung der Ver einigten Staaten noch nicht präcisirt ist: in dessen wird auch die Zustimmung Amerikas erwartet. Der britische Vorschlag geht dabin, da- Wort „irr 6- vveadls" zu streichen und dafür die Erklärung einzusügen, daß Peking und die Provinz Tschili von den verbündeten Truppen nicht geräumt würden, bis die chinesische Regie rung den Forderungen der Mächte entsprochen babe. Der deutsche Gesandte unterstützte den britischen Vorschlag. Die Unterzeichnung der so umgestelllen Noie bürste un mittelbar erfolgen und die Note alSdann in drei bi« vier Tagen den chinesischen Bevollmächtigten überreicht werden. * Berlin, 19. December. „Wolffs Trlegr -Bureau" be richtet auS Peking unter dem 17. December: Zwischen Tientsin und Peking soll vom 18. Drccmber ab täglich in jeder Richtung rin Personenzug regelmäßig vcrkcbren. * Ksnftantinopel, 19. December. (Tel.) Der amerikanische Kreuzer „Kentucky" ist von Smyrna nach den Philippinen in See gegangen. Die Anti-Mtssi»aar»ve»n«>un«. Die „Time«" bringe» beute dea Bericht eine» Corre- spondenten in Shanghai, der «in« interessant« Analyse der Position der Missionare in China und ib'rer Beziehungen zu den europäischen Handelsleuten erziebt. Es heißt da wörtlich: Cs baden viel mehr Ermordungen von Missionaren im Innern staltgesunden, als von Ingenieuren und sonstigen Europäern, und zwar auS dem einfachen Grunde, weil die ersteren zahlreicher und hilfloser sind, aber trotzdem erscheint es zweifellos, daß die Ausbrüche und Angriffe durchweg sremdenfeinvlicher und nicht absolut missionar-feindlicher Natur waren. Bon der europäischen Gemeinschaft in Cbina ist nur ei» kleiner Brucktbeil wirklich in enger Berükrung mit den Misfions-Austalten; ein anderer Bruchtheil verachtet dieselben und betrachtet sie als die Ursache der genannten Unruhen im Fernen Osten. Der größere Theil jedoch sieht auf die Missionare als brauchbare und muthige Pioniere der Civilisation, besonders wenn sie wirklich tüchtige und gut erzogene Leute sind. Viele Europäer wieder kümmern sich wenig oder gar nicht um die Glaubensbotcn und wissen und verstehen nichts von ihrem Werke. Aus der anderen Seite giebt eS unter den Missionaren leider manche, die alle Kauf- und Handelsleute für wenig mehr als Diebe halten, und welche als daö größte Hinderniß in der Bekehrung Chinas zum Cbristentbum das angeblich unmoralische und Wenig empfehlenswertbe Leben der europäischen Gemeinschaft bezeichnen. Eine erkleckliche Anzahl, besonders der in den großen Hafenstädten lebenden Missionare, ist frei von solchen unk äbnlicben Vornrtbeilen, sie nehmen sogar Tbeil an öffentlichen und gesellschaftlichen Func tionen und erkennen im Allgemeinen rückhaltlos an, daß der Kauf mann und die übrigen Ausländer ihren guten Tbeil zur Civilisirung der Welt beitragen. Eine große Anzahl jedoch, die sich meistens nur in abgelegenen LandeStheilcn aufbalten und nur ielten die Küstcnstätte besuchen, finden dann heraus, daß sie wenige Interessen mit den dort resioirenden Europäern gemeinschaftlich haben, und daß auf diese Weise mehr durch die Macht der Umstände als durch irgend welche Absichten die Missionare mit der Mehrheit der übrigen Europäer überhaupt wenig und selten zu irgend welcher Ueberein- stimmung in politischen oder privaten Ansichten uud Gebräuchen gelangen können. Es giebt natürlich bier an der Küste viele Europäer, die überzeugt sind, daß durch da- indiScrete Verhalten mancher Missionare viel UebleS entstanden ist, wie zum Beispiel durch ihre Einmischungen in chinesische Justiz, in Fällen, wo ihre Convertiten in Betracht kommen; in diesem Puncte darf aber durchaus nicht mit der Mehrzahl der Ausländer gerechnet werden. Wenn man behaupten will, daß die Ausbrüche deS chinesischen Fremdenbasses sich haupt sächlich gegen die Missionare richteten, so darf man nicht vergessen, daß der Chinese nickt wie der Europäer einen Unterschied zwischen den Missionaren und den übrigen Fremden macht oder macken kann, und daß im Uebrigen auch unter den Missionaren natürlich die verschiedensten Persön lichkeiten und Charaktere vorhanden sind. Es giebt da Mitglieder der Missionsgesellschaften, welche kaum zu den gebildeten Classen gerechnet werden können, während anderer seits eine große Anzahl dieser Glaubensbolen die beste Universilätsickalung besitzen. Für viele Missionare repräsen- tirt der klägliche Unterbalt, den sie aus den betreffenden Anstalten und Genossenschaften beziehen, ein Einkommen, wie sie eS im besten Falle auch daheim nickt reichlicher verdienen könnten, während wieder ankere in der Lage sind, jährlich Tausende von Pfunden auS eigener Tasche für das gute Werk auSzngeben, dem sie ihr Leben gewidmet haben. Wir haben „mevicinische" Missionare, die gerade das Minimum von AuS bilvung und Schulung besitzen, welches sie zur ärztlichen Praxis berechtigt, und andere wiederum sind im vollen Besitze der höchsten Qualifikationen der civilisirten Welt. Dann sind die Männer, die sich ausschließlich der Hebung der Principien der Moral und der Religion unter den Ackerbau treibenden Classen reS Innern hingcben, andere, die sich nützlicher zu machen glauben, wenn sie die fortschrittlicheren Emgebornen in den Küstenplätzen in Literatur und Wissenschaften unterrichten, und schließlich solche, die sich ganz und gar der Errichtung und Leitung von Hospitälern und ähnlichen Institutionen weiden. Es ist also durchaus unmöglich, daß der eingeborene Chinese alle diese Männer als gleichartig betrachten kann, und doch sind sie Alle ohne Ausnahme bingeschlachtet worden, ohne Unterschied des AlterS und Geschlechtes, wo immer die chinesischen Behörden eS wünschten oder zuließen, und in jedem Falle war der Grund ihres Verderbens ausnahmslos einfach der, daß sie Ausländer, „fremde Teufel", waren. Der Krieg in Südafrika. Krüger ii» H»lland. * Amsterdam, 19. December. (Tel.) Präsident Krüger ist bier eingetroffen und von den Behörden, den Mitgliedern deS Gemeinderatbs, sowie den Consuln von Transvaal und des Orangefreistaates im Fürstenzimmer empfangen worden. E» wurden Begrüßungsreden gehalten und Blumenspenden überreicht. Auf der Fahrt nach dem Ratbbause begrüßten große Zuschauermassen den Präsidenten mit Hochrufen. Im Ratbbause hielt der Bürgermeister eine Rede, in der er dem Präsidenten einen ehrenvollen Frieden wünschte. Präsident Krüger erwiderte, im Jahre 1884 hätten die Republiken ihre Un abhängigkeit errungen, allein jene ehrenvolle Tbat sei zu nichte gemacht. D,e Eindringlinge seien zehn gegen einen. Er harre de« Tage«, an dem der Herr seinen Willen künden werde, auf dessen Hilfe alle bauen. Nack den Begrüßungsreden wurde vom' Gemrinveratb ein Frühstück gegeben, an da« sich ein Besuch de« Hause» anschloß, in dem die Flüchtigen au« Südafrika untergebracht sind. * London, 19. December. (Lloyd« Agency.) Au» Port Said wird berichtet, daß der bollänvische Kreuzer „Gelder land" auf der Fahrt von Algier nach Ostinrien mit dem britischen Postdampfer „Peterston" am Eingang de» dortigen Hafen« zusa m men gestoßen ist. Die Eommando- brücke de» „Geldrrland" wurde beschädigt, der Bug der „Peterston" durchlöchert. Tentschland und -er Jamcs-n-vinfail. Die Bemerkungen Bülow'S über die Haltung europäischer Mächte gegenüber dem Einfall Jameson'S in Transvaal 1890 haben Erörterungen in der Pariser Presse zur Folge gehabt, die den damaligen Minister des Aeußern, Bert Helot, veranlassen, in einer Zuschrift an den „Temp»" die damalige Haltung Frankreichs zu präcisiren. Berthclot schreibt wörtlich: „Es ist vollkommen richtig, daß weder Deutschland noch England damals Frankreick) irgend welchen Meinungsaustausch über die Angelegenheiten Transvaals vorschlugen. Im Augenblick de» Einfalls Javie- fon's äußerte Freiberr v. Marschall in einer Unterhaltung mit dem französischen Botschafter Herbette, er würde gern sehen, daß Frankreich sich diesem Gewaltact widersetze, da aber der Einfall Jameson'S fast unmittelbar mißglückt war, erachtete eS die deutsche Regierung nicht mehr für nöthig, dieser Anregung weitere Folge zu geben." Der iSinfall in die Eapeolonie. Aus London, 19. December, wird der „Voss. Ztg." depeschirt: Eine Capstädter Drabtmeldung der „Daily Mail" vom 18. December besagt, eS sei eine neue erregte Lage geschaffen durch den kühnen Boereneinsall in die Cap- colonie. Der Feind habe Len Oranjefluß au zwei Puncten überschritten: Eine Colonne rücke auf Philipstown zwischen Colesberg und Kimberley vor; das zweite CorpS, mutbmaßlich Herzog'S Commando, über schritt den Fluß zwischen Odendalstrooin unv Be:hulie nord westlich von Burgbersdorp, sein Ziel sei augenscheinlich Cradvck, das über Slertstroom erreicht werden könne. Heute auS Burgherödorp eingcgangen; Privatbriefe be sagen, daß die Boer en drohen, die genannte Stadt zu zerstören, aber daß General Macdonald den Feind zwanzig Meilen westlich davon angegriffen babe. Die Boeren hätten keine Kanonen. Den heutigen neuesten Meldungen zufolge werden die Boeren langsam nach dem Oranje- jlußzurüügedrängt, wo ein warmer Empfang für sie vorbereitet werde. Der Boereneinsall in die Capcolonie zu diesem Zeilpuncte sei verwegen und bedeutungsvoll, da er mit der Verurtbeilung der Rebellen von ColeSberg und der Einleitung der Untersuchung gegen die Rebellen in den Nachbarsläkten Zusammenfalle. Tie Lage an der Delagoabahu. Eine Lissaboner Drabtmeldung des „Standard" besagt, der portugiesische Marineminister empfing Montag Abend eine Depesche, der zufolge die britischen Truppen in Komatipoort verstärkt worden seien. Louis Botba babe seine Streitkräfte bei Nelspruit längs der nieder ländischen Eisenbahn eoncentrirt. Die portugiesischen Truppen, die der Gouverneur von Mozambique entsandt halte, um einen Boereneinsall in portugiesisches Gebiet zu verhindern, seien größtentheilS wieder nach Lourcn«,'o MarqueS zurück gekehrt. Reue Maßregeln Das englische Kriegsamt ist durch die letzten Hiobsposlen vom Kriegsschauplätze in fieberhafte Aufregung und entsprechende Thätigkeit gesetzt worden, und wie aus zuverlässiger Quelle ver lautet, hat man sich im hohen Rathe entschlossen, nunmehr alle, dem jetzigen Oberbefehlshaber Lord Kitchener bisher noch aufer legten Beschränkungen und milderen Maßregeln fallen zu lassen und ihm bei voller persönlicher Verantwortlichkeit ganz lick freie Hand zu geben. Mit anderen Worten: Kitchener kann nach seinem Gutdünken schalten und walten, — soweit die Boeren ihm dies gestatten. Von der angeblich bislang angewandten Politik der Versöhnlichkeit (?) und des Entgegenkommens (??) soll natürlich ganz und gar abgesehen werden, und jetzt sieht es dem Lord-General sogar durchaus frei, ohne, wie biSber, die Genehmigung der britischen Regierung in besonderen Fällen erst einzuholen, nach Gutdünken jede Art von „Straf- Expedition" gegen die renitenten Boeren vorzunehmen oder anzuordnen, d. h. jedes Mittel wird recht sein, um den Widerstand der braven Transvaaler und Freistaatler zu brechen, coutc qul conto. Mit Bezug hierauf schreibt der „Morning Leader": „Einzig und allein die Regierung selbst trägt die Verantwortung für die Suggestion der peinlichen Möglichkeit, daß Lord Kitchener vielleicht die Absicht hat, das Niederschießen von Kriegsgefangenen in seine „Politik" aufzunehmen. Wir wissen bereits ganz genau, daß in keinem Falle unabhängige Be richte über solche Dinge zur Beförderung nach England und Europa zugelassen werden, kein einziger Correspondent wird im Stande sein, diese neue Entwickelung in -er VHandlung eines christlichen Volkes durch ein anderes zu rapportiren. Bur die Boeren werden davon hören, man wird es sie absichtlich wissen lassen, um sie abzuschrecken, aber — wird der Erfolg auch den Wünschen des neuen Diktators entsprechen? Schwerlich! Die Boeren machen mindestens ebenso viele Gefangene al- wir, und Wenn wir die unsrigen niederknallcn, so werden sie natürlich das Gleiche thun. Der letztere Fall würde dann selbstredend so fort nach England telegraphirt werden, und dir Boeren sind kaltblütige Mörder, die keine Gnade und Rücksicht mehr verdienen", — so wird es dann wieder heißen, während wir keine Silbe über die Ursachen zu solchen Repressalien de» Feinde» zu hören bekommen. Es ist daher nothwendig, daß unsere Nation rechtzeitig und im Voraus über diese neue, unseren Truppen be vorstehende Gefahr unterrichtet werde und davor gewarnt sei." Deutsches Reich. X. Berlin, 19. December. (Das bayerische Centrum und die Fraae der Getreidezölle.) In Ingolstadt hat am lk. d. M. eine große Versammlung der klerikalen Bauernvereine Bayern« stakkgefunven, die in einer Resolution die Forderung gleicher Zölle für all« 4 Getreide- arten stellte, sich für einen Minimal- und Marimaltaris au»- sprach und den Minimalzoll auf Ü festgesetzt wissen wollte. Referent dieser Versammlung war der Reichs- lag-abgeordnrte „Bauerndoctor" Dr. Heim; er hat in seiner lirben-würdiaen Art di« Wählerschaft ersucht. Jedem den verdieaten Fußtritt zu geben, der nicht für die gleich« Verzollung der 4 Getreideartra ist. Da der
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