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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011005012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901100501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901100501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-05
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Ämtsvlatt -es Königlichen Land- und Ätntsgerichles Leipzig, des Mathes uud Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Nr. 5V8. Tounabenb den 5. October 1901. Anzeige« «Preis die «gespaltene Petitzeile LS Neclameo unter dem ReüactionSstrtq (»gespalten) 7L vor den Kanetlimmach« richten (6 gespalten) SO Tabellarischer and Ktffernsatz entsprechend Häher. — Gebühre» für Nachweisungen und Offertenaunahme LS (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), unr mit d« Morgru-AuSgab«, ohu« Postbesörderung SO.—, mit Postbesärderuag 7V.—» Annahmeschlnß fSr Äuzeige«: Ab«ad-La»gab«: vormittag» 10 Uhr. Morge»-An«-ate: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelle» f, et» halb« Staude früher. Anzeigen find stet» an di» Expedition za richten. Die Expedition ist Wochentag» unnuterbroches geöffnet vou früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Drmk and Verlag von E. Polz in Leipzig 85. Zahrgang. Vuell und Seftrafung der Leleidigung. LS In Leipzig soll bekanntlich demnächst eine Versammlung katholischer und evangelischer Politiker tagen, die über Mittel zur Verhütung der Duelle berathen soll. Es in jedem Falle als ein Fortschritt zu begrüßen, daß man sich nicht mehr mit bloßer Entrüstung begnügen will, sondern bestrebt ist, praktische Mittel zur Beseitigung eines Zustandes, der nun einmal vor handen ist und durch Redewendungen nicht aus der Welt ge schafft werden kann, ausfindig zu machen. Als ein wesentliches Mittel zur allmählichen Beseitigung der Duelle wird die Verschärfung der Bestrafungen für Ehren kränkungen angesehen und demgemäß will die Versammlung in erster Reihe dies« Fragen zum Gegenstände der Berathungen machen. Es wird zweierlei angestrebt: erstens eine Verschärfung des bestehenden materiellen Strafrechts, zweitens eine Aenderung in strafprocefsualer Hinsicht, indem an Stelle der ordentlichen Gerichte staatliche oder corporative, aber staatlich anerkannte Ehrengerichte über Genugthuung und Strafe entscheiden sollen. Was zunächst die Verschärfung der Bestrafung von Ehren kränkungen anbelangt, so sollte zwischen zweierlei Dingen ge schieden werden: nämlich zwischen der durch das Gesetz gegebenen Bestrafungsmöglichkeit und der Straf a n w e n d u n g , wie sie praktisch gehandhabt wird. Es eraiebt sich dann, daß eine Ver schärfung der gesetzlichen Bestimmungen an sich nicht er forderlich ist. Das Gesetz sieht vor: für die gewöhnliche Beleidi gung entweder eine Geldstrafe bis zu 600 oder Gefängniß bis zu einem Jahre, für die öffentliche Beleidigung Geldstrafe bis 1500 oder Gefängniß bis zu 2 Jahren. Daneben wird im Falle der öffentlichen Beleidigung oder Verleumdung noch auf eine entsprechende Veröffentlichung der Bestrafung Bedacht ge nommen; endlich kann neben der Strafe auf eine Buße für den Beleidigten bis zu 6000 erkannt werden. Die Möglichkeit entsprechender und die Ehrenkränkung ge nügend sühnender Strafen ist also vollkommen vorhanden! Die Praxis aber zeigt, daß gar mancher Richter, der bei einem ein fachen Diebstahle ohne Weiteres auf einige Monate erkennt, sich schon als wahrer „Blutrichter" und als höchst energischer Mann