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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011010014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901101001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901101001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Donnerstag den 10. October 1901. rl«zeige«-Preis die Sgespalteae Petitzeile iS Neekam«» »ater dem Redacriou-strich (»gespalten) 7S vor den Famtltenuach» richten (S gespalten) SV H. Tabellarischer and Htfierusah entsprechend höher. — Gebühren ftlr Nachweisungen and Offerteuauuayme SS Ls («xcl. Porto). Ertra»Beilagen (gesalzt), anr mit der Morgea-AuSgabe, ohne Postbesürderung -«60— mit PostbesSrderuug 70.—. Auuahmeschluß fiir Anzeige«: Ab«« L-Ausgabe: vormittag» tv Uhr. Morg«n-Ua»gab«: Nachmittag» 4 Uhr. Bet de» Filialen and Annahmestelle» je eins halb« Stund« früher. Anzeige» st»d stet» a, di« Expedition z» richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. yolz in Leipzig S5. Jahrgang. Die französischen Eisenbahnen während der Manöver 1901. V. Die große Bedeutung der Eisenbahnen während einer Mobilmachung und im Kriege ist allgemein anerkannt, so daß es nicht ohne Interesse sein kann, wenn einmal passende Gelegenheit sich bietet, Streiflichter auf die militärisch« Leistungsfähigkeit der Bahnen während der Friedensverhältnisse zu werfen. Die diesjährigen großen Armeemanöver bei unseren westlichen Nachbarn bieten zu solchen Betrachtungen geeignete Veranlassung und fordern um so mehr zu einer sachlichen Prüfung und selbstständigen Beurtheilung heraus, als auch in einigen deutschen Blättern ohne Angabe näherer Gründe die Ansicht ausgesprochen wurde, die Herbstübungen des franzö sischen Heeres hätten unzweifelhaft die zunehmende Kriegs tüchtigkeit der Armee erwiesen, dagegen hätten sich die Eisen bahnen nach wie vor ihren großen Aufgaben nicht gewachsen gezeigt. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß solche Urtheile nicht nur in unseren militärischen Kreisen, sondern weit darüber hinaus mit Interesse gelesen worden sind und bereits jetzt zu vielfachen und weitgehenden Kommentaren Veranlassung gegeben haben. Wir stehen in Bezug auf die diesjährigen Manöverergebnisse, die französischen Eisenbahnen betreffend, auf einem anderen Standpuncte, als die tadelnde Kritik, und glauben den Nachweis führen zu können, daß die drei großen Verwaltungen der West-, der Nord- und der Ostbahn, die für die Herbstüdungcn dieses Jahres in Betracht kommen, unter schwierigen Verhältnissen Gutes geleistet haben unv die Anerkennung verdienen, die ihnen seitens der Militär- und Civilverwaltung ausgesprochen wor den ist. Was zunächst die West bahn anlangt, so hatte General Brugsre, der auch die Manöver des II. und 18. Armeecorps geleitet hat, diese Bahn insofern vor eine ganz unerwartete Auf gabe gestellt, als er sehen wollte, in wie kurzer Zeit dieselbe in der Lage sein würde, Truppen in nicht unbeträchtlicher Stärke, ohne daß der Bahn hierüber oder über die Fahrtziele vorher nähere Mittheilungen gemacht wurden, nur auf telegraphische Weisung hin nach einem Puncte nahe der Westküste zu schaffen, von wo die plötzliche Landung einer feindlichen Jnvasionsarmee gemeldet worden war. Wir können nur aussprechen, daß die Leistungen der Eisenbahnverwaltung in diesem Falle vollkommen den hohen Erwartungen entsprochen hat, denn sie hat schon drei Stunden nach Eingang der bezüglichen Befehle nicht nur in Bordeaux, sondern auch auf der kleinen Station Lisbourne innerhalb von wenig mehr als 3 Stunden im Ganzen 7 Züge mit 183 Waggons bereitstellen können, in denen 155 Officiere, 3900 Mann, 252 Pferde und 16 Fahrzeuge untergebracht waren; sie hat ferner, den telegraphischen Bestimmungen gemäß, Lade rampen und fliegende Brücken zum eventuellen Ausschiffen der Truppen auf freiem Felde in hinreichender Zahl herbeigeschafft und mit verladen, und sie hat endlich die Transporte, ohne den sonstigen Verkehr auf den betreffenden Bahnlinien irgendwie einzuschränken, in 7 und 8 Stunden nach der Charente geschafft, obwohl ihr die Ausladestationen erst kurze Zeit vor Abgang der Züge von der obersten Manöverleitung bekannt gegeben worden waren. Die Vorwürfe mangelhafter Leistungsfähigkeit und unge nügenden Betriebes sind vor allen Dingen gegen die Direction der Nordbahn erhoben worden, weil sich in Folge der un erwartet späten Abreise des Zaren aus Dünkirchen einige nicht unerhebliche Störungen in der Beförderung von Truppen und Reisenden eingestellt hatten und weil an mancher Stelle über eifrige und ungewandte Beamte den Kopf völlig verloren zu haben schienen. Wenn man sich aber demgegenüber die tat sächlichen Leistungen dieser Bahn und ihrer Zweiglinien ansieht und sich vor Augen hält, daß der ganze Massenverkehr, den es am 17. und 18. September zu bewältigen galt, sich ohne jeg lichen Unfall und unter völliger Beibehaltung des regelmäßigen Güterverkehrs, sowie ohne Hilfspersonal vollzogen hat, dann wird man die vorgekommenen Versäumnisse gering anschlagen müssen im Vergleich zu den Resultaten der Gesammtleistungen. Thatsächlich hat die Verwaltung der Nordbahn allein am 17. September 160 Züge aller Art in den gewöhnlichen Verkehr einschieben müssen und davon in 48 Zügen 35 000 Ver gnügungsreisende, in 51 Zügen nur Truppen — 11 Züge allein beförderten Absperrungsmannschaften nach Compiegne — und in 6 Zügen Parlamentsmitglieder befördert. Daneben ver kehrten an eben diesem Tage 1900 Gllterzüge auf den in Be tracht kommenden Linien und, um allen Schwierigkeiten die Krone aufzusetzen, mußten einzelne der vorgenannten Extrazllge mit ganz besonderer Fahrtgeschwindigkeit — bis zu 105 Kilo meter in der Stunde — befördert werden, so daß man sich nicht wundern darf, wenn einzelnen Beamten die ungeheuren An strengungen zu viel geworden sind. Vergleicht man mit diesen Vorgängen ganz allgemein die Anforderungen, die in einem Mobilmachungsfalle an die west lichen Eisenbahnen Frankreichs herantreten werden, so kann man getrost behaupten, daß dieselben nicht den gleichen Umfang wie während dieser Manöver erreichen werden und daß allein schon in dem Ausfall der Regelung des Personenverkehrs ein wesent licher Unterschied gegenüber denjenigen Leistungen zu finden sein wird, die im vorliegenden Fall an die Bahnverwaltung herangetreten waren. Die weitaus umfangreichste Thätigkeit aller Bahnen hatte während der Herbstübungen, entsprechend der Anlage der Manöver an der Grenze gegen Deutschland, naturgemäß die Ost bahn zu bewältigen. Sie ist ja auch für den Kriegs fall die wichtigste für den Aufmarsch der französischen Armee und daher auch organisatorisch die vollkommenste und zudem bestrebt, den wachsenden Anforderungen der Zeit die Erweite rung ihres Betriebes immer mehr anzupassen. Zwei große Bahnlinien, die bei Verdun, 5 Linien, die auf der Strecke Epinal- Toul, und 2 Bahnen, die bei Belfort auslaufen, sind es, die hautsächlich in Betracht kommen und heute die oberste Heeres leitung in Frankreich in den Stand sehen, in verhältnißmäßig kurzer Zeit und ohne allzu große Schwierigkeiten 11 Armee- cors zwischen Toul und Epinal zu versammeln und mit diesen Truppen die drei großen Armeen bei Belfort, Epinal und Verdun zu formiren, die das Gros des französischen Heeres in einem etwaigen Kriege gegen Deutschland bilden werden. Die erheblichen Schwierigkeiten, die die Verwaltung der Ostbahn im vorliegenden Falle der Manöver zu überwinden hatte, bestanden in erster Linie in dem Zusammendrängen so vieler großer Transporte in dem Zeitraum von nur vier Tagen, und zwar einmal zur Versammlung der Truppen vor den Manövern, dann zur Revue nach Reims, zur Dislocation der beiden Armeen (^. und L) nach Beendigung der Uebungen und endlich zur Beförderung der Reservisten. Zur Bewältigung dieses außerordentlichen Verkehrs und zur gleichzeitigen Auf rechterhaltung des reglementsmäßigen Betriebes mußten der Ostbahnhof in Paris vom 19. bis 22. September 1428 Züge, der Reimser Bahnhof in der gleichen Zeit 1420 Züge befördern. Der für die Bahnverwaltung anstrengendste Tag war der 22. September, denn hier mußten in 97 Zügen von Reims und Umgegend aus 2400 Officiere, 84 000 Mann, 2700 Pferde und 140 Fahrzeuge in ihre Garnisonen befördert, dann in 30 Zügen Reservisten entlassen und schließlich noch dieFahrt 53 leerer Züge regulirt werden. Unter Benutzung von 3700 Waggons wickelten sich all diese Transporte an dem in Rede stehenden Tage mit großer Pünktlichkeit in der Zeit von 6 Uhr früh bis 9 Uhr Abends ab. Aus diesem, ja nur in großen Umrissen gegebenen Bilde von der Thätigkeit der französischen Eisenbahnen zur Zeit der dies jährigen Herbstübungen werden sich einigermaßen zutreffende Schlüsse auf den Grad der gegenwärtigen militärischen Leistungsfähigkeit dieser Bahnen folgern lassen. Das Urtheil aber über das, was die Eisenbahnverwaltungen Frankreichs in dem vorbeschriebenen Zeitabschnitt geleistet haben, kann zweifel los nur zu einem günstigen Zeugniß führen und ihnen be stätigen, daß große Aufgaben mit großem Geschicke gelöst worden sind. Der Lrieg in Südafrika. Die englischen Verluste. Bei dem Anbruch des dritten Kriegsjahres ergeht sich die ganze englisch« Presse schlechtgelaunt in langen Berechnungen der ungeheuren Kosten an Geld und Menschenleben, welche oer südafrikanisch« Feldzug bislang von Großbritannien gefordert hat, und es ist erklärlich, daß diese Bilanz Veranlassung zu vielen, recht trübseligen und verdrießlichen Betrachtungen giebt. Gleich zeitig giebt das Londoner Kriegsamt in officieller Statistik die Summe der britischen Verluste in Südafrika während des ver gangenen Monats September bekannt und gießt damit erst recht O«l ins Feuer, indem die entsprechenden Ziffern für den 24. Mo nat des Krieges eine sehr unangenehme Zunahme aufweisen und die bisherig« Gesammtsumme der Abgänge um die stattliche Zahl von beinahe 3000 vermehren. Im September verlor die englische Feldarmee nicht weniger als 98 Officiere und 2798 Mann, wo durch die Gesammtziffer der Abgänge für die beiden Jahre auf 3270 Officiere und 72 292 Unterofficiere und Mann schaften gestiegen ist, so daß also England im Ganzen diesem unglückseligen Kriege bereits 75 562 Männer hat opfern müssen. Hiervon sind 17 472 Officiere, Unterofficiere und Mannschaften im Kampfe gefallen oder an Wunden und Krankheiten gestorben, während 2445 Officiere und 55 031 Soldaten als Invaliden nach Hause gesandt wurden. Von den Letzteren sind wieder 6 Officiere und 417 Mann auf der Rückreise oder in England gestorben, 3774 Officiere und Mannschaften als Ganzinvaliden entlassen worden, während noch über 1000 sich augenblicklich in d«n heimathlichen Hospitälern befinden. Wie viele Angehörige der Feldarmee sich jetzt noch in den südafrikanischen Hospitälern befinden und wie viele Officiere der Colonialtruppen durch den Krieg zu Krüppeln gemacht worden sind, scheint sich einstweilen immer noch d«r officiellen Berechnung zu entziehen oder mit Fleiß außer Acht gelassen zu werden, damit die Totalziffern nicht allzu hoch anlaufen. Nachrichten von Kanada und Australien hab«n jedoch längst constatirt, daß die mit so viel Begeisterung von diesen Colonien entsandten Hilfstruppen ebenfalls derart gelitten haben, daß dies ein weiterer Grund für die in den Colonien längst festgewurzelte Unlust gewesen ist, dem Mutterlande in dem endlosen Feldzuge in Südafrika mit der miserablen englischen Leitung noch weitere Hilfe durch Entsendung von Freiwilligen corps zu leisten. Nach d«r obigen officiellen Statistik belaufen sich also heute immer noch die britischen Verluste in Südafrika auf mehr a l s 3000 Mannfürden Monat oder auf ca. 37 000 per Jahr, was ungefähr die Stärke eines englischenArmee- corps ausmacht. Natürlich sind hiervon viele Officiere und Mannschaften nur zeitweilig dienstuntauglich gemacht worden, und das Londoner Kriegsamt bemüht sich denn auch, in der satt sam bekannten Schönfärberei, die Zahl der thatsächlichen Ab gänge so niedrig als nur eben möglich zu calculiren, indem es nachzuweisen v e r s u ck> t, daß von den 75 000 Opfern des Krieges nur etwa 22 000 wirklich für die englische Armee ver loren gegangen sind. Dieser künstliche Optimismus findet aber selbst in der englischen Presse herzlich wenig Anklang, und ver schiedene sonst durchaus regierungstreue Blätter stellen heute das rücksichtslose und energische Verlangen, vom Kriegsamte nicht länger mit allgemeinen Phrasen abgespeist zu werden, sondern über die thatsächlichen Verluste der britischen Armee in jeder Hin sicht und ohne jede Beschönigung oder Entstellung die genauesten Angaben zu erhalten, weil nur dadurch endlich wieder das so schwer erschütterte Vertrauen im englischen Volke wiedergewonnen werden könnte. Man ist fest davon überzeugt, daß die Ziffer 22 000 bei Weitem nicht die Zahl der durch den Krieg für die britische Armee herbeigeführten thatsächlichen Abgänge repräsen- tirt, zumal es bekannt ist, daß das Kriegsamt, um dem stür mischen Verlangen Kitchener's nach Verstärkungen auch nur einigermaßen nachkommen zu können, Tausende von Soldaten wieder nach Südafrika zurückgesandt hat, dir eben nothdürftig in den Hospitälern von ihren Wunden und Krankheiten genesen waren und mit geschwächter Gesundheit auf den Kriegsschau platz zurückgeschickt, dort natürlich es erst recht den Strapazen des Feldzuges erliegen mußten. Sollte der Krieg wirklich noch ein drittes Jahr dauern, so werden die Verluste der englischen Armee im Verhältniß wachsen und heute übers Jahr weit über hunderttausend Officiere und Mannschaften umfassen, «in« Aussicht, die in Capland einen tiefen und nachhaltigen Eindruck macht. Rene Kämpfe. * London, 9. October. (Telegramm.) Nach einer Depesche Kitchener's ouS Pretoria berichtet General Lyttleton: Ein Theil der britischen Truppen stieß am 6. October auf seinem Marsche nach Nordwesten hinter der Brücke über den Beraan aus die von Botha befehligte Hauptmacht derBoeren, die aus dem Marsche nach Norden war. Es kam 20 Meilen östlich von Bryheid zu einem Kampf, bei dem aus Seiten der Enqländer Leutnant Pilkington und zwei Sergeanten von den 18 Husaren fielen und zehn Mann verwundet wurden. Kitchener (?) steht noch mit dem Feinde in Fühlung. Die Boeren ließen ihre Wagen in der Nähe von Ntabenkulu zurück. Die englischen Truppen nähern sich dieser Stelle von Süden. Herbei Aladstone über den Krieg. * London, 9. October. Herbert Gladstone hielt gestern Abend in LeedS eine Rede, worin er die Haltung der Regierung gegenüber den Vorgängen in Südafrika einer scharfen Kritik unterzog. Die Lage in Südafrika schein« sich zu ver schlimmern, die Regierung scheine es aber nicht zu wissen. Tie britischen Streitkräfte in Südafrika seien augenscheinlich nicht hinreichend, Kitchener's Proclamation habe ihren Zweck nicht erreicht, die unbehagliche Stimmung am Cap nehme zu. Die Regierung schulde es dem Lande, den Krieg durch wirksame Maßregeln rasch in der einen oder anderen Weise zu endigen. Niemand wünsche, daß die Regierung die wesentlichen Früchte des Krieges wegwerfe oder einen schwachen Frieden schließe, aber das Land wünsche ein wirkungsvolles Ende Les Krieges und die Herstellung eines gesunden, hochherzigen Friedens zu sehen. Möge die Regierung Frieden schließen, wenn sie könne, aber wenn sie eS nicht könne oder wolle, möge sie den Krieg energisch sortsetzen. (Voss. Ztg.) Deutsches Reich. Berlin, 9. Octvber. (Oeffentliche Arbeiten in den Schutzgebieten.) Unter dieser Ueberschrift hat in der letzten Sonntagsnummer des „Tag" ein Herr A. F. Pfeil, anknüpfend an das Sinken des neuen Schwimmdocks in Dar-esSalaam, alle größeren Unternehmungen in den Schutzgebieten einer abfälligen Kritik unterzogen. Die Umstände, die zu dem Sinken des Schwimmdocks in Dar-es-Salaam ge führt haben, bilden noch den Gegenstand von Feststellungen und Erörterungen, rrnd es wird richtig sein, den Abschluß derselben abzuwarten, ehe Kritik an der Sache geübt wird. D«r gegen die Colonialverwaltung erhobene krasseste Vorwurf liegt vielleicht in der Behauptung, man habe in Togo mit großen Kosten eine Landungsbrücke von Holzbalken gebaut, die dann „natürlich" bald von Secwllrmern und Bohrmuscheln zerstört worden sei. Jetzt habe man sich nun entschließen müssen, eine eiserne Brücke zu bauen. Daß di« Holzbrücke nur dazu dienen sollte, Boden untersuchungen für die von Anfang an geplante eiserne Brücke vorzunehmen und hiermit ihren Zweck voll ständig erfüllt hatte, ist dem Verfasser des Artikels unbekannt ge blieben. Das im klebrigen bei der Anlage und bei der Aus führung öffentlicher Arbeiten in den Schutzgebieten auch Fehler gemacht worden sind — wie könnte das befremden, wenn man die großen Schwierigkeiten berücksichtigt, die dabei zu überwinden waren? Werden doch öffentliche Arbeiten selbst im Inland« nichr immer so herg-stellt, daß an sie die an sich ja leichte Kritik sich nicht heranwagte. Jedenfalls aber hat die Verwaltung in allen Fällen Bcst«s zu leisten gesucht. Es galt, dringenden Bedürfnissen der Schutzgebiete gerecht zu werden, und was unter den obwaltenden Umständen mit der Anspannung aller vorhan denen Kräfte und Mittel zu erreichen war, ist erreicht worden. Hcroorgetretene Uebelstände, begangene Fehler sind weder der Verwaltung, noch irgend wem, der die Entwickelung der Schutz gebiete verfolgt hat, unbekannt geblieben, und solche Mängel nach Möglichkeit wieder gut zu machen, ist unsere Colonialverwaltung eifrigst bestrebt. Herr A. F. Pfeil schießt weit über das Ziel hinaus, wenn er seine Ausführungen dahin zusammenfaßt, man habe angesichts des Mitgetheilten den Eindruck, daß die großen öffentlichen Arbeiten und Anlagen für die Schutzgebiete früher nicht immer mit der Sorgfalt und Sachkenntniß eingelcitet und durchgefiihrt worden seien, die man in Deutschland als selbstver ständlich voraussetze. So weit Sachverständige da waren, so weit man fremde Erfahrungen studiren konnte, sind weder die Einen ungefragt geblieben, noch hat man das Andere unterlassen. Daß eine ihrer Verantwortung bewußte Verwaltung an neuere größere Anlagen nur mit äußerster Vorsicht und unter Ausnutzung der seither gemachten Erfahrungen herantreten wird, ist selbstver ständlich. Darüber braucht kein Wort verloren zu werden. /S Berit», 9. October. (D i e P o l e n i m W e st e n.) Die „Köln. Volksztg." ist höchst unglücklich darüber, daß die Polen, die sich schon bei der Ersatzwahl in Duisburg renitent gezeigt haben, auch bei den Stadtoerordnetenwahlen in Dortmund als Eigenbrödler auftreten. Es ist ihr „geradezu unerfindlich, was eigentlich die Dortmunder Polen auf solche Abwege zu bringen vermocht«", da dort keinerlei antipolnische Maßregeln beschlossen würden. Ein logischer Mensch würde aus dieser Thatsache den Schluß ziehen, daß die wohl schon tausendmal ver kündete Weisheit des rheinischen Centrumsorganes, die Eigen willigkeit der Polen in den östlichen Provinzen werde durch die „hakatistische Gewaltpolitik" veranlaßt, grundverkehrt ist, denn. Rudolf Virchow. Zu seinem 80. Geburtstage, 13. October 1901. Lecnc Lehre. Von vr. wvck. H. E. Brendel. ».aaknick vcrvkleli. Wenn wir von all den hundertfachen Ehrungen, den Fest mählern, Commersen, großen Stiftungen u. s. w. lesen, die zu Virchow'» 80. Geburtstage veranstaltet werden, wenn wir sehen, wie alle Nationen, Franzosen und Japaner, Amerikaner und Russen, mit dem deutschen Volke wetteifern, den großen Ge lehrten zu ehren, wenn wir daran denken, daß heute selbst viele ferner politischen Gegner Parteien-Hah und -Hader schweigen lassen und in die allgemeine Begeisterung mit einstimmen, so wird wohl der Eine oder der Andere fragen, ob denn wirklich die Bedeutung Dirchow's so gewaltig, so überragend ist, daß sie derartige ganz außergewöhnliche Ehrungen rechtfertigt. Diese Frage wird für den Laien um so näher liegen, al» Virchow'» Verdienste um die Wissenschaft nicht in einzelnen, in Ihrer Wichtigkeit auch dem großen Publicum sofort verständ lichen Entdeckungen beruhen, wie etwa Koch'» Entdeckung der Tuberkelbazillen oder Behring'» Erfindung de» Heilserums gegen Diphtherie. Und doch erscheinen selbst diese bedeutsamen Entdeckungen klein gegenüber dem Lebentwerke Virchow'»; denn er bat eine völlige Umwandlung in unserem mevikinischen Denken hervorgerufen. Er hat erst da» Fundament, und ein sicher tragendes Fundament, geschaffen, auf dem sich das stolze Gebäude unserer modernen medicinischen Wissenschaft erst errichten konnte. Er hat dadurch, daß er uns dasWesenderKrankheit erkennen lehrte, überhaupt erst die Möglichkeiten geschaffen, auf wissenschaftlichem Wege an eine rationelle Bekämpfung der Krankheiten heran zugehen. Diese bedeutenden Arbeiten Virchow'» liegen noch kein halbes Jahrhundert zurück, und doch sind sie, ohne je in ihrer Richtig keit erschüttert werden zu können, jedem wissenschaftlich For schenden zur ersten wichtigsten Grundlehre geworden; und es er scheint uns heute fast unverständlich, auf wie schwankender Grundlage selbst große Gelehrte vor Virchow zu bauen sich ge trauten. Werfen wir einen kurzen Blick auf den Stand der medicinischen Wissenschaft in der ersten Hälfte des vorigen Jahr hunderts zurück. Fast alle Disciplinen arbeiteten bereits streng wissenschaftlich und hatten hervorragende Erfolge zu verzeichnen. Die Anatomie, die schon durch den Italiener Vesal im 16. Jahr hundert in die rechten Bahnen geleitet wurde, und die Pbysio- logie, die sich seit der Entdeckung des Blutkreislaufs durch den Engländer Harvey im 17. Jahrhundert zur selbstständigen Wissenschaft entwickelt hatte, arbeiteten nach naturwissenschaft lichen Methoden und standen in engster Fühlung mit der Ge- sammtwissenschaft. Nur die P a t h o l o g i e, die Lehre von den krankhaften Veränderungen der Organe, ruhte noch auf völlig unwissenschaftlicher Basis und fußte vielfach noch auf den Anschauungen, wie sie vom grauen Alterthum her sich durch die Jahrhunderte erhalten hatte. Selbstverständlich hat man ja von jeher schon über das Wesen der Krankheit aufs Eifrigste nachgedacht, schon au- rein praktischen Gründen sogar viel fvüh«r, al» man sich an die Erforschung de» gesunden Orga- ni»mu» macht«. Aber diese» Nachdenken war rein speculativer Natur. Es begnügte sich mit hypothetischen Erklärungen, die die einzelnen Krankheitserscheinungen irgendwie verständlich er scheinen ließen, ohne überhaupt erst zu versuchen, die Krank heitserscheinungen selbst zu erkennen. Die Erklärung, die am einleuchtesten erschien, vermochte auch sich am längsten zu be haupten, die Lehre nämlich von den schlechten Säften oder von der schlechten Mischung des Blutes, wie sie die Humoral pathologie predigte. Immer aber betrachtete man die Krankheit als etwas Fremdes, als eine äußere, mit dem eigent lichen Organismus organisch nicht im Zusammenhang stehende Erscheinung; die Krankheit blieb, wie Virchow selbst sich aus drückte, eine Art von unnatürlicher oder vielmehr widernatür licher Persönlichkeit, und gleichviel, ob man sie nach alt orientalischer Weise spiritualistisch oder nach occidentalischer Weise materialistisch deutete, immer suchte man in ihr ein fremdes, mit eigenthümlichen, nur ihm zukommenden Eigen schaften ausgestattetes Wesen sul sensris. Der Satz, den Virchow einer neuen pathologischen Lehre, der sogenannten Cellular-Pathologie, vorausstellte, lautet: Ornrng aeUula a oollula. Jede Zelle stammt von einer Zelle. Das klingt unendlich einfach und bedeutet doch einen völligen Umschwung aller bisherigen Anschauungen. Die Ar beiten von Schwann und Schleiden, auf denen Virchow vor Allem fußte, hatten gelehrt, daß die pflanzlichen und thierischen Organismen aus lauter einzelnen, sehr verschieden gearteten Zellengebilden zusammengesetzt seien. Aber man war fest da von überzeugt, und selbst Virchow huldigte in seinen ersten Arbeiten noch diesen Anschauungen, daß die Entstehung solcher Zellen durch die sogenannte Oevsratio aeequivooa, durch Selbsterzeugung möglich sei. So wie sich in der anorganischen Welt die Krystalle bildeten, so sollten sich in einer Art „orga nischer Krystallisation- auch in der organischen Welt di« Keime der Zellen bilden. Virchow gelang der unwiderlegliche Nach weis, daß diese wunderbare Entstehung aus der unbelebten Masse nirgend stattfinde, sondern daß immer nur Zelle wieder aus Zelle entstehen könne. Jede Zelle ist nach Virchow eine geschlossene Einheit, die in sich selbst den Grund, das Princip ihres Lebens, ausgenommen hat, die in sich selbst die Gesetze ihrer Existenz tragt und die gegenüber der übrigen Welt eine bestimmte Autonomie besitzt. Auch da», was uns im Organis mus am befremdlichsten und fremdartigsten erscheint, und dies sind natürlich die krankhaften Veränderungen im Organismus, erscheinen dann immer noch als gesetzliche und verständliche Vor gänge. Es ist an dieser Stelle natürlich nicht möglich, die Forschungen zu schildern, die im Einzelnen Virchow zu diesem Resultat geführt haben. Alle seine Arbeiten ruhten auf den bereits weit ausgebildeten naturwissenschaftlichen Methoden. Für die Hypothese hat er selbst einmal das schöne Wort geprägt, daß sie in der Wissenschaft keine andere Geltung habe, als daß sie die „Mutter des Experiments" sei. „So bin ich dazu ge langt", sagte Virchow in seiner Rede, die er beim Eintritt in die Akademie der Wissenschaften 1874 hielt, „auch die scheinbar fremdartigsten Bildungen den typischen Gesetzen des Organis mus zu unterwerfen und zu zeigen, daß auch die am meisten Heterologen Erzeugnisse in normalen Bestandtheilen des Körpers ihre Vorbilder finden. Die Erscheinungen der so genannten Krankheit sind nur ungehörige, aber nicht fremd artige Erscheinungen des Lebens, ungehörig, sei es dem Maße oder dem Orte oder der Zeit ihres Vorkommens nach, aber innerhalb der einmal gegebenen Schranken und Formen der menschlichen Lebensäußerungen. Nur die Krankheitsursachen, nicht die KrankheitSerscheinunaen find von specifischer Eigen- thümlichkeit." Ein solches Eraeoniß konnte nur gewonnen werden, indem unter wissenschaftttcher Analys« der Krankheit».
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