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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011023029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901102302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901102302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-23
- Monat1901-10
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VezugS »Preis Al d« Haupt,xpeditioa oder den M Gtad^ bezirk und den Bororten errichteten Tu»- pabestellen abgeholt: vierteljährlich 4 SO, bet zweimalige: täglicher Zustellung tu» HauS S.50. Durch die Post bezogen für Deutschland n. Oesterreich: vierteljährl. S. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türket, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di» Expedition diese» Blatte» möglich. Di« Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Ubh di« Abend-Ausgabe Wochentag» um k Uhr. Nr-actiou un- LrpMioa: Johannis gaffe 8. Filialen: Alfred Hahn Norm. O. Klemm's Gortta. UnwersitätSstraß« 8 (Paulinum), Louis Lösch«, Kathewineustr. 1^ psrl. nud Kouigtchlatz 7. Mend-Ausgabe. MMcr TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Mittwock den 23. October 1901. s Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 7L H, vor den Famtliennach- richten (8 gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrtenaunahme LS H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^ll 80—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei deu FUialrn und Annahmestelle» je ein« halbe Stund« früher. Anzeige» find stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununtrrbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol» m Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Lebt De Wet «ochs Aus Durban wird dem „Reuter'schen Bureau" unterm 19. October berichtet: „In militärischen Kreisen hat die Un- thätigkeit De Wet's während der letzten Zeit den Ein- oruck hervorgerufrn, daß er durch Krankheit oder Wunden gehemmt wird. An manchen Stellen herrscht sogar die Ansicht, daß der berühmte Guerillaführer todt ist. Obgleich dies durch aus unbestätigt ist, so kann man doch angesichts der beständig wiederkehrenden daraufbezüglichen Meldungen die folgenden Thatsachen nicht gänzlich übersihen: In einem von Pretoria an einen Durbaner vor etwa zwei Monaten geschriebenen Brief er wähnt der Verfasser, daß ein bekannter Boer, ein beiderseitiger Bekannter des Briefschreibers und des Adressaten, kürzlich die Waffen gestreckt und als Grund dafür nicht die Strapazen des Feldzuges, sondern die schrecklichen Leiden angegeben habe, welche die Boeren in Folge Mangels an Aerzten im Falle der Ver wundung zu erdulden hätten. „De Wet zum Beispiel", so schreibt er, „litt schreckliche Qualen, bevor er starb. Er wurde durch einen Granatsplitter in der Schulter verwundet und die Wunde wurde brandig, da sie mit schmutzigen Lappen verbunden wurde." Ferner erklärten fünf kürzlich im Komati-Thale gefangen ge nommene Boeren, deren Gefangennahme an verschiedenen Stellen und zu verschiedener Zeit stattgefunden hatte, auf Befragen fämmtlich, De Wet sei todt; allerdings stimmten ihre Aussagen über die Todesursache in keinem Falle überein. Ein anderer Ge fangener in der Capcolonie erklärte, De Wet habe das Land verlassen. Andererseits scheinen die folgenden Umstände darauf hinzudeuten, daß De Wet am Leben und gesund ist. Die Geistlichen Botha und Murray hatten Unterredungen mit Steijn und De Wet und sie erzählten nach ihrer Rückkehr, daß sie mit De Wet persönlich gesprochen und ihn in guter Gesundheit gefunden hätten. Feldcornet Piet de Villiers, der vor Kurzem im Nordosten der Oranjefluß-Colonie gefangen genommen wurde, als er mit seiner Capkarrc in unsere Linien hineinfuhr, ohne zu wissen, daß wir die Stelle besetzt hatten, antwortete auf Befragen, daß er am Morgen desselben Tages mit De Wet gefrühstückt habe. Obiges widerspricht sich durchaus, aber da die Boeren es höchst wahrscheinlich geheim zu halten suchen würden, wenn De Wet gestorben wäre, und angesichts der sonderbaren Unthätig- knt De Wet's in letzter Zeit, ist cs vielleicht der Mühe Werth, das Für und Wider zusammenzustellen." Die Londoner Presse giebt die obigen Nachrichten wieder, ohne, wie sonst, in siegesfrohen Jubel über diese „erfreuliche Thatsache" auszubrechen, denn zu oft haben sich die Nachrichten vom Tode unbequemer Boerenführer als trügerische erwiesen, und man vergißt nicht, daß bisher immer, wenn man lange nichts von De Wet gehört hatte, er an einem Platze, wo man ihn am wenigsten vermuthete, und in einer Weise von sich reden machte, die bei den Engländern trotz aller Verblendung und allen Dünkels so leicht nicht in Vergessenheit gerathen wird. Ungewöhnlich lange erscheint es allerdings, seit man etwas von der Thätigkeit und den Plänen Christian De Wet's ge hört hat. Sollte er am Ende so langer Vorbereitungen be dürfen, um sich zu einem ganz unerhörten Schlage gegen den Erbfeind zu wappnen? Sollte das über alle Maßen kühne Vordringen kleiner, gutberittener Corps bis in die Nähe Cap stadts damit zusammenhängen? Die nächsten Wochen, oder auch schon Tage, dürften Aufklärung bringen, denn lebt De Wet, sowerdendie Engländer von ihm noch Ueberraschungen zu erfahren haben, die seines Namens würdig sind! Ist er aber zur großen Armee abgegangen, so kann er nur voll Zorn und Abscheu auf jene armen Söldlinge herabschauen, die unter ihrem „Eisernen Lord" die fluchwürdige Ausrottungspolitik des Herrn Chamberlain durchzuführen vergebens bestrebt sind. Buller zur Disposition! * London, 22. October. General Bullerist wegen seiner Kundgebung, in der er sich gegen die Angriffe gewisser Blätter am 10. October vertheidigt hat, des Commandos über das 1. Armeecorps in Aldershot enthoben und zur Dispo sition gestellt worden. Zu seinem Nachfolger wurde General French ernannt, bis zu dessen Rückkehr aus Südafrika General Hildyard den Befehl in Aldershot übernimmt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. October. Von dem Wiederbeginne der Verhandlungen des Reichstages trennen uns noch gerade fünf Wochen. Es ist deshalb noch nicht zu übersehen, welche der im Bundesrathe vorbereiteten wesent lichen Vorlagen dem Parlamente bei seinem Zusammentritte werden unterbreitet werden können. Jedenfalls wird darauf hin gearbeitet, sowohl den Reichshaushaltsctat für 1902, als auch den Zolltarifgesetzentwurf möglichst bald dem Reichstage vorlcgen zu können. Es ist nach den Vorgängen früherer Jahre als ziem lich sicher anzunehmen, daß die Vorlegung des Etats in den letzten Tagen des November möglich sein wird. Im vorigen Jahre trat der Reichstag am 14. November zusammen, der Etat für das laufende Jahr wurde ihm am 24. November zur Be- rathung und Beschlußfassung übergeben. Die Etatsoorarbeiten im Bundesrathe sind aber jetzt mindestens ebenso weit wie im Vorjahre gefördert. Das ergicbt sich auch daraus, daß die ba dische Regierung die Einberufung des Landtags mit der Be gründung hinausgeschoben hat, es sei in Folge unvorhergesehener Veränderungen in den Ncichsfinanzcn und insbesondere durch die Nothwendigkcit, einen namhaft höheren Betrag an Matricular beiträgen, als bisher angenommen, an das Reich abzuführen, eine Revision des badischen Budgetcntwurfs nöthig geworden. Der Reichshaushaltsetat für 1902 muß also der Feststellung min destens sehr nahe sein. Leider muß man aus der Erklärung der badischen Regierung, die ja die Thatsache eines Fehlbetrages im Reichshaushaltsetat schon seit längerer Zeit kannte und dieser Thatsache jedenfalls bei der Aufstellung ihres Budgets Rechnung getragen hat, auch schließen, daß das Reichsdeficit weit größer ist, rks bisher angenommen wurde. — Was den neuen Zolltarifgesetzentwurf betrifft, so dürfte dieser selbst große Schwierigkeiten im Bundesrathe wohl noch kaum Hervor rufen, er soll den „Berk. Pol. Nachr." zufolge in den Bundes- rathsausschüsten schon zur Annahme gelangt sein. Mit ihm ist aber bekanntlich der neue Zolltarifentwurf verbunden, überdessen Einzelbeiten die Erörterungen und Entscheidungen immerhin noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden. Hier handelt es sich auch darum, die noch von den Einzelregierungen in den letzten Monaten eingeholten Gutachten der Sachverständige zu sichten und zu verwerthen, die in großer Füll« eingelaufenen und noch immer einlaufenden Petitionen der verschiedenen Interessentenkreise zu prüfen, über Streitfragen, die in letzter Stund« sich noch erheben, Gutachten einzuziehen u. s. w. Indessen hofft man in Bundes rathskreisen, namentlich nachdem die Arbeit systematisch vertheilt ist, auch hierauf nicht allzu lange Zeit mehr verwenden zu müssen. Im Allgemeinen sind doch, abgesehen von wenigen Ausnahmen, auch diese Einzelheiten nunmehr spruchreif geworden und es läßt sich deshalb eine Entscheidung herbciführen- Sollte sich, was immerhin möglich, die Feststellung des Zolltarifgesetzes mit dem Zolltarif doch noch etwas über das Ende November hinaus ver zögern, so würde es dem Reichstage trotzdem nicht an Berathungs- stoff fehlen, da er solchen, abgesehen von dem neuen Etat, noch reichlich aus dem früheren Tagungsabschnitte aufzuarbeiten hat. Zwischen CentrumSagrariern und CentrumSindustrielleii herrscht schon seit dem Bekanntwerden des Zolltarif- entwurfs eine Spannung, die wesentlich verschärft worden ist durch eine Rede, di« der Abg. Müller- Fulda am Sonntag in Kamberg, dem Wohnorte des noch immer leidenden Herrn Lieber, gehalten hat. In dieser Rede erklärte Fuldas be rühmter Mitbürger, er halte zwar eine Erhöhung der landwirth- schaftlichen Zölle für nothwendig, aber eine schrankenlose Zoll erhöhung wolle er mit Rücksicht auf den Abschluß von Handels verträgen nicht und rin Zoll von 7,00 cA sei entschieden zu hoch gegriffen. Durch diese Erklärung hat Herr Müller den grimmen Zorn des agrarischen Flügels des Centrums erregt; eine in der „Rhein. Volksstimme" abgedruckte Zuschrift versteigt sich sogar zu der Drohung: „Sollte Herr Abg. Müller in der Zollfragr seinen Ideen in der Centrumsfraction zum Sieg« verhelfen, dann ist es um uns Bauern geschehen, wahrscheinlich aber auch um das Centrum, denn die katholischen Bauern welche das Cen trum wählen, würden sich in Zukunft hüten, noch einen Mann zu wählen, der sie in einer Frage im Stiche gelassen, wo es das Sein und Nichtsein gilt." Die „Rheinische Volksstimme" selbst bemerkt dazu, daß das Centrum, wenn es nach Herrn Müller ginge, den Ast absägen würde, auf dem es sitze. Trotz dieser Drohung glauben wir doch, daß das Gros der Centrumsfraction im Sinne des Herrn Müller handeln wird, wenn es auch freilich aus tak tischen Gründen dessen sehr scharfe Ausdrucksweise gegenüber Forderungen, von denen er ja weiß, daß sie nicht nur vom Bunde der Landwirthe, sondern auch von katholischen Bauernvereinen vertreten cherden, tadeln dürfte. Das Centrum hat in Preußen seine Hauptstützpuncte in Oberschlesten, Rheinland und Westfalen, also gerade in den am meisten industriellen Bezirken Preußens überhaupt; auch in den badischen Centrumswahlkreisen im süd lichen Theile des Großherzogthums ist die Industrie ziemlich stark; große geschlossene Centrumsgebiete ohne Industrie befinden sich eigentlich nur in Bayern. So ist die Hin neigung des bayerischen Centrums zu extremen agra rischen Forderungen nicht weiter verwunderlich, be sonders da das bayerische Centrum sich davor fürchten muß, daß die bayerischen Bauernbündler, die in letzter Zeit etwas zurück gedrängt worden sind, zu neuer Kraft erstehen. Das bayerische Centrum aber macht eben noch nicht allein die Centrums partei aus, vielmehr ist das preußische Centrum der Hauptstützpunct der Gesammtpartei. In Preußen aber würde das Centrum sicherlich zwei Drittel seiner Mandate gefährden, wenn es dem 7^2 -L-Zoll zustimmte. Schon das Ein treten für den 6 ^-Zoll dürfte die Chancen seiner polnisch radikalen Gegner in Oberschlesien erheblich steigern und der Socialdemokratie sowohl in den oberschlesischen, wie in den rheinischen und westfälischen Centrumskreisen Zuzug verschaffen. Wollte also das Centrum in seiner Ge- sammtheit wesentlich Uber den 5-Mark-Zoll hinaus gehen, so würde es in Wahrheit „den Ast absägen, auf dem es sitzt." Dazu kommt noch eins: das Centrum hat seine bäuerliche Wählerschaft viel besser in der Hand als die industrielle. Der bäuerliche Wähler folgt dem katholischen Geistlichen, wenigstens gegenwärtig noch, viel sicherer, als die Wählerschaft in den industriellen Centren, die zum Theil doch schon von socialistischen Ideen angekränkelt ist. Es ist deshalb für das Centrum viel weniger gefährlich, den Führern der katholischen Bauernvereine Agitations stoff zu liefern, als den Socialdemokraten. Im schlimmsten Falle aber wäre der Verlust einiger Sitz« an katholische Bauernvereinler vom Centrumsstandpuncte aus immer noch eher zu ertragen, als der Verlust von Mandaten an Socialdemokraten oder radikale Polen. Denn die Bauernvereinler würden sich in den meisten Fragen doch dem Centrum attachiren, während jeder Verlust gegenüber der Socialdemokratie oder den radikalen Polen rin Minus an parlamentarischem Einfluß bedeuten würde. Sollte es also dem Centrum nicht gelingen, einen Ausgleich zwischen den Interessen seiner agrarischen und seiner industriellen Wähler schaft zu finden, so würde cs den Zorn der agrarischen Wähler immer noch als das kleinere Uebel ansehcn und demgemäß es vorziehen müssen, sich nicht mit seiner industriellen Wählerschaft zu überwerfen. In der Angelegenheit der entführten Missionarin Miss blle» Stone besteht, wie man der „Polit. Corr." aus Sofia schreibt, gegenwärtig weder Sicherheit über den Verbleib der Räuberbande, die, allerdings nach ziemlich unbestimmten Aus sagen von Schafhirten, auf türkisch-bulgarischem Grenzgebiet gesehen worden wäre, noch Gewißheit darüber, ob sich die beiden gefangenen Frauen noch bei dieser Bande befinden, oder, wie anzunehmen ist, längst in einem sicheren Verstecke untergcbracht wurden. Sowohl der in Sofia weilende amerikanische General konsul, als auch die Missionare, halten trotz aller publiclstischen Proteste früherer Mitglieder des makedonischen Comitßs an der Ansicht fest, daß die Entführung ein Werk der Sarafow- partei war, und werden hierin theilweisc durch die Auffassung der bulgarischen Sicherheitsbehörde, thcils durch die Coincidenz gewisser Verdachtsmomente bestärkt. Der Auöspruch Sara- fow's vor seiner heimlichen Abreise, er werde der Welt zeigen, daß die Verhältnisse in Makedonien eine europäische Inter vention unerläßlich machen, diese Abreise Sarafow's mit un bekanntem Ziele, für welches Verschwinden makedonische Blätter die Erklärung geben, Sarafow wolle sich mit anderen Revo lutionären, insbesondere den armenischen Comitvs, in Verbin dung setzen, wogegen polizeiliche Nachrichten behaupten, daß der einstige Comitepräsident sich in dem bulgarisch-makedo nischen Grenzgebiete aufhalte: dies sind durchweg Momente, welche in gewissem Maße für die Berechtigung des erwähnten Verdachtes sprechen. Jnsolange jedoch dieser Verdacht, daß es sich um einen makedonischen Coup handle, wozu man sich nur der Räuber als Werkzeug bediente, nicht entkräftet erscheint, zögert man an competenter Stelle, die Bezahlung eines so hohen Löscgeldes zu beschließen, welcher die Bedeutung einer ver lockenden Naubprämie zum Schaden der zukünftigen Sicherheit aller Fremden erlangen könnte. Man sucht daher vor Allem in irgend eine direkte Beziehung mit Denjenigen zu gelangen, welche die Missionarin gefangen halten. (Wie gemeldet, soll die Begleiterin der Miß Stone mittlerweile gestorben sein. D. Red.) Die Kriegsflotte der Bereinigten Staaten wird, wenn die in dem neuen Flottenbauplan vorgesehenen Fristen wirtlich inne gehalten werden, die in Aussicht genommene Verstärkung in verhältnißmäßig kurzer Zeit erhalten. Nicht weniger als drei Schlachtschiffe, zwei armirte Kreuzer erster Clasie und zwölf Kanonenboote sollen während der nächsten zwölf Monate fertig gestellt werden. Noch intensiver muß der Bau betrieben werden, wenn innerhalb der nächsten drei Jahre insgesammt 61 Kriegs schiffe mit einem Gesammttonnengehalt von 285 000 Tonnen dem Verbände der Kriegsmarine hinzugefügt werden sollen. Ent sprechend diesem Umfange der Neubauten sind erhebliche Mittel m das Marinebudget eingestellt worden, sie betragen für das laufende Jahr 80 Millionen Mark und werden für die im Flotten bauplane enthaltenen Neuforderungen an Schiffen auf ins gesammt 400 Millionen Mark berechnet. Auch sonst fehlt es nicht an Anzeichen dafür, daß sich in den Vereinigten Staaten ein wachsendes Interesse den militärischen Angelegenheiten zu wendet, und daß man eifrig bestrebt ist, die veränderte Bedeutung, die der Wehrkraft des Landes unter der neuen Washingtoner Re gierung zugemessen wird, auch äußerlich zum Ausdruck zu bringen. So ist verfügt worden, daß all« activen Officiere, die zur Dienstleistung bei einer der Abtheilungen oes Kriegs ministeriums commandirt sind, die vorgeschriebenen Dienst stunden in ihrer Uniform zu absolviren haben, während bisher ausschließlich Civilkleidung getragen wurde. Unstreitig dürfte diese Maßregel dem Ansehen dieser Behörde sowohl wie der Re putation des Officiersstandes zu statten kommen; ob es aber ge lingen wird, die Vermehrung der Flotte in der dafür in Aussicht genommenen Zeit zu bewerkstelligen, zumal die Meldung vorliegt, daß in Folge der Ausstände der Stahlarbeiter mit einer Ver zögerung in der Lieferung der Panzerplatten zu rechnen sein wird, und ob die Ausbildung der zur Bemannung der neuen Schiffe erforderlichen Zahl militärisch und technisch geschulter Kräfte mit der Ausführung des neuen Flottenbauplanes gleichen Schritt halten wird, das ist eine Annahme, die selbst unter den bedingungslosesten Anhängern der imperialistischen Idee ge rechtem Zweifel begegnen dürfte. Lattilleton. ii Die Löwenjagd. Novelle von E mi l R o l a n d. Nachdruck verboten. Löwenjagd . . . Aber «ine zahme, unzoologische, ohne Gebrüll und Mähnen schütteln und Todesgefahr, ohne den Hintergrund sandiger, sonnig glühender Nächte — keine Löwenjagd, wie Freiligrath sie so klangvoll tönend besang, keine, wie Peter Paul Rubens sie in großartiger Herrlichkeit auf die Leinwand gebannt hat — ach nein! Nur dr« harmlose Steeplechas« meinen wir, die jede Gesell schaft in jeder Saison um ihren Parkettlöwcn zu rennen pflegt — jenen amüsanten Sport, in dem Frauen die unbedingten Meister sind. Jeder gesellige Kreis hat seinen Löwen. Mit mathematischer Gewißheit taucht ein zu solcher Würde befähigter Mensch überall auf, wo unbeschäftigte Seelen ihn nöthig haben. Er mag kommen, woher er will, aus dem fernsten Westen, dem obskursten Dunkel — wenn er mir irgend einen Freibrief mit sich führt, den eine» interessanten Schicksal», der Schönheit oder eine» Talent». Oft, von einem Tage znm anderen heben schnellbereite Damen hände ihn begeistert auf da» leere Podium, und die Saifdn dreht sich um ihn wie um ihren Mittelpunkt, und je nach seiner In dividualität läßt er sich'» gefallen, geht darauf ein oder zuckt die Achseln und verlacht den ganzen Humbug. und die spröden „Löwen" sind fast die bewandertsten! Nicht daß die Gesellschaft gerade immer sehr wählerisch ist, wen sie mit der Löwenhaut bekleiden soll ... e» hat ja zu allen Zeiten Menschen gegeben, di« lediglich darum anerkannt waren, weil sich zufällig nicht» Bessere» und Größere» auftreiben ließ. Ein Löwe muß sein — und findet sich keine Primasort«, so greift man eben zur Waar« Nr. 2, und nur männliche, mißvergnügte Neider sagen dann abfällig: „nun» II pa, cks guoi!" ZmooÜen aber fällt der „Lörven'-Ntmbu» auf rin verdiente» Haupt, und ein solches war der starklockige, grobgeschnittene Künstlerkopf des Malers Heinrich Bracht, des großen Winter- „Löwen" der Gesellschaft von Zk. Er war ein Bauernsohn aus dem norddeutschen Haidedorf Hacksche. Hart und knorrig wie der Name seines Heimathortes klang, anmuthlos und derb war auch der Menschenschlag, der dort unter den Strohdachkotten saß, die Felder bestellte und Bienen züchtet«. Eine leere Gegend ringsum, in der eigentlich nichts zu finden war als endloses Haidekraut, nicht einmal die matte Lini« eines fernen Kirchthurms am Horizont; nur verkrüppelt« Baumstämme ragten hier und da aus der großen Eintönigkeit, und wenn ein mal der Sturmwind über dir Haide fuhr, hatten sie sogar etwas Gespenstisches, wie flehend zum Himmel gestreckte Arme. Die Gegend war freudlos und melancholisch; nur im Sommer nahm sie sich zuweilen auf, und wenn ein heißer Tag über dem knospenden Kraut« lag und das Summen der Käfer und Bienen als einziger Lebenston di« Luft bewegte, so wurde zweifellos eine Landschaft mit Stimmung daraus, wie eine Illustration zu den Strophen Storm's: Kein Klang der aufgeregten Zeit Drang noch in diese Einsamkeit. Die Bewohner führten rin vegetirendes Bauernleben; da» einzige Interest«, das sie außer sich selber hatten, waren ihre Bienen, und diese Bienen eigentlich das einzige Band, das in di« Welt führte, denn der Honig war ihr ErwerbSzwcig, und nur seinetwegen schoben sie zuweilen ihre schwerbeladenen Schieb karren viele Stunden weit durch da» flache Haideland in die nächste größere Ortschaft. Im klebrigen hatten sie gar keinen Unternehmungssinn, und es schien fast, als ob ihre Armuth ihnen bequem sei. Sie waren viel zu phlegmatisch, «in« Verbesserung ihrer Lage auch nur in Gedanken zu erwägen. Ganz da» Product des Landes und seine» Klima», standen diese Menschen auf ihrer Heimatherde scheinbar ohne jeden höheren Zweck — nur so wie da» Heidekraut und Vie wenigen knorrigen Bäume — einzig, weil sie eben vorhanden waren. woher e» kam, daß sich gerade auf solche» Erdreich rin Funke göttlich«» Genie» »»rtnt«, erklärt sich nur mit der Unberechen ¬ barkeit gewisser höherer Gesetze. Aber Thatsache war's, und wenn auch Heinrich Bracht's Vater, der alt« Imker, und seine Brüder, die jungen Ackerknechte nichts davon merkten, so hätte es ihm doch ein leidlicher Menschenkenner schon früh von der Stirn ge lesen, daß in diesem stiernackigen Bauernsohn etwas steckte, was hinaus drängte aus dem Bereich des Strohdachkottens in die Welt und die Weite. Einem Gönner fiel er nicht in die Hände, — wie hätte sich auch ein Mäcen in die Haidewüste verlaufen sollen? Es war nur der eigene Instinkt, der ihn vorwärts trieb, die Nahrung fordernde Flamme seines Talents. Ein einziges Mal hatte er einen fremden Maler gesehen, ein blondes Bürschchen, das sich ängstlich bei einem Gewitterschauer in das offene Bauernhaus verkroch, dessen röthliche Herdflamme so traulich in das Unwetter strahlte. Seine Brüder, die riesigen Ackerknechte, bewunderten mit stumpfsinnigem Lapidarruf des Malers Bild; er warf auch einen Blick darauf; im selben Moment wußte er, daß er es besser können würde. Seit der Zeit stand es in ihm fest, daß er kein Imker und kein Ackerknecht werden wollte. Man ließ ihn aber zu Hause nicht fort, nicht aus sentimentalen Gründen, nicht weil das unsichere Loos der Fremde sie um den Jüngsten besorgt machte — einzig, weil der Blitz in den Stall geschlagen hatte und die Söhne ihn selber wieder aufbauen sollten, da fremde Arbeiter Kosten und Weiterungen verursachten. Das fand er auch ganz natürlich. Endlich kam aber ein Frühling, der ihn zum Dienen in die Stadt führte. Es war auch nur ein kleines Nest, aber Pinsel und Farben gab es dort! Er sprach mit Keinem über sein« Zukunft; die flachsköpfigen Recruten, die neben ihm wie wild gewordene Hampelmänner auf dem Sande des Exercirplatzes ein herzutoben hatten, waren ihm fremd und kümmerten ihn nicht. Er sprach überhaupt kaum; da» war nicht Sirte bei ihm zu Lande — auch konnte man nicht gerade von „Innenleben" bei ihm reden; er dachte wenig nach; nur die Ueberzeugung, daß er einmal etwas werden würde, trug er beständig mit sich wie «in« unfehlbare Gewißheit. Al» er in sein Dorf zuriickkam, blühten die Obstbäum« um di» Bauernhöfe, und der Storch stand oben klappernd auf seinem Neste. Jenseit» d«I Dorfzaunr» lag di» -aide im Sonnen flimmer, braun und todt, denn ihre Blüthezeit ist nicht im Früh ling; sie feiert ihren Lenz im Herbst .... Aber das Bild interessirte ihn kaum. So etwas war's ja nicht, was er malen wollt«! Nachts saß er jetzt über Compositionen, die Niemand anders ver stand, als er — ein wildes, ungefüges Durcheinander, das selbst seinen Schöpfer des Morgens sonderbar ansab, wenn der Hoch- scbwung der Phantasie, dem es entstammte, verflogen war. Dann ging er auf das Feld, spannte die Ochsen ein, pflügte und schaffte oder fing die Bienen wieder, die in den warmen Stunden hinaus zu schwärmen begannen. Vor der Ernte ließ man ihn nicht fort — di« mußte erst ringebracht sein. Und er schnitt die kargen Garben noch mit, war noch beim Dreschen dabei — und eines Herbsttags zog er endlich davon. Einsilbiger Abschied. Der Alte stand bei seinen Bienen stöcken und die Brüder wollten gerade auf» Feld. Sie hatten ihre blauen Arbeitskittel an und grobe, plumpe Holzschuhe an den großen Füßen. Als er sich am Ende der Dorfstraße noch ein mal umwandt«, sah er, wie sie, die Augen mit der Hand be schattend, ihm nachschauten mit stumpfem, gleichgiltigem Blicke — der Vater aber war rauchend ins Haus gegangen. Nein, sentimental war man hier nicht! Reisegeld hatte sich nur wenig auftreiben lasten, aber einem Menschen, wie er es war, machte das nichts aus. So ging er eben zu Fuß hinter seiner Schieblarre her, m die er seine kleine Habe gepackt, zur Bahnstation. Als er mehrere Stunden gewandert war, hielt er inne, setzte sich auf die Karre und ruhte aus. Ringsum duftete das Haide kraut. Sein Heimathdorf war längst im Sonnendunst verschwun den. Er zog sein kärgliches Mittagseflen hervor, das schwarz«, erdfarbene Brod, von dem Vie Leute jener Gegenden leben, trank den kalten, schlechten Kaffee, den er sich am Morgen in eine Bier flasche gefüllt hatte und setzte dann Vie Wanderung fort. Endlich sah er den blauen Rauch einer Eisenbahn sich über der Gegend kräuseln. Ein kleiner Halteplatz lag mitten in der Haide, ein rothe», viereckiges Stationshau», neu und gewöhnlich; nichts war reizvoll umher, al» da» riesige Haupt einer Sonnenblume nebenan im Garten. Hier trennt« er sich von seiner Karre, di» gelegentlich rbzuhol«!
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