vorkommt, wenn er 100 oder 200 <-/( Geldstrafe festsetzt in einem Falle, wo die Ehre eines Menschen auf das Gröblichste ange griffen worden ist. Dazu kommt, daß das Privatklageverfahren so umständlich und in mannigfacher Beziehung für den Privat kläger verdrießlich ist, daß es häufig angenehmer ist, der Be leidiger zu sein, als der Beleidigte, der sein Recht wahrzunehmen juck'. Der Privatkläger gewinnt nicht selten vor Gericht den Eindruck, al» ob der Gerichtshof ihn als einen Menschen ansehe, der durch übertriebene Empfindlichkeit dem Gerichte unnütze Schererei verursache. Daß dadurch allerdings die Neigung, sich auf anderem als dem gesetzlichen Wege Genugthuung zu ver schaffen, gesteigert werden muß, läßt sich nicht leugnen. Unter diesen Umständen ist der Gedanke, die Beleidigung den Gerichten, die die Privatklagesachen ja doch als störenden Ballast empfinden, zu entziehen und vor besondere Ehrengerichte zu weisen, an sich nicht zu verwerfen, wenn man auch freilich nicht verkennen kann, daß die praktische Durchführung dieses Gedankens zahlreichen Schwierigkeiten begegnen würde. Zunächst würden diese Gerichte sich in einem sehr wesentlichen Puncte von den be stehenden Standesehrengerichten unterscheiden. Die letzteren können wohl auf Geldstrafen erkennen oder unwürdige Mitglieder aus dem Stande ausstoßen, aber schärfere Strafmittel, vor Allem die Verhängung von Freiheitsstrafen, sind ihnen versagt. Es hätte doch etwas Bedenkliches, Gerichten, die nicht aus ordentlichen Richtern bestehen, so weit gehende Befugnisse zu ertheilen. Zum zweiten ist die Zusammensetzung derartiger Ehrengerichte außer ordentlich schwer, denn es müßten entweder Angehörige der ver schiedensten Stände in den Ehrengerichten vertreten sein, oder es müßten besondere Ehrengerichte für jeden Berufsstand ge schaffen werden. Wenn aber das letzter« geschieht, so ergiebt sich die weitere Frage, welches Berufsehrengericht im einzelnen Falle in Thätigkeit zu treten hätte: dasjenige des Klägers oder das des Angeklagten. Kurz, man sieht, daß sich unter Umständen eine recht complicirte Maschinerie ergeben würde. Dazu kommt, daß die ehrenamtliche Thätigkeit des einzelnen Staatsbürgers sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gesteigert hat, so daß eine durchaus be greifliche Abneigung gegen die Ueberhäufung mit ehrenamtlicher Thätigkeit Platz gegriffen hat. Mr möchten betonen, daß in dieser kurzen Kritik der der Leipziger Versammlung zu machenden Vorschläge keineswegs «ine Ablehnung oder gar die Befürwortung der Aufrechterhaltung d«S gegenwärtigen Zustandes liegen soll. An d«r Unhaltbarkeit dieses Zustandes kann gar kein Zweifel obwalten, denn das Duell ist zweifellos verwerflich, die anderweit« Genugthuung aber zur Zeit durchaus unzureichend. Es ist also in jedem Falle zu be grüßen, daß der Versuch gemacht werden soll, einem tatsächlich vorhandenen bösen Uebelstande auf den Leib zu rücken. Die Möglichkeit dazu ist um so eher gegeben, als sich katholische und evangelische Männer zusammengefunden haben. Dadurch wird die Gefahr vermieden, daß die Frage einseitig vom religiösen und speciell konfessionellen Standpunkte behandelt wird. Der Krieg in Südafrika. Die voerencsmmanduS in dcr Cape»l»nie. * AapftaVt, 10. September. Gegenwärtig machen nicht weniger als acht bis neun Commandos die Colonie unsicher. Me diese Commandos gleichsam aus sich selbst lawinenartig an wachsen, zeigt uns Schep «r' S Heer. Vor kurzer Zeit schlug sich der kühne Führer mit etwa zehn Mann auS dem Freistaate kommend nach dem Distrikt Richmand durch im Centrum der Capcoloni«. Nach wenigen Wochen war sein Häuflein durch Zu zug von Rebellen auf 400 Mann angewachsen, so daß er es wagen konnte, immer tiefer in- Herz des Landes und gegen die Küste vorzudringen. Bei Oudtshoorn angekommen, war sein Heer be reits so stattlich geworden, daß er es theilen konnte. Die Ver nichtung von Lotter'S Commando durch die Engländer ist ein Schlag, der die Boeren sehr empfindlich treffen dürfte, da hier durch nicht allein ihre Organisation gestört wurde, sondern der Zulauf von Rebellen höchst wahrscheinlich beträchtlich Nachlassen dürfte. Im klebrigen befinden sich die Engländer in einem Zu- kand kläglicher Hilflosigkeit. Me Zeitungen melden fortgesetzt Die Routen der umherziehenden Boeren, die Bevölkerung selbst, soweit sie loyal ist, derräth die streifenden Kommando» beständig, aber niemals ist englisches Militär zur Stelle, um den Gegner zu fassen. Dabei haben die Engländer di« Eisenbahnen und Tele graphen im Besitz, so daß eine schnelle Concentration ihrer Trup pen jederzeit leicht auszuführen wäre. Diese Unfähigkeit ist um so auffallender, als doch French selbst, der fähigste aller englischen Generale, schon seit geraumer Zeit in der Colonie weilt und die Vertheidigung selbst überwacht oder leitet. Auch ist die Schwerfälligkeit der englischen Bewegungen nicht etwa auf Mangel an Pferdematerial zurückzuführen, denn an olchem fehlt es ihnen nicht, seitdem der Pferdebestand der ganzen Kolonie in rücksichtslosester Weise eingetrieben worden ist. Viel chlimmer ist es mit dem englischen Soldaten bestellt, der in unmenschlicher Weise Überange st rengt wird und bei der mangelhaften militärischen Ausbildung seiner Aufgabe über haupt Sicht gewachsen ist. Am schlimmsten aber steht es mit dem Officiercorps der niederenChargen. Bei dem absolutenMangel wirklich ausgebildeter Officiere sind die Posten mit ganz unzu länglichen Kräften, die oft nicht die elementarsten militärischen Kenntnisse haben, besetzt worden. Das Kriegsrecht verleiht ihnen absolute Gewalt, die vielfach miß braucht wird, so daß ein solcher Ortsautokrat durch Uebermuth und Härte einfach Rebellen künstlich züchtet. Zur Sicherung der Eisenbahnlinien treffen die Engländer immer umfangreichere Vorsichtsmaßregeln. Außer den bekannten Casematthäusern, die längs der Bahn in Zwischen räumen von einer englischen Meile errichtet sind, ist der Bahn körper auch noch mit einem hohen Drahtzaune eingefaßt, welcher als elektrisch« Leitung dient. So wie dieser Zaun ver letzt wird, ertönt auf den Blockhäusern ein Alarmsignal; gleich zeitig «xplodirt in der Nähe der verletzten Stelle eine kleine Mine, die aufgehäuftes Brennmaterial, meist Baumwolle, die mit Petroleum getränkt ist, zur Entzündung bringt und auf diese Weise durch ihren Feuerschein lange Zeit hindurch und auf weite Entfernungen hin die Stelle des Durchbruchversuches bezeichnet. Meist gelingt es schon nach wenigen Minuten, einen Panzer- zug , deren Anzahl außerordentlich vermehrt worden ist, von der nächsten Station herbei zu telegraphiren. Tagsüber wird die ganze Strecke außerdem noch von Patrouillen abgesucht. Bei Nacht signalisiren die Blockhäuser, welche in Sichtweite von einander stehen, jede Gefahr durch Abfeuern von Raketen. Und trotz alledem vermögen die Engländer es nicht zu verhindern, daß ihre Züge oft schon abgefaßt werden, so wie sie das Küstengebiet, also die Nähe von Capstadt, verlassen haben. Davon steht frei lich nichts in den Zeitungen zu lesen, aber Passagiere, welche von oben herunter kommen, wissen oft nicht genug von solchen Kriegs ereignissen auf der Eisenbahn zu erzählen. (Frkf. Ztg.) * Pari», 4. Oktober. (Telegramm.) I» einem offenbar auS tranSvaalischrn RegierungSkreisen stammenden Briefe an den „Matiu" wird die Lage in Südafrika folgendermaßen Largestellt: Der Krieg wird seit Beginn der schönen Jahre-zeit kraftvoller al- je geführt. Die Kämpfer der Republiken waren nie zahlreicher und entschlossener, sie hatten nie größeres Vertrauen in den Sieg. In Transvaal stehen 15 000, in Oranje 12 000 Burghers in Massen. Sie sind reichlich mit Allem versehen. Nahrung bietet da» Land, für Waffen .und Schießbedarf sorgen die abge- fangenen englischen Bahnzüge und Kriegsgefangenen. In der Capcolouie wird der Aufstand allgemein. Seit Paarde. berg haben die Boeren keine einzige ernste Schlappe erlitten, dagegen dem Feinde häufig vernichtende Niederlagen bereitet. Europa mag sich auf un» verlassen, wir werden Sieger bleiben. (Boss. Ztg.) Deutsches Reich. -s- Berlin, 4. Oktober. (Das Centrum und die ReichStaaswahl in Wiesbaden.) Die „Köln. Volksztg." reserirt über den Aufmarsch der Parteien für die durch den Tod deS Abg. Wintermeyer nothwendig gewordene Reichs tagsersatzwahl im Wahlkreise Wiesbaden, unterläßt aber dabei jede Andeutung, wie das Centrum sich verhalten wolle. Dies ist um so auffälliger, als die Aussichten des Centrums in dem zu 43 Procent katholischen Wahlkreise durchaus nicht unbedingt un günstig sind. Ist es doch der Centrumspartei im Jahre 1897 geglückt, ihren Candidaten in die Stichwahl zu bringen; bei den allgemeinen Wahlen allerdings blieb das Centrum hinter dem freisinnigen Bewerber um über 2000 Stimmen zurück, war aber mit 5300 Stimmen noch immer die drittstärkste Partei im Wahl kreise. Um so auffälliger ist eine Meldung der „Frankf. Ztg.", daß das Centrum auf eine eigen« Candivatur verzichten und gemeinsam mit den Conservativen den Wies badener Polizeipräsidenten, Prinzen von Ratibor, auf stellen wolle. Dieser Candidat gehört zwar einer katholischen Familie an, aber andererseits steht die Familie Ratibor zumeist auf einem dem Centrum nicht genehmen linksconservativen Standpunkte. Ziffernmäßig ist allerdings anzunehmen, daß der gemeinsame ronsrrvativ-klerikale Candidat in die Stichwahl mit dem Socialdemokraten gelangen würde, denn bei der vorigen ReichStagSwahl wurden 3131 reichsparteiliche und 5368 klerikale Stimmen abgegeben, zusammen also gerade WOO Stimmen, womit der gemeinsame Bewerber den Socialdemokraten um rund 500, den Freisinnigen um rund 800 Stimmen überlegen wäre — vorausgesetzt, daß daS Stimmenverhältniß so bleibt, wie bei den Wahlen von 1898. Daran aber darf gezweifelt werden, denn in den damals für den reichSparteilichen Bewerber abgegebenen 3131 Stimmen steckte eine erhebliche Zahl nationallibe raler Stimmen. Ob aber die Nationalliberalen sämmtlich geneigt sein würden, für einen Candidaten zu stimmen, der vom Centrum unterstützt wird und demgemäß wohl auch dieser Partei Concessionen machen muß, will uns sehr fraglich erscheinen, be sonder» dann, wenn «» der Freisinnigen Volkspartei gelingt, einen Candidaten zu finden, der nicht lediglich Schildknappe Eugen Richter'» ist. Alsdann würde sich die Zahl der reichSparteilichen Stimmen voraussichtlich so verringern und dementsprechend die freisinnigen Stimmen so zunehmen, daß es doch wohl wieder wie 1898 zur Stichwahl zwischen dem Freisinn und der Socialdemo kratie käme. Und dieser Zustand wär« vom nationalen und anti- socialistischen Standpunkt« aus immer noch wllnschenswerther, als wenn der vom Centrum unterstützte Polizeipräsident zur Stichwahl gelangte. Denn die „Frkf. Ztg." hat wohl nicht ganz Unrecht, wenn sie meint, die Aufstellung dieser Candidatur wäre ein recht wirksames Mittel, um den Wahlkreis der Socialdemokratie in die Hände zu spielen. Denn die Freisinnigen, ohnehin erbittert über den Verlust deS Mandats, würden kaum geneigt sein, einem konservativ-klerikalen Polizeipräsidenten zum Siege zu verhelfen. -s. Berlin, 4. October. (Conservative und Welfen.) In einer zugleich gegen die Conservativen und die Nationalliberalen gerichteten Polemik frischt das Hauptorgan der hannoverschen Welfen eine recht interessante Erinnerung an das Verhältnis zwischen Conservativen und Welfen auf. Es erinnert an eine Correspondenz, die der „K r e u z z e i t u n g" zur Zeit der Reichstagswahl im Sommer 1893 aus hannover schen conservativen Kreisen zuging und in welcher der Ein sender bei Besprechung der Wahlaussichten in den einzelnen hannoverschen Kreisen seinem lebhaften Bedauern darüber Aus druck verlieh, daß der conservative und royalistische Altpreuße mit Rücksicht auf die damals zur Entscheidung stehende Militär vorlage nicht wie s o n st den charaktervollen deutsch- hannoverschen Candidaten seine Stimme geben könne, deren königstreuer und legi- timist ischer Gesinnung er volle Sympathie entgegenbringe. Wenn dies die Gesinnungen konser vativer Männer in Hannover sind, so hat die „Kreuzztg." doch wohl nicht Recht, wenn sie auf die Behauptung des national liberalen Landtagscandidaten in Göttingen, Justizraths vr. Eckel's, die Conservativen störten die nationale Entwickelung in der Provinz Han nover, ironisch erwidert, der Redner hätte nicht „nationale", sondern „nationalliberale Entwickelung" sagen müssen. Wir meinen doch, daß Derjenige, der, wenn gerade keine Militär vorlage auf dem Spiele steht, für „charaktervolle deutsch-han noversche" Candidaten stimmt, deren „königstreuer und legi- timistischer Gesinnung er volle Sympathie entgegenbringt", der nationalen Entwickelung in Hannover Eintrag thut, wofern man darunter national-preußische und nicht national-welfische Gesinnung versteht. Diese Erinnerung ist um so werthvoller, als gerade jetzt wieder die hannoverschen Conservativen nach Kräften mit den Welfen kokettirt haben. Beides zeigt, daß aller dings nur die Nationalliberalen die national-preußische Ent wickelung in Hannover fördern; Beides läßt es aber in um so seltsamerem Lichte erscheinen, wenn die preußische Regierung mit Hilfe des Verwaltungsapparates in Hannover der national liberalen Partei Knüppel zwischen die Beine wirft. * Berlin, 4. October. „Ein Zukunftsschulschiff" ist der Titel einer längeren Abhandlung in dem neuesten Heft der „Marine-Rundschau". „Der Ersatz der jetzigen Schulschiffe", heißt cs, „dürfte in absehbarer Zeit in Erwägung zu ziehen sein. Als die Flottenvermehrungen größere Einstellungen von Ser- cadetten und Schiffsjungen erforderlich machten, war man ge zwungen, auf den vorhandenen Schulschiffen Seecadetten und Schiffsjungen gleichzeitig einzuschrffen. Einerseits wollte man nicht noch mehr Schiffe für Schulzwecke in Dienst stellen, an dererseits nicht noch mehr Ausbildungspersonal, vor Allem Offi ciere, hierfür abgebcn. Daß dieses System Mängel in sich bergen würde, darüber ist man von vornherein nicht im Zweifel gewesen, aber es war eine Zwangslage, deren Beendigung mit dem Auf brauch der jetzigen Schulschiffe eintreten wird. Die Haupt mängel des augenblicklichen Schulschiffssystems bestehen in der ge meinschaftlichen Einschiffung von Seecadetten und Schiffsjungen, in dem Platzmangel auf den Schiffen und in der großen Zahl von Schulschiffen mit dem hohen Officiersetat. Es entspricht nicht der augenblicklichen Größe unserer Flotte, daß lediglich für Die Ausbilvung von 200 Seecadetten und 1000 Schiffsjungen vier große, seefahrende Schiffe in Dienst gehalten werden, deren jedes fast dieselbe Anzahl von Officieren gebraucht, wie ein Linien schiff. Abgesehen von den Kosten, dre der Umbau von Schul schiffen verursacht hat, sind die Jndiensthaltungskosten dieser Schiffe dadurch, daß jedes derselben größere Reisen macht und jährlich viele Jnstandsetzungsarbeiten nöthig werden, unverhält- nißmäßig hoch. Sie betragen für jedes Schiff etwa 800 000 c^. Aus diesen Gründen scheint eine Herabminderung der Zahl der fahrenden Schulschiff« sehr wünschenswerth. Wenn die Schiffs jungen, wie in England, auf Hulks oder in einer Caserne unter gebracht und abschnittsweise auf kleineren Schiffen mit Takelage zu Kreuzfahrten eingeschifft würden, könnten die großen Schul schiffe für Schiffsjungen ganz in Fortfall kommen. Während zweier Sommer könnten die Schiffsjungen fahren und während der Wintermonate ihre infanteristische Ausbildung erhalten. Wie bringt man nun aber die Seecadetten unter? In dem Neu bau nur eines großen Schulschiffes von den Abmessungen eines großen Handelsdampfers mit seinen verschiedenen Decks ließe sich eine Mustereinrichtung schaffen, in der di« Vereinigung der augenblicklich herrschenden Ausbildungsmethoden der deutschen und der englischen Marine zu liegen scheint. Das Schulschiff soll eine schwimmende Schule sein, die die Zöglinge secgewohnt macht, Lust und Liebe zum Beruf erweckt und wach erhält und ihnen dabei Gelegenheit bietet, möglichst viel von der Welt zu sehen, damit der Gesichtskreis erweitert wird. Es muß alle Einrich tungen besitzen, die zur Unterbringung und zur Ausbildung in den verschiedenen Dienstzweigen nothwendig sind; zugleich soll es aber auch ein Kriegsschiff sein, und zwar ein Musterkriegsschiff, was Ordnung und kriegsschiffmäßigen Betrieb anbelangt." * Berlin, 4. October. Das Ergebniß der jüngsten Er wägungen über die Gestaltung deS Unterrichtes an den preußischen Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen liegt jetzt in einem Heftchen vor, das in der Buchhandlung des Höllischen Waisenhauses erschienen ist. Ueber den Inhalt berichtet die „Kreuzztg.: Die Zusätze bei den Bestimmungen über den evangelischen Reli gionsunterricht zeigen deutlich den Wunsch, daS kirchen geschichtliche und dogmatische Wissen der Schüler erweitert und vertieft zu sehen. Die in den höheren Schulen erzogene Jugend soll sich dereinst befähigt erweisen, durch lebendige Betherligung am kirchlichen Gemeindeleben „einen ihrer Lebensstellung ent sprechenden heilsamen Einfluß innerhalb unseres Volkslebens auSzuüben". Im Deutschen sind die Vorschriften über den grammatischen Unterricht in den unteren und mittleren Classen in durchaus billigenswerther Weise erweitert und speci- alisirt worden. Während beispielsweise 1892 in dem Pensum der V bezüglich der Interpunktion nur von Uebungen die Rede ist, wird jetzt bestimmt, daß in dieser Claffe bei der Lehre vom zusammengesetzten Satz der innere Zusammenhang der bei ihm zur Anwendung kommenden Zeichensetzung mit dem Aufbau des Satzes überall zu betonen sei, und für IV wird zusammenfassende Einprägung der Jnterpunctionsregeln an geordnet. Betreffs der mittelhochdeutschen Sprache und Poesie heißt eS: „AuSgewählte Abschnitte aus dem Nibelungenliede, der „Gudrun", und eine Anzahl von Liedern Waltber's von der Voqelweidc im Urtext oder in Ueber setzungen." Eine Erweiterung zeigt auch der Canon dec neu - deutschen Lektüre. Neben .Götz", „Sgmvnt" und »Iphigenie" ist, "wo möglich" auch „Tasso" zu lesen; doch „Faust" wird nicht genannt. Neben Lessing'schen Abhandlungen ist auch Goethe'sche und Schiller'sche Prosa gefordert; besonders angeführt wird „Dichtung und Wahrheit". Unter den empfohlenen Dichtungen jüngerer Zeit erscheinen Grillparzer's „Sappho" oder sein „Goldenes Vließ" und Heyse's „Kolberg". Eine entschieden billigenswerthe Verschiebung ist eS, wenn die „Glocke" und „Wilhelm Teil" aus der Obertertia nach U. II, „Minna von Barnhelm" und „Hermann und Dorothea" aus U. II nach O. II gewiesen sind." — In Form einer au Herrn „L—r" (Kirschner?), Berlin, gerichteten „Briefkastennotiz" lancirt die „Kreuz zeitung" folgende Meldung: „Sie fragen an, ob wir vielleicht auch davon gehört haben, daß im Falle abermaliger Nichtbestätigung des StadtrathS Kauffmann als Bürgermeister von Berlin der OberverwaltungsgerichtSrath Meubrink als königlicher Commissar zur Seite des Herrn Kirschner in Aussicht genommen sein soll? — UnS ist dies völlig neu; indessen halten wir diese Lösung nicht für un möglich, schon deshalb nicht, weil Herr Meubrink mit dem Ver waltungswesen der Stadt Berlin gründlich vertraut ist. Wir wollen aber Lazu noch bemerken, daß Herr Meubrink in seiner Eigenschaft als OberverwaltungsgerichtSrath nicht gegen seinen Willen mit der kommissarischen Verwaltung des Berliner BürgermeislerpostenS be traut werden kann." Dcr frühere Stadtsyndikus Meubrink unterlag bekanntlich mit geringer Mehrheit gegen den seitdem verstorbenen Brinckmann, als letzterer zum Zweiten Bürgermeister der Reichshauptstadt gewählt wurde. — Am 28. September fand zu Korbach im Fürsten- thum Waldeck eine Versammlung des Bundes der Land- wirthe statt, auf der nach einer Rede von Director Hahn folgende Resolution einstimmig angenommen wurde: „Die heute in Korbach tagende, nach vielen Hunderten zählende Ver sammlung des Bundes oer Landwirthe erlaubt sich an dcnHerrn Reichskanzler die ergebene Bitte zu richten, Hochderselbe wolle an gesichts der Reden, welche der preußische Handel sm inister Herr Möller, neuerdings mehrfach in der Ausübung der Function eines Landsmann Sm in i st ers der rheinisch-westfälischen Exportindustrie ge» halten hat, auch dem preußischen Landwirthschafts- minister Herrn v. Podbielski gestatten, in der gleichen Eigenschaft einer Landsmannsministers die Interessen oer deutschen Landwirthschaft am neuen Zolltarif öffentlich zu vertreten." — Die „Lübecker Nachrichten und Eisenbahnzeitung" er zählt, daß der Ausflug des socialdemokratischen Parteitages nach Travemünde auf dem Kieler Dampfer „Hollmann" unternommen wurde und daß der Dampfer dabei die rothe Flagge trug. Das genannte Blatt bemerkt dazu: „Nun ist ja selbstverständlich, daß jeder Rheder möglichst gut sein Schiff zu verwerthen sucht, aber daß die rothe Flagge gehißt werden konnte an Bord eines Dampfers, der den Namen des Admirals Hollmann trägt — das ist starker Tabak. Vorsitzender im Aufsichtsrath der Neuen