Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011111017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901111101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901111101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-11
- Monat1901-11
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug-»Preis 1» der Hauptrxpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus- gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Maa abonnirt ferner mit entsprechenden: Postauffchlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, de» Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten Ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-action un- Expedition; JohanniSgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'- Sortim. Unwersitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und Königsvlatz 7. Nr. 575. Morgen-Ausgabe. WipMtr TlMblalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach, richten (6 gespalten) SV H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ,/L 60.—, mit Postbesörderung 7V.—. Ännalfmelchluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags lO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags unnnterbrocheu geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 95. Zahrgang. Montag den 11. November 1901. Amtlicher Theil. Anmeldung zur Wahl von Kirchen vorstehern für die Nicolaigcmcindc. In Gemäßheit des 8 17 der Kirchenvorstands-Ordnung vom 30. März 1868 scheiden mit dem Ende dieses Jahres die Herren Schuldirektor a. D. vr. Ernst Barth, Sanitäisralb I)r. Guido Nakonz, Schuldirektor Carl Traugott Reimer, Iusiizraih I)r. Paulus Immanuel Rölltsch, Seilermeister Carl Erhard Trümpcr-BvSr- mann, Hofralh Ur. Albert Friedrich Wiltstvck aus dem Kirchen- Vorstande ver Nicolaigemeinde aus. Auch ist an Stelle des bereits ausqeschiedenen Kirchenvorstands-Mitglieds Baumeister Herrn Moritz Miersch rin Ersatz zu wählen. Demnach sind 7 Kirchenvorsleher zu wählen. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. Stimmberechtigt sind nach 8 8 a. a. O. alle in der Nicolai- gemeinde wohnhaften, selbständigen, unbescholtenen, verheiratbeten und unverheiratheten Hausväter evangelisch-lutherischen Bekenntnisses, welche daS 25. Lebensjahr erfüllt haben und welchen nicht in Folge von Tauf- oder Trauverweigerung oder aus anderen Gründen die Stimmberechtigung und Wählbarkeit entzogen ist. Wer fein Wahlrecht bei der bevorstehenden Wahl ausüben will, hat sich zunächst mündlich oder schriftlich dazu anzuineldcn. Die mündlichen Anmeldungen werden am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, den 12-, 12., 14. Rovcmber, sowie Montag, den 18. November, von 10-2 Uhr im Konfirmandensaal des Pfarrhauses, Nicolaikirchhof 3, Erdgeschoß, entgegengenommen. Bei schriftlichen Anmeldungen, die während dieser Tage oder schon vorher in der Kirchenexpedition. Nicolaiktrchhof 4, Erdgeschoß, abgegeben werden können, ist Vor- und Familienname, Stand oder Gewerbe, Jahr und Tag der Geburt, sowie Wohnung des sich An meldenden genau anzugeben. Wir fordern die stimmberechtigten Mitglieder unserer Gemeinde auf, sich au der bevorstehenden Wahl, deren Tag später bekannt gemocht wird, zahlreich zst bctheiligen ni.t sich rechtzeitig an zumelden. Zur Nicolaikirche gehören: Augustusplatz, Bahnhosgäßchen, Blumengasse, Büttchergäßchen, Brühl: 23—77, 20—80, Carlstraße, Czermaksgarten, Dörrienslraße, Dresdnerstraße: 1—23, Egelslraße, FeUxstraße, Friedrich-List-Straße, Gartenstraße, Gellertstraße, Georqenslraße, Georgiring: I —14, Gewandgäßchen , . Goethestraße, Goldhahngäßchen, Grimmaischer