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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.11.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011116023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901111602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901111602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
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- Monat1901-11
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Abend-Ausgabe Druck und Verlag von E. Pol- in Leipzig. 95. Jahrgang. Nr. 586 Sonnabend den 16. November 1901 ^enilletsn 4j e Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördrrung 60.—, mit Postbesörderung ./L 70 - , lagern versandt. Das Manifest fordert die socialistischen parlamentarischen Fraktionen aller Länder auf, an ihre Re gierungen, wenn möglich an einem Tage, nämlich am 26. d. M-, Interpellationen zu richten, um eine wirksame Intervention zu erlangen. In bem Lande, wo es keine socialistischen Deputaten gebe, sollen große Volksversammlungen abgehalten werden. Das Manifest weist die Unterschriften sämmtlicher auswärtiger Mitglieder, einschließlich der englischen, auf. kleinere Gefechte. * Lands», 16. November. (Telegramm.) Eine De pesche Lord Kitchener's aus Pretoria vom 15. No vember meldet: Oberst Hiekie, der feststellte, daß sich die Boeren im Westen von Schoen spruit concentriren, sandte am 13. November aus Brakespruit eine starke Patrouille zur Aufklärung. Die Patrouille wurde von 300 Boeren umzingelt und verlor 6 Todte, 16 Verwun dete und mehrere Gefangene, welch letztere später sreigelafsen wurden. Oberst Hiekie ging alsdann vor und trieb die Boeren zurück. — Ferner meldet Kitchener: Die Nachhut der Trupen des Obersten Bynf wurde gestern in der Nähe von Heilbronn von 400 Boeren, deren Komman dant Dewet gewesen sein sott, angegriffen. Nach einem zweistündigen Kampf wurde der Angriff abgeschlagen. Die Boeren zogen sich darauf unter Zurücklassung von 8 Tobten zurück. Die Verluste der Engländer betragen: ein Officier und «in Mann sind todt, 3 Officiere und 9 Mann verwundet. * Pretoria. 15. November. („Reuter's Bureau.") Oberst Dawkins nahm am 10. November in dem Bezirke von Watcrbcrg 24 Boeren gefangen und erbeutete eine An zahl Gewehrt. Kleinere Boerenabtheilungen mit Pferden und Gewehren fielen im Südosten von Transvaal in die Hände des Obersten Plumer. * Pretoria, 15. November. Eine Abteilung einer süd afrikanischen Polizeitruppe griff Dutoit's Lager cm 11. November bei Darmhoet an, machte 13 Gefangene und erbeutete 7 Gewehre und 39 Pferde. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1«. November. Wie bereit- mitgerheilt wurde, haben in den letzten Tagen Besprechungen zwischen dem Reichsschatzsekretär und Vertretern der einzelftaatlickeu Finanrverwalt ungen über die Finanzlage im Reiche und in den t-inzrlftaaten stattgefunden. Zu einem Abschlüsse sind kiese Besprechungen noch nicht gekommen, aus den „Bcrl. Polin Nacbr." erfährt man aber wenigstens, welcher der gemachten Borschläge die meiste Aussicht aus Verwirklichung zu haben scheint. Nachdem daS offlciöse Organ zunächst sestgestellt hat, daß die Berbandlungen sich nicht aus die künftige Steuer- und Finanzreform im Reiche, sondern nur auf die Ueberwindung der Schwierig keiten bezogen haben, die aus der ungünstigen Gestaltung dcS Verhältnisses zwischen den Einnahmen und Ausgaben veS Betreff- der Aeußeruog des englischen Minister« Ehamkerlaia über die veutscbe Kriegsfübrung 1870/71 erläßt jetzt der Borsland de- Deutschen Kriegerbundes und vcs Preußischen Lande--Kriegerverbandes folgende Erklärung: „Zahlreiche, von Verbänden, Vereinen und einzelnen Kameraden an uns gerichtete Zuschriften sprechen ihre Verwunderung ans, daß der Bvlftand des Deutschen Kriegerbundes oder der Vorstand des Preußischen Landes-Kriegrrverbaudes noch keine Protesterklärung gegen die Aeußerung des englischen Ministers Chamberlain erlassen hat, und sie drücken die Erwartung aus, Laß eine solche erfolgt. Der unterzeichnete Vorstand des Preußischen Laodes-Kriegerverbandes erklärt sich, in Uebereinstimmung mit dem Präsidium Les Königlich Sächsischen MilitärvereiuSbundes, gegen eine Protestkund gebung. Angriffe gegen die deutsche Kriegssührung zurückzuweisen, fall« dies sür oothwendig gehalten werden sollte, ist nicht Sache der einzelnen Soldaten und auch nicht diejenige von Bereinigungen ehe maliger Krieger, sondern muß einzig undallein der beruseoeuBer- tretung der deutschen Wehrkraft überlassen werden, zumal aber daun, wenn eS sich um Leu Minister einer fremden Re gierung handelt. Die Vorstände des Deutschen Kriegerbundes und des Preußischen LandeS-LriegervcrbandeS nehmen für sich in An spruch, daß sie an Gefühlen nationaler Begeisterung und Vater landsliebe Niemandem uachstehen, aber sie haben di« ernstesten Gründe zu der dringenden Bitte au die Verbände und Ver eine, sich jeder Kundgebung in dieser Angelegenheit zu ent halten." Die „Nat.-Ztg." bemerkt zu dieser Erklärung, vielleicht würden sich nun auch diejenigen Blätter, die ihr Vorhaltungen über ihre nationale« Pflichten gemacht, weil sie von uunötbizen Demonstrationen abgemabnt, beruhigen. Im Gegentheil. Erst jetzt erkennt man, woher die „Nat.-Ztg." das Conimando zu ihrer Warnung empfangen hat, und man siebt zugleich, wie überaus ungeschickt dieses Eommando auSgeführt worden ist. Für die Borstände der Kriegerverbände ist ein ihnen zugchenker Wink ein sehr ernster Grund zum Gehorsam; und diesen Gehorsam leisten sie, ohne nach anderen Gründen zu suchen. Wenn aber ein „unabhängiges" Blatt, nm feinen Gehorsam zu verschleiern, sich auf die Suche nach Gründen beliebt und keinen anderen findet, als den, Cbarnberlam'S Beleidigung sei, nach Uhr und Elle gemessen, eine geringfügige, so beweist eS, daß eS noch ungeschickter al- dienstbeflissen ist. Bezug--Preis, Hst 1er HauptexpeHtion oder den lm Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- aaoeftellen abgeholt: vierteljährlich.M 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hans >ll 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vterteljührl. 6, Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlog bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egopteu. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug »ur unter Kreuzband durch di« Expevinou dieses Blattes möglich. Die Morgenausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-AuSgave Wochentag- um 5 Uhr. Ned«tioa und Lrpeditiorr: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm s Sortim. Umverstlät-tzraße 3 (Pauliuum), Louis Lösche, Katbarlnrnstr. 14, -ort. und König-Platz 7. Die Mitglieder deS National-Comitvs der französischen GrnbenarAeiter, die, wie gemeldet, am Mittwoch von dem Arbeitsausschuß der Kammer über die Einschränkung des Arbeitstage- auf acht Stunden vernommen wurden, zeigen sich von dem Resultate ihrer Unterredung recht befriedigt, da sie der Ansicht sind, die Mitglieder deS Arbeitsausschusses von der Möglichkeit überzeugt zu haben, den Arbeitstag der Grubenleuke auf acht Stunden zu beschränken, ohne daß dadurch die Förderung irgend welche Einbuße erleiden würde. Zwei Argumente batten auf die Mit glieder des ArbeitsauSschussesEindruckgemacht. DaS erste ist das Beispiel herunter dem Namen „8a MineauxMincurS" bekannten Cooperatio-Grubeugesellschaft von Montvieux (Loire), wo der Achtstundentag längst eingesübrt ist und unter wesentlich uugüusiigeren Arbett-bediugungen eine höhere Förderung ermöglichen soll als in anderen Unternehmungen. Anderer seits verwiesen die Deligirten darauf, daß weitaus die Mehrheit der Grubenleute im Accordlohne steht, daß also Der Lriez in Südafrika. Der Kr-»e«»«rst von Graspan. AuS Dordrecht wird zu dem von uns bereits mitgetheilten haarsträubenden Fall britischer Bestialität weiter berichtet: Die brutsche Wochenzeitung rn den Niederlanden" veröffentlichte bekanntlich in ihrer Nummer vom 6. October die Mittheilung der Frau Cremer, wonach die Engländer zu Graspan bei Reitz Deckung hinter Boerenfrauen gesucht und unter ihren Armen hindurch auf die Boeren gefeuert haben. Als diese das Feuer erwiderten, tödteten sie 8 Frauen und 2 Kinder. Der „Nieuwe Notterdamsche Courant" meldete am 12. October, daß hm von einem ehemaligen, jetzt in Holland weilenden Ge fangenen dieser Bericht bestätigt worden sei. Und jetzt stellt sich heraus, daß der „Manchester Guardian" bei der Veröffent lichung des vom Präsidenten Steijn an Kitchener als Antwort auf dessen Proclamation gerichteten Schreibens einen Theil des selben, der sich gleichfalls auf diesen Frauenmord zu Graspan bezieht, fortgelassen hat. Den betr. Brief finden wir vollständig in „New Age" vom 7. d. Mts., und die unterschlagenen Zeilen bestätigen in jeder Hinsicht die von der „D. Wochenztg." mitge theilten Thatsachcn. Uebersetzt lauten sie: . . und die Truppen Ihrer Exc. haben sich nicht gescheut, mit Geschütz auf sie (die Frauen) zu feuern, wenn sie — sei es mit oder ohne Wagen — flohen, damit sie ihnen auf diese Weise in die Hände fallen sollten. Viele Frauen wurden so gelobtet oder verwundet. Dies war der Fall zu Graspan bei Reitz am 6. Juni 1901, wo ein Frauenlagrr (und kein Wagenzug, wie Ihrer Exc. berichtet wurde) durch Ihrer Exc. Streitmacht ge nommen und von den Unserigen wieder erobert wurde, während Ihrer Exc. Soldaten hinter diesen Frauen Schutz suchten. Als ihre Verstärkungen ankamen, feuerten sie mit Geschütz und Handwaffe» auf das Frauenlager. Ich könnte hundert solcher Fälle anführen, allein ich halte es nicht für nöthig, denn wenn Ihre Excellenz sich die Mühe geben wollen, einen wahrheitsliebenden Soldaten zu befragen, so wird dieser Sie Wahrheit meiner Behauptungen zugeben müssen." Es ist wohl überflüssig, zu fragen, warum das englische Blatt gerade diese Stelle aus dem amtlichen Briefwechsel zwischen Präsident Steijn und Lord Kitchener unterschlug . . . Tie dentscheu ProtestkunSaebnugeu. Die Londoner Presse schwieg bisher im Allgemeinen zu der deutschen Chamberlain-Bewegung. Jetzt antwortet „Daily Graphic" mit großer Erbitterung und erklärt, nichts könne die „Heuchelei" und „bewußte Verlogen heit" Vieser „Hetze" übertreffen. Das Blatt giebt als Probe der „Lügen" den Protest der evangelischen Geistlichkeit der Rheinprovinz wieder, wonach die Engländer im Gefecht sich hinter den Leibern der Frauen und alten Männer versteckten. (Siehe oben. D. Red.) Das Matt fordert diplomatisches Einschreiten und tadelt, daß die Regierung und die Presse diese „Hetze" nur mit dem Schweigen der Verachtung strafen. Die Verachtung ist ganz auf unserer, Heuchelei und bewußte Verlogenheit ganz auf englischer Seite, was freilich die unaus rottbare. weil zur Nationaleigenschaft gewordene, dornirte eng lische Selbstüberhebung und Verblendung niemals wahr haben wird. An ihr prallt Alles ab; sie merkt es nicht einmal, wenn sie sich — lächerlich macht. Die Klüchtiing-Hölleu. * Brüssel, 15. November. Da« internationale socialistische Bureau hat einen Protest gegen das Vorgehen der Engländer in den Fluch tlingS- Maiglöckchenduft zu riechen. Selbst im Traum spielten diese Parfümlobolde eine Nolle; von allen Seiten schleppten sie Näucherschaufeln, Zerstäuber in allen Formen und Parfüm flaschen herbei und nannten dem Schläfer all die Namen, die er in den Zimmern des alten Grafen gelesen: Eau de Lavande Ambröc, Syringa, Conifcrenduft, Lawcndelwasser, nannten sich die niedlichen Elfengcstalten, die den Träumer umtanzten und einer Fee in langem, weißem Gewände huldigten, die sich Ozonia nannte und auf eine weiße Marmorbüste deutete, die ein wunder bar schönes Mädchen darstellte, jenes geheimnißvolle Wesen, dessen Namen man nicht kannte. Drittes Capitel. Das Nächste, was Franz v. Eder in den folgenden, ein förmig verlausenden Wochen that, war, daß er seinen Freund Osenmann im erbprinzlichen Palais wieder einmal aufsuchte. „Ah, Herr Baron, welche Ehre", rief der Mann in auf richtiger Freude, „gestatten Sic, daß ich Ihnen meine Frau vorstelle." v. Eder sagte der stattlichen Dame Osenmann einige Complimente. „Liebe Luise", sagte der Haushofmeister, „bitte, besorge uns eine Flasche von dem Ofener, und sorge dann dafür, daß wir nicht gestört werden. Nicht wahr, Herr Baron, Sie er lauben doch? Ist Ihnen eine Cigarre gefällig?" „Nur nicht zu viel auf einmal, lieber Osenmann. Ich rauche für gewöhnlich nur Cigaretten. Darf ich Ihnen von meinen eine anbirten? Echte Egyptier . . ." Franz hielt dem Haushofmeister die Cigarettrndose hin; Osenmann, sichtlich erstaunt, zögerte, sich zu bedienen. „O, Sie sind wahrscheinlich rin Cigarettengegner . . .?" „Nicht doch, Herr Baron, ich nehme eine mit großem Danke an. Ich war nur im ersten Augenblick frappirt über die Aehn- licbkeit Ihres Etuis mit einem, das ich genau kenne. Aber warum sollte es nicht ein ähnliches geben . . ." „Ach so", lächelte Franz, als er seine Unvorsichtigkeit be- merkte, dieses Etui ist schon von Vielen bewundert worden; es ist ein liebes Geschenk, freilich für mich viel zu kostbar. Sie haben natürlich oft Gelegenheit, solche Sachen zu sehen." „Ja, es ist oft sonderbar", bemerkte Osenmann, „unter anderen Umständen hätte ich fast schwören mögen, es sei das Ciaaretten-Etui des Prinzen Frazzilo . . . Merkwürdige Ge ballten, Herr Baron, nicht wahr? Ah, da kommt der Wein." ftloNz wollte und konnte di» Geschichte de« Etuis nicht erzählen und berichtete daher eifrig, was er beim Grafen Vesan erlebt. In der Hauptsache war es ihm darum zu thun, von Osenmann zu hören, ob man in den maßgebenden Kreisen Anzeigen Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redarrionsstrich (4 gespalten) 7S H, vor den Familiennach« richten (ti gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2ö H (excl. Portot. Reiche- für da- Zahr 1902 einem großen Theil« der Bundesstaaten zu erwachsen drohen, fährt e- fort: „Tie EtatSaussiellung ergiebt ein stark«- Zurückbleiben der ordentlichen Einnahmen drS Reiche- hinter den ordentlichen Aus- gaben und sieht deshalb di« Ausschreibung eines hohen Betrage» von nicht durch Ueberweisungen gedeckten Matrikularumlageo vor. So stark« Zuschüsse au- eigenen Mittel» für den Reich«, auswand zu leisten, fällt Len meisten Bundesstaaten schwer, bedeutet für die minder finanzkräftigen unter ihnen geradezu eine Zerrüttung der Finanzen. Nameotlich schwer würden die thüringischen Wittel- und Kleinstaaten betroffen werden, die ohne reich revttieade Staatsbetriebe schon jetzt zuräußerstenAnspannung der directen Steuern geuöthigt und daher absolut außer Stande sind, den ihnen in Aussicht gestellten Zuschuß zur ReichScasse aufzubringen. Es war somit ein noölle otlleium der Reichsverwaltung, ja sAbst eine Rothwendigkeit, von den minder kräftigen Bundesstaaten diese Gefahr abzuwenden. Für die Wahl der Wittel zur Erreichung de- Ziele- kam in Betracht, daß das Mißverhältuiß zwischen Einnahmen und Ausgaben oicht sowohl von einer übermäßigen Vermehrung der letzteren, als vou einer iingünstigen Gestaltung der ersteren herrührt. Wohl steigen auch manche Ausgabe», wir di« für dell Reich-zuschuß zu den Invalidin- und Altersrenten; ebenso lauf-n di« Au-gabra aus srüherea Bewilligungen fort, und die Rücksichten der Landes- vertheidiguug ziehen überhaupt der Beschränkung der Aus- gaben feste Grenzen. Aber di« Hauptursache liegt in der rück läufigen Bewegung wichtiger Einnahmen, vor Allem der Zölle und der Stempelsteuer, welche mit nicht weniger als einigen L0 Millionen Mark hinter dem rnormalea Ertrag« zurück- bleibt. Läßt sich somit der Ausgabebedarf gegenüber dem Etatsentwurf nicht erheblich ciujcbränken und uöthigt die Entwickelung der Einnahmen zu vorsichtigster Veranschlagung, so könnte nur noch die eine Möglichkeit ill Betracht kommen, den nothleidendeu Bundesstaaten eine Erleichterung zu schaffen, indem man von der Ausschreibung von Matrikularumlagen für einen Theil der nach dem Entwurf in den ordentlichen Etat ein- geordneten einmaligen Ausgaben absehen würde und deren Be- streitung, soweit erforderlich, aus Anleihen ermöglichte. Daß «ine solche Maßregel sehr unerwünscht ist, erscheint unbestreitbar, sie müßte aber gegenüber der andernfalls zu brfürchlendeu finanziellen Zerrüttung »ine- TheileS der Bundesstaaten als das kleinere Uebel erscheinen." In der That würde es sehr unerwünscht sein, wenn zur Bestreitung der einmaligen Au-gaben der Anleihcweg be schritten werden müßte, noch unerwünschter aber, wenn di« Emzelstaatcn zur D.ckung dieser Au-zaben herangezogen würden, wie eS bisher in der Absicht lag. Jedenfalls würde die Beschreitung deS AnleibewegeS den Bortbeil haben, daß dadurch derNeichSschatzsekretär und der ihm vorgcsetztc Reichskanzler geoölhigt würden, ihrerseits die „cur» porta- rioi" einer Richsfinanzreform sich mehr als bisher angelegen sein zu lassen. W,r hoffen daher, daß der BundeSrath iu Len sauren Änleihe-Apfel beißt. Ob die ausschlaggebende Fraction deS Reichstags, daS Cent rum, da- früher au» particuiarsstlschen Gründen ein Herz für di« Schmerzen der Einzelstaaten halte, neuerdings aber diese- Herz mehr dem Rejche zuwendet, in dem es unumschrällkter herrscht und mehr erreichen zu können hofft, als m eiozrlnen Tdeilen de« Reiches, für das Anleiheproject zu erwärmen fein wird, ist frerlich noch fraglich. Die Mannorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. «aüicruck verboU«. Ich bin seit Jahren", sagte er wie erklärend zu Franz gewandt, „für die Gesellschaft ein todter Mann! Als ich noch mein Amt versah, dachte ich mir es himmlisch, so ganz un abhängig und ohne GesellschaftSrücksichten für mich zu leben, und ich nahm mir vor, sobald ich könnte, mein Leben einfach und zwanglos zu gestalten. Und so kam es, daß die Menschen mich fast vergessen haben; selten, recht selten, verirrt sich ein alter Bekannter in meine Klause. Ich wollte es so und fühle mich ganz behaglich dabei . . . Hm! Mein« Festgrsellschafts- räume sind seit Langem verödet, aber meinem Neffen zulieü könnten sie sich doch wieder beleben; er ist ja der einzige Mensch, der mich mit der Gesellschaft verknüpft und für den ich ge bührend sorgen möchte. Nun, wir werden die Sache noch überleben können; eS müßt« sich hier ein: auserlesene Gesell schaft zusmnmenfinden, die außer Speise und Trank auch ein anregendes Concrrt antrrffen sollte. Um das letztere zu arran- giren, bedürfte es Ihrer freundlichen Unterstützung, Claire! Vielleicht ist der Tenorist Meier zur Mitwirkung zu bewegen. In meinen lange nicht benützten Gesellschaftsräumcn werde ich eine köstliche Luft herzustellen wissen, selbst im größeren Tanz saale unten wird sich mein Zerstäubungsapparat bewähren. Meinen Sie nicht auch, daß man am besten Flieder dabei ver wendet? Oder sind Sie für Rose MarÄhal Niel?" „Da- kann man Ihnen getrost überlassen", meinte die Sängerin lächelnd, „in diesen Dingen sind Sie unübertrefflich, Cie finden stets das Passende." Geschmeichelt verbeugte sich der Greis und erzählte noch ein Langes und Breites von dem Ozonateur, einem DesinfectionS- Apparat, den er in Anwendung bringen wollte. Zur bestimmten Stunde trat rin Diener ein und meldete: „Der Wagen ist vorgrfahren." „Schon so weit?" fragte der Graf höflich. „Wie schnell die Zeit vergebt in so angenehmer Gesellschaft!" Claire Verser verabschiedete sich von dem alten Grafen, der 'hr galant die Hand küßte: „Auf Wiedersehen!" Auch Trael und v. Eder verabschiedeten sich darauf und suchten ihr Heim auf. AIS Franz lange schon zu Bette lag, ohne einschlummern V kSgyen, glaubte er immer noch Lilac Eau de Cologne und vor Erstaunen fast nichts; im Herzen aber jubelten di« Abon nenten des Hoftheaters, daß endlich Jemand gewagt hatte, die Wahrheit zu bekennen. Der kleine Kreis, welcher aus Gründen allerlei Art zum Intendanten Digges hielt, fand die im „Boten" abgedruckte Kritik einfach anmaßend und unglaublich frech; man war empört und zugleich erschreckt über die Kühnheit des Ver fassers. Der Intendant Digges lief entrüstet zu seinem Schwager, dem Präsidenten Vietz-Vietz, dieser sandte im ersten Wuthanfall nach der Druckerei des „Boten" und ließ den Redacteur Trael zu sich entbieten. Herr Trael kannte jedoch kein Erschrecken und antwortet« dem Diener, sobald er hörte, um was es sich handle, daß er dem Herrn Präsidenten das Recht nicht zuerkenne, in Sachen seines Blattes mitzureden. Das nahm Herr Vietz-Vietz zu Steinwagen sehr übel — und sandte den Diener wieder. Diesmal sollte derselbe ein vor Kurzem zum Druck übergebenes Manuscript zurückfordern, da man den Auftrag anderswo her* stellen lassen wolle. Herr Trael antwortete, er erwarte in dieser Angelegenheit ein« schriftlich« Bitte mit Angabe des Grundes, dann wolle er es überlegen, was er thun lverd«. Präsident Vietz ließ sich in seiner Aufregung hinreißen, das Zurückfordern des Druckauftrages schriftlich zu wiederholen und als Grund anzugeben, weil die Zeitung Artikel veröffentlicht habe, dir ge eignet seien, herzogliche Institute verächtlich zu machen. Re dacteur Trael veröffentlichte Liesen Brief und machte scharfe Bemerkungen dazu, die ebenso treffend waren, als sie unge heures Aufsehen erregten. Man sprach in diesen Tagen in H . . . säst nur noch von dieser Angelegenheit. In der Staats zeitung erschien natürlich eine Antikritik, die Commisfionsrath Fahrer auf Digges' Veranlassung drucken liest. Si< war von Franz von Eder verfaßt und bedachte alle Jene, die etwa der hämischen Recension im „Boten" zustimmten, mit dem Vorwurf der Undankbarkeit, weil doch erst die wahrhaft fürstliche Unter stützung des Herzogs di« Existenz eines Theaters in H > - . möglich mache. Diese Abwehr der Staatszeitung beleuchtete Franz in einem neuen Artikel des „Boten" unter der Ueüerschrift: „Eine wahr haft fürstliche Unterstützung". Auf Gruwv genauer Zahlen, die Osenmann verschaffte, wurde dargethan, was der Herzog für das Theater verwendete und was dafür geleistet wurde. Wo hin kamen die Riesensummen? Die Undankbarkeit, schrieb der Verfasser, liegt offenbar nicht auf Schien L«S Publicum», welche» einer abfälligen, aber wahren Kritik zujubelt, sondern wird seit Jahren von Denen geübt, weiche die hohen Sub- ventionSgelder einstrrichen und nichts dafür bieten; da» ist aller dings eine Undankbarkeit, die man vielleicht bei genauerer Unter suchung anders bezeichnen würde. Was kann man mit den wirklich eine Reform des Theaters gern sehen würde. Er fand, daß Graf Vesan ihm wahrheitsgetreu berichtet hatte; Osenmann theiltc ihm auf diesem Gebiete so viele neue Details mit, daß er seinen Besuch nicht bereute. Leise und vorsichtig berührte er dann die Angelegenheit der gehcimnißvollen Photographie; allein Osenmann bekannte offen, daß er von einer solchen nichts wisse. Bon der Schönherts-- galerie des Grafen hatte der Haushofmeister dagegen hier und da reden hören. Nach einigen anderen, weniger wichtigen Fragen und Er örterungen empfahl sich v. Eder von seinem liebenswürdigen Wirth«. Acht Tage später erschien im „Boten" ein Artikel, der den Titel führte: „Das Hofthrater verschlingt Riesensummen und leistet nichts." Es waren anläßlich einer Freischütz-Aufführung in diesem Artikel Dinge offenkundig besprochen, die man nur im ge heimsten Winkel sonst zu äußern wagte. Im allgemeinen Theil waren die Aufgaben einer modernen Bühne erörtert und wurde nachgewiesen, daß die Direction Digges keine Ahnung von diesen Aufgaben habe, trotzdem jedoch das große Theater- Budget völlig aufbrauche. Es sei unglaublich, hieß es, daß bei der Aufführung des „Freischütz" stets noch die Jnscenirung von Methusalem's Zeiten geboten werde. Ob Herr Digges denn niemals von der Münchener Einrichtung gehört hab«? Herr Digges werde wohl schon davon haben läuten hören, allein die Mühe sei zu groß. Wenn man es freilich wagen dürfe, selbst einem Wunsche von höchster Seite nach einer Wagner'schen Oper ein kühnes „non po^unrrm" entgegenzusetzen, ohne eine Zurechtweisung sondergleichen zu riskiren, dann brauche man sich auch nicht um Ncmnscenirung des „Freischütz" zu kümmern. Uebrigens habe Herr DiggeS mit seinem klassischen „non possumus" bezüglich der Aufführung von Wagner-Opern ganz recht; er könne mit diesen Sängern und Sängerinnen, die hier ihre Stimme erschallen ließen, allerdings den Anforde rungen Wagner s nicht gerecht werden. Mit dem Gelbe, welches Se. Hoheit der Herzog jahraus, jahrein für das Hofthrater oussetze, könne man aber recht wohl das passende Personal vnstellen. Die Bewohner von H . . . fielen am anvrrn Tag von einem Erstaunen ins andere, denn sie bekamen zum ersten Male eine ecbte Theaterkritik zu lesen, bei der sie nicht wußten, ob sie sich mehr über die Offenherzigkeit des allgemeinen Theils oder über die Derbheit dct eigentlichen Kunstkritik wundern sollten. In Berlin würde man diese Recension „zahm" genannt haben, in München hätte man in den kräftigsten Ausdrücken von einer Herabwürdigung der Kunst gesprochen, in H . . . sagte man Ännahmrschloß für Anzeige«: Abend-Au-gabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an die Erpedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr KiWM T llgMalt Anzeiger. Amtsblatt des Aöuiglicheu Laad- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig.
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