Dampfer- Compagnie zu Kiel, der das Schiff gehört, ist der königl. Geh. Commerzienrath S a r t o r i - Kiel, Mitglied des kaiserlichen Dachtclubs, eine erste Kraft im Deutschen Flottenverein, Herausgeber einer Zeitung, die alltäglich auf die socialdemo kratische Bewegung einhaut, Hauptinhaber der Linie Kiel- Korsoer, die seitens der kaiserlichen Post einen monatlichen Zu schuß von 14 000 cA erhält; der königl. Geheime Commerzken- rath Sartori läßt es zu, daß dasselbe Schiff, das alltäglich im Dienste der kaiserlichen Werft zu Kiel steht, in Lübeck unter rother Flagge segelt." — Der Milchkrieg, der sich bisher nur im Stillen ent wickelt bat, tritt nun in eine lebhaftere Phase. Die beiden Gegner, die Milchcentrale und die Zwischenhändler, wenden sich nämlich jetzt an daS Publicum um Parteinahme. So prangen seit heute an den Litfaßsäulen Placate, in welchen die Hausfrauen gebeten werden, nur „ringfreie" Milch zu kaufen. Außerdem bat gestern eine Versammlung der Milchhändler stattgefunden, welche die Fortführung deS Kampfes bis aufs Aeußerste beschloß. Andererseits ruhen natürlich auch die vereinigten Landwirthe nicht. So haben sie bereits gestern an verschiedenen Stellen Milchläven eröffnet, wo sie den Verkauf der Milch auf eigene Rechnung betreiben. Damit soll eifrig fort gefahren werden. UeberdieS circuliren jetzt Flugschriften, in welchen sich die streitenden Parteien gegenseitig die heftigsten Vorwürfe in Bezug auf die Qualität der gelieferten Milch und die Beobachtung der hygieinischen Maßregeln machen. Wäre all' da», was da vorgebracht wird, richtig, so dürfte man überhaupt keine Milch mehr trinken. * Tilsit, 4. Oktober. (Telegramm.) Der preußische Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Tilsit, Sanden, ist, wie die „Tilsiter Zeitung" berichtet, in der vergangenen Nacht gestorben. G München, 4. October. (Telegramm.) Kammer der Abgeordneten. Bei der Besprechung der Interpellation über die Stellung der Regierung zum Zolltarif-Entwurf polemisirt Abg. Segitz (Soc.) Namen» der Socialdemokraten in einer fast fünfvtertelslündigr» Rede gegen den neuen Zolltarif, der eine ungeheure Mehrbelastung de» ganzen Volke-, insbesondere der arbeitenden Elasten und eine Berlheuerung der nothwendigsteu Lebensmittel herbetführe. Seine Partei werde Alle» daran setzen» den Entwurf zu Falle zu bringen. Abg. Söldner (Ceutr.) be tont, daß ködere Getreidrpreise da« einzig« Mittel seien, um der Landwirthschaft zu betten. Die Zollrrhöhnng werd« zum größten Theile vom AuSlondr getrogen werden uud kein« Brodverthenerung zur Folg« haben. Auch die Industrie hab« da» lebhafteste Juterrste daran, daß der Landwirthschaft durch höhere Betreidezölle geholfen werde. Abg Wagner (liberal) führt au», der Zollschutz für di« Landwirthschaft müsse mindesten» so hoch fein, daß di« Loudwikthe nicht bloS eine» Ersatz ihrer Produktionskosten, sondern auch «ine müßige Rente erhielten. Zugleich aber brauchten wir lang fristige Handelsverträge. Zwischen dem Sinken und dem Steigen der Brodpreis« einerseits und der Grtreidepreise andererseits bestehe keine direkte Analogie. Die Arbeiter seien an der Getreidezoll-Frage nicht derart interessirt, wie die Social demokraten behaupteten, die diese Frage nur zur Verhetzung der Masten verwendeten. Ministerpräsident Graf v. Trails- heim legt dar, daß e» di« Pflicht der Regierung sei, die Interessen ! der Landwirthschaft und der Industrie g«uetuja« z» vertreten
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