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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011108025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901110802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901110802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2k» Reklamen unter dem Redactivnsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten (V gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hoher. — Gebühren für Nachweisungen nnd Lffertenannahme L5 (excl. Porto). Ertra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung .// VO.—, mit Postbesürderung 70,—. Hrmahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Nr. 571. Freitag den 8. November 1901. Feuilleton nicht Deutsche, ganz besonders aber nicht die ganze Nation, unbestraft beleidigen darf Rittergut Tresstn. Roman von R o b e r t M i s ch. * London, 8. November. (Telegramm,) Wie die „Daily News" berichten, ist Miß Hob House, die sich so sehr bemüht hat, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die hohe Sterblichkeit in den C o n c e n t r a t i o n s l a g e r n zu lenken, in Südafrika verhaftet worden. Man glaubt, sie sei d e p o r t i r t, d. h. an Bord eines nach England abgehenden Fahrzeuges gebracht worden. * Äohaiiiicsburg, 8. November. (Telegramm.) „Rcuter's Bureau" Hier ist eine Commission in Thätigkeit, die ein Projekt ausarbeiten soll, um den W i t w a t e r s r a n d in gesicherter Weise mit Wasser zu versorgen. der officiöscn deutschen Presse zuvorgekommen sein würde. Daß er in einer gewissen Zeit, als die internationalen Verhältnisse es geboten, der englischen Presse trotz ihrer Unartigkeiten weit gehende Concessionen machte, haben wir schon vorgestern er wähnt. Aber es ist auch bekannt, daß er, der nach der Her stellung der deutschen Einheit kein eifrigeres Bestreben hatte, als dem Reiche den Frieden zu erhalten, durchaus nicht der Ansicht war, Deutschland würde und müßte der Jfolirung ver fallen, wenn es auf die Herausforderungen fremder Staats männer oder Würdenträger eine kräftige Antwort gäbe. Als ihm im Jahre 1874, wo er die freche Sprache französischer Bischöfe aufs Schärfste zurückgewiesen hatte, der Centrums- abgeordnetc Jörg vorwarf, er liebe es, einen kalten Wasser strahl zur Beruhigung aufgeregter Gemüther zu verwenden, und gefährde dadurch den Frieden, erwiderte er mit seinem trockenen Humor, kaltes Wasser wäre ein eminent friedfertiges und ab kühlendes Element. Wir meinen, daß der höchst temperament volle Herr Chamberlain, dem die Zunge nur zu oft durchgeht, die Abkühlung durch einen kalten Wasserstrahl auch ohne Schaden an seiner kostbaren Gesundheit vertragen kann. Wir halten ihn auch für intelligent genug, um hinterher einzusehen, daß er etwas Ungehöriges und Unwahres gesagt hat, und um es deshalb in seinem Innern für ganz richtig zu finden, daß der von der Un- geoörigkeit und Unwahrheit Betroffene nicht einfach stillhält. In derselben Rede, in der Bismarck den kalten Wasser strahl gegen die Franzosen besprach, erwähnte er den bekannten Fall von der Ermordung des Hauptmanns Schmidt durch die Carlisten in Frankreich. Damals sagte er: „Als ich die erste Nachricht von der Ermordung des Hauptmanns Schmidt erfuhr, so ist mein Gefühl gewesen: wenn das ein englischer Zeitungscorrespondent, ein amerikanischer, ein russischer, ein französischer gewesen wäre, so wäre ihm das nicht pallict. Es regte sich in mir die Erinnerung an all« alten Demüthigungen, die Deutschland durch seine Zerrissenheit früher zu erdulden ge- nöthigt worden ist, und ich sagte mir, es ist Zeit, das Ausland daran zu gewöhnen, daß man auch Deutsche nicht ungestraft ermorden darf." Setzt man an die Stelle des Wortes „ermorden" das Wort „beleidigen", so hat man den Fall Chamberlain. Wir meinen, es ist an der Zeit, das Ausland daran zu gewöhnen, daß man deutsche die Nothwendigkeit davon klar machte; rechnete auch in Vieser Zeit, wo noch nicht Jeder mit der Ernte zu RaNde war, auf manche Absage, was denn auch glücklich eintraf. Aber siebzehn Herren waren es doch geworden. Der Alte fluchte innerlich, ließ sich jedoch nicht lumpen, da er das Gespött des Kreises wie Feuer fürchtete. Auch hatte Lisbeth, weit über seine Anordnungen hinaus, rin furchtbares Gemetzel unter dem Geflügel angerichtet, für Wild und Fisch gesorgt, den Gemüse- und Obstgarten geplündert. Sie wollte nicht wieder versteckte, spöttische Bemerkungen hören, wenn sie in Klützow mit den Damen der Nachbarschaft zusammenkam, Bemerkungen, die sie oft schamroth gemacht hatten. Es war wie eine stumme und geheime Verschwörung zwischen ihr und Platen — denn sie hatten kaum einige Wort« darüber gewechselt —, die Ehre des Hauses zu wahren, dem Geiz und der Schäbigkeit des Hausherrn zum Trotze Alles so reich und so schön wie nur möglich zu machen. Das Essen fiel auch vorzüglich aus; und der Oekonomi«rath schluckte manches Compliment, manches freilich, das «twas spöttisch klang. Ein alter Agrarier, der durch seinen Witz und sein« un- genirte Offenheit berühmt war, — übrigens ein Duzbruder des Oekonomierathes — rief mit schlauem Augenblinzeln: „Prost, Roloff — Deine Köchin soll leben! Ich habe lange nicht so gut bei Dir gespeist." Ein verständnißvolles Grinsen ging rings um di« Tischrunde, das zu diskretem Kichern anschwoll, als der witzige Nachbar noch hinzufügte: „Und Dein Rother ist immer noch besser als Dein Weißer." Da alle diese Nachbarn sich wie «»ne große Familie seit einem Menschenalter kannten, so war auch diese Anspielung verstanden worden. Mit dem Weinkeller auf Tressin hatte es nämlich seine eigene Bewandtniß; er zerfiel in zwei sehr ungleiche Hälften. Die eine, bessere — vorzüglicher Burgunder, alter Rhein wein und französischer Sect erster Marke — sta-mmte aus Ge schenken und dem Nachlasse von Roloff'S seligkm Schwiegervater her, einem Kcnn«r und Liebhaber eines edlen Tropfens. Nur ganz selten rührte der Alte an d«s«n Schatz. Die andere Hälfte aber, seinen berüchtigten Mosel, sollte der Gutsbesitzer auf einer Auktion in Berlin erstanden haben. Andere behaupteten, für Wein hätte der alte Geizhals überhaupt noch nie einen Pfennig ausgegeben. Dieser anrüchig« Mosel, den man auf Grünebcrger unter falscher Etikette taxirte, sei ihm für eine Schuldfordorung an einen durchgegangenen Weinhändler zuge- fallen, der seine besseren Marken schon vorher zu Geld« gemacht. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8 November. Die BundeSrathSauSscküsse haben die zweite Lesung der Zolltarisgcsctze beendet. So meldet bekanntlich der „Bert. Lcc.-Anz." und von anderer Seite wird dazu berichtet, eS seien „viele und theilweise wichtige Aenderungen vorgenommen worden". Andere Bigilanten wissen im Gcgentheil zu ver sickern, man habe „äußerst wenig" an den veröffentlichten Ent würfen geändert. Spätestens am 26. November wird sich Heraus stellen, wer Recht hat. Inzwischen streitet man weniger über die Gestaltung des ZollgcsetzeS und Zolltarifs selbst, als über die geschäftliche Behandlung der beiden Materien im Reichs tage. ES ist, wie wir schon erwähnt, in der Presse angeregt worden, nur Thcile der Entwürfe einer Com mission zu überweisen und gerade die grundlegenden Be stimmungen, vor Allem den Doppeltarif für Getreide, ohne kommissarische Beraihung in zweiter Lesung in der Vollver- sammlung zu erledigen. Der Vorschlag hat viel Anklang gefunden, was sich daraus erklärt, daß über die „Principien" in der Tbal genug geredet und geschrieben worden ist. Tie Einwendungen, die zumeist von konservativer unv klerikaler Seite auSgehen, sind taktischer Natur. Tie an sich dem Zollsckutze geneigte, aber in vielen Einzel heiten gespaltene Mehrheit des Reichstags müsse, so sagt man, geeinigt in die zweite Lesung eintreten, eine Verstän digung aber werde sich laum anders, als in einer Commission erreichen lassen. Das sagen wenigstens die Conservativcn gerade heraus. Centrumsorgane, die ebenso denken, machen Ausflüchte, so den, ohne Commissionsberalhung würden die Etatöverhandlungcu die Zeit biS nach Ostern sür die Zoll gesetze ungenützt verstreichen lassen. Auf diesen Vorwand ist zu erwidern, daß man sich beim Etat beschränken kann und soll. Ter ehrlich gemeinte Einwand hingegen bedarf sorgfältiger Prüfung. Vorher muß ganze Verständigung außerhalb deS Plenum« stattfinden, das versteht sich für die positiv gerichteten, aber nickt in jedem Siück einigen Parteien und Parteien- schattirungen von selbst. Sucht man sie nicht in der officiellen Commission, so wird man in „freien" Ver handlungen nach ihr trachten müssen. Es ist fraglich, ob dieser Weg rascher zum Ziele führt, nnd es ist gewiß, daß der Contact mit den Regierungen — der Plural erlangt vielleicht große praktische Bedeutung — ist unentbehrlich für beide Tbeile, auch in dem waS man „grundlegend" nennt. Wer will beispielsweise heute sagen, ob die vier Nummern de« Doppeltarifs nicht gemindert oder ob einzelne Sätze dieses Ta rifs, z. B. der von landwirthschaftlicher Seite heftig angefoch tene für den Futterstoff Hafer, nicht herabgesetzt werden könn ten ? Umgekehrt ist eS wenigstens theoretisch nicht ausgeschlossen, daß man sich über die nachträgliche Einbeziehung des einen Der Alte hatte ursprünglich diesen Krätzer allein auf die Tafel bringen wollen . . . das fei früher auch immer so gewesen. „Aber Herr Oekonomierath, viele Herren, gerade bei uns in Norddcutschland, trinken Mosel überhaupt nicht gern", meinte Platen lächelnd. „Und, offen gesagt, d e r Mosel wäre auch nicht moin Geschmack." „Ach was, — meine Nachbarn sind nicht solche Sybariten, wie Sie." „Na. wie ich die Herren kennen gelernt, verstehen sie sich alle- sammt auf einen guten Tropfen. Ucberhaupt, auf eine anständige Tafel gehör! rother und weißer Wein, — zwei Sorten ist das Allermindeste — und nachher Sect." „Jh, was Ihnen einfällt! — Bei uns auf dem Lande... Ich bin kein Berliner Bankier." „Bei Baron Maltenitz gab es neulich vier Sorten, eine immer fein«r und besser, als die ander« — zum Schluß Roeverer carte blanche." Der Alte hohnlachte grimmig bei dem Gedanken, daß man ihm eine ähnliche Verschwendung zumuthen wolle. „Der Baron ist ein Aristokrat — schwerreicher Mkjorcvts- herr ... Ich bin ein armer Landwirth, der schwer zu kämpfen hat" Platen hatte <S schließlich doch durchgeseht, daß der rvthe Burgunder ebenfalls auf von Tisch kam. Aber der Alte hatte davon nur einige Flaschen auffahren lassen, die bald ausgetrunken waren, da die Meisten (bis auf den Pastor und Platen selbst) den Mosel »infach verschmähten. Kurz, nachdem jene Bemerkung gefallen war — Platen hatte sich unbemerkt entfernt — tauchte Jochen mit einem großen Korb voll Burgunder und Rüdesheimer 1882er auf, was mit Jubel begrüßt wurde. Der Alte schäumt« innerlich vor Wuth. Er hatte Lisbeth die Kellerschlüssel anvertraut, aber strengsten Befehl gegeben, nur auf seine besonder« Ordre Wein auszufolgen. Hott« nun der ver dammte Inspektor, der sich in Alles einmischte, solche Ordre vor geschützt. oder hatte Lisbeth auf eigene Verantwortung gehandelt? Schaudernd überschlug er im Geiste die Summen, die dieser edle Wein einst, freilich nicht ihn, gekostet l-atten. Aber, was wollte er machcn — eS war zu spät. Ec hörte mit etwas saurer Miene di« Lobsprüch« an, die diese Kenner den edlen Marken spendeten. Dem Inspektor wollte er aber heute Abend seine Meinung gründlich sagen, und seiner Gans von Tochter auch. Am liebsten hätte er Platen gleich abgekanzelt, wäre es nur möglich gewesen. Laß der Mensch nicht da und lächelte ganz un- Der Krieg in Südafrika. Trupponarmiith in Snglanv. Großbritannien ist, so lange es ein stehendes Heer hat, noch niemals derartig von regulären Truppen entblößt gewesen, wie dies heute thatsächlich der Fall ist. Der Krieg hat einfach das ganze vorhandene Material in Anspruch genommen, und was heute noch an thatsächlichen Truppenverbänden in England vor handen ist, langt noch nicht einmal für den regulären Garnison dienst aus und besteht im klebrigen meistens aus ganz rohen Necruten oder halbinvaliden alten Soldaten, da Alles, was noch einigermaßen ausgebildet und kriegstüchtig war, regelmäßig auf das dringende Verlangen des Lord Kitchener hin, baldestmöglich nachgeschobcn werden muhte. Heute befindet sich die Regierung in der sehr prekären Lage, mit dem peinlichen Geständniß dein Lande gegenüber nicht viel länger mehr zurllckhalten zu können, daß sie, was die Aufrechterhaltung des stehenden Heimathheeres anbetrifft, einfach bankerott ist. Die berühmten drei Armee korps, die angeblich seit dem 15. Oktober existiren sollen, um das Heimathheer auszumachen, haben einstweilen immer noch einen mehr als nebelhaften Charakter, und in Wirklichkeit sind kaum so viele Compagnien vorhanden, als Regimenter auf dem Papier aufgestellt sind. Diese Thatsachen werden natürlich an Erntezrit — heiße, sonnendurchglühte, mühe- und arbeits reich« Tage ohne Rast und Ende. Die Sense blinkt, die Schnitter schwingen dir braunen Arme, uttd die Mähmaschine, Versuchs weis« von Platen eingeführt, zieht ihre breiten Furchen durch daS gelbe Halmenmeer. „Von der Stirne heiß rinnt der Schweiß", bis endlich der letzte beladene Wagen in die weit ge öffneten Thore des Hofe» schwankt. Jetzt erst gehört die Ernte dem Landwirth, wenn er sie nicht schon vorher auf dem Halme verpfändet hat. Und jetzt, nach gethaner Arbeit, im sicheren Besitze, feiert er nach altem Brauch, der zu allen Zeiten und bet allen Völkern in verschiedenen Formen wiederkehrt, das frohe Fest der Ernte. Der Orkononrierath hatte es in den letzten Jahren auf das dauernd sorgfältig vertuscht oder so weit als möglich geheim gehalten, und auf alle Anzapfungen der englischen Presse ant wortet man von oben herab mit prächtigen Zahlenreihen und Dislocationsplänen, die denn auch immer wieder für kurze Zeit wißbegierigen Leuten Sand in die Augen streuen. Wenn bisher noch einige komplette Regimenter Fußvolk oder Reiterei, abgesehen von den sogenannten Haushaltstruppen, den vier Gardeinfanterieregimentern und dreiGardrreiterrcgimentern, in den großen Uebungslagern in Aldershot, Salisbury Plain u. s. w. vorhanden waren, so werden diese, falls Kitchener wirk lich seinen Willen bekommt, ebenfalls innerhalb der nächsten vier oder neun Wochen nur noch im Skelett existiren. Augen blicklich befinden sich ungefähr 6000 Mann unter Orders für Südafrika, und diese 6000 sollen nun wirklich das Allerletzte sein, was England noch an Truppen hinaussenden kann. Wohl verstanden, hinaussenden, nicht etwa entbehren kann, denn das vereinigte Königreich ist thatsächlich schon der artig von Truppen entblößt, daß seit geraumer Zeit in der Presse wiederholt auf diesen mehr als gefährlichen und bedrohlichen Uebelstand energisch hingewiesen wurde. In dem großen Heerlager von Aldershot, wo sonst zuweilen 10 bis 15 Regimenter Cavallerie lagern und ihre großen Hebungen ausführen, liegen heute noch zwei sogenannte Reiterregimenter, die 2. Gardedraaoner und die 7. Husaren, die Mitte dieses Monats nach Südafrika gehen, nachdem sie bereits vorher durch fortwährendes Abgeben von Officicrcn und Mannschaften schon fast auf ihren halben Etat reducirt worden sind. Mitte November wird dann das unerhörte und nie da gewesene Ereigniß eintreten, daß das Heerlager von Aldershot, sonst das Centrum und die Hochschule des ganzen britischen Heerwesens, auch nicht eine einzige Schwadron Cav'e.llerie auf zuweisen haben wird. Allerdings sollen die 21. Lancers von Dublin nach Aldershot verlegt werden, aber man spricht schon jetzt davon, daß auch diese, wenigstens zum größten Theil, ihren übrigen Kameraden nach dem Kriegsschauplätze werden nachfolgen müssen. Mit der Infanterie und den Specialwaffen sieht es ähnlich aus. Was nur eben ein Pferd besteigen kann, wird in un glaublich kurzer Zeit zum sogenannten „berittenen Infanteristen" gemacht und nach Südafrika versandt, und durch die fort währenden Nachschübe von kaum ausgebildeten Recruten als Ersatztruppen sind die überhaupt noch im vereinigten König reiche qarnisonirenden Infanterieregimente! meistens unter den Etat eines Friedensbotaillons herabgesunken. Alle diese Umstände lassen es als höchst wahrscheinlich er scheinen. daß die Regierung schon in allernächster Zukunft zu einem sehr kostspieligen und wenig zuverlässigen Mittel greifen muß, um die herrschende große Truppennoth, wenigstens zum Theil, wenn auch durchaus ungenügend, auszugleichen. Man wird zu diesem Zwecke die Miliz in großem Umfange ein berufen lind auf diese Weise für Zehntausende von Landes lindern einen militärischen Zwangsdienst schaffen, wenn auch natürlich angeblich nur temporär, der dann England wieder mit kleinen Garnisonen versehen wird, die aber vom militärischen Standpunkte ans nur einen höchst minimalen Werth besitzen. „Das Gespenst der dem Engländer so verhaßten allge meinen Wehrpflicht steht eben dicht vor der Thür und wird sich auch sobald nicht abweisen lassen." * London, 8. November. (Telegramm.) „Reuter'k Bureau" berichtet aus Rietspruit unter dem 6. November: Drei Colonnen führten gestern Abend und heute früh einen Marsch von 18 Meilen aus und griffen die in Rietspruit stehen den Boeren an. Feldcornet Kroose und fünf andere Boeren wurden gefangen genommen. In Winberg haben sich zwei Boeren ergeben. »tat. kl» Der Oekonomierath verlangte etwas von seinen Leuten. Und Platen, aus Liebe zur Sache schon ein tüchtiger Landwirth, von Haus aus pflichtgetreu unv energisch, wollte dem Alten be ruflich noch ganz besonders imponiren. So blieben in der schönsten Jahreszeit eigentlich nur die Sonntage übrig; und die füllten Besuche und Besucher, der übliche Kirchgang, auf den der Oekonomierath streng hielt, und Kartenspiel mit dem Alten und dem Pfarrer aus. Nach Tische verschwand Lisbeth meistens sogleich, während ihn der Oekonomierath zurückhielt. Nur zuweilen, wenn er sich an das alte Tafelclavier setzte — es stammte noch aus der Aus steuer ihrer verstorbenen Mutter —, blieb sie lauschend im Zimmer. Sie liebte die Musik, und er spielte für einen Laien recht gut. In solchen Augenblicken schwoll ihm freudig das Herz; seine ganze Seele, Alles, waS er für sie fühlte, legte er in sein Spiel, um ihr in Tön«n zu sagen, was er in Worten nicht wagte und vermocht«. Sie saß in seiner Näh« und schaute ihn ernst, wie fragend an. Am liebsten hätte er sie in seine Arme gezogen, hätte das lieb«, ernste Gesichtchen geküßt und ihr Alles gestanden. Aber der Moment, fick mit ihr auszusprechen, kam nie. Und da er auch eine leise, geheime Furcht vor dieser Aussprache hatte, verschob er sie von Tag zu Tag. Nöthigste beschränkt, sehr zum Aerger seiner Leute, die es als 'vr unveräußerliches Recht betrachteten, sich an diesem Tage ge hörig zu betrinken. Diesmal sollte das Fest wieder mit be sonderem Glanze begangen werden, das lxitte der Inspektor den Leuten versprochen und auch beim „Herrn" durchgesetzt. Platen machte ihm klar, daß zu weit getriebene Sparsamkeit in gewissen Dingen sine Thorheit sei, daß manche Unzufriedenheit ausgelöscht würde, w«nn man sich bei solchen Gelegenheiten nicht knickrig zeigte. Da die Ernte großartig ausgefallen war, die Preise auf be friedigender Höhe standen, alle Nebcnbetricbe glänzend rentirten, so gab der Oekonomierath nach, steckte den nothleidcnden Agrarier diesmal in die Tasche und ließ tüchtig auffahren. In einer der großen Scheunen hatte man Tische und Bänke ausgcschlagen. Es gab reichlich Bier und zu essen. Die Musik — Geige, Trompete und Clarinette — hatte Platen auf seine eigenen Kosten aus Klützow kommen lassen. Das Völkchen war vergnügt und tanzte, daß der Boden zitterte und die Röcke flogen Der Tay war heiß, und der Schweiß des Vergnügens lief den Leuten über die strahlenden Gesichter. Staub wirbelte auf, dazu lautes Lärmen und das Lachen und Kreischen der Weiber, wenn der Galan im heißen Liebesdrange gar zu zudringlich wurde. Dem „Herrn" hatten sic mit Ehrentanz, Erntekrone, Ansprache und Lebehochs alle Ehren angcthan, die sie zu vergeben hatten und die ihm gebührten. Aber dem Inspektor, der sich ihre Herzen gewonnen, ihm jauchzten sie zu. Die Mädchen drängten sich an ihn; Alle wollten sie mit ihm tanzen, und sie kicherten erröthend über seine, der Umgebung und Situation angepaßten Scherze. Die Männer tranken ihm zu und riefen „Hoch" und „Hurrah", als er einen kleinen Speech hielt und auf seine Kosten Cigarren vertheilen ließ. Der Oekonomierath sah und hörte das Alle» und ärgerte fick. Es war ihm nicht ganz klar, weshalb er sich ärgerte — denn diese Leute waren in seinen Augen nur lebende Maschinen, deren per sönliche Meinung und Sympathien ihm höchst gleichgiltig waren, sobald sie seine Interessen nicht verletzten. Aber mit diesem Herrn Inspektor hatten sie sich doch gar zu sehr — förmlich, als ob er hier der Herr und Gebieter sei, und der Oekonomierath selbst nur der Inspektor. Und da» war doch ärgerlich. Draußen im Garten vor der Lcrubr stand die Tafel für die Gäste. Roloff mußte sich nach langer Zeit wieder einmal für manche Jagdeinladung, für manches Frühstück bei einem Ge schäftsabschlüsse oder beim Kreistage revanchirrn — und so wollte er das „in einem Aufwaschen' abmachen. Freilich, er hatte sich gedreht und gewunden, al» ihm Platen Die deutsche» Protestkundgebungen. SS Die Protestkundgebungen, die in zahlreichen deutschen Städten gegen die letzte Unverschämtheit Chamber lai n' s veranstaltet werden, scheinen gewisse einflußreiche Kreise der Reichshauptstadt unangenehm zu berühren. Wenigstens liegt die Annahme nahe, daß die „ Nat. - Zt g. " der Stimmung dieser Kreise Rechnung trägt, wenn sie die Ansicht äußert, man lege der Aeußerung Chamberlain's eine ungebührliche Bedeutung bei und steigere durch derartige Protest kundgebungen lediglich die englische Einbildung. Ver stärkt wird diese Annahme dadurch, daß auch die „Post" sich gegen jene Kundgebungen erklärt, auf das Schweigen der Oesterreicher, der Franzosen und d«r Russin, die bei jenem Vergleiche Chamberlain's zwischen dem Verhalten anderer Staaten im Kriege und dem Auftreten der Engländer in Süd afrika auch erwähnt worden seien, hinweist und den deutschen Protestlern den Vorwurf macht, sie arbeiteten mit ihren Kund gebungen nur Denen in die Hände, die Deutschland isoliren und England zu einer Verständigung mit Deutschland und Rußland bringen möchten. Wir geben zu, daß es durchaus nicht nothwendig ist, auf jede englische Unverschämtheit zu antworten; Vies ist schon gar nicht möglich, denn sonst hätte die deutsche Presse überhaupt für nichts Anderes Raum. Aber es ist denn doch etwas Anderes, ob irgend ein beliebiges englisches Blatt Deutschland beleidigt, oder ob di« Beleidigung von einem Staatsmann« ausgeht, der, wenn auch nicht nominell, so doch faktisch der leitende Staatsmann der großen englischen Monarchie ist. Wenn in diesem Staatsmann erst einmal die Ueberzeugung sich festsetzte, daß man in Deutschland derartige Beleidigungen ruhig einsteckte» so würde es — dessen kann man bei dem Charakter des Herrn Joseph Chamberlain gewiß sein — bald nicht mehr bei bloßen Beleidigungen bleiben. Zum Zweiten kommt es neben der Persönlichkeit, von der die Beleidigung ausgeht, auch darauf an, was dm Inhalt der Beleidigung bildet. Hätte Chamberlain irgend ein gering schätziges Wort über Deutschland gesprochen, hätte er beispiels weise di« Deutschen für minder intelligent oder minder thatkräftig erklärt, als seine Landsleute, so hätte man schließlich darüber mit einem Achselzucken hinweggehen können. Wenn aber ein so hochgestellter Staatsmann, der doch schließlich schon um der Publicität willen, die seine Auslassungen erhalten, verpflichtet ist, etwas mehr auf seine Worte zu achten, als irgend rin Stammtisch philister, die im „Sckweinestechen", der Niederbrennung ganzer Orte, in der Plünderung, in der Mißhandlung von Frauen und Kindern wohlg«llbten englischen Soldaten und Osficiere mit den deutschen Helden von 1870 hinsichtlich der Art der Kriegsfllhrung auf ein: Stufe, ja sogar über die Deutschen zu stellen wagt, so meinen wir, daß man es den Männern, die 1870 für das Vaterland geblutet haben, schuldig sei, einen solchen Vergleich als das zu charakterisiren, was er ist: als eine Unverschämt heit. Und eS ist ein natürliches und wohlberechtigtes Em pfinden, wenn jetzt vielfach gerade die Kriegervereine gegen die Chamberlain'sche Aeußerung mobil machen und ihre tiefste Ent rüstung über seine Beschuldigungen und Verdächtigungen aus sprechen. Und welchen Nachtheil sollten derartige Kundgebungen für Deutschland haben? Gerade Herr Chamberlain denkt am aller letzten daran, Gefühlspolitik zu machen und wegen eines Trittes auf seine moralischen Hühneraugen Bündnisse abzuschließen, die er nickt sür vortheilhaft hält. So ist denn auch mit voller Bestimmtheit anzunehmen, daß Fürst Bismarck, wenn er noch lebte und am Ruder wäre, die deutschen Protestkund gebungen nicht nur nicht mißbilligen, sondern ihnen sogar in
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