Steinweg, Grimmaische Straße: 1—33, 20—34, Halleschestraße, Jnselstroße, Johannisgasse: 1—15, 2—18, Iohannisplatz: 1—7, Katharinenstrabe: 2—26, Köniqstraße: 1—13, 2—14, Kreuzstraße, Kupfergäßchen, Langestraße. Magazingasse, Marienplatz, Marien- straße, Markt: 1—3, Milchinsel, an der, Mittelstraße, Naschmarkt, Neumarkt: 1—35, Nicolaikirchhof, Nicolaistraße, Nürnbergerslraße: 2—24, Parkstraße, Plauenjcher Platz, Plauensche Straße: 2, Post strabe, Querstraße, Ransttche Gasse: 1—5, 2—6, Reichsstraße, Nend- nitzer Straße, Ritterstrabe, Rastplatz: 12—17, Roßstraße: 1—17, Salomonstraße, Salzgäßchen, Schillcrstraße: 4—9, Schuhmacher, gäßchen, Schützenstraße, Tauchaer Straße, Univcrsitätsstraße, Wintergartenstraße. Leipzig, am 7. November 1901. Ter Airchcnvorstaud zu St. Nicolai. v. Hölscher. Die Stcinsetzerarbeiten (Loos e) zur Fertigstellung der Pflasterung im hiesigen ArtiUerie-Kajernement sollen einschließlich Material lieferung Montag, den 18. November 1901, Von«. 11 Uhr, im Gejä.ästszimmer des Unterzeichneten (Kasernement 107- össentflch verdungen weiden. Tie Verdingungsunterlagen können daselbst eingejehen bezw gegen Erstattung der Selbstkosten entnommen werden. Angebote sind, auf Len Umschlägen mit entsprechender Be- zeichnung versehen, versiegelt und gebührenfrei bis zu obigem Zeit- punkte eiazureichen. Uavorschrlstsmäßig ausget'üllte Angebote werLen nicht berücksichtigt, desgleichen solche mit Rasuren. Zuschlagssrisi 4 Wochen. Konigl. (8ar»iso»-Baubcamtcr II Leipzig (Post Gohlis). Konkursmasse-Versteigeruna. Am Dienstag, den 12. d. Mts., Borm. von 10 Uhr ab, sollen Gerbe»straf;' 48,50 die zu l.eoiiliniüt'8 Konkursmasse gehörigen Maschinen, als: 2 Bsstonpressen 25 35,17 '25 2 Stritt- drnckhandprrsscn85/I l5.65 !>0 l Pavierichiieibcmasch nc70 IM, 1 Gtcctro-Motor 220 Volt 4,2 Ampere, sämmil!a>e Schriften (Pariser System). Lirhographeiisteinc, Gratnlationskartcn, Papicrvorrathe. biv. Farben, wwie das Inventar, im Auftrage des Ko.iknrsverwaltrrs Herr» Rechtsanwalt >'vu. öffentlich gegen sofortige Baar;ahlnng versteigert werden. Die Masse kann während der Geschäsisstunden vorher besichtigt werden. Leipzig, den 8. November I90l. I-««kecItv, Localrichter. protestversammluug der Kriegskameraden van 1870/71. —m. Leipzig, 9. November. Energisch, aber maßvoll uni) würdig, wies die hcute Vorminag im großen Saale oeS „Zoologischen Gartens" abgehaltene, von etwa 2000 Mitkämpfern des glorreichen Feldzuges 1870/71 besuchte Ver sammlung, an deren Spitze die Herren Baumann, Oberst leutnant z. D., Director der Gr. L. - St. - B., Beer, Reichs gerichtsrath, Masor L. Ldw. ja. D., Diakonus Cbe.ing Kom battant von 1870/71, Hofrach I)v. von Hase, Buchdruaerei- besihcr, Kriegsfreiwilliger von 1870/71, Professor vr. Hasse, Dircctor und Reichstagsabgeordneter, Oberleutnant -a. T., Geh. Hofrath Professor vr. Kirchner, Major d. Reserve a. D.. Küntzel, Kaufmann, Vorsitzender des K. S. M.-V. „Kampf genossen 1864/71", vr. Olshausen, Ober-Reichsanwalt, Hauptmann d. Ldw. a. D. Schultze, Redacteur, Vorsitzender der Ortsgruppe „Leipzig" des „Verbandes deutscher Kriegs veteranen", Willenberg, Geheimer Kanzleidirector, Haupt mann d. Ldw. a. D und Professor Howard standen, Den dreisten Angriff Cbamberlam's auf die deutschen Armeen mit ge bührender Klarheit und Offenheit zurück. Zu Beginn der Versammlung gab Herr Redacteur Schultze seine besondere Freude über das Erscheinen so zahlreicher Kriegs kameraden von 1870/71 zu erkennen. Wie diese einst unter guter Führung zu siegen gewußt, so seien sie gewiß, auch hcute in dem geistigen Kampfe, den sie zu führen Haben, unter solcher Führung des Sieges gewiß. Unter allgmeiner freudiger Zustimmung wurde hierauf Herr Ober-Reichsanwalt vr. Olshausen zum Vorsitzenden der Versammlung erwählt. Diesem Rufe Folge gebend, übernahm der Genannte die Lei tung der Versammlung. Nicht nur dem traditionellen Brauche, sondern einem allgemeinen Herzensbedürfniß entspreche es, so begann Herr Obcr-Reichsanwalt vr. Olshausen seine An sprache, wenn die Versammlung bei ihrer Zusammenkunft des obersten Kriegsherrn und mit ihm zugleich auch des letzten Feld herrn aus dem Kriege 1870/71 gedenke und in diesem Sinne solle die Versammlung mit einem Hoch auf Se. Majestät unseren allergnädigsten Kaiser Wilhelm II. und Se. Majestät Köniz Albert von Sachsen eröffnet werden. Nun brauste, während die Musik die Nationalhymne intonirte, ein dreimaliges Hoch durch den Saal. Hinweisend auf den Zweck der Versammlung, allen Kriegs kameraden von 1870/71 Gelegenheit zu geben, gegen den dreisten Angriff des englischen Staatssekretärs der Kolonien, Chamber- lain, in seinen Verunglimpfungen aller deutschen Mitkämpfer des glorreichen Feldzuges von 1870/71 Stellung zu nehmen, erinnerte sodann Herr Obcr-ReichSanwalt vr. Olshausen in kurzen Worten an Aeußerungen Chambcrlain's, der, obgleich er selbst erklärt habe, es seien noch strengere Maßregeln gegen die aufrührerischer- „Guerillabandcn" der Bocren nöthig, sich zu der Behauptung verstiegen habe, auch diese noch airzedrohten Maßregeln in Süd afrika reichten nicht an das heran, was in Polen, in der Krim, in Bosnien, in Tonkrn, und endlich im Kriege von 1870 an Härte geleistet worden sei. (Pfui!) Daß solche Worte die tiefste Entrüstung Hervorrufen müssen, sei selbstverständlich. Vielleichr sei .es zweifelhaft, ob man Chamberlain die Ehre einer großen Versammlung anthun solle, oder ob man nicht richtiger handle, ihn mit Verachtung zu strafen. Jedenfalls aber sei die Einladung ttl dieser Versammlung von Kriegskameraden einem berech tigten Gefühle entsprungen; denn diese Kreise seien die am tiefsten getränkten. Um der allgemeinen Entrüstung Ausdruck zu geben, hätte wohl keiner der in Leipzig vorhandenen Räume genügt. Ter nächste Redner. Herr Albert Otto Cramer, vom Mili tärverein „Kampfgenossen", sprach zunächst den Herren, welche die V-rsammlung einberufen, seinen Dank dafür aus, daß sie allen Kriegskameraden von 1870/71 Gelegenheit qeaeben. öffentlich der Entrüstung, der tiefsten Empörung Ausdruck zu geben über die infame Anschuldigung und Beleidigung des englischen Colonialministers Chamberlain! Gerade wir sind, so fuhr er fort, am meisten beleidigt, denn Iv i r waren cs, die einst mit unserem Blut und unserem Leben auf fran zösischen Schlachtfeldern die deutsche Kaiserkrone erringen halfen; jeder Einzelne von uns hat ja einen Baustein mit herzu tragen helfen zu dem herrlichen, stolzen Gebäude deutscher Einheit und Größe! Freilich hat man gesagt und leider haben wir es auch in den Blättern lesen müssen: Weshalb denn so viel Aufregung, weshalb denn solche Entrüstung? — Ein Mensch wie jener Chamberlain könne uns überhaupt nicht beleidigen, da solle man die Sache lieber todtschweigen und mit Verachtung zur Tagesordnung übergehen, wie da ganz naiv vorgeschlagen wird! Nun, das ist doch nur zur Hälfte richtig, das stimmt nur halb! Richtig ist, daß ein Mensch mit so zweifelhafter Ver gangenheit, mit so laxer Moral, ein Mensch, der um seines eigenen, erbärmlichen Vortheils willen Kriege angezettelt, nur um die Patronen liefern zu können, der mit Hilfe seiner Angehörigen und seiner Creaturcn den eigenen Staat betrügt, daß ein solcher Mann an die Ehre eines deutschen Soldaten überhaupt nicht heranreicht! — Aber dieser Mann ist englischer Colonialminister und hat seine ungeheuerlichen Anschuldigungen öffentlich gegen uns geschleudert, da ist es d och wohl am Platze, wenn wir nicht schweigen, — wenn.wir im Gegen- theil energisch solche Beschuldigung zurückweisen! Und ferner ist gesagt worden, man solle doch die Abwehr berufener Seite überlassen! — Nun gewiß, das ist auch unsere Meinung und das hätten wir auch ivohl erwarten dürfen! Da aber von be rufener Stelle nichts, auch gar nichts geschehen ist, da müssen wir uns rühren! Und haben wir nicht ein Recht, ein doppeltes, dreifaches Recht hierzu? Haben wir nicht nur einzutreten für unsere Ehre? Müssen wir nicht auch eintreten für die Ehre unserer gefallenen Kameraden? Sollen wir Die, die in Frank reichs Erde ruhen, noch beschimpfen lassen? Sollen wir sie vergleichen lassen mit jenen Söldnerschaaren Englands! Sollen wir nicht auch eintreten für unsere Kameraden, die ihre gesunden Glieder, ihre Gesundheit geopfert haben für's Vater land? O, hätten wir doch den eisernen Siegfried des deutschen Volkes, unseren Bismarck, noch am Ruder, er hätte ein ge- walnges <zuc>8 e-ro nach England hinübergedonnert. Wohl wissen wir, daß wir damals nichts gethan haben als unsere Pflicht, unsere Schuldigkeit! Aber wenn wir sie gethan haben, wenn wir die Pflichten eines braven, ehrliebenden Soldaten erfüllt haben (Muth, Tapferkeit, Treue und Gehor sam, strenge Manneszucht und Disciplin), dann haben wir auch das Recht, nicht nur der jungen herangewachsenen Generation zuzurufen: „Haltet fest, was wir Euch errungen, haltet es fest und bewahrt es treu!" Wir haben auch das Recht, stolz zu sein auf dieses Errungene, st o lz auf unseren Ruhm, stolz auf unsere makellose Soldatenehre! Es heißt, „Deutschland habe gelernt, zu leiden, ohne zu klagen"! Nun, Kameraden, wir aber wollen klagen, wir müssen uns bitter beklagen, daß Niemand für unsere angetastete Soldatenehre eintreten will, wir haben das Recht, zu fordern und zu verlangen, daß man sie schütze und es nicht dulde, daß sie verunglimpft werde durch englische Frechheit und Unverschämtheit, die wir wahrlich allzu lange schon ertragen haben! (Bravo!) Beredt und wahr sei, so fügte Herr Hofrath vr. von Hase h-nzu, geschildert worden, wie es im Kriege Deutschlands gegen Frankreich zugegangen. Ehren haft, das wolle auch er auf Ehre und Gewissen bezeugen, sei es in diesem Feldzuge vom ersten Augenblick an bis zum letzten zugegangen. Nirgends, weder bei Hoch noch bei Niedrig, seien irgend welche Uebergriffe und Greuel vorgekommen, noch zur Kenntniß gekommen, im Gegentheil haben die deutschen Krieger die vom Kriege geschlagenen Wunden immer zu lindern versucht; sie haben in das französische Haus den Gedanken an die eigene Heimath getragen, sie haben, obgleich Feinde, zu zeigen gesucht, daß sie die Familie als etwas Heiliges an sehen. In diesem Gefühl unterscheidet sich die deutsche Kriegs führung von allen anderen. Alle deutschen Theilnehmer am Feldzuge 1870/71 haben die Ueberzeugung, in einem Völker streit das rücksichtsvolle Bestreben, milde zu sein, walten lassen, Alle haben es ähnlich empfunden. (Bravo.) Herr Rcichstagsabgeordneter vr. v. Hasse gestand, daß er anfangs zweifelhaft gewesen, ob es einer Versammlung von Kriegskameraden anstehe, einem Chamberlain gegenüber Zeugniß für sich selbst abzulegen, aber dieses Bedenken habe schwinden müssen, da glaubhaftere Zeugen wohl nicht vertreten sein können. Kalt, warm, lau! Skizze von Kozma. AuS dem Ungarischen von C. Lang sch (Breslau). Ä.aLdrua »erboten. Doctor Csapp hatte das unerwartete Glück, in einer welt fernen Gegend ein unwirthlichrs Grundstück von einer Großtante zu erben. Es gab dort nichts weiter als einen Brunnen, aber dieser Brunnen verlieh dem Grundstücke seit undenklichen Zeiten einen gewissen Werth, da sein Wasser sehr kalt und sehr reichlich war. Die Nachbarn schickten daher ihre Dienstboten zur Sommerszeit dorthin zum Wasserholen und vergalten die Ge fälligkeit dadurch, sich alle zwei, drei Jahre mit einem Korb voll Waldfrüchtrn, Heidelbeeren oder frischen Eiern erkenntlich zu Zeigen. Doctor Csapp betrachtete nachdenklich das brunnenbehaftete Grundstück. Was sollte er damit beginnen? Den alten Zu stand konnte er unmöglich belassen, denn Walderdbeeren aß er nicht, und die frischen Eier faulten sicher schon, ehe die Brunnen steuer bei ihm anlangte. „Heureka!" rief er Plötzlich, sich an die Stirn schlagend. „Wozu haben wir das viele kalte Wasser? — Ich werde einfach eine Kaltwasserheilanstalt hier gründen." Da Doctor Csapp kein Geld besaß, konnte er in der That etwas Klügeres nicht ausdenken, und Jedem, der zu wenig von diesem Metall sein eigen nennt, kann man nur anrathen, eine Kaltwasserheilanstalt ins Leben zu rufen, da es die billigste und dabei doch einträglichste Einnahme der Welt ist. Was braucht man dazu? Kaltes Wasser, ein Dutzend Leinen tücher, einige Pferdedecken, eine Baracke, mit ungehobelten Biinken möblirt, einen schonungslosen, groben Burschen, den man Bademeister oder Masseur benennen kann, eine in Oelfarbe hergestellt« Firmentafel mit der Aufschrift „Kaltwasserheil anstalt", sowie einige Annoncen und etliche Gefälligkeitsnotizen in der Zeitung. Das braucht man und nicht mehr. Doctor Csapp aber hatte höhere Absichten mit seinem Grundstücke im Sinne, daher sor- mulirte er die Aufschrift in zwei Worte, so daß sie jetzt lautete: „Kaltwasserheilanstalt und Sanatorium." Zwei solchen imposanten Worten war die heutige Welt, deren HauptlebenSzweck das „Curiren" ist, unfähig zu widerstehen. Doctor Lsapp'S Anstalt gedieh denn auch bald dermaßen, daß nach Verlauf von kaum zwei Jahren folgende Art von Annoncen aus den Einkünften des ererbten Brunnens möglich waren: Rur kalt! Härten wir unseren Leib ab! Stadien mir unsere Nerven! Benützen wir vr. Esapp'S Kattwasserheil» Methode, die einzig und allein nnr in der Kattbrunncr, nut einem Sanotriuni verbundenen Wasserheilanstalt, unter per sönlicher Aussicht und Leitung vr. Cjavv's erfolgen kann.— Kattbrunnen, an einem der schönsten Pnncte der Karpathen gelegen, ist eine Eisen, Arsen, Jod, Schwefel, Kohle, Phos phor, Sauerstoff, Salz, Chlor und Littuum enthaltende, natürliche Quelle. Ozonreiche Luft. Ausflüge nach allen Richtungen. Eisenbahnstation in nächster Nä e, in kaum zwei Stunden zu erreichen. Unfehlbar sichere Heilung bei Rheumatismus, Glieder- und Nerveinchwäche, katarrhaliiche» Beschwerden, Blutarmulb, Bleichsucht, Vollblütigkeit, Niercn- und Magenkrankheiten und Frauenleiden. Vorzügliche Küche, schöne Wohnungen, mäb>ge Preise. Näheres durch den Badeiuspeclor. Das Publicum strömte in die Kaltbrunner Anstalt, um sein Leben auf Erden zu verlängern. Doctor Csapp's Heilmethode war auch äußerst anlockend. Diejenigen Menschen nämlich, die sich nicht heilen lassen wollen, lieben es, freundlich behandelt zu werden; jene hingegen, die ernstlich irgend eine Heilcur durch zumachen gedenken, halten es für nöthig, daß der Arzt sie quäle und durch seine souveräne Grobheit die Besserung ihrer Gesund heit befördere. Doctor Csapp aber war grob wie Bohnenstroh, und das Hauptprincip seiner Heilmethode bestand darin, daß die Kranken Alles aushalten müßten, was peinigend und unangenehm war. In Kaltbrunnen mußten die Leute barfuß gehen, bis ihnen die Sohlen bluteten; man jagte sie, wenn die Sonne glühend schien, ohne Hut in die sengenden Strahlen; die Hungernden bekamen nichts zu essen, den Durstigen war das Trinken verboten, die Müden sollten nicht schlafen, wer sich aber vor dem kalten Wasser entsetzte, wurde unaufhörlich damit begossen. Hielt er auch das standhaft aus, so gcrieth er in die unbarmherzigen Hände des Masseurs. Da das Unternehmen Doctor Csapp's sich so angenehm ent wickelte, ließ er seine ergrauenden Locken bis zur Schulter wachsen, rasirte sich nach Art der westeuropäischen Gelehrten, ging immer in Schwarz und nannte sich Professor. Endlich engagirte er einen jungen Assistenzarzt, Doctor Csepp, der unter dem Vor wande, heilgymnastischer Proceduren sich an den Kranken im Boxen übte. Das Alles hielten die Patienten aus, denn der Mensch ist ein unglaublich stark organistrtes Wesen. Er erträgt das Alles, ja, je mehr er gemartert wird, desto leichter gesundet er. Eines Tages sagte nun Doctor Csepp zu Doctor Csapp: „Herr Professor, ich habe in Erfahrung gebracht, baß Sie eine 16jährige Tochter in dem Institut ver englischen Fräulein besitzen. Nun, ich liebe Ihre Tochter . . ." „Was, der Tausend? Sie haben sie ja noch nie gesehen? „Das macht nichts. Ich liebe also das Fräulein, wie gesagt, und bitte um ihre Hand." „Mit welchem Recht?" „Mit dem Rechte, daß ich nicht bis ins Unendliche nur zu Ihrem Nutzen arbeiten möchte. Ich will Ihr Schwiegersohn und dadurch Ihr Gcschäftstheilhaber werden. Das Unternehmen ist glänzend genug, daß sich auch zwei in die Einnahmen theilen können. Ich bin meiner 1200 Gulden überdrüssig, da ich weiß, daß Ihnen zwanzig-, drcißigmal soviel im Jahre durch diesen nichtswürdig kalten Brunnen und meine sachgemäße Hilfe in d^e Tasche fließt." Doctor Csapp gerieth über diese offenherzige Ansprache seines Assistenten in heftigen Zorn und warf ihn kurzer Hand zur Thür hinaus. Doctor Csepp schwur Rache. Schon nach wenigen Tagen las Doctor Csapp in einem medicinischen Fachblatte einen Ar tikel: „Die Gefahren der Kaltwasserkur. Von vr. Csepp, ehe maligem Assistenzarzt der Kaltbrunncr Wasserheilanstalt." In dieser Abhandlung schilderte Csepp mit großer Objektivität, daß seine durch viele Jahre in Äaltbrunnen gesammelten Er fahrungen ihn mit schweren Bedenken gegen die Kaltwasserkur erfüllten. Die unendlich vielen Nerven-, Gehirn- und Herz leiden, die Kahlköpfigkeit, Gicht, das Glieoerzittcrn und unzählige andere körperliche Ucbcl seien zweifelsohne durch die Kaltwasser behandlung gezeitigt worden. Es sei nöthig — so schloß der Artikel —, daß man nicht länger die Augen verschließe und schleunigst zur Warmwasserbehandlung zurückkbhre. Aus dieser Fachschrift gelangten Auszüge in Die Tagespresse und erregten die ernstliche Besorgnis; Doctor Csapp's. Ja, selbst Separatabzüge des Artikels erschienen unter dem Motto: „Nur warm!" und wurden kostenlos an sämmtliche Patienten des Kalt brunner Sanatoriums verschickt. Dsc Unzufriedenen unter ihnen — d. h. die Gesunden, die eine tägliche Besserung ihres Zustandes nicht constatiren konnten — begannen zu murren: „Freilich, freilich! Die Kaltwasserhcil- mcthode taugt wirklich nichts. Man müßte einen Versuch mit warmem Wasser machen." Und eines Tages erschien über dem Thor der seit Langem stillstehen den, aber noch mit brauchbaren Kesseln versehenen Spiritusfabrik in Kaltbrunnen ein frisch ge strichenes Schild mit der Aufschrift: „vr. Csepp's Warmwasser- heilanstalt und Sanatorium." Von nun an trat in dem Annonccnthcil der Zeitungen dem Kaltbrunner: „Nur kalt!" überall das Kaltbrunner: „Nur warm!" entgegen, und die der Kaltwassermethode überdrüssigen Patienten gingen in Mengen von Doctor Csapp zu Doctor Cseov über. Das Ansehen des neuen Unternehmens hob sich von Tag zu Tag. Die durch die Kälte gequälten Menschen vernahmen von den zur Wärme zurückgekehrten Gefährten voll Neid, daß Doctor Csepp noch schrecklichere Euren mit seinen Patienten unternehme, wie Doctor Csapp. Hatte man in der alten Heil anstalt die Menschen ausfrieren lassen, so wurden sie in der neuen wahrhaft gekocht; während dort nur Fleisch zu essen erlaubt war, durften hier nur Gemüse und Mehlspeisen genossen werden. Wurden die Leidenden bei Doctor Csapp einfach geknetet, mußten sie hier nun Holz spalten und Kohlen tragen, das Feuer unter dem Kessel anzllnden und cs unterhalten. Doctor Csapp sah mit der Zeit ein, daß Doctor Csepp daS Kalte mit dem Warmen zu Grunde concurrire. Wenn dieser Kampf noch lange dauerte, würde bald aller Werth aus dem von der Großtante ererbten Brunnen ausgepumpt sein. So entschloß sich denn der Doctor zu dem großen Schritt, und eines Tages erschien er bei seinem ehemaligen Assistenzarzt und jetzigen Con- curenten. „Lieber College", erklärte er, „da bin ich, um Ihnen Frieden anzubieten. Ich erkenne an, daß Sie mich besiegt haben. Sie haben Recht, Ihre Methode ist die wahre. Daher theile ich Ihnen mit, daß ich noch heute die nöthigen Kessel bestellen werde, um zu Ihrem Cursystem übcrzugehen." Doctor Csepp erschrak jetzt, verlor aber seine Geistesgegen« wart nicht. „So? Dann kaufen Sie lieber mein Unternehmen, denn wenn Sie, lieber College, warm werden, wende ich mich sofort der Kälte zu. Zwei Warmanstalten an einem Orte können nicht gedeihen." „Darin haben Sie ebenfalls Recht, lieber College. Aber ich will Ihnen noch etwas sagen, was vielleicht der beste Ausweg wäre." „Und?" „Sie wissen ja, daß ich eine Tochter bei den englischen Fräu leins habe. Dieses reizende Kind liebt Sie — unbekanter Weise. Falls Sie diese Liebe erwidern und ich die Freude hätte, Sie als meinen Schwiegersohn begrüßen zu dürfen, so könnten wir die beiden Unternehmungen vereinigen." „Hand darauf!" entgegnete Doctor Csepp erfreut. Die beiden Aerzte kamen nun überein, daß es sowohl mit der Kälte wie mit der Wärme genug sei. Beide Heilmethoden waren sozusagen ausgeschöpft und der noch nicht unterminirtcn dritten, der „Lauen", gehörte die Zukunft. Die dazu nöthigen Fachartikel, Zeitungsberichte und An noncen ließen auch nicht auf sich warten, und in der nächsten Saison apostelten Doctor Csapp und Doctor Csepp gemeinsam unter der Devise: „Nur lau!" Die Kaltbrunner „Vereinigten Sanatorien für Lauwasser behandlung" konten kaum die Menge der Kranken fassen. Der geerbte Brunnen Doctor Csapp's goß unaufhörlich seine kalten Wassermassen mit dem heißen Wasser der ehemaligen Spiritus fabrik Kessel zusammen, zum Heile der leidenden Menschheit! „Beruhigen wir unsere Nerven! Besänftigen wir das All gemeinbefinden unseres Körpers! Dies empfehlen Jedermann vr. Csapp L vr. Csepp, die alleinigen Entdecker und Anwender der Lauwasserheilmethode." Beide wurden binnen Kurzem Millionäre. Tausende von Geheilten segneten ihre Namen; denn wenn die Menschheit daS Kalte und Warme aushielt, warum sollte sie nicht auch das Lau vertragen?
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite