Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011101015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901110101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901110101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-01
- Monat1901-11
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Lekrtioi «tz LnEr«» 4»ßm«t»^»A, S. Filiale«: Ulfteb Bnß» dorm.lv. Klemm'» SM». UiMwrsttÜtSstraße » (Paulimun)^ stmtt» Lisch*. -»thortu-ustr. p«t> «ch LSaigDpkatz 7s- Italien velgt«^ Schw»d»»'mrd «staat«. d»r Kit* all« übrt^u «» «wr Krr^baud durch die Morgen-Ausgabe. WMrIWMaü Anzeiger. Amtsblatt des A'öttigliche» Land- und Äintsgerichtes Leipzig, des Nattzes «nd Volizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Auzetgeu-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LS Urckomo» «N» tze» NedaettouSstrUy (»«spalte«) 7» »oe d« FamUimmach» ttcht« (»gefpalte») b0 ch. Tabellarischer «ud ZifirrNfatz entsprechen» höher. — Gebübrin für Nachiveisuagea und Offrrtrmuuulh«« LS ch (excl. Porto). Lrtru-Beilagen (gesalzt), ,»r mit der Morgra-AuSaab«, oha» PostLesördernng X aa.—» mit Posibefdrdeamg 70.—. Laaahmrschluß filr Aazeizeu: Aband-RuAgab«: Varmittag« tv vhr. llLarga» AuSgaber RachmUMg» 4 Uhr. Vit dan Filialen »d Amuchmestelen t» ein« halb, Stuudefäher. Anzetgru pnd st-t» dta ExpedMo» D» richt«. Li» Erpeditiou ist Wochentag« m< unterbrochen geqfuet «w» früh 8 bt« Ab«»d4 7 Uhr. Druck «d Verlag tw» G. Pplz in Leipzig 95. Jahrgang. Freitag den 1. November 1901. s Nr. 557. ssssssssssssmsss Colonialwaarenhandlung, ü. vlttriird, Cigarrenhandlung, (Ecke Berliner Straße) Herr k'. IV. Llvtr, Colonialwaarenhandlung, 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, Plagwitz Herr 6. Orütrmanv, Zschochersche Straße 7», Reudnitz Herr k'uxmuuu, Marschallstraße 1, - Herr 0. 8oüwi<1t, Kohlgartenstraße 67, - Herr Lernü. Weber, Diützengeschäst, Gabelsbergerstraße II, - Thonberg Herr L. üüntsob, Reitzenhainer Straße 58, - Volkmarsdorf Herr 6eorg >Iemuiin, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.), Für und kann das Leipziger Tageblatt durch alle Poftanstalten des deutschen Reiches und Oesterreick-Ungarns zum Preise von 4 bezogen werden. 2n Leipzig abonnirt man für 3 ^ll, mit Bringerlohn 3 75 und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannisgafse 8, die Filialen: Katharrnenstratze 14, Königsplatz V und Universitätsstratze 3 sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr Lrlellr. 6avltr, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste Herr ketvr, Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 0. 8vlmbvrt's XLekkolxvr, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straste (Thomasiusstr.-Ecke) Herr Otto Llnutsvblle,Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Llluarü ÜetLer, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Ttraste 45 Herr Ll. L. Ubreebt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr 8. k'rleävl, Cigarrenhdlg., Zweinaundorfer Straße 6, - Connewitz Frau Llseber, Hermannstraße 23, - Eutritzsch Herr Robert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr Lodert Bitner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Linoenau Herr Udert Lluüuer, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Herr knul Luek, ^vnoneen-Lxpeültloll, Eisenbaünstraße I, - in Naunhof Herr Lovraü. Letnseüe, Buchhändler. Ranftfche Gaffe 6 Herr Lrleär. Llsober, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. Luxelwann, Colonialwaarenhandb Schützenstrahe 5 Herr «lul. 8ebüm1edeu, Colonialwaarerchandlung, Westplatz 3» Herr Aorkstraste 32 (Ecl Zeitzer Straste 35 in Fürst Leopold von Anhalt-Vestan, ein Varkämpfer für Deutschlands Kröne und Macht. Von RichardHoenick«. Nachdruck verbvten. Wenn wir den „alten Dessauer" als einen Vorkämpfer für Deutschlands Größe und Macht bezeichnen, so soll damit nicht ge sagt sein, er habe bei seinem Wirken und Schaffen die'e Große und Macht mit größerer oder geringerer Klarheit vor Augen ge habt. Wir wollen ihm kein« Absicht unterlegen, die er nicht ge habt hat und nicht gehabt haben kann. Aber wenn von einem Menschen gesagt werden darf, er habe durch sein Lcbcnswerk un bewußt Steine zu den Grundmauern gefügt, auf denen später daS stolze Gebäude deS Reiche« aufgerichtet wurde, so varf e« von ihm gesagt werden. ' Wenn heutzutage auf dem Marsch« oder Exercierseld« das schneidige Commando „Tritt gefaßt!" wie «in Blitz in eine Jn- fanterie-Colonne fährt, denkt freilich nur selten em Geschichts- tundiger an den, der diesen strammen Gleichschritt eingeführt hat, an den großen Exerciermeister und Feldherrn Fürst Leopold von Anhalt - Dessau. Und doch war er cs, der den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. in seinem Bestreben, Preußen zu dem tüchtigsten Mdlitär- staate der Welt zu machen, am besten verstand und am nachdrücklichsten unterstützte. Diesen Ruhm schmälert auch die Thatsache nicht, daß er, der Mann des rauhen Kriegshandwerks, die Rauhheit dieses Handwerks oft auf nichtmilitärisch« Verhält nisse übertrug, solchen Verhältnissen gegenüber in engherzigen An schauungen befanden war und im Jähzorn einmal schwer fehlte. Wahrscheinlich hätte er, weniger einseitig, gerade das nicht er reicht, waS seinen Namen hervortreten läßt aus der Zeit des ersten Aufschwunges des jungen Preußenaars. Zwischen dem erlauchten Fürstenhause von Anhalt und den brandenburgischen Marken hat in der Weltgeschichte zweimal eine historisch bedeutsam« Wechselwirkung stattgefunden. Al brecht der Bär (1134—1170), der Begründer des branden burgischen Regentengeschlechts der ASkanier, hat die Mark Brandenburg gefestigt und durch die G-rmanisirung des Land striches von der Elbe bis zur Havel und zur Spree (Gründung Berlins) den ersten Grundstein zu der Weltmacht ge legt, welche jetztin unserem deutschen Vaterland« dieFührer schüft haben soll. Albrecht dem Bär folgten ander« Helden gestalten, bis mit Waldemar dem Großen (1319) dieses denk würdige aSkanisch-brandenburgische Fürstenhaus erlosch. So sind dl« ASkanrer schon damals gewissermaßen die Vor kämpfer für unseres Reiches Herrlichkeit gewesen. Und al» nach den bayrischen und luxemburgischen Markgrafen die Hohenzollern berufen waren, Brandenburg seinen Zielen zuzuführen in Friedensaufgabrn und Waffenthaten, war es wieder ein Anhalt, der mit Brandenburg qn diesen Zielen mitzuarbeiten sich entschloß. In der Mitte des siebzehnten Jahr hundert« begann unter Friedrich Wilhelm, dem großenKur- fürsten, der rothe brandenburgisch« Adler sein« Schwingen zum hohen Flug« zu entfalten; da war «SJohannGeorgll. von Anhalt-Dessau, der an dem vom großen Kur fürsten erstrebten großen Ziel« Mitwirken wollte. Von da ab nahmen über ein Jahrhundert lang die Fürsten und Prinzen von Anhalt-Dessau unter den Paladinen der brandenburgischen und von 1701 ab preußischen Macht, «ine hervorragende, mit dem Sohne Johann Georg » II., mit Leopold von Anhalt- Dessau, aber gerade während der für die Zukunft Preußens so hochbedeutsamen militärischen Organisations periode ganz entschieden dir erste Stelle ein. Leopold, der Sohn Johann Georg'» H. und der Henriette Katharina, ge borenen Prinzessin von Oranten und Schwester der jedoch bereit» 1667 verstorbenen Gemahlin de» großen Kur fürsten, Luise, wurde nach sechzehnzähriger Ehe de« Fürsten paare« und langem vergeblichen Harren am 3. Iuli 1676 ge boren. Seinen Rufnamen erhielt er nach fernem kaiserlichen Pathrn LrovoL I. (1688—1706). ES herrscht« «in grenzenloser Jubel im Anwrlttschen darüber; war doch rn dieser Kit da« Hau« Unhalt-Lestau in seinem Manae«stamm« nur auf zwei Augen gestellt gewesen. Der 3. Juli war der Tag, der ISO Jahre später am der Schlacht von Königgrätz Preußen die ihm so schwer bestrittene Oberleitung über Deutschland geben sollte. Jede Ahmmß der Möglichleit, daß ft ein Lag eine so groß« und folgen schwere Entscheidung in sich haben könnt», lag jener Zeit natürlich fern. Jmnwrhi» aber ist e« st» merlwürdiger Zufall, daß der Geburtstag HevpMtt, de« Altwejst«» im preußischen Waffen- werk, dem die preußische Armee ihm Organisation und Schulung verdankt, d« LatMn »ach mit dem Tage zusammenfällt, an welchem «I dieser von ihm allein gestählten und geschärften fmWtiaro Matze dergöimt wurde, diesen entscheidenden Stretch zu nlhren. Dann sollte 1870/71 kommen und mit ihmL«utsch« Einigkeit, sei» Eiai-nn- «nd Macht. Somit können wir gewissermaßen den Fürsten Leopold von An- Halt-Dessau «inen Vorkämpfer für Deutsch lands Einigkeit und Macht nennen. I. Bis zum Tage von Turin. Die Erziehung Leopold's für seine ersten Lebens jahre mußte der Mutter überlassen bleiben; denn sein Vater, Johann Georg II., weilt« an der Seite seines Schwagers, des großen Kurfürsten, welcher seit 1674 mit den Schweden in jenen Krieg (Schlacht bei Fehrbellin, 18. Juni 1675) verwickelt war, der als der Grundstein der politischen und militärischen Be deutung dieses jungen Staates betrachtet werden muß. Die Mutter Leopold'S entstammt« dem Hause Oranien, das stets der Pflege von Kunst und Wissenschaften gehuldigt hat; ihre Schwester war die Kurfürstin Luise von Brandenburg, ' die fromm« Liederdichterin („Jesus, meine Zuversicht"). Henriette Catharina war nun ihrem einzigen Sohne Leopold, ihrem Gold söhnchen, eine viel zu liebevoll« und nachgiebige Mutter, wie man das ja leicht sich denken — und entschuldigen kann. Bald lernt« sich Leopold als unumschränkter Gebieter seiner gesammten Um gebung fühlen. Für die geistige Entwickelung Leopold's wurde jedoch eifrig Sorge getragen. Der Prinz konnte bald sich leid lich französisch ausdrücken. Für die anderen Lehrgegenständc wurden ihm mit Eintritt in das lernfähige Alter Lehrer ge halten, desgleichen aber auch der während dieser Zeit für die Prinzenerziehung an den meisten deutschen Höfen als unerläßlich angesehene „Prügeljunge". Solch' armer Kerl mußte die Strafen auf sich nehmen, welch« der Prinz durch Unfleiß oder tolle Streich« verwirkt hatte. Leopold's Prügeljunge hieß Anton Greschte aus Werbitz und war in Leopold's Jugendperiode trotz aller ihm für den Prinzen und auf eigenes Conto zu Theil ge wordenen Prügel „der größte Flegel" in Dessau, in des Fürsten spätem Mannrsalter aber dessen Vertrautester. Es wollte nun trotz aller pädagogischen Mittel keinem der Herren Professoren oder Candidaten gelingen, dem jungen Erbprinzen Lust zum Lernen beizubringen. Auch die vielen Prügel, welche der Anton Greschke ausgezahlt erhielt und eigentlich dem Leopolo gebührten, ihm aber selbstredend, als dem Fürstensohne und künftigen Thronerben aus RespectSgründen vorenthalten bleiben mußten, halfen keinen günstigen Verlauf in der von der Fürstin verfolgten Erziehungsmethode herbeiführen. Der Prinz tummelte sich gern im Marstall, ritt mit Vorliebe recht wilde Pferde und huldigte dem Vogelstellen, der Wildbahn oder machte manches Schelmen stückchen, wobei ihm Freund Anton Greschke getreulich secundirte. ES geht in Anhalt die Sage, daß Leopold's Jugendliebe, die „Anna-Liese", die Tochter des Apothekers Föhse und seine spätere Gemahlin, dem Leopold einzig und allein das, was er im Lesen, Schreiben und Rechnen lernte, beigebracht hat. Auch erzählt man sich, daß dieses mit ihm beinahe im gleichen Alter stehende junge und schön« Mädchen damals schon, wie in ihrer späteren Ehe, bis zu ihrem Lebensende allein auf seinen sonst so unbeugsamen Eigenwillen «inen Einfluß auSzuüben vermochte. Johann Georg II., sein Vater, versuchte, der Erziehung Leo pold's auf anderem Wege beizukommen. Er selbst hatte das, waS er an Wissen sich angeeignct hatte, erst in einem reiferen Alter erworben; und so mochte er überzeugt sein, daß sich auch für seinen Sohn später noch genug Gelegenheit bieten würde, sein Schulwissen zu vervollständigen. Er war der Ansicht, daß da», WaS ihm darin abging, durch einen raschen Ueberblick, ein scharfes Eindringen in daS Wesen der Ding« und Verhältnisse, und überhaupt durch die Eigenschaften zu ersetzen möglich sei, welch« nur durch das Leben gelernt werden können. So wollte er zuerst seinen Sohn mit dem vertraut machen, was nach damaligen Begriffen al» di« Grunderforderntsse für den Cavalier und den kühnen Soldaten erachtet werden mußte. Er nahm ihn mit auf seinen Reisen nach Berlin und nach den Garntsonstädten der beiden ihm al» Ehef unterstellten Regimenter. Dabei wird Leopold wohl di« erst« militärische Schulung durchgemacht haben und mit den meisten Officieren dieser Regimenter näher vertraut und be freundet gewesen sein. Nach dem Lod« seine» VaterS entschied er sich deshalb auch al« Nachfolger für die Jnhaberstell« eine» diesrr Infanterie-Regimenter. Schon 1688 war von seinem Vater bei einer Sendung desselben nach Wien beim Kaiser Leopold I. die Verleihung der Jnhaberstell« deS österreichischen Regiment» „Alt-Diepenthal" an seinen Sohn auSgewirkt worden, wodurch er den damals noch nicht zwölfjährigen Knaben durch die Erweckung seine« Ehrgeize» und Selbstgefühl» in die von ihm gewünschte Richtung überlenken wollte. Leopold ging denn auch mit Lust und Liebe auf die Erziehungsmethode seine« Vater« ein; er eignete sich eifrig alle ManaeSubungen an und cvneen» trirte sein Streben Kalo allein nur darauf, sich alle Feinheiten de« militärischen Exercitium» und Dienstbetriebe« zu eigen zu machen, zymal in dieser Zeit der Soldatrnstaitd sich eben erst au« dem gänzlich verwilderten Sölduerthum de» Dreißigjährigen Kriege« zu den geregelteren Zuständen »er Lafan-Sentwickelung der stehenden Heere herausbildete. Leider verlor der Sohn zu plötzlich und unvorhergesehen seinen Vater; Johann Georg II. wurde in Berlin am 17. August 1693 durch einen Schlagfluß seiner Familie entrissen, und, längst jeder Einwirkung seiner Mutter entwachsen, sah sich Leopold dadurch im Alter von erst siebzehn Jahren für seine fernere Lebens- und Charakterentwicke- lung so gut wie auf sich allein angewiesen. Trotz vielfacher längerer Abwesenheit des Prinzen von der Residenzstadt Dessau hatten sich die Beziehungen zur Anna- Li e s e bei dem feurigen Jüngling mehr und mehr zu einer tiefen und innigen Neigung umgebildet. Eines Tages, bald nach dem Leichenbegängnitz seines Vaters, gab Leopold seiner Mutter die bestimmte Erklärung ab, daß er seine Anna-Liese zu heirathen be absichtige. Der Schrecken über eine solche unstandeLmäßige Heirath war natürlich am Hofe groß. Die Mutter gedachte den Sohn von seinem Entschlüsse dadurch abzubringen, daß sie ihm die damals für die Endausbildung jedes jungen Fürsten als un erläßlich geachtete „große Tour", d. i. eine mit einem längeren Aufenthalte in den auswärtigen Hauptstädten und dem Besuche möglichst vieler fremder Hofhaltungen verbundene große Runs- reise vorschlug. Leopold ging daraus ein. Nachdem ihm daS Glück zu Theil geworden, daß er die Jnhaberstelle des branden burgischen Regiments, das seit 1670 seinem Vater verliehen ge wesen, erhalten hatte, sehen wir den siebzehnjährigen Fürsten und Regimentschef in Venedig, Rom, Florenz und Neap'l wieder. Der Besuch von Turin sollte für ihn einen Umschwung herbci- siihren. Halb Europa stand damals in Waffen g:zen den ewigen Friedensstörer Ludwig XIV. von Frankreich. In Turin, ocr Hauptstadt von Savoyen, waren Ende November 1694 die Führe: der piemontesisch-kaiserlichen Armee versammelt um die Vor- l Zeitungen zum nächstjährigen Feldzuge zu treffen. Unter ihnen war es vor Allem Prinz Eugen von Savoyen, der Befehlshaber der österreichischen Hilfstruppen, welcher auf Leopold in hohem Maße anregend in militärischen Sachen wirkte. Nachdem Leopold noch in Wien beim kaiserlichen Hofe gewesen, suchte seine Mutter bei demselben seine Mündigkeitserklärung durchzuietzen und be absichtigte, nach des Sohnes Heimkehr denselben die Regierung von Anhalt-Dessau zu übergeben. Nach seiner Rückkehr galt in Dessau nach vierzehnmonatiger Abwesenheit Leopold's erste Be grüßung jedoch nicht seiner Mutter, sondern — der Anne-Licse. Schlimmeres schloß sich dieser Hintansetzung seiner Mutter un mittelbar an. Ein junger Arzt, ein Verwandter der Föhse'schcn Familie, war nach absolvirten Studien und längerer Abwesenheit nach Dessau zurückgekehrt, und auf Grund seiner häufigen Be suche ging in der Stadt das Gerücht, daß der junge Mann nächstens die Anne-Liese als Gattin heimführen werde. Schon die erste unbestimmte Kunde hiervon entflammte Leopold's Eifer sucht, und al» er bei seinem Umspüren des Föhse'schcn HauseS die beiden in einer — wie er meinte — zu vertraulichen Stellung am Fenster stehend erblickte, stürmte er die Treppe hinauf, und rasend vor Wuth mit gezogenem Degen den Flüchtigen von Zimmer zu Zimmer verfolgend, ließ er von dem Unglücklichen nicht eher ab, bis er ihn in seinem letzten Zufluchtsort todt niedergestreckt hatte. Darüber hat Leopold in seinem ganzen späteren Leben öfter, um sein Gewissen zu beruhigen, wie ein Kind geweint: ja, in mancher Schlacht hat er deshalb den Tos suchen und Sühne für begangenes Unrecht üben zu müssen gemeint. Die Ansichten über dies unselige Vorkommniß sind getheilt. Die Einen meinen, Leopold hätte im Affekt, in der Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, so daß die irdische Justiz ihn freigesprochen haben würde; und die- um so mehr, al», wie ein englischer Chronist zu berichten weiß, der junge Arzt zuerst seinen Studenten-Rapier gezogen habe, da er wußte, wem er gegenüberstand, mochte eS nun sein Nebenbuhler sein oder ein ihm vor der ehrlichen Kling« ebenbürtiger Gegner. Durch jenen schrecklichen Vorgang wurden die Beziehungen Leopold'» zur Anne-Liese jedoch nicht gelöst oder auch nur dauernd getrübt. Im Jahre 1695 wohnt« Leopold der Belagerung von Namur bei und bestand hier bei einem AuSfallSgefecht die erste Feuerprobe. Ein Sporn zu kühnen Thaten war nun für Leopold die Erhebung seiner G e m a h l i n in den faktischen ReichSfürsienstan» beim deutschen Kaiser, um damit die Erbfolge für seine etwaigen Söhne zu sichern. Nachdem er nämlich am 13. Mai 1698 die Regierung angetreten, war seine Derhrirathung mit der Anne- Liese im September desselben Jahre« erfolgt. Am 29. December 1701 wurde Anne-Liese vom Kaiser Leopold I. al» ReichSfürstin von Anhalt anerkannt und ihren zwei bi« dahin geborenen Söhnen und der gesammten männlichen DeScendenz di« volle und uneingeschränkte Erbfolgefähigleit -uaesichert. Immerhin ab«r blieb ,n den Auaen der meisten, vor Allem der verwandten Fürsten, Leopold'» Ehe «ine unstaadeSmäßige. E» galt für ihn, durch Anspannung seiner ganzen Kraft sich zu einem Stand punkt aufzuschmingen, »elcher in dem von ihm «monnenen Ruhmeiglanre gugleich auch feine Gemahlen so hoch stellte, daß häckisch« Angriff» fich ln ZÄunft auch für diese al» machtlos erweisen mußten. Gelegenheit, sich Ruhm zu erwerben, sollt« Leopold bald haben, so daß die ersten Schritte zu einer Eigenentwickelung seines so stählernen Charakters möglich waren. Das letzte Drittel des siebzehntem Jahrhunderts bietet für die Entwickelung des Kriegs- und Heerwesens ein« merkwürdige Uebergangsperiode. Die stehenden Heere befanden sich in ihrer Anfangsbildung begriffen; die Kriegführung rang sich eben erst von den Formen los, welche sick von den großen Vorbildern des Dreißigjährigen Krieges auf die nachfolgende Zeit übertragen hatten. Seit dem Schwedenkrieze des großen Kurfürsten war 4>i« Krietzsführung sogar in einen Rückschritt eingetreten. Die Heere nämlich befanden sich durch die Rücksicht auf ihre Verpflegung gleichsam an die Scholle gebunden. Geschichtlich bedeutsame Ausnahmen von der damaligen Kriegs führung bilden m der Siratrgik und, Taktik deS großen Kur fürsten di« Nichtberücksichtigung der »ritterlichen Jahreszeit und die weiten Züge, wie der Reiterflug zur Schlacht Lei Fehrbellin, die Belagerungen von Stettin und Stralsund und der Winterfeldzug über das zugefrorene Frisch« und Kurische Haff. Im Uebrigen galt damals als Anlaß und Resultat auch der größ'trn Schlachten fast immer nur das Streben, einen belagerten Platz zu entsetzen oder nach einem Siege noch «in« neue Belagerung aufzunehmen. Mit dem Winter bezogen dann die Kriegsparteien ausgedehnte Winterquartiere, um dann im Frühjahr« dasselbe Spiel von Neuem zu beginnen. In taktischer Beziehung hatte bisher die Reiterei, die jene früheren Züge allein ermöglicht hatte, die Haupt masse gebildet. Durch Einführung der Feuerwaffen verlor sie insofern, als der Reitcrangriff auf Infanterie nicht mehr den Erfolg haben konnte, den er bi» dahin gehabt hatte. Schon war die Infanterie mit Feuersteinschloßgowrhr und Bajonett de waffnet, und ein langes Seitengewehr schützt« den Infanteristen im Kampfe von Mann gegen Mann und somit auch gegen die Reiterklinae, wenn er ohne Gewehr war. Aber die Infanterie erwies sich in Bezug auf die militärische Ausbildung des ein zelnen Mannes mit einem leeren und nutzlosen Formenwcsen überladen und entbehrte noch d«r einfachsten Vorbedingungen für ein einheitliches Exercitium. Es ist das unleug bare Verdienst Leopold'» von Anhalt-Dessau» dies« Schwäche der Infanterie-Ausbildung zuerst erkannt und zu deren Hebung zuerst die bessernde Hand angelegt zu haben. Es war der rein praktische Weg, auf dem er von einer Beobachtung und Nutzanwendung zur anderen gelangte. Dem kaum zwanzig jährigen jungen Manne wohnte eine Schärfe der Beurtheilung inne, ein solch organisatorischer Zug, wie wir kaum bei den berühmtesten Heerführern seiner Zeit, dieser interessanten Uebergangsperiode, vertreten finden. Darin standen selbst Karl XII. von Schweden, Prinz Eugen, Marlborough und die besten Marschälle Ludwig's XIV. weit hinter ihm zurück. Die Möglichkeit einer Steigerung der Infanterie-Taktik hatte Leopold schon längst in der erhöhten FeuerwirkungdeS Fuß volk» erkannt. Um rasch chargiren lassen zu können, schaffte er di« hölzernen Ladestöcke, welche dabei zerbrachen, ab und führte zuerst 1698 bei den Grenadieren seiner Regiments und dann 1699 überall eiserne Ladestöcke ein. In dem selben Jahre führte Leopold bei seinem Regimente den Gleich schritt al» die Grundlage jeder regelrechten Exercitium» ein. Diese beiden «wichtigen Neuerungen gaben der Infanterie ihre Bedeutung als Hauptwaffe. Eiserne DiSciplin und willenlose Unterordnung unter die ertcheilten Be fehle halfen dann noch, diese Bedeutung in der Hand des FLhrerSvoll und ganz verwirklichen, so daß bei der damaligen Fechtweise ber Infanterie für all« ihre Bewegungen eine Sicher- heit und Regelmäßigkeit gegeben wurde, wie sie noch 1870—71 in gefahrvollen Schlacht-Momenten manchem kaltblütigen Führe: den Sieg erringen half. Leopold schuf, durch diese Neuerungen der gesammten brandenburgischen und später preußischen Armee eine allen anderen stehenden Heeren weit überlegene Eigenentwickr- lung. Die Infanterie bewegt« sich auf dem Schlachtfeld« mit der gleichen eisernen Regelmäßigkeit wie auf idem Exercirplatze und gab ihr Feuer mit einer bis dahin noch ungeahnten Sicherheit »nd Gchnelligken ab. Aber auch Leopold hatte gegen sein« Reformen Feinde und Neider. Die Neueinführung derselben war damals noch dem Beliebm de» RegimentS'inhaberS anhermgestellt. Und so gab e» viele Obersten, welche aui rein persönlichen Beziehungen di« von einem so jungen Manne ttngesüihrtr» Reformen nicht Übernahm««. Denn noch entbchtten sei» Neummngrn de« Er folge», noch ermangelte Leopold selbst de» KrteOnchme», der seinen Bestrebungen allein erst ein« Berechtigung geben konnte. Doch — Leopold'» Name sollte bald eiin grfeierwr werde»I Der spanischeErbfolgekrteg (1701—1714) war entbrannt. * Am 18. Januar 1701 hatte sich Kurfürst Friedrich m. von Brandenburg zu Königsberg dir preußisch» Könt-Dlmn« auffge«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite