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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011120016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901112001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901112001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-20
- Monat1901-11
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Angesichts der Thatsache, daß in einem Theile der deutschen Presse noch immer den telegraphischen Meldungen der Bericht erstatter großer englischer Zeitungen oder gar der Reuter'schen Depeschenagentur über die Vorgänge auf dem südafrikanischen Kriegsschauplatz mehr oder minder Glauben beigemessen wird und daß an diese Nachrichten dann selbst Betrachtungen fach männischer Natur angereiht werden, rst es vielleicht nicht ohne Werth, einige persönliche Erfahrungen mit englischen Kriegs berichten nritzutheilen. Die Sache spielt, so schreibt v. Sonnenburg in den „Münchener Neuesten Nachrichten", die uns die sehr instructive Arbeit mit Erlaubniß des Verfassers zum Ab druck in dankenswerther Weise überlassen, während des türkisch griechischen Krieges im Jahre 1897. Im türkischen Haupt quartier des Müschirs Marschall Edhem Pascha waren selbstverständlich die größten englischen Blätter durch besondere Kriegscorrespondenten vertreten und auch Reuter hatte einen seiner tüchtigsten Beamten auf den Kriegsschauplatz entsendet. Auch ich befand mich in jener Zeit im Großen Hauptquartier der türkischen Armee und die Um stände brachten es mit sich, daß ich mit den englischen Herren, die ohne Ausnahme ebenso liebenswürdige wie gebildete, unterrichtete und tadellos unerschrockene Männer waren, persönlich in viel fache, ja selbst nahe Berührung kam. Diese Beziehungen waren selbst für einige Zeit gewissermaßen amtliche, da mir durch die Liebenswürdigkeit und das Vertrauen des türkischen Chefs des Stabes die erste Censur vom militärischen Standpuncte aller Depeschen der Herren Kriegscorrespondenten des Hauptquartiers anvertraut worden war. Durch diesen Umstand bekam ist nun Einblick in die De peschen, die von jenen Herren mit Tausenden von Worten und mit dem Aufwand ganz ungeheurer Geldmittel alltäglich nach England gesandt wurden. Da die englischen Herren nicht mehr und nicht weniger sahen und nicht mehr oder weniger er fuhren als wie ich selbst, so war ich in der Lage, genau beurtheilen zu können, inwieweit deren Berichte mit der Wahrheit übereinstimmten. Das Ergebniß dieser Ver gleichung war nun in der That häufig ein geradezu verblüffen des! Ueber kriegerische Handlungen, die mit acht oder zehn Worten genügend klarzustcllen waren, wurden spaltenlange Telegramme abgesendet, in welchen eine Menge von Einzelheiten berichtet wurden, die sich unserer Kenntniß naturgemäß durchaus entzogen. So wurden Schilderungen über den Zustand der gegnerischen Truppen gegeben, die Anzahl der Tobten und Ver wundeten derselben bis auf den Mann genau nach England telegrcphirt, obwohl zur Zeit der Absendung dieser Depeschen, die während des Tages oft drei- bis viermal durch berittene Boten nach der Telegraphenstation gesendet wurden, nicht ein mal die eigenen auch nur annähernd richtig zu beurtheilen waren. Dabei wurde aber fast immer das Wesentliche, das Entscheidende, das den Gang der Operation Betreffendeweggelassen oder durch eine wahre Fluth erfundener Details verschleiert. Ich hatte damals noch die naive Anschauung, daß auf den Kriegsschauplatz entsendete Kriegsberichterstatter auch über eine derartige Menge militärischer Kenntnisse und Erfahrungen ver fügen müßten, daß sie im Stande seien, der öffentlichen Meinung ihres Landes, welcher sie ja doch in letzter Linie zu dienen hatten, ein wirklich klares und zutreffen des Bild der Verhältnisse auf dem Kriegs schauplätze und den Fortgang der strate gischen und taktischen Ereignisse zu geben. In dieser Auffassung konnte ich denn auch meine Verwunde rung über den auffallenden Gegensatz der telegraphischen Berichte mit der objectiven Wahrheit jenen Herren gegenüber nicht zu rückhalten, und erbat mir von einem derselben, zu dem ich in zwischen in engere persönliche Beziehungen getreten war, ganz offen Auskunft darüber, wie er denn Dinge zu melden wage, von denen er doch ebensogut wüßte, wie ich selbst, daß sie ent weder einfach erfunden oder auf das Aeußerstc übertrieben seien. Darauf wurde mir etwa die folgende Antwort: „Mein lieber Herr, wir müssen melden, wie unser Boß es wünscht; thun wir das nicht, so verlieren wir unsere Stellung, und es finden sich Hunderte von Anderen, die mit Vergnügen bereit sind, so zu be richten, wie es die Zeitung haben will. Diese aber will das eng lische Publicum vor allem Anderen unterhalten, und nichts ist für dieses packender und angenehmer, als wenn es in unseren Be richten von Blutvergießen, explodirenden Granaten, zerrissenen Menschen- und Thierkörpern recht viel zu lesen bekommt. Je mehr „bloockskeck", um so besser! Der Gang der Operationen, also die rein militärische Seite, ist dem englischen Publicum völlig gleichgiltig, denn es versteht wenig oder gar nichts von diesen Dingen und unterscheidet sich in dieser Beziehung selbst verständlich ganz wesentlich von Eurem deutschen Leserkreis, in dem die Einsicht und das Interesse für die rein fachmännische Seite des Krieges in Folge der allgemeinen Wehrpflicht so überaus weit verbreitet ist. Am schlimmsten waren die englischen Kriegsberichte aber immer am Sonntag. Da wurden ganze Gefechte schlankweg mit allen Details und wiederum mit Hunderten von Todten und Tausenden von Verwundeten erfunden, während doch in Wirk lichkeit nur wenige Schüsse gewechselt worden waren oder viel leicht die beiderseitige Artillerie sich eine Stunde lang ergebniß- los beschossen hatte. Auch für dieses Räthsel erhielt ich von meinem englischen Freunde Aufklärung: „Sehen Sie", sagte er, „die Sache verhält sich so: Da Sonn tags das englische Publicum ohne jede Zeitung bleibt, so muß cs am Montag etwas zu lesen bekommen, was seinen blutigen Jnstincten möglichst entspricht: cs geht unbedingt nicht an, daß wir für den Montag unserem Blatte nichts Derartiges zu melden haben. Ein guter Kriegscorrespondent muß eben für diesen Tag etwas gesehen und erlebt haben! Thut er es nicht, so füllt er seinen Platz nicht aus, und da diese Thätigkert nun einmal unser Beruf (mir Uvinp:) ist, so setzen wir unsere Existenz ein fach aufs Spiel, wenn wir strenge bei der Wahrheit bleiben wollten." Als ich nach dem Kriege nach Deutschland zurückaekehrt war, las ich mit höchstem Erstaunen von einer großen Schlacht bei Mati, die zwischen Türken und Griechen südlich des Meluna- passeS in der Gegend von Tyrnaos stattgefunden haben sollt«. Es war dabei von heroischen Kämpfen der Griechen gegen eine überwältigende türkische Uebermacht berichtet und diese Er zählung mit einer solchen Menge von Einzelheiten ausgeschmückt, baß wohl kein europäischer Leser über die Thatsächlichkeit dieser griechisch-türkischen „Entscheidungsschlacht" einen Zweifel haben konnte. Und doch war diese ganze große Kraftabmessung der beiderseitigen Armeen vollkommen erfunden! An dem Tage, an welchem die „Schlacht von Mati" geschlagen worden sein sollte, war nur Morgens zwischen 8 und 9 Uhr ein kleines Vor postengefecht von einigen Compagnien, in welches auf etwa eine halbe Stunde einige türkische und griechische Batterien ein griffen. Sonst herrschte am „Schlachttage von Mati" absolute Ruhe und vollzogen sich nur beiderseits Marsch bewegungen; bei den Griechen der Rückzug, bei den Türken der Vormarsch aus den Gebirgspässen heraus und hinunter in die Ebene von Tessalien. Die ganze „Entscheidungsschlacht bei Mati" war von den auf griechischer Seite befindlichen Kriegs correspondenten der Engländer, und wohl auch der Franzosen und Italiener, welche damals starke Sympathien für die Griechen zur Schau trugen, schlankweg erfunden worden, um den eben nicht sehr rühmlichen Rückzug der Griechen nach und über Larissa mit dem Strahlenkränze heldenmüthiger Tapferkeit und zähesten .Kämpfens gegen eine überwältigende Uebermacht zu umweben. Am unerklärlichsten aber war es für den deutschen Beob achter jederzeit, daß alle diese Herren, welche von der englischen Presse nach dem Kriegsschauplätze entsendet worden waren, ohne jede Ausnahme aber auch nicht über ein Mindestmaß von militärischen Kenntnissen, militärischer EinsichtundmilitärischemUrtheilverfügten. Jeder deutsche einjährig-freiwillige Gefreite wäre eher in der Lage gewesen, über die Operationen im Großen kritisch zu ur- theilen, als wie diese persönlich so überaus tapferen, ehren- werthen und liebenswürdigen englischen Herren, von denen auch nicht Einer im gesellschaftlichen Umgänge je eine Lüge über die Lippen gebracht hätte. Und doch vermochten sie so besonders kräftig telegraphisch zu flunkern! Auch aus ihrer Unkenntnitz der elementarsten militärischen Dinge hatten die Herren nie ein Hehl gemacht. Ja, es hatte sich allmählich die Gewohnheit herausgebildet, daß ich Morgens im Terrain ein kleines Privatissimum über die operative und taktische Lage an die Herren Kriegscorrespondenten Groß britanniens zu lesen ersucht wurde. Als ich dann später *mit einzelnen dieser Herren in anderen Theilen der Welt wieder zusammentraf, haben wir uns jedesmal jener taktischen Früh- collegien in den Felsen des Melunapasses beiderseits mit be sonderem Vergnügen erinnert. Wenn ich heute über diese Dinge spreche, so geschieht dies ge wiß nicht, um mein eigenes Licht leuchten zu lassen. Aber das soll es bezwecken: daß im großen Publicum alle englischen Telegramme, alle englischen Berichte und in sonderheit alle Reuter-Meldungen, mit jenem starken Coefficienten des Unglaubens gelesen werden, der für deren Genießbarkeit in der That ganz uner läßlich ist. Dieser Zweifelscoefficient muß aber in seiner Größe immer verdoppelt werden bei allen Meldungen an den Montagen und in den letzten Tagen eines jeden Monats, denn um diese Zeit sind fast alle Tele gramme auf die Ultimoregulirung der Börse in London zugeschnitten! Welchen Werth aber dann bas Urtheil jener britischen Herren über die deutsche Armee gelegentlich der diesjährigen deutschen Kaisermannöver nach der Danziger Zarenwoche gehabt hat, wodurch und von wem es inspirirt wurde, kann sich der Leser aus dem hier Erzählten unschwer selbst zurechtleaen! Es giebt keine englische politische oder militärische Berichterstattung, die um der Wahrheit willen wahr ist. Jede De pesche aus englischer Herkunft hat nur den einen Zweck: der englischen Sache zu dienen und zu nützen. Trifft dies zufällig mit der Mittheilung des objectiven Thai bestandes zusammen, dann hört die Welt die Wahrheit; im anderen Falle wird sie unbedenklich, von jedem Orte der Welt aus, und von jedem englischen Agenten, kaltblütig und systematisch belogen. Und das müssen wir nun allerdings so lange tragen, bis wir unsere eigenen Kabellinien haben; bis zu diesem leider noch fernen Zeitpunkte aber erübrigt nur: jede politische oder mili tärische Meldung englischer Provenienz so lange als unglaub würdig zu behandeln, bis sie von anderer, verlässigerer Seite, be stätigt ist. Der Krieg in Südafrika. Telarey s Otegenproclamalto». Aus Pretoria, 19. October, schreibt man uns: In Beantwortung der Proclamation von Lord Kitchener, be treffend die vom 15. September ob zu 'ergreifenden schärferen Maßregeln, hat der zweite Oberbefehlshaber der Transvaal- Boeren, Delorey, ein« Gegenproclamvtion erlassen, und ich bin heute in der Lage. Ihnen eine wortgetreue U«bersetzung davon zu senden. Sir lautet, wie folgt: Proclamation, veröffentlicht auf "den Rath und mit Zustimmung aller Ober- Anführer und des stellvertretenden General-Staatsanwalts der westlichen District« der südafrikanischen Republik. An alle Bürger der westlichen Districts der südafrikanischen Republik. Da «ine Proklamation, dativt den 7. August 1901, durch Lord Kitchener, Oberbefehlshaber der -britischen Truppen in Süd afrika, erlassen worden ist und persönlich den verschiedenen Offi- cieren der westlichen District« zugestellt worden ist, und da ich diese Proclamation nicht anerkenn«; und da in dieser Procla mation versucht wird, durch Drohungen das Volk dieser Republik von seiner Pflicht und Schuldigkeit gegen Land urw Volk ab wendig zu machen, so mache ich, Jakob Herkules Delarey, assisti- render General-Commandant der westlichen Distriötc der süd afrikanischen Republik, Namens der mir ert-heilten Vollmachten, hiermit bekannt, daß ich all« Bürger vor der «rwäbnten Procla mation warne! Ta Lord Kitchener versucht, zu beweisen, daß die große Mehrzahl unserer Bürger durch ihn bereits g«fang«n genommen worden ist (worunter aber sich die Alken und Krüppel befinden, so>oie solche, welch» ihr Land und Volk verrcklhen haben), und da er dadurch die Uebvigen zum Abfall bewegen will, so ist dies doch ein Beweis, daß Gott, welcher das Bestehen oder Nichtbeskehen eines Volkes in dcr Hand hat, an unserem Unter gänge keinen Gefallen findet; denn nicht allein hat er uns be fähigt, einer überwältigenden Uebermacht Stand zu halten, son dern er hat auch für di« nöthige Nahrung gesorgt, trotz der durch so viele Tausende angovichteten nutzlosen Verwüstungen. Obwohl Lord Kitchener sagt, daß wir jeder regelmäßigen militärischen Organisation verlustig seien, sind unsere „Co m- mandvs" doch noch gut organisirt, und einige District« haben noch Tausende von Bürgern im Feld; auch liegt die Civil-Administrakion in guten Händen. Trotz dec großen Streitmacht von Weißen sowohl, als Ein geborenen, welche unser Feind in Südafrika hat, war Seine Majestät nicht im Stande, seinen Unrerthanen Schutz zu ge währen; nicht allein konnte er die Personen nicht schützen, welche eingewilligt haben, sich in der südafrikanischen Republik oder in dem Oranjefreistaat zu ergeben, sondern er ist auch nicht im Stande, seine eigene Bevölkerung in der Capcolonie zu schützen, und müssen diese Leute mit ihrem Lieh und ihrer Habe sich in Dörfern aufhalten, um in Sicherheit zu sein. Im Gegensatz zu den Gebräuchen und Gesetzen, welche für eine humane Kriegsführung Geltung haben, hat Seine Majestät unsere Frauen und Kinder wie Verbrecher weg- schaffen lassen, ihre Häuser sind verbrannt und werden sie jetzt als Kriegsgefangene gehalten; zur Deckung der Kosten ihres Unterhaltes droht nun Lord Kitchener, unseren Grund besitz zu confisciven. — Es ist nirgends, weder in Gottes Wort, noch im internationalen Recht, zu finden, daß Jemanv schuldig oder strafbar sein kann, weil er sein Leben und sein Eigenthum in Se'lbstvertheidigung beschützt. Wie sollen wir uns denn einem Volke unterwerfen, das «ine Convention und ein heiliges U«ber- einkommen nicht zu halten weiß? Nicht allein die Conventionen von 1852 und 1854, sondern auch jene von 1868 und 1881 hat dieses Volk gebrochen, während wir dieselben in allen Puncten gehalten haben. Brüder! Ich sehe keine Möglichkeit zum Niederlegen dec Waffen; obwohl Lord Kitchener und Lord Roberts vor ihm, uns durch Proclamationen Versprechungen gemacht haben, wenn wir die Waffen niederlegen, bedauere ich, daß etliche unserer Brüder davon Gebrauch gemacht haben. Es ist doch «ine wohl bekannte Thaisache, daß Diejenigen, welche sich dadurch beein flussen ließen, indirect Gefangene sind, denn sie werden in „Kamps" gehalten, welche sie nicht verlassen dürfen, und besitzen also ihre Freiheit nicht. — Alle Bürger werden deshalb ernstlich davor gewarnt, sich entweder durch diese Proclamation oder auf irgend eine andere Weise sei es selbst durch Noth oder Tod, verleiten zu lassen, den Feind zu unterstützen, denn dadurch machen sie sich des Hochoerraths schuldig, und werden mit aller Strenge des Gesetzes behandelt werden, nicht allein -betreffs ihrer Person, sondern auch betreffs ihrer Güter. Wir werden uns also streng an den Beschluß halten, der durch die Regierungen der südafrikanischen Republik und des Oranjefr-eistaates zu Wat-rval, im District Stander-ton, am 20. Juni 1901 gefaßt wurde, und werden Stand halten bis zum bitteren Ende! Gott beschütze Land und Volk! Gegeben unter meiner Hand, heute, am 16. August 1901, im Fe'ldlager, District Rustenburg. Gez.: I. H. Delarey, affistirender General-Commandant der westlichen District« der südafrikanischen Republik. * Louvon, 19. November. (Telegramm.) In Beantwortung einer Vertrauenskundgebung eines Zweiges der Primel-Liga für die Regierung schreibt Lord Salisbury: „Wir bedürfen solcher Ermunterung, denn England ist, wie ich glaube, daS einzige Land, wo während eines großen Krieges hervorragende Männer öffentlich schreiben und reden, als ob sie zum Feinde gehörten." (Ein andere- Land führt auch nie einen solchen „großen" Krieg. D. Red.) * New Vork, 19. November. (Telegramm.) Eine Ver sammlung von Vertretern einer großen Zahl deutsch-amerika nischer Vereine tagt gegenwärtig in Cleve land (Ohio). Tie Vertreter erörterten heute den Krieg in Südafrika und faßte» schließlich den Beschluß, au den Congreß zu petitioniren und den Präsidenten Roosevelt anfzusordcrn, zu Gunsten dcr tapiern Bveren zu vermitteln und die Erlaubniß zur Verschiffung von Pferden und Mauleseln nach Südafrika aus den amerikanischen Häfen zu ver weigern. (Magd. Ztg.) * Philadelphia, 19. November. (Telegramm.) Der Ber- einigte Sängerbund hat beschlossen, die Feier seines Stistungs- festes durch Theilnahme an einer auf den 2. December d. I. hierher einberufenen Massenversammlung zu Gunsten der Boercn zu begehen. Deutsches Reich. * Leipzig, 19. November. Ein vom deutschen Forst- wirthschaftsrath bereits ausgearbeiteter Entwurf einer Prüfungsordnung für Anwärter des mittleren PrivatforstdiensteS, der auf der Hauptversammlung des Deutschen ForstvereinS zu Regensburg im August d. I. rur endgiltigen Feststellung gelangen sollte, konnte wegen Mangels an Zeit — die vom Forstmeister Fricke-Beutnitz gestellten Gegenanträge würden voraussichtlich eine sehr umfangreiche DiScussion bervorgerufen haben — nicht erledigt werden; deshalb soll die Beratbung darüber in der nächst jährigen in der Zeit vom 15.—20. September 1902 hier in Leipzig tagenden dritten Hauptversammlung des Deutschen ForstvereinS stattsinden. Die vom Forstmeister Fricke gestellten Gegenanträge gingen dahin: 1) Die Einrichtung eines forstlichen Mittelschulunterrichts in Deutschland sei nicht wünjcheu-werth. 2) Der vom Deiitschen Forstwirthschastsrath gefaßte Beschluß, di« deutschen Forstvrrwaltungen zu ersuchen, denjenigen Anwärtern de» PrivatforstverwaltungSdirnste-, welche Len für die Aufnahme in die StaatSsorstverwaltungSlanfbahn geforderten Bedingungen ge nügen, zu gestatten, die für die Anwärter des StaatSforstverwal- tnngsdiensteS vorgeschriebene Ausbildung durchzumachen und die betreffenden Staatsprüfungen unter Verzicht auf Ansprüche auf An stellung im Staatsdienste abzulcgen, wird mit Freuden begrüßt. 3) Dem technischen Hilfs- und Forstschutzpersonal (Angehörigen des Försterstandes) ist durch Errichtung von Jörsterjchulcn oder Errichtung von Waldbaucursen Gelegenheit zu einer guten praktischen und theoretischen Ausbildung zu geben. 4) Aus der Zahl derartig unterrichteter und an der Schule geprüfter technischer HilfS- und Forstschutzbeamten können Revier- sörster und selbstständige Verwalter kleinerer Privatreviere ent nommen werden. s. Berlin, 19. November. (Der Reichskanzler und der Protest gegen Chamberlain.) Man wie gelt ab in Berlin, und zwar nach Kräften. Erst gab mau den Kri egervereineu den Wink mit dem Zaunpfahl, jetzt vertröstet man die unaufgefordert sich über Chamberlain entrüstenden Staatsbürger auf den Reichstag mit dem Versprechen, Graf v. Bülow werde, wenn er im Reichstage von der berufenen Vertretung des deutschen Volkes undunterZu- grundelegung des authentischen Wortlauts der Äußerungen des Herrn Cvamberlain um seine Ