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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011001025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901100102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901100102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SS H. Reclamen unter dem Redaction-strich (4 gespalten) 75 vor den Famtlieanach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechen« höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahmr 25 (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung >»60—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol» w Leipzig. Nr. 501. Dienstag den 1. October 1901. 95. Jahrgang. Der Kaiser und die Stadt Berlin. * Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht die „Köln. Zig." einen Artikel, der zweifellos in der NeicbShauptsiadt ge schrieben ist und einen mit den geschilderten Verhältnissen genau vertrauten Verfasser verräth, der überdies Grund zu der Annahme bat, es werde ihm gelingen, seine Ausführungen zur Kenntniß nicht nur der Berliner Stadtväter zu bringen. Der interessante Artikel, dem gewiß alle unsere Leser besten Erfolg wünschen, lautet: „Man braucht keineswegs sonderlich scharfsichtig zu sein, um zu erkennen, daß seit einiger Zeit zwischen dem Kaiser und der Ver tretung seiner Haupt« und Residenzstadt Berlin eine recht ungemüth- liche Temperatur herrscht, deren Vorhandensein aus mannigfachen Gründen zu beklagen ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Kaiser der Entwicklung der Stadt Berlin das wärmste Interesse entgegenbringt und die Stadt, wie er vor nicht allzu langer Zeit äußerte, nicht nur zu einer der größten, sondern auch zu einer der prächtigsten Städte emporwachsen sehen mochte. Die ausdrucksvollste Bethätigung dieses Willens darf wohl in der großartigen Stiftung erkannt werden, durch die er die Sieg es aller mit einer Reihe von Standbildern seiner Vorfahren schmückte, die in der Idee des Kaisers nicht nur zur Erinnerung an die hohenzollernschen Fürsten, sondern auch zur Zierde von Berlin gereichen sollten. Weitere Pläne in diesem Sinne beschäftigen auch jetzt noch den Kaiser, Pläne, die er zum Theil selbstständig durchführen will und kann, bei denen er aber auch theilweise auf die Mitwirkung der Stadt Berlin angewiesen ist. Auf der andern Seite ist es aber auch unbestreitbar, daß die Berliner und ihre Stadtvertretung trotz Socialdemokratie und politischen Radikalismus nichts Besseres wünschen, als bei diesem Bestreben mit dem Kaiser Hand in Hand zu gehen und zur Verwirklichung seiner für die Stadt Berlin so nützlichen und ehrenvollen Pläne beizutragen. Man sollte unter diesen Umständen meinen, daß einem freudigen und verständniß- vollen Zusammengehen von Krone und Stadt gar keine Hindernisse im Wege ständen. Im Ganzen und Großen kann man sagen, daß es eigentlich auch nur Kleinigkeiten gewesen sind, die den Kaiser an dem guten Willen der Stadt Berlin und diese an dem weitsichtigen Wohl wollen deS Kaisers in Zweifel gebracht haben. Dies« Kleinigkeiten liegen fowohl auf politischem als künstlerischem Gebiet und beruhen zum Theil viel mehr auf Mißverständnissen, als auf übelwollender Gegensätzlichkeit. Der erste kleine Zusammen- stoß sand statt, als der Kaiser bei der Uebergabe deS BegaS- brunnens auf dem Schloßplatze, des sogenannten „Forcken- beckenS", den Vertretern der Stadt statt der erwarteten Tank- rede eine Strafpredigt hielt, auf die sie bei diesem Anlaß nicht gefaßt waren. Zu langen, uicht immer erfreulichen Aus- einandersetzungen und Verhandlungen führte der Wunsch des Kaiser«, die unmittelbare Umgebung deS königlichen Schlosse-, die in der That sehr Viele- zu wünschen ließ, umzuäudern und zu verschönern. Der Kaiser vermißte damals in dem langsamen und widerwilligen Nachgeben der Stadt die erwartete Rücksicht auf seine Pläne; zu gleicher Zeit ober beNagte sich die Stadt, daß durch den Widerspruch deS Kaisers die wichtige Uebersührung der Straßenbahn am Opernhause der- hindert würde. Dir Gegensätze iu dieser Beziehung erschienen zeitweise recht schroff, wurden aber schließlich in befriedigender Weise erledigt, indem die Stadt den kaiserlichen Wünschen für die Umgestaltung des Schloßplatzes Rechnung trug, der Kaiser sich aber der Durchquerung der Linden am Opernhause nicht mehr widersetzte. Ein zweiter Streitfall, der sich ja formell zwischen dem Polizeipräsidium und der Stadt abspielte, der aber auch in der öffentlichen Meinung auf den Kaiser zurückgesührt wurde, betraf daS Denkmal der Märzgefallenen. Diese Angelegenheit ist seinerzeit einigermaßen aufgebaufcht worden, und der Beschluß der Stadtverordneten trug in der Meinung der Mehrheit keineswegs die antimonarchische Spitze, die ihm vielfach beigemessen wurde. Immerhin ließ die Sache vielfach Verstimmung zurück, wennauchnichtindemMaße, wie die Vorgänge bei den letzten Bürgermei st erwählen. Gegen die Wabl Les jetzigen Berliner Oberbürgermeisters Kirschner lagen irgend welche berechtigte Einwände nicht vor, und wenn trotz dem die Bestätigung eia Jahr oder länger ousblieb, so empfand man das als eine unfreundliche Hintansetzung der Interessen der Stadt Berlin. Dann kam die unglück liche Wahl des Stadtraths Kauffmann zum zweiten Bürgermeister. Wenn diese noch unserer Auffassung auch ganz wohl die Bestätigung der Krone hätte finden können, so handelte der Kaiser bei der Nichtbestätigung doch nur in Aus übung eines Rechtes, daS ihm nun einmal zusteht. Daß die mehr oder minder aus Trotz erfolgte Wiederwahl Kauffmann's die Stimmung am kaiserlichen Hofe nicht verbessert haben wird, darf wohl ohne Weiteres angenommen werden. Diese Wiederwahl darf übrigens nicht als Handlung an sich betrachtet werden, sondern sie ist ein Ausfluß der Stimmungen, wie sie sich aus mehreren Factoren zusammensetzten. Wir erinnern da auch an den Bries, den der Freiherr v. Mirbach seinerzeit im Namen der Kaiserin als Antwort auf Glückwünsche dieser Versammlung geschrieben hat und der zum Abbruch der Gratulations-Beziehungen führte. Nun haben wir noch ganz neuerdings den Zwischenfall mit der Uebersührung der städtischen Straßenbahn über die Linden. Thatsächlich hat die Stadtverwaltung Anlaß zu der Annahme gehabt, daß ihr Vorschlag dem Kaiser nicht nur nicht unangehm, sondern sogar erwünscht sein werde. In einem frühern Stadium der Angelegenheit hatte di« Stadtverwaltung die lieber- führung im Zuge der Charlottenstraße gewünscht, i"ar aber darauf hingewiesen worden, daß der Kaiser der Durchführung im Zuge der Kleinen Mauerstraße viel geneigter sei. Der Plan Kleine Mauer- straße hat dann die Zustimmung aller staatlichen Behörden gesunden und ist lediglich am Widerspruch des Kaisers gescheitert Die jetzt verlangte Unterführung soll, was außer allein Zweifel ist, ungeheure Kosten verursachen und nach der Ansicht vieler Techniker sogar überhaupt undurchführbar jein. Letzteres können wir nicht brurtheilen, seitdem die Stadt aber zwei Straßenbahnen, die, von Süden und Norden kommend, dicht auf beiden Seiten der Linden in Kopsstatlonen auslaufen, erworben hat, liegt es im höchsten finanziellen Interesse der Stadt und auch der Bevölkerung, diese beiden Kopsstationen miteinander zu verbinden. Ein hiergegen gerichtetes Verbot schädigt die Stadlfinanzen und wird um so mehr als eine Unfreundlichkeit empfunden, als die staatlichen zu ständigen Behörden sich, wie gesagt, mit dem Plane vollständig einverstanden erklärt hatten. Ein anderer Plan mit langer Vorgeschichte betrifft die Um gestaltung der Linden, die dem Kaiser bekanntlich sehr am Herzen liegt. Bon städtischer Seite waren mehrere Pläne ausgestellt worden, als deren Grundlage die Beseitigung des an der nördlichen Seite der Linden gelegenen Reitweges zu betrachten war. Aus diesen Reitweg wollte nun der Kaiser nicht verzichten, und aus diesem Grunde kam der Plan nicht zu Stande. Endlich, nach langen Commissions verhandlungen, einigte man sich auf einen Plan, der in weitgehen, dem Entgegenkommen gegen die Wünsche des Kaisers den Reitweg beibehielt. In allernächster Zeit soll er den Stadt- verordneten zur endgiltigen Bestätigung vorgelegt werden, wir fürchten aber, daß das zu einem fehr ungeeigneten Zeitpunkte ge schieht, und daß die Verstimmung innerhalb der Stadtvertretung zu einer Ablehnung Les Plane- führen wird. Wir begegnen hier der bedenklichen Verkoppelung von Dingen, die eigentlich mit- einander gar nicht- zu thun haben und deren Bindeglied im Grunde nur ein« bedauerliche Mißstimmung ist. Es liegt eben in der menschlichen Natur, daß verärgerte Ge- müther nicht immer die Sachlichkeit als erste Nichischnur an erkennen. An Wichtigkeit nicht mit den Fragen der Bürgermeister wahlen und der Lindenübersührung zu vergleichen sind kleinere Streitpunkte, die auf rein künstlerischem Gebiete liegen. Be kanntlich sind die Kunstanschanungrn des Kaisers sehr ausgesprochener und persönlicher Natur, und diese Auffassungen haben ihn be- wogen, sich mit großem Nachdruck gegen verschiedene Kunst« jchüpsungen der Stadt Berlin zu wenden; so gegen ein Feuerwehrdenkmal und ganz neuerdings auch noch gegen einige Zierbrunnen, die im Friedrichshain von der Stadt errichtet werden sollen. Wir wollen hier nicht auf die Frage eingehen, ob der Kaiser Las Recht hat, seinen Willen und seine persönliche Geschmacksrichtung in solchen Dingen der Stadt aufzuerlegen. Die Frage ist viel umstritten; wir glauben aber, daß sie weniger auf das juristische als aus das Gebiet des Allgemeinnutzens gestellt werden sollte. Aus einer ganzen Reihe von Gründen hat die Stadt ein große- Interesse daran, bei ihren künstlerischen Vornahmen in Uebereinstimmung mit dem Kaiser vorzugehen. Diese E:kenntniß wird wohl bei der Mehr« zahl der Stadtverordnete» und jedenfalls bei deren gemäßigten Mit- gliedern vorhanden sein, und sie würden vielleicht gern dement sprechend bandeln. Erschwert wird das nun freilich, wenn die kaiser lichen Willensmeinungen in imperativer Form erfolgen und wenn dadurch gewissermaßen der Widerstand der radikalen Elemente gereizt wird. Sobald es auch nur den Anschein gewinnt, daß die Rechte der Selbstverwaltung angetastet werden, kommen fast immer die gemäßigten Elemente in eine Zwangslage und müssen aus taktischen Gründen sich der radikalen Opposition an schließen. Es wird somit ihr guter Wille unfruchtbar gemacht und die Lage von Neuem verschärft. Die Folge ist dann die, daß höchst angemessene Pläne unvollendet liegen bleiben. Diese Gefahr liegt vor, wie für die Verschönerung der Linden, so auch für die Errichtung eines monumentalen Ro landbrun nens aus dem Kemperplatz, der den Abschluß der Siegrsallee bilden soll. Bei der jetzt herrschenden Stimmung ist die Bewilligung der Kosten durch die Stadtverordneten ausgeschlossen. Wir stehen somit in einer Lage, die für den Monarchen bei seinem warmen Interest« für die Entwickelung Berlins und für die Kunst unerfreulich, für die Stadt Berlin aber nachtheilig ist. Freude und Vortheil am Conflicte zwischen Krone und Hauptstadt haben nur aus der einen Seite die S o c i a l d e m o k r a t e n, auf der andern gewisse scharfmacherische Elemente, deren höchstes Vergnügen es ist, wenn sie zwischen Kaiser und Bürgerschaft eine Spaltung hervor- rufen können. Verstimmungen haben schon wiederholt bestanden und sind beseitigt worden. Das kann auch jetzt wieder geschehen, namentlich wenn man sich vergegenwärtigt, wem sie zum Vortheil gereichen. Die Anbahnung eines besseren moäus vivencki ist eine Ausgabe, mit der in diesem Falle nicht nur rein örtlichen Interessen gedient wird." Der Krieg in Südafrika. Verkauf der vocrcnfaruien. Die Engländer denken also wirklich daran, ihre Drohungen wahr zu machen. Wie gemeldet, ist vorgestern eine Kundmachung erlassen worden, die über den Verkauf der Güter der noch im Felde stehenden Bürger gemäß den in der früheren Kundmachung Lord Kitchener's bekannt gegebenen Bedingungen Bestimmung trifft. Danach wird die Unterhaltung der Familien solcher Bürger, die noch nach dem 15. September im Felde stehen, als eine Last angesehen, für die aus dem Vermögen dieser Bürger Deckung zu nehmen ist. Wie die Engländer schon zehn Boerenführer, «die nach dem 15. September in ihre Hände gefallen sind, feierlichst verbannt haben, so wollen sie nun auch die Güter der noch kämpfenden Boeren verkaufen. Die Bestimmungen im Einzelnen zu be sprechen, ist jetzt noch nicht Zeit, da sie noch nicht vorliegen. Da gegen giebt die obige kurze Meldung schon jetzt Klarheit darüber, wie man amtlicherseits den Wortlaut der ersten Kundmachung Kitchener's über Die Verwendung des Erlöses aus den verkauften Farmen auszulegen gedenkt. Der Erlös soll nur dienen zum Unterhalt derjenigen Boerenfamilien, deren Ernährer noch im Felde stehen. An sich ist gegen die Forderung, daß die Boeren familien sich selbst beköstigen, nichts einzuwenden; nur muß dabei berücksichtigt werden, daß ihnen wider ihren Willen die Möglich keit genommen ist, ihren Unterhalt selbst zu suchen. Da die Eng länder daran die Schuld tragen, müssen sie völkerrechtlich auch die Verpflichtung übernehmen, ihnen wenigstens die Mittel dazu vorzuschießen, bis sie selbst wieder für sich sorgen können. Ein völkerrechtliches Novum aber ist es, so schreibt die „Köln. Zig.", wenn die Engländer den Boeren ihr Eigenthum zu diesem Zweck dauernd entziehen, eine Maßregel, die mit dem Grundsätze der Unverletzlichkeit des Privateigentums offen bricht. Die Engländer freilich behaupten, daß sie ein Recht zu diesem Ein griff hätlon, da sie die noch kämpfenden Bürger des Oranjefrei staates und Transvaals als Rebellen behandeln könnten, nackwem sie die Gebiete dieser Republiken Großbritannien angegliedert hätten. Diese Rechtfertigung wird aber nur von einem Theile selbst des englischen Volkes als zulässig anerkannt. Der andere Theil und die übrige Welt ist der Meinung, daß die Angliederung zwar ausgesprochen, aber bis auf den heutigen Tag nicht durch geführt ist. Die Herrschaft der Engländer beschränkt sich noch heute auf die Bahnlinien und schmale Streifen zu beiden Seiten derselben und ist auf den größern Theil von Transvaal nördlich der Linie Mafeking-Rustenbura-Pretoria-Middelburg-Komati- poort, abgesehen vielleicht von der Bahnstrecke Pretoria-Pieters- burg, noch niemals ausgeübt worden. * Pretoria, 30. September. („Reuter's Bureau".) Tjaart Krüger, ein Sohn des Präsidenten, ist heute nach kurzer Krankheit gestorben. Tjaavt Krüger hat sich erst kürzlich den Engländern ergeben. * Eskiowe (Zululand), 30. September. („Renter's Bureau".) Nunmehr wird weiter berichtet, daß die Boeren vor dem Fort Jtala 305 Mann auf dem Schlachrfelde gelassen haben. (Von wem denn? Von den Koffern. D. Red.) Hertilleton. Olof Thoroldsen. Roman von Anna Maul (M. Gerhardt). Nachdruck verboten. Erstes Capitel. Herr Anton Bergau saß mit seiner Gattin beim Morgen kaffee. Die Glasthüren zum Balkon standen offen und ließen den Duft der blühenden Linden vom altstädtischen Markt drunten, aber auch das unaufhörliche dumpfe Rollen und Rasseln aus den nahen verkehrsreichen Geschäftsstraßen hinein. Es war nicht mehr früh. Die Junisonne stahl sich mit blendenden Lichtern durch die rothgestreifte Markise, die draußen den Balkon überdeckte. Drinnen war cs warm und gcmüthlich in der sonnendurchfleckten Dämmerung des Speisezimmers mit seiner bürgerlich wohlhäbigen Einrichtung, dem einladenden Frühstückstisch — vor Allem mit den beiden Leuten, die da in bequemem Morgenanzug bei ihren Kaffeetassen und Butter semmeln in vertraulichem Geplauder die Zeit vergaßen. Er, ein stattlicher Vierziger mit ziemlich kahler Stirn, gold braunem Vollbart, der blinkend weiße Zähne durchschimmern ließ, und hellblauen Augen. Sie, rundlich, beweglich, mit vollen rothen Wangen, freundlichen, dunkeln Augen, braunen Löckchen über der Strrn und einem Grübchen im Kinn. Hübsch war es gewesen, gestern Abend im Logengarten. Die Maibowle hatte Stimmung gemacht im muntern Freundes kreise, man hatte lange beisammen gesessen. Daran war besonders das bevorstehende Sängerfest schuld. Einige der Herren gehörten zu den Sängern, andere zu den Festordnern. Auf Anton Bergau wurde von beiden Seiten Anspruch erhoben. Wäre er nur Herr seiner Zeit! — Fast Alle erwarteten auswärtige Gäste. Die Damen tauschten ihre Toilettensoraen. Die festliche Stimmung, in der die ganze Stadt den kommenden Dingen entgegensah, concentrirte sich in dem kleinen Kreise. „Frau Grasmck jammert, die Schneiderin ließe sie im Stich. Wie gut, daß Du darauf bestandest, mein neues Kostüm im Ge schäft machen zu lassen, Männi." „Siehst Du wohl, Kleine». Wolltest gar nicht ran. Nun kostet e» ein paar Groschen mehr und wird chic und modern. Ich freu' mich auf die Augen, die die Andern machen werden. Stolz werd' ich sein auf mein fesches Weiberl, was?" Anton Bergau reichte seiner Frau die Hand, zog sie neben ffch auf dal Sopha, umfaßte fir und küßte sie zärtlich ab. Sie wehrte sich lachend ein wenig. „Aber Anton! — Sei verständig, Alter! Was sollten unsere großen Rangen denken, wenn sie uns so sähen!" „Nanu! Was sie denken sollten? Daß sie ein paar famose Leute zu Eltern haben und sich gratuliren können —! Weißt, Cläre, fünf neue Versicherungen im letzten Monat, darunter zwei große Güter! Und nur einen Brand! Allerdings einen gewaltigen. — Uebrigens —" er sah nach der Uhr — „Himmel, es ist halb zehn, um zwei Uhr geht mein Zug, vorher sind noch Berge von Schreibereien zu erledigen —" Herr Bergau war seit sechs Jahren etwa Generalagent einer großen Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaft. An gefangen hatte er als Landwirth. Als jedoch eine Reihe un günstiger Jahre unter veränderten wirthschaftlichen Verhält nissen Alles, was morsch, hohl, schwach fundirt unter der Grnndbesitzerschaft der Provinz sich erwies, unbarmherzig zu Fall brachten, hatte Herr Bergau sich gezwungen gesehen, sein Gut zu verkaufen. Was von dem Erlös nach Deckung der Schulden übrig blieb, hatte eben hingereicht, über ein paar sorgen- und entbehrungsreiche Jahre hinwegzuhelfen, bis er in einem neuen Thätigkeitskreise Fuß gefaßt und Frau Cläre sich in der städtischen Wirthschaftsweise zurecht gefunden hatte. Muthig, fleißig und genügsam, hatten Beide die schweren Zeiten mit einander durchgekämpft, als treue, zuverlässige Kameraden einander schätzen gelernt, und genossen jetzt, da das Glück ihnen wieder lächelte, in froher Gemeinsamkeit all' das Gute, das ihren vollkräftigen Jahren noch Vorbehalten blieb. „Iß sitzt wenigstens Dein Ei und trinke Deinen Kaffee in Ruhe, Anton", ermahnte Frau Bergau. „Ich sorge schon da für, daß das Mittagessen pünctlich auf dem Tisch steht. Diese verwünschten Reisen! — Nun kommst Du morgen abgehetzt nach Hause, und Abends die Probe — wirklich, Männi, es geht nicht weiter so, Du mußt einen Reiseinspector haben." „Fällt mir nicht ein, die schönen Reisespesen einem Andern zuzuwenden", versetzte Bergau, eilfertig sein Frühstück voll endend. „So Lbermüthig sind wir nicht." „Uebermüthig! — Hast Du mir nicht gesagt, Deine Ein nahmen hätten sich im Laufe de» letzten Jahres verdoppelt?" „Das gerade nicht, aber — na ja —" und Herr Bergau begann in der Geschwindigkeit die Resultate erfolgreicher Be mühungen nachzurechnen. „Siehst Du, Männchen, Dein Tätigkeitskreis erweitert sich. Die Bureauarbeiten häusen sich. Und es schickt sich wirklich nicht mehr für Dich, selber im Lande umherzustreifen — das Gast hausleben bekommt Dir aar nicht." „v, das könnt' ich nicht sagen. Die viele Bewegung, im Gcgentheil —" Herr Bergau dehnte seinen kräftigen Brust ¬ kasten. „Die schlechten Betten — die unruhigen Nächte — das Herumgastiren bei befreundeten Gutsbesitzern — Du wirst ja überall aufs Herzlichste ausgenommen — aber Du mußt trinken, reden, Karten spielen, musiciren, halbe und ganze Nächte durch." „Zum Kartenspielen lasse ich mich schwer rankriegen, Clär- chen, das wissen sie schon und lassen mich in Ruhe. Aber man kann doch nicht den Uhu spielen. Die Leute kommen meilen weit angefahren, wenn sie hören, daß ich bei einem Nachbar ein kehre, sie wissen nicht, was sie Alles anstellen sollen, mir zu Liebe und zu Ehren — man hat doch auch seine Verpflichtungen." „Gewiß, selbstverständlich, lieber Anton. Aber das ruinirt Deine Nerven. Ich habe mit dem Doctor gesprochen. Und ich — mein Gott, ich bin ja Nebensache —, ich sitze hier allein und bange mich nach Dir — und ängstige mich, ob im Bureau nichts versäumt wird." „Aber, Weibchen —! Ja, wenn ich den alten Müller nicht hätte! Auf den verlasse ich mich, wie auf mich selbst. Olof leistet auch mehr als der junge Meter, solch' ein Verfluchtiger Windhund er im Uebrigen ist." „Aber Du hast stets Verdruß mit dem Jungen, wenn Du nach Hause kommst, Männchen." „Der Schlingel geräth während meiner Abwesenheit stets aus Rand und Band. Man müßte ihn fester unterm Daumen halten. Ach ja, Cläre, vielleicht hast Du Recht. Man kann sich nicht verdoppeln. Von dem Jungen habe ich mir mehr ver sprochen. Als wir ihn ins Haus nahmen trotz unserer un sicher» Lage, thaten wirs weiß Gott nur, um meiner armen Schwester zu Hilfe zu kommen. Nachher dacht' ich manchmal: den Olof könnt' ich mir zu meinem Gehilfen und Vertrauens mann heranziehen. Es ist doch immer was Andres mit 'nem nahen Verwandten, und an Talent fehlt es dem Bengel nicht. Am guten Willen fehlts. Aber nun ist- wahrhaftig die höchste Zeit —" Herr Bergau küßte seine Frau, vertauschte in seinem Schlaf zimmer den Schlafrock mit einem grauen Sommerrock und eilte nach dem Bureau. Dies war ein schmales, nett eingerichtetes Zimmer mit einem Divan, einem Schreibtisch, auf dessen breiter Platte Papiere, Briefe, Actenstücke sich häuften, an den Wänden ein paar große Gruppenbilder in Steindruck, die Studentenverbindung dar stellend, der Anton Bergau einst angehört, und den Sänger verein, dessen Mitglied er zur Zeit war. Die Thür nach einem zweiten größeren Zimmer stand offen. An jedem der beiden Fenster ein ureinfaches Schreibpult, ein paar Stühle und weit läufige, mit Drucksachen vollgestopft« Regal« bildeten dir Aus stattung des öden Raumes. An dem einen Schreibpult saß ein ältlicher, grauhaariger Mann von dürftiger Gestalt und kränk licher Gesichtsfarbe, in fadenscheinigem schwarzen Anzug, am andern ein schmächtiger Jüngling in grauen Sommerkleidern, aus denen Arme und Füße viel zu weit hervorragtcn. Beide saßen, als der Principal auf die Schwelle trat, über ihre Schreiberei gebückt, als gäbe es auf der Welt sonst nichts, was sie anginge, und erhoben kaum den Kopf, um seinen Morgen gruß zu erwidern. „Wie ist's mit den neuen Policen, Herr Müller?" „Fertig, nur zu unterschreiben, Herr Bergau." „Und der Monatsbericht nach München?" „Sobald ich den Auszug aus den Büchern habe, Herr Bergau —" „Den sollte doch Olof machen." „Ja — Onkel —" „Noch nicht fertig?" „Ja, das heißt —" Der junge Mensch hob den Kopf, reckte und bog seinen ge schmeidigen Oberkörper rückwärts, blickte nach der Decke und ließ etwas wie ein Pfeifen über seine Lippen gehen. Herrn Bergau stieg das Blut zu Kopf. Er hielt auf Ord nung und Anstand, und das undisciplinirte Gebühren seines Neffen machte ihn stets nervös. Aber er wollte sich nicht ärgern. Heute nicht. Es war heute keine Zeit dazu. „Briefe? Zeitungen?" „Auf Deinem Schreibtisch, Onkel." „Warum hast Du sie nicht drüben abgegeben?" „Weil ich dachte, Du würdest zuerst hier hercinkommen." „Das Denken — kannst Du Dir schenken", murrte Bergau, und mußte doch lächeln — über den Reim, der ihm so unver sehens über die Lippen gesprungen. Er griff nach der Zeitung und bemerkte, daß sie schon aufgeblättert gewesen. „Der Bengel — muß sie natürlich zuerst durchschnüffeln", knurrte er. Zwischen den Geschäftsbriefen schlüpfte ein feines, blaßlila Couvert durch und fiel auf die Tischplatte. Verwundert griff Bergau danach. Donnerwetter! Das sah aus wie ein Liebesbriefchen. Handschrift ohne Grund- striche, offenbar weiblich. Er kannte sie nicht. Er schnitt den Umschlag behutsam auf. Eine engbeschriebene Karte — Unterschrift kaum zu finden — „Ah — hier — In jedem Falle Ihre Freundin! Elvira Wienhold." Bergau wurde ganz roth. Elvira Wienhold! Die schöne, flotte Frau! Die brillante Sängerin! Er hatte sie bei einer befreundeten Gutsbesitzersfamilie kennen gelernt, den ganzen Abend mit ihr musicnt, ihr bescheiden den Hof gemacht —
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