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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011012027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901101202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901101202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-12
- Monat1901-10
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Anzeiger» »Pret- die 6gespaltene Petitzeile LS Reclameu unter dem RedacttouSstrich (»gespalten) 7b H, vor den Famtlieunach» richte» (S gespalten) bv Lj. Tabellarischer uud Ztffernsatz entsprechens höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme 3b H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), uur mit der Morgeu-AuSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. 2innahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgab«: Bormittag» 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet deu Filialen »nd Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Druck uud L«rlag von E. Polz m Leipzig Sonnabend den 12. October 1901. 95. Jahrgang, Der Krieg in Südafrika. Tas englische Tchreckensregiment. -p. Man meldet unS: * London, Lt. October. „Reuter s Bureau" berichtet aus Middelburg unter dem 1i. Oktober: Der Boercu- führer Lotter wurde für schuldig befunden und zum Tode verurtheilt. Kitcheuer brstätigte das Nrtbeil. Fünf andere, die Lotter's Kommando an- gehSrtrn, wurden ebenfalls zum Tode verurtheilt, dach wurde die Todesstrafe in lebenslängliche Zucht hausstrafe umgcwaudclt. Erst BröckSma, dann Lotter und dann wohl auch vr. Krause! Wenn die Boeren nun noch ihre schwächliche Glacöhandschuh-Politik fortsetzen, haben sie eS sich selbst zuzusckreiben, wenn sie von dem brutalen, rücksichtslosen, vor dem Aeußersten nicht zurückschreckenden Gegner in Grund und Boden getreten werden. Es heißt zwar, Louis Botha habe den Entschluß gefaßt, daß nach dem 15. September Kitchener, sein ganzer Stab und alle englischen Ojsiciere vogelfrei erklärt würden, und allen Burghers solle besohlen werden, jeden bewaffneten Engländer niederzuschicßcn, der ihnen begegne, aber selbst von Boerenseite ist dies bestritten worden, uud thatsächlich haben die Boeren noch nicht darnach gehandelt. „Rechtfertigungen". Kriegsminister Brodrick hat in einem Briefe, Schatz kanzler HickS-Beach in einer Rede bekanntlich große An strengungen gemacht, sich gegen die in der englischen Presse gegen die Kriegführung am Cap erhobenen Vorwürfe zu rechtfertigen. Die Wirkung dieser Rechtfertigungen bleibt abzuwarten. ES könnte nicht verwundern, wenn sie wesentlich anders auS- fiele, als die Minister erwarten. Die öffentliche Meinung in England ist über die Lage der Dinge in Südafrika auss Aeußerste erregt. Tie „Morning Post" bespricht einen Brief, den sie in auffälliger Weise veröffentlicht uud Lessen Verfasser der „R." (Lord Rosebery) unterzeichnet, die Regierung scharf wegen ihrer Nachlässigkeit tadelt: Sie sei unvorbereitet in den Krieg hineinzelrieben, habe die gebotene vorzügliche Gelegenheit zu gründlicher Reform versäumt und auch mit der Suspendirung der Constitution am Cap habe sie mit charakteristischer Furchtsamkeit die Ereignisse abgewarlet, sich gefragt, was die Leute wohl sagen würben, wenn sie so handele rc. Es sei zwecklos, daß die Minister dies als nicht zutreffend bezeichneten. Ihre Furcht samkeit und ihre falschen Ansichten über humane Krieg führung hätten England Tausende von Menschenleben und Millionen an Geld gekostet. Die meisten besser informirtcn Engländer verzweifelten durchaus nicht an der militärischen Lage, aber sie seien besorgt wegen der allgemeinen Leitung der Din^e iu Südafrika nack Beendigung dcS Krieges, und eS sei gänzlich unsinnig, wenn man erwarten wolle, Laß diese B-sorgniß nachließe, wenn die Minister nicht — falls sie daS je vermöchten — jenes Vertrauen wiedergewännen, das sie letzt verloren hätten. Die „Morning Post" bemerkt hierzu, das Volk könne nichts thun, wenn die Regierung eS nicht leite: Die Regierung aber leite nicht, sie gebe wenige Zeichen der Initiative, der Energie uud deS Wissens, was alles Eigenschaften seien, deren sie bedürfe. In Folge deffen ein weitverbreitetes Mißvergnügen und diese« Mißvergnügen, daS nicht in einer Woche oder einem Monat sich gebildet, sondern daS entstanden sei aus der Erkenntoiß der neuen Verhältniffe in der Welt und der Nothwendigkeit besserer Organisation auf vielen industriellen, socialen und öffentlichen Gebieten, sei vielleicht daS beste Zeichen dafür, daß bas Volk nicht degenerirt sei. Die Ueberzeugung wachse, daß die Regierung nichtfähig sei, die Reorganisation zu vollbringen ober das Volk unter den neuen Verhältnissen zu leiten. Das traurigste Compliment für die Negierung und für die Nation sei die Entschuldigung, daß kein Gedanke an eine Aenderung sein könne, da ja Staatsmänner fehlten, welche die jetzigen Minister ersetzen könnten. Die Minister selbst hätten in ihrer Haltung der Nation und der ihnen aufgetragenen Pflichten gegenüber eine Aenderung eintreteu zu lassen. Derartige schwere Vorwürfe können durch die Selbst bespiegelung des KriegsuiinisterS und die gekünstelte Zuver sicht des Schatzkanzlers schwerlich entkräftet werden. Man vermißt die Erkenntniß, den ersten Schritt zu nolhwendigen Reformen. Gerade die Befriedigung, welche die Minister noch immer zeigen und welche zu der Lage in grellem Gegen satz steht, reizt die Preßorgane, welche die Lage zu überickauen vermögen. Fast alle Zeitungen sind darüber einig, daß die Proclamirung dcS Standrechtes den ganzen Ernst der Lage kennzeichne. * Kapstadt, 11. October. Der Gouverneur der Capcolonie hat eine Proklamation erlassen, wonach in den Distrikten Elliot, Halanga, im Pembulcinde, Maclear, Mount Fletcher und Mataticle im Ostgrigualande ähnliche Bestimmungen zur Anwendung gelangen, wie in den Districteu, in denen das Kriegsrecht verkündet worden ist; die Verwaltung bleibt indessen in den Händen der Civilbehördcn. (Reuter.) (Wiederholt.) Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. October. Obgleich über die HubcrtllSstocker Audienz ein authen tischer Bericht noch nicht an die Oeffentlichkeit gedrungen ist, läßt sie doch bereits eine Wirkung erkennen: der Berliner Straßenbahnstreit wird ruhiger geführt und geht sichtlich einer Beilegung entgegen. Freisinnige Berliner Blätter und selbst die demokratische „BolkSztg." beginnen sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß die Ueberfübrung der Straßenbahn über die „Linden", für die im Niveau der Straße die Genehmigung Les Königs nicht zu erreichen ist, in der von diesem empfohlenen Weise durch Liftanlagen bewerkstelligt werden müsse. Man fragt nur noch, wen die Schuld dafür treffe, daß die Stadt auf irrtbümliche Voraus setzungen hin die durch tue „Linden" getrennten Straßenbahn linien zu hohem Preise erworben hat. Die „Voss. Ztg." schreibt z. B.: Der Kaiser hat bei der Unterredung mit dem Oberbürger meister in Hubertusstock erklärt, es sei ganz falsch, auzunehmen, daß er jemals für die Uebersnhruug der Pferdebahn oder Straßen bahn von der Kanonierstraße zur Neustädtischen Kirchstraße im Niveau der Linden gewesen sei. An diesem Worte läßt sich nicht drehen noch deuteln. Geht man von dieser Thatjache aus, so kann nicht mehr die Rede davon sein, daß sich der Kaiser iu dieser Frage mit sich selbst in Widerspruch gesetzt habe. Tie städtischen Behörden aber sind sowohl bei der Aufstellung ihres Straßenbahnplanes, wie insbesondere bei dem Ankauf der beiden Linien, die der Aciiengesellschast Siemens u. Halske gehörten, von der Annahme auSgegangeu, daß der Kaiser die jetzt abgelehnte Ver bindung nicht nur genehmige, sondern wünsche. Wen trifft sür diesen Jrrthum die Schuld, wen die Verantwortung? Im weiteren Verlaufe des Artikels wird dann erklärt, daß der Eisenbahnminister Thielen die Verantwortung zu tragen habe, denn er habe die Stadt Berlin in den Jrrthum versetzt, daß die Ucberführung der Straßenbahn über die Linden vom Kaiser gewünscht und genehmigt werde. Die zuständigen Staatsbehörden hätten sich also über die Absichten des Kaisers getäuscht. Sie sind, so schließt das genannte Blatt, schuldig. „Wenn sie aber schon nicht schadenersatzpflichtig sein sollen — sind sie auch nicht politisch sür ihr Verhalten verantwortlich zu machen? Zn der Straßenbahnangelegenheit hat sich die Stadtverwaltung keinen anderen Vorwurf zu machen, als den, den amtlichen Erklärungen daS Vertrauen entgegen gebracht zu haben, das ein Minister fordert. Wie aber will em Minister nach seinen früheren Kundgebungen die Ent scheidung der Krone vertreten?" Nun, vielleicht kommt die »Voss. Ztg." auch noch zu der Ansicht, daß selbst ein Minister sich einmal irren dürfe, ohne dadurch sturzreif zu werden. Und wenn sich gar noch berausstellt, daß die Stadt die durch die „Linden" getrennten Straßenbahnlinien nicht zu theuer erworben hat, sofern die Ueberführung durch Liftanlagen be werkstelligt wird, so wird der Minister auch schlafen können, ohne im Traume von einer Schadenersatzklage gepeinigt zu werden. Daß cr sick in Zukunft gleich dem Herrn Polizei präsidenten etwas genauer als bisher über die WillenLmeinung des Kaisers informiren muß, bevor er Andere über sie infor- mirt, das wird ihm auch ohne Belehrung von anderer Seite sicherlich klar geworden sein. Der Gumbinncr Fall und der Vorgang auf der „Gazelle" haben mehreren Blättern Veranlassung zur Erörterung der Frage gegeben, ob und inwieweit zwischen derartigen Erscheinungen und den Bemühungen der Social demokratie, Heer und Marine in umstürzlerischem Sinne zu bearbeiten, ein Zusammenhang bestehe. Auch die „Hamb. Nachr." beschäftigen sich mit dieser Frage und weisen darauf hin, daß der „Gaulois" kürzlich bei einer Besprechung der schweren Ausschreitungen, deren französische Soldaten wäh rend der letzte» Manöver sich schuldig gemacht hatten, einen bemerkenswertheu Fingerzeig für die Schätzung der socia- listischen Gefahr, die einem Heeresverbande drohen kann, gegeben habe. Das französische Blatt ging nämlich von der Ansicht aus, daß eine moderne Armee als Volksheer in ihrer Disciplin nur das Spiegelbild des Volkes mit allen seinen socialen Zuständen, Gesinnungen und Stimmungen sein könne, und zog daraus den Schluß, daß in dem meuterischen Verhalten jener Truppen lediglich der revolutionäre Geist sich ausdrücke, der in gewissen Schichten des französischen Volkes gähre; mit anderen Worten: die Zahl der Revolutionäre in der Armee müsse der im Volke proportional sein. Au den Hinweis auf diese Ausführungen deö „Gaulois" knüpft dann daS Hamburger Blatt die Mit- tbeilung, daß Fürst Bismarck bereits vor 10 Jahren ganz ähnliche Gedanken ausgesprochen und sogar directe Ver anlassung zu einem am 9. Juli 1891 in den „Hamb. Nachr." erschienenen Artikel gegeben habe, in dem es wörtlich hieß: „Einige Blätter versuchen sich in Skepsis bezüglich unserer neuerlichen Darlegung der Gefahren, die aus der socialdemo' kratischeu Bearbeitung des Unterofficiercorps sich ergeben. Mit welchem Recht hier Optimismus geübt wird, mag folgende Erwägung ergeben. Ein Coniplex von Wahl kreisen hat bei der ReichstagSwahl zu zwei Tritt- th eilen socialistisch gewählt, besteht also in diesem Verhältniß aus Socialdemokraten; dann ist die Annahme berechtigt, Laß in Trup penkörpern, die sich aus dieser Gegend rckrutiren, Las näm liche Verhältniß zum Ausdruck gelangt, nämlich daß zwetDritt- theile der Mannschaft dem socialdemokratischen Lager entstammen. Wenn in einer solchen Truppe die Unterosficiere ebenfalls socialdemokratischer Bearbeitung unterliegen, so bedarf cs keiner besonders pessimistischen Veranlagung, um hieraus Lesorgniß zu schöpfen. Angenommen, «S kommt in dem betreffenden Districte, zu socialistischen Ruhestörungen und militärisches Ein schreiten von der betreffenden Truppe wird nothweudig, ist daun mit Sicherheit darauf zu rechnen, daß die Soldaten ihre Schuldig keit thun? Wir glauben, daß diese Frage eine der wich tigsten ist, auf die es in der Zukunft aukommt." Dieser aus den Fürsten Bismarck zurückzufübrenden Aus lassung fügt das Blatt seinerseits die folgende hinzu: „DaS ist sie in der That gegenüber der trotz allen Mauserung-- geredes bestehenden Möglichkeit, daß bei fortdauernder Duldung der socialistischen Agitation der Tag kommen kann, wo die militärische Bewältigung eines socialistischen Putsche» nothwendig wird- Wenn dann die Armee versagt, wenn die Soldaten unter dem Einfluß eines socialdemokratisch verseuchten Unterofficiercorps zu hoch schießen, ist das Schicksal des bestehenden Staates und der Gesellschaft natürlich besiegelt und der Herrschaft deS Proletariats steht kein Hinderniß mehr im Wege. DaS sind jedenfalls sehr ernst zu nehmende Er wägungen, und angesichts verschiedener symptomatischen Er scheinungen, die in den letzten Jahren zu Tage getreten sind, muß die Verhütung der durch die socialistische Agi tation im Heere und in der Mariae drohenden Ge fahren den Gegenstand der lebhaftesten Fürsorge der berufenen amt lichen Stellen bilden. Wenn Herr Bebel Liese Agitation leugnet, jo ist daraus nur zu ersehen, daß er das dringendste Interesse daran hat, sie und ihre Erfolge zu verheimlichen. Ein Verzicht der Social demokratie auf die Bearbeitung der Armee wäre logischer Weise auch ein Verzicht auf die Ausführung ihres Programms über haupt. Diesen aber wird Niemand im Ernste der Socialdemokratie zutrauen. DaS ist zweifellos richtig. Aber leider deuten die „Hamb. Nachr." nicht an, durch welche Mittel nach ihrer Ansicht der socialistischen Agitation im Heere und in der Marine entgegengewirkt oder dem Eintritt socialdemokratischer Ele mente in das Heer und die Marine vorgebeugt werden könnte. Ein Mittel letzterer Art giebt eS auch nicht. ES kann sich also nur darum handeln, durch Belehrung und geeignete Behandlung diese Elemente zu erziehen. Was die Belehrung betrifft, so kann eine solche nur wirk sam sein, wenn die Belehrenden mit den social demokratischen Irrlehren sehr genau bekannt und mit ihrer Widerlegung sehr vertraut sind. Und in dieser Hinsicht könnte wohl noch Manches geschehen, was bisher, wen» nicht unterlassen, so doch nicht mit dem nötbigen pädagogischen Geschick betrieben worden ist. Und was die Behandlung be» lrifft, so genügt eS vielleicht, daran zu erinnern, daß unlängst der Gerichlsherr der 14.Division erklärt hat, die Soldaten mißhandlungen in der Armee nähmen wieder zu und rechtfertigten eine schärfere Bestrafung. Ueber die Verschärfung des Concurrenz- tampfes zwischen Tcutschland und RorSamerika ru Brasilien schreibt man uns aus Porto Alegre, Anfang Sep tember: Der stille, aber unausgesetzte und in seinen Folgen für die Zukunft und die Weltstellung des deutschen Handels unab sehbar wichtige Eoncurrenzkampf zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ist insofern in eine neue Phase getreten, als darin ersichtlich eine Verschärfung eingetreten ist. Mit L«eeill«tsn. Olof Thoroldsen. Roman von Anna Maul (M. Gerhardt). N.,chcruck »erboten. „Na ia — heutzutage darf das Alles sein — ist ja auch gut so — daß ihr Frauen mehr Freiheit habt, meine ich. Mehr Bewegungsfreiheit, nicht blos zum Bergungen, sondern auch bei der Arbeit, zum Erwerb. Früher dachte ich anders drüber, habe mich darein gefunden. Ja, man lernt Manches verstehen und vertragen. Hab' gar nichts gegen die neuen Zeiten, haben manches Gute gebracht. Es liegt mir ohnehin schwer genug auf dem Herzen — daß ich Euch nicht viel hinterlaßen werde — Dir und der Mutter — und wie es mit Euch werden soll — einst — wenn ich nicht mehr für Euch arbeiten und schaffen kann." „Aber lieber, lieber Vater! Mach' Dir doch nicht solch' unnütze Sorgen! Das kommt davon, wenn man Dich allein läßt." „Der Edwin, der wird ja später Euch Beiden Schutz und Stütze sein —" Lissi konnte nicht anders, sie mußte hell auflachen. „Der Edwin — unser Beschützer! Ach, Papachen! Das ist zu drollig!" Bergau runzelte die Stirn. „Dein Lachen ist sehr ungehörig, meine Tochter. Du bildest Dir da, Gott weiß, wie viel, auf Dein bischen Wissen und Können ein — und ich will ja nicht leugnen, es ist mir eine Beruhigung, daß Du — später — nicht ganz hilflos dastehen wirst. Aber all' die Narrenspossen von Frauenemancipation und Frauenrechten, womit Du Dir den Kopf vollpfropfst — wart' mal ab, ob die einen gebogenen Heller werth sind, wenn's im Ernst zum Kampf mit dem Leben kommt. Dann wirst Du einsehen lernen, was männlicher Schutz werth ist." „Das seh' ich ja ein, Väterchen. Wenn Edwin mal ein Mann sein wird, will ich mich gern von ihm beschützen lassen." „Na, da sind wir einig", sagte Bergau versöhnt und goß den Rest aus der Bierflasche in Lissi'S Glas. Er durfte nicht mehr trinken, beileibe nicht. Lissi holte einen Korb mit Aepfeln, suchte den schönsten rothbackigen heraus und schälte ihn für den Vater. Der schaut: den flinken Finger- chen zu und begann halb wehmüthig; „Am liebsten sähe ich es ja, wenn sich ein braver Mann fände, der Dich zur Frau nähme und glücklich machte." „Wenn's ein ganzer Mann ist, ja, Papa! — Da bin ich ein verstanden. Sonst bleib' ich lieber allein." „Ein ganzer Mann", brummte Bergau. „Was das nun wieder heißen soll: Ein ganzer Mann. — Du weißt wohl schon einen „ganzen Mann", Du hast wohl schon einen im Sinn, ja?" — Und er stand auf und zupfte „seine Kleine" am Ohrläppchen. Als darauf die Lampe wieder ins Wohnzimmer getragen worden und er seinen Apfel verspeist hatte, bat er: „Spiel' mir doch mal was vor, Mädel!" „Ach, Vater! Ich bin ganz aus der Uebung." „Das ist sehr unrecht. Du vernachlässigst Dein Clavier- spiel, Kind." „Ich habe wirklich so wenig Zeit, Papa. Aber wenn Du es wünschest, will ich versuchen " Sie klappte den Deckel des Instruments auf — es war nur ein billiges Pianino —, zündete die Kerzen an und spielte ein paar Tonleitern. Dann schlug sie die ersten Accorde der Beethoven'schen 6is moU-Sonate an. Bergau stellte die Lampe bei Seite, setzte sich in die Sopha- ecke und lauschte. Allerlei zauberische halbverschwommene Bilder stiegen bei den ergreifenden sehnsuchtsvollen Klängen vor ihm auf, rührten an seine Seele und bewegten sie in der Tiefe; Erinnerungen, süße, holde Jugendträume, verklungene Liebe, vergebliches Hoffen, verwehte Illusionen, verloren Alles, ver welkt, zerstreut — dahin — dahin — Auch Lissi träumte. — Träumte tief und wundervoll, während ihre Finger über die Tasten eilten — und doch war ihr Träumen nur ein blasser Widerschein der kaumverrauschten Wirklichkeit, die noch alle ihre Sinne im Bann hielt. Immer noch ruhte sie weich in federnden Kissen, Seite an Seite mit ihm, dem Freunde ihrer Kindheit, dem Geliebten ihrer Seele. Seinen Arm fühlte sie um ihren Leib, den Hauch seines Mundes an ihrer Wange, Liebesworte in ihr Ohr flüsternd. Und der Mond blickte geisterhaft hell durch schwarze Kiefcrkronen — und die Pferde schnaubten, der Wagen wiegte sich sanft auf den weichen Wald wegen. — Einsamkeit ringsum, nur er und sie — sie und er — und der linde, kosende Abendwind, der lange Geheimnisse zu murmeln und ihre Küsse auf seinen Flügeln davonzutragen schien. Und Olof's Worte: „Mit Dir, Lissi, in die weite Welt — Du und ich — wir Beide allein und einander Alles — Du meine Welt — ich Deine —" Und in der wunderbar herrlichen Tonsprache, die ihre Finger stammelten, wiederholte es sich ohne Aufhören: „Du und rch — allein in der Welt — die ganze Welt in uns — in unserer Liebe " Als das Finale geendet war und Lissi, aus ihrem seligen Rausch erwachend, aufblickte, sah sic den Vater, das gesenkte Haupt in den Händen, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, da sitzen. Leise stand sie auf, ging und kniete vor ihm nieder. „Vater — liebster Papa!" Er nahm ihren Kopf zwischen beide Hände und lächelte ihr mit feuchten Augen zu. „Wenn's mal mit mir zu Ende geht, Lissi, sollst Du mir diese Sonate Vorspielen. Auf diesen Melodien muß die Seele, wie von Strahlcnwogen getragen, in die Ewigkeit hinüber schweben. — Ach, Kind! — Als junger Mknsch wußt' ich mir nichts Höheres, als ganz der Musik zu leben. Solche Sachen zu schaffen, wie diese Sonate, das wäre Seligkeit gewesen. Jetzt kann ich sie nicht mal mehr spielen. — Nun, steh auf! Die Anderen müssen bald kommen. — Lissi stand auf, setzte sich neben den Vater und lehnte den Kopf an seine Schulter. Es brannte ihr auf der Seele, ihm von Olof zu sprechen, aber sie hatte Angst, daS volle Herz könne Überflüßen, und suchte nach einem unbefangen klingenden Eingang. Da begann Bergau, wie unter dem unbewußten Einfluß ihrer Gedanken: „Ja, mein Kind, ja — ein braver Mann für Dich — so jung und zärtlich, wie Du jetzt bist — und so hübsch — na, ich will Dich nicht eitel machen, Kleine, aber hübsch bist Du — warum solltest Du auch nicht? Deine Mutter ist noch jetzt eine Frau, die man gern ansieht, und ich — acb, was haben die jungen Mädchen — mehr noch die jungen Frauen — mir seiner Zeit für schmeichelhafte Dinge gesagt! Da war Eine" Es flog wie Lichter und Schatten der Erinnerung über seine Züge. Lissi, an seine Schulter geschmiegt, dachte an Olof, und als der Vater seinen Gedankengang nicht wieder fand, wagte sie es, leise seinen Namen auszusprechen. Bergau achtete nicht sogleich darauf. Aber als Lissi nun muthigcr anfing: „Vater — es kränkt mich so, daß Olof fort gehen soll, ohne uns die Hand zu reichen, mit dem häßlichen Eindruck von neulich —" Da fuhr Bergau, wie von einem Stich getroffen, auf. „Was? — Wie kommst Du darauf? — Was geht der — der Herr — Thoroldsen Dich an?" „Vater! Wir haben als Kinder zusammen gespielt und uns sehr lieb gehabt." Bergau biß sich hart auf die Lippe, seine Stirn hatte sich roth gefärbt. Er stand auf, ging ein paar mal durch das Zimmer und blieb dann, die Hände auf dem Rücken verkrampft, vor dem Mädchen stehen, das mit flehender Miene zu ihm aufblickte. „Was soll das heißen, Lissi? — Hast Du blos die freundliche Absicht — mir eine gute Stunde zu vergällen? — Oder lauert da noch was Hinterm Berge?" „Vater!" Lissi stand auf, ernst und muthiA. „Vater! Ist es so wunderbar, daß ich für meinen alten Spielkameraden ein trete? Daß ich wünsche — von ganzem Herzen wünsche —, Dich mit ihm auszusöhnen? Liebster Vater — gönne rhm ein gutes Wort, rufe ihn zurück, gieb ihm Gelegenheit, sein Ver sehen gut zu machen. Laß ihn nicht wieder als Fremden in die Fremde ziehen. Vater — Olof ist jung, er hat bisher wenig von Liebe und Herzlichkeit erfahren, Familienleben und Häus lichkeit sind ihm leere Begriffe geworden — wie soll sein Gemüth sich entwickeln und veredeln — wo soll er Herzenszartheit und theilnehmendc Rücksicht üben lernen, wenn seine Nächsten ihn ver stoßen und verleugnen?" „Wer hat ihn verstoßen? — Er hat sich heimlich davon ge macht, wie ein nichtsnutziger Galgenstrick, der von Natur gegen Zucht und Sitte rebellirt. Seine arme Mutter hat er muth- willig in Angst und Sorge gestürzt, mir zum Danke dafür, daß ich Vaterstelle an ihm vertreten, schweren Verdruß und üble Nachrede zugezogen — denn die lieben Freunde sahen mich doch darauf an, als hätte ich meine Pflicht als Vormund nicht ge hörig erfüllt. — Und kommt er als ein Anderer, Gebesserter zurück? Im Gegentheil. Ich öffne ihm arglos mein Haus — und muß mich ins Gesicht frech verhöhnen lassen. — Verdorben ist er und verdirbt, was mit ihm in Berührung kommt. Seine Mutter hat er gegen mich aufgeheht — Dich hat er schon als Kind lügen und betrügen gelehrt." „Vater! Vater! Sprich nicht so!" fiel Alice erregt ein. „Du thust Unrecht, schweres Unrecht!" — Olof war auch noch ein Kind damals. Er fühlte sich in falsche Bahnen gedrängt, er kämpfte um sein Dasein. Jetzt ist er ein Mann! — Du hast Dich über sein Kommen gefreut, hast ihn achten gelernt — wie kann ein Wort — ein unbedachtes, übereiltes Wort, Dich so gegen ihn erbittern?" „Ja, ein Wort! — Ein Wort ist manchmal wie ein Blitz im Dunkeln, man sieht plötzlich, daß man am Abgrund steht — an einem Abgrund von Bosheit und Schlechtigkeit. — Solch ei»
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