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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011022028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901102202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901102202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-22
- Monat1901-10
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ÄstrksMtt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes nnd Volizei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Anzeige« «Prets die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Necla meu unter dem Redactio«»strich (4 gespalten) 7b vor deu Famtlieuuach» richten («gespalten) SO Tabellarischer «ad Ziffernsa- entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahmr 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung ^l 70.— Ämrahmeschluß für Anzeige« Abeud-Au»gabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgeu-AaSgab«: Nachmittag- 4 Uhr. Bei deu Filialen and Auuahmestelleu je ein« halbe Stunde früher. Tazeigea find stet» a« di« Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentag-ununterbrochen geöffnet vou früh S bi» Abend» 7 Ubr. Druck «ud Verlag vou E. Pol» a Leipzig Nr. 5D. Dienstag den 22. October 1901. SS. Jahrgang, Der Krieg in Südafrika. Neue Verstärkungen nöthtg. r. London, 22. Oktober. (Privattelegramm.) Nitchen er verlangte neuerdings dringend» schleunige Verstärkung von IVO0O brauchbaren berittenen Mannschaften. Das KriegSamt stellt als äußerste Möglich keit S06o Mann ans den Detachements der vorhandenen Eavallerie zusammen. Nttcheuer'S jüngster VeschwtchtigungSrapport. * London» 22. Oktober. (Telegramm.) Lord Kitchener telegraphirt aus Pretoria unter dem 21. October: Seit dem 14. October melden Berichte der einzelnen englischen Abtheilungen, daß 25Boereu gefallen, 18 verwundet und 190 gefangen ge nommen worden sind, während sich 50 ergeben haben. Die Com- mondos, die Botha in den Bezirk von Vryheid gebracht hat, werden jetzt in der Richtung auf Len Bezirk Ermelo zurückgeworfen, und die am Orte befindlichen Commandos auseinandergetrieben. Die britischen Truppen sind in Fühlung mit ihnen. Das Wetter ist anhaltend ungünstig und erschwert die Bewegungen der englischen Truppen erheblich. Linien von Constablerposten werden nach verschie denen Richtungen errichtet. — EinePalrouille von derAbtheilungdeS Obersten Pi Ich er wurde in der Nähe von Smithfield am 19. Lctober von Boeren, die Khaki-Uniform trugen, gefangen genommen. — In der Capcolonie wird Schmuts nördlich von Graaf- reinet hart bedrängt. — Im Innern und Süden ist AlleS aufgeklärt, ausgenommen die Bezirke Oudtloorns und Madismith, in denen sich Reste von Scheeper's Cominando befinden. Ein Versuch LerCap-Aufständischen, vonCalvinia aus nach Süden vorzustoßen, ist zurückgewiesen worden. — Im äußersten Osten ist eS FouchS und Myburg nicht gelungen, nach Süden durchzubrechen; sie wurden in die Berge zurückgeworfen. Mit der harten Bedrängung SmutS' scheint eS nicht be sonders weit her zu sein, denn nach einer uns vorliegenden Capstadter Meldung deS „Reuter'schen BureauS" hat dieser gewandte Boerensührer in der Nabe von Zwagelshoek bei Doornbusch nach einem kurzen Gefechte eine Abtheilung der Truppen deS East Somerset-DistrictS soeben gefangen ge nommen. Seine Actionssreiheit kann also nicht so sehr be schränkt sein, wie Kitchener es darzustellen beliebt. Aebnlich werden Wohl auch die übrigen Meldungen deS Hvchst- commandirenden abzuschwächen sein. Gestern sind die Bestimmungen deS Krieg-rechtes auf der Capbalbinsel verkündet worden. Danach soll das ordentliche Recht in der Colonie soweit wie möglich aufrecht erhalten werden. Ferner soll Niemand befugt sein, den District ohne Erlaubniß auf dem See- oder Land wege zu verlassen. Die Verbreitung von Zeitungen und Zeitschriften, die aufreizenve Artikel enthalten, sowie der Handel mit Eontrebande ist verboten; desgleichen ist un befugten Personen nicht gestattet, Feuerwaffen, Gewehr munition und Explosivstoffe zu hallen. Briefe und Telegramme sind der Censur unterworfen. Diese Bestmmungen werden durch die Cwilbehvrdcn zur Ausführung gebracht. Verbannung In Pretoria ist eine neue Liste nach dem 15. September gefangen genommener Boerensührer veröffentlicht worden, die zur Verbannung aus Südafrika verurtheilt worden. Die Liste umfaßt zwölf Namen, unter denen sich auch der von ScheeperS befindet. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22 October. Da wir weder für den Linksliberalismus schwärmen, noch von einem Zusammengehen mit ihm einen Vortheil für das Reich und seine Glieder erwarten können, so läßt es uns zumeist sehr kühl, wenn er von konservativer Seite Angriffe erfährt. Gipfeln diese Angriffe aber in einer Selbstverherrlichung, die nichts gelten lassen will, als das, was sich mit mehr oder weniger Recht conservativ nennt, so halten wir es für unsere Pflicht, diesem Gebühren mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. So versteigt sich die „Kreuzztg." in einer Polemik gegen den Linksliberalismus zu der Behauptung, daß die agrarconservative Machtstellung „neben dem bei uns Gott sei Dank noch bestehenden König- thum von Gottes Gnaden den einzigen Damm gegen die Hochfluth des mit den Börsenmächten thatsächlich, wenn auch nicht zugestandenermaßen, verbündeten Umsturzes bildet". Diese Anmaßung zurückzuweisen ist deshalb von Wichtigkeit, weil es recht durchsichtig ist, an welche Adresse diese Unterstellung gerichtet ist. Denn die „Kreuzztg." hat wohl nicht ohne Ab sicht dem Königthume das „von Gottes Gnaden" hinzugefiigt und beides gesperrt gedruckt. Sie weiß ja, daß an der höchsten Stelle Preußens und des Reiches wiederholt auf dies „von Gottes Gnaden" Nachdruck gelegt worden ist und daß es dort nicht unangenehm berührt, wenn die Presse dem zustimmt. Neben der Betonung der eigenen Loyalität sollen nun zugleich die politischen Gegner, insonderheit der Liberalismus, der höchsten Stelle gegenüber als Förderer des Umsturzes ver dächtigt werden, und wenn die Börsenmächte zugleich etwas abbekommen, so schadet dies auch nichts, obwohl sehr conser- vative Persönlichkeiten sich den Börsenmächten nicht immer fern gehalten haben. Wie steht es nun mit der Wahrheit der Be hauptung des führenden konservativen Organs? Wären die konservativen thatsächlich der einzige Damm gegenüber dem Umstürze, so thäte wenigsten? das preußische Königthum gut, lieber heute als morgen zu quittiren. Bei den letzten Reichstagswahlen hat die conservative Partei 11,08 Procent aller abgegebenen Stimmen erhalten; rechnet man noch die deutsche Reichspartei — obwohl diese durchaus nicht geschlossen als ein Glied der „agrar- conservativen" Machtstellung anzusehen ist — mit ihren 4,43 Procent hinzu, so schützt nur ein Sechstel der gesummten Wählerschaft die „steile Höh', wo Fürsten steh'n". Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß der Procentsatz der conservativ- reichsparteilichen Stimmen fast constant gefallen ist und daß man bis zum Jahre 1874 zurückgehen muß, um einen ebenso geringen Antheil der conservativen Parteien zu finden; daraus ergiebt sich die Besorgniß, daß der „Damm" also in Zukunft noch dünner werden könnte. Aber bilden denn die conser vativen Parteien unter allen Umständen einen Damm gegen den Umsturz? Ein Damm wehrt die Hochfluth ab, aber die conservativen Stimmen haben sich schon so manches Mal mit der socialistischen Hochfluth vermischt, und sie dadurch noch höher steigen lassen. Ein eclatantes Beispiel bildeten die beiden Reichstagswahlen in Preußens zweiter Residenzstadt, Bres lau, im Jahre 1881. Damals erhielt im Wahlkreise Breslau- West im ersten Wahlgange der fortschrittliche Bewerber 6000 Stimmen, der Socialdemokrat nicht ganz 5000. National liberale und Centrum stimmten in der Stichwahl für den fortschrittlichen Bewerber, während die 3430 conser vativen Stimmen fast ausschließlich dem Socialdemokraten zugewendet wurden, so daß dieser mit 8313 Stimmen gewählt wurde. Im Wahlkreise Breslau-Ost erhielt allerdings schon im ersten Wahlgange der Socialdemokrat am meisten Stimmen, nämlich 5250 gegen 4350 fortschrittliche Stimmen. Auch dort aber wäre, da Ccntrum und Nationalliberale mit etwa 3000 Stimmen in der Stichwahl für den Fortschrittler eintraten, der Sieg des Letzteren gesichert gewesen, wenn nicht ein erheblicher Theil der 4000 conservativen Stimmen dem socialistischen Be werber zugefallen wäre. Bei der vor etwa zwei Jahren statt gefundenen Reichstagsersatzwahl im zweiten Wahlkreise der königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin stimmten zwar die Conservativen nicht direct für den Socialdemokraten, obwohl aber ein eigener conservativer Candidat aufgestellt war, ent hielten sich wie auf Verabredung Tausende von conservativen Wählern der Abstimmung, was den Sieg der socialistischen Be werber gleich im ersten Wahlgange zur Folge hatte. Wenn man einmal noch nicht ganz ein Sechstel der Reichsbevölkerung vertritt und wenn man zweitens sich seiner Pflichten als „Damm" so wenig bewußt ist, so sollte man doch den Mund nicht so voll nehmen, wie es die „Kreuzztg." thut, schon darum, weil man dadurch das Königthum von Gottes Gnaden schädigt, indem man ihm unterstellt, nur über eine so schwache und manchmal auch sehr schwankende Stütze zu verfügen. Während in der Retchshauptstadt die zwischen der Krone und der Stadtverwaltung wegen der Durchquerung der „Linden" und wegen der Märchenbrunnen schwebenden Streitfragen einer friedlichen Beilegung entgegen gehen, scheint der Bürgermeister-Streit schärfere Formen an nehmen zu wollen. Bekanntlich hatte nach der Wiederwahl des Herrn Kauffmann der Oberpräfident der Provinz Branden burg Bethmann-Hollweg — zweifellos in Ueberein- stimmung mit dem König und dem Minister des Innern — den 8 33 der preußischen Städteordnung so ausgelegt, daß er die Wiederwahl eines mchtbestätigten Bürgermeisters verbiete. Er hatte demzufolge eine formell« Entscheidung des Königs nicht provocirt; er hatte aber auch, um der Stadtverwaltung entgegen zukommen, auf die Einsetzung eines königlichen Commissars ver zichtet und den Magistrat ersucht, ihm, falls dieser ein« solche Ein setzung für nöthig erachte, einen geeigneten städtischen Beamten in Vorschlag zu bringen. Der Magistrat hatte, wahrscheinlich von dem Wunsche geleitet, die Stadtverordneten dadurch zu einer baldigen Neuwahl zu veranlassen, di« Ernennung eines solchen Beamten als unnöthig bezeichnet. In der Stadtverordneten versammlung, in der dies zur Sprache kam, er kannte Professor Mommsen in Ueberrinstimmong mit anderen Mitgliedern di« Berechtigung des Ver fahrens des Oberpräsidenten an, die Mehrheit war aber der Meinung, Herr v. Bethmann-Hollweg hätte auch formell eine Entscheidung des Königs herbeiführen müssen, und weil er dies nicht gethan, so müsse Herr Kaufsmann als gewählt gelten und könne eine Neuwahl nicht vorgenommen werden. Auf diesen Standpunct hat sich nun auch der Ausschuß der Stadt verordneten gestellt und beschlossen, „die Vornahme einer Neuwahl bis zum Eingänge einer Entschei dung des Königs über die Bestätigung abzuwarten." Stellt sich nun auch das Plenum der Stadtverordneten aus diesen Standpunct — und nach dem VorauSgegangenen ist kaum davon zu zweifeln —, so kann der Oberpräsident seinerseits von seinem Standpunkte, der die Wiederwahl eines Nichtbestätigten für un gesetzlich und also einer formellen abermaligen Zurückweisung durch den König gar nicht bedürftig erklärt, auch nicht zurück, selbst wenn er der Ansicht geworden sein sollte, daß eS einem solchen Collegium gegenüber klüger gewesen wäre, eine unzwei deutige direkte königliche Antwort auf die Wiederwahl Kaufs« mann's herbeizuführen und dieser Antwort die Ernennung eines königlichen Commissars auf dem Fuße folgen zu lassen. Und wenn der Magistrat dem Er suchen des Ausschusses, beim Minister des Innern Beschwerde über den Entscheid des Oberpräsidenten zu führen, nachkommen sollt«, so würde er zweifellos «inen Schlag ins Wasser thun. Aber das weiß auch der Magistrat, der sich in Folg« dessen hüten wird, dem Ersuchen des Ausschusses nachzu kommen. Vorläufig hat sich, wie gesagt, über dieses Ersuchen sowohl, wie über den anderen Beschlußantrag des Ausschusses das Plenum der Stadtverordneten schlüssig zu machen. Hier werden Monimsen und seine Gesinnungsgenossen abermals ihr« warnende Stimm« erheben. Nützt das aber, wie zu besorgen ist, nicht, so erhält der Oberpräfldrnt, der eine Reetificirung durch den Minister des Innern nicht zu besorgen hat, nicht nur das Recht, sondern geradezu die Anregung, zu einer commissarischen Besetzung der Stelle zu schreiten, gleichviel ob eS den städtischen Behörden genehm ist, oder nicht. Daß ein solcher Ausgang oder vielmehr eine solche Verschleppung der Bürgermeisterfrage min destens nicht geeignet ist, die friedliche Lösung der übrigen Streit fragen zwischen Krone und Stadtverwaltung zu fördern, liegt auf der Hand. Foitilletsn „Nun, offen gesagt, die Sache sing an mich zu beunruhigen. So was darf eine Weile spielen, aber einen Mann nicht um Sinn und Verstand bringen. — Ich fühlte, wenn das so fort ging, dann richtete ich mich binnen Jahresfrist zu Grunde. Un gefähr so ist's ja auch gekommen. Ich war täglich mit der Ophelia Wilton zusammen, begleitete sie im Wagen und zu Pferde, ins Theater, auf die Rennbahn, auf Bälle und Cvncerte. Und sie — setzte Freunde und Verwandte meinetwegen vor die Thür. Meine Leistungsfähigkeit litt noch nicht unter dieser Lebensweise, war im Gegentheil auf der Höhe — aber es war kein konsequentes, zielbewußtes Schaffen, sondern ein sprunghaftes, verwegenes Drauflosgehen — und in meinem Rücken verschworen sich meine Feinde und Neider, deren ich genau so viele besaß, wie die Ophelia Anbeter — darunter meine nächsten Geschäftsfreunde und die kapitalkräftigsten Männer der Stadt." „Eines Tages traf ich in einer politischen Versammlung mit Doctor Habrecht zusammen und machte seine Bekanntschaft. Es fand sich, daß wir gemeinsame Gesichtspunkte hatten — beim Abschied sagte er mir, er hätte viel vo^r mir gehört und bat mich, ihn zu besuchen." „Doctor Habrecht —?" „Der Großvater von Jngeborg Horn!" Olof erzählt« von seinem Zusammentreffen mit Fräulein von BrunSdorf und der jungen Gräfin auf dem Schiff. Und dann weiter, wie er auf der fürstlichen Besitzung des alten Herrn ein häufiger, gern ge sehener Gast wurde. Wie er in der klaren, kühlen Luft, die diese wahrhaft vornehmen Menschen umgiebt, Genesung fand von dem hitzigen Fieber sinnlicher Leidenschaften. Hierher konnte ihm die Ophelia nicht folgen. Hier lernte ex sie entbehren — sich seiner unrühmlichen Knechtschaft schämen. — Aber freilich — sich ganz von ihr loszureißcn, gelang nicht ohne Gewaltsamkeiten und auf regende Explosionen, nicht ohne Ueberfälle, Gewitterstürme, Thränenströme und gefährliches Spiel mit Feuerwaffen. „Ich hatte die Komödie gründlich satt, und als I)r. Hab recht sich in-die Nothwendigkeit versetzt sah, eine Geschäftsreise anzutreien, falls sich nicht ein geeigneter Stellvertreter fände, nahm ich mit Freuden die Gelegenheit wahr, mich ihm als solchen anzubieten. Kaum war ich fort, so heirathete die Ophelia den einflußreichsten meiner geschäftlichen Rivalen, der ihr den Gefallen that, zur Hochzeitsfeier alle Minen gegen mich springen zu lassen, um sie an ihrem Beleidiger zu rächen." „Mein armer Junge!" Jetzt lehnte Lissi's Haupt eng und warm an seiner Schulter. „Olof, es ist wohl recht schlecht von mir; aber ich bin ganz froh, daß dies schreckliche Weib sich in seiner ganzen wüsten Bosheit entbllllt hat. So brauche ich sie nicht mehr zu fürchten. Mußt Du denn noch einmal dorthin zurück?" „Ich habe telegraphirt und erwarte morgen Antwort. Zu retten wird schwerlich viel sein. Es wäre nur ehrenhalber, man soll nicht denken, ich wolle mich feige drücken. Ich darf auch meine Arbeiter und Beamten nicht im Stich lassen." „Olof, wenn es Dir an Geld fehlt. Du weißt, in Berlin hast Du noch eine Summe stehen. Es ist noch der größte Theil davon übrig." Er küßte sie und meinte, es gäbe wohl noch Leute, die ihm im Nothfall ein paar Groschen borgen würden. ,vr. Habrecht selbstverständlich. Wenn Du jetzt seine „Nur eine? Nur die junge Gräfin? Ist sie wirklich so schön, Olof?" „Jngeborg Horn? — Anmuthig ist sie, zart und fein, eine kleine Aristokratin." „Also es giebt noch eine Andere! Das ahnte mir, das wußte ich! Die war schuld, damals, als Deine Briefe ausblieben." „Lissi — warum warst Du nicht bei mir? — Ich kam nach Cincinnati — aus einer Arbeitswüste. Ausgehungert, ver schmachtet nach einem frohen, freien Augenblick — nach Menschen, wirtlichen, lebendigen, nicht bloßen Geschäftsmaschinen, nach Schönheit und Liebe und Genuß." „Und da — lerntest Du sie kennen?" „Da lernte ich sie kennen." „Mädchen — oder Frau?" „Sie hatte ihren Mann verlassen — mit einem Anderen — später wurde ihre Ehe gelöst." „Also ein« Abenteurerin." „Doch nicht. Eine Lady, aber mit sehr freien Lebens anschauungen und einem glühenden Temperament. Hier in der steifen, ehrbaren deutschen Gesellschaft wäre sie ja wahrscheinlich unmöglich, dort spielte sie — anfangs wenigstens — «ine Rolle. Sie hatte sich glänzend eingerichtet, lebte auf großem Fuß, em pfing die beste Gesellschaft, Herren und Damen — sie wußte den Anstand zu wahren und galt für fashionable." „Und Du — gehörtest zu ihrem Hofstaat?" „Ich wurde eingrführt und bald in ihren intimeren Kreis ge zogen. Sie besaß das, was einen Mann — gerade einen über bürdeten, von den Widerlichkeiten des Geschäftslebens erdrückten Mann — hcrausreißt aus dem Alltagswust, der ihn erstickt. Eine feurige Lebhaftigkeit, Geist und Witz, Menschen- und Wclt- kcnntniß, etwas Sentimentalität, bedeutend viel frivolen Leicht sinn und ein« wunderbare Gabe, das Leben in vollen Zügen zu genießen." Alice war etwas von Olof abgerückt. „Hast Du sie geliebt?" „Geliebt?" rief er. „Wie ich Dich liebe? Nein, Lissi! So was wiederholt sich nicht im Leben. Ein Fieber war cs, ein toller Rausch, ein sinnlich-geistiges Bacchanal, alle Kräfte ver doppelt, das Blut in Flammen — ein Austoben in wilder Lust." „Olof —! Als ich Dir telegraphirt«, ich wollte kommen —" „Da stand die Tollheit gerade in höchster Blüthe. Vorher — Du weißt, ich war mehr als einmal auf dem Sprunge, Alles im Stich zu lassen, herüberzukommen, Dich zu holen — aber Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich loszureißen." „Mr ahnte dergleichen. Sonst wäre ich zu Dir gekommen, auch ohne Deine Erlaubniß oder Bitte. Ich war schon halb ent schlossen. Geld hatte ich ja — Dein Geld, Olof —" schaltete Alice halb lachend ein. „Mein guter Genius warnte mich. Es wäre mir ja nichts übrig geblieben, hätte ich Dich dort überrascht — als geradeswegs ins Wasser zu gehen." Er stützte den Kopf in die Hand und senkte die Augen. Alice schob sich wieder näher an ihn, ihre Hand schlüpfte in die seine. „Olof — und jetzt? Bist Du sicher, daß Du nicht noch immer unter der Herrschaft der schönen Armida stehst?" „Vollkommen sicher, Lissi. Sonst wäre ich nicht hier. Das endete schon vor meiner Reise." „LrMe mix Alk»." Olof Thoroldseu. Roman von Anna Maul (M. Gerhardt). Nachdruck verboten. (Schluß.) „Sie hatte kein Recht — keinerlei Auftrag von mir", unter brach Olof erregt. „Von Ideen und Wünschen, die man in ihr rege gemacht, hat sie geplaudert — nicht von Tbatiachcn. Ich bin frei, Alice! Frei von jedem anderen Band, außer dem, das mich an Dich bindet. — Und ich werde mich wehren, wenn Du mir drohst, es zu zerreißen." Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. Sie zuckte und bebte vor seiner Berührung, versuchte, ihn zurückzustoßen, gab sich aber, da er sie nur fester umschloß, mit einem wimmernden Schmerzenslaut seiner Umarmung hin» duldete und erwiderte seine Küsse. „Olof — Olof — das ist grausam — das ist unmenschlich", stöhnte sie. Ihr Kopf sank an seine ^Schulter. Lautloses Schluchze» durchschllttert« sie vom Kopf zum Fuß. „Lissi — Lissi, weine nicht", bat er mit weicher Stimme. „Ich bin Deiner Thränen nicht werth. Ich habe jedes Recht an Deine Liebe verscherzt, Deine Geduld, Deine Liebe und Treue habe ich gemißbraucht in meiner frevelhaften Sicherheit, Dich und Deine Liebe jederzeit wiedcrzusinden. Lissi — ver- gieb mir!" Statt aller Antwort schmiegte sie sich fester an ihn. Das rothe Sonnengold auf dem blauen, spiegelnden Wasser ging in violette Dämmerung über. Es wehte kühl durch die Baumwipfel. „Lissi", raunte Olof dem geliebten Mädchen zu. „Das Schicksal und die Menschen hatten sich verschworen, uns ausein ander zu reißen, einander zu entfremden — und bei einem Haar wär« «S gelungen. Es ist aber nicht gelungen — und jetzt liegt Alles in Deiner Hand. Lissi, Du solltest erst meine aus führliche Beichte hören und mir Absolution ertheilen, bevor sich die Frage an Dich heranwagte, ob Du den Taugenichts noch liebst und ihn, verkracht wie er ist, zum Manne nehmen willst. Die Frage der Liebe ist zwischen uns Beiden überflüssig, nicht wahr? — Die Absolution hast Du mir vorweg ertheilt. Di« Beicht« bin ich Dir noch schuldig. Ueber unsere Zukunft wirst Du dann entscheiden. Soll ich anfangen?" Alice trocknet« ihr« Augen. Die Ahnung eines Lächelns spielt« um ihre Lippen und Wangen. „Ach, Du! — am liebsten ließe ich es bei der Absolution be wenden. Ich fürchte mich vor Deiner Beichte, Olof! — Aber sprich nur, ich mkiß Alles wissen. Ich kann doch nicht in die Ehe gehen wie in ein verwunschenes Schloß, wo es von Fall- trrppen, Ungeheuern und — schönen Frauen wimmelt." „Ein« schöne Frau^ist allerdings im Spiel", bekannte Olof Enkelin heirathen würdest, brauchten Deine Verluste Dich nicht zu schmerzen. Olof, überlege es Dir wohl: Noch bin ich Dir nicht angetraut. Noch ist mein Ring zu Deiner Verfügung —" „Stellst Du schon wieder die Cabinetsfrage, Du Unhold? Lissi, wann soll die Hochzeit sein?" „Nimmst Du mich mit nach Amerika, Olof? Ich lasse Dich nicht wieder allein ziehen. Ach, mein Geliebter! Wird Dir die unbedeutende kleine Lissi Ersatz bieten für so viel Geist, Schönheit, Frivolität, für all' die aufregenden Abenteuer? Es ist absolut nichts Dämonisches an mir, Olof. Aber wenn Du mein Mann bist, darfst Du Dich nach keiner Anderen um schauen, das vertrage ich nicht. Mach' Dir das ganz klar Du Don Juan! Wird Dir das sehr schwer fallen?" — Die Schwalben haben ihre Nester aufgesucht. Tiefe bläu liche Dämmerung umfängt die beiden Liebenden, das Raunen des Abendwindes vermischt sich mit ihrem vertrauten Ge flüster. Olof schildert seine Nordlandsreise. Alle die Ein drücke, die ihn am tiefsten bewegt, soll Lissi mit ihm theilen, und sie seufzt leise, daß er die halbe Welt gesehen und sie noch nichts — nichts! — Aber ohne ihn wolle sie auch nichts sehen. Die Nordlandsreise, das soll das Erste sein, wenn sie einmal reich sein werden. Und dann erfährt sie von Olof's wunder vollen Projekten und schüttelt weise den Kopf dazu und fragt, wie es denn mit dem lenkbaren Luftschiff wäre? — Das lenk bare Luftschiff, das warte ja noch immer auf seinen Erfinder, und ein Thoroldsen müsse es doch sein, der das Problem löse. „Weißt Du, Olof, ich denke, Du giebst jetzt fürs Nächste alles Speculiren, alle industriellen Unternehmungen auf, ziehst Dich mit mir in trauliche Einsamkeit zurück und lebst ein paar Jahre nur der wissenschaftlichen Ausgestaltung Deiner Er findungen. — Mir klingen immer aus Deinen Briefen Deine Seufzer nach: „Warum bin ich kein freier Mann! Ich möchte allein sein mit meinen Gedanken! Ich will nicht Sklave des Geldes werden!"- „Lissi, vielleicht hast Du Recht. Vielleicht bin ich noch nicht verloren für Stille und Sammlung und wissenschaftliche Ver tiefung. — Also einen deutschen Professor möchtest Du aus mir machen? Alles wohl überlegt: dann brauchten wir ja gar nicht reich zu sein." Ein Lichtstreif fiel von drinnen her auf den Balcon. DaS Mädchen brachte Windlichter und fragte, ob sie den Abendimbiß hier draußen auftragen solle. Olof stand auf und erklärte, er müsse zu seiner Mutter zurück. Morgen früh wolle er ihr seine Braut zuführen und sie heute erst ein wenig vorbcreiten. Fräulein v. Brunsdorf aber solle überrascht werden. Ein Schatten, den Alice nicht gewahrte, glitt über seine Stirn, bei der Erinnerung an seine „Gönnerin". Er konnte ihr und ihrer „Kleinen" die Kränkung nicht ersparen. „Morgen früh telegraphiren wir meiner Mutter vnd melden uns auf den Nachmittag an", sagte Alice. „Ach, Olof —! wie froh wird sie sein. Wie glücklich bin ich!" — Ueber den Häuptern der beiden Engverschlungenen funkeln die Sterne aus dunkler Himmelsferne, wie sie seit Jahr tausenden und Jahrmillionen lächelnd herabblinken auf Glück und Schmerz, auf Liebe und Leid, auf Geburt und Tod, und still ihren himmlischen Reigen weiter ziehen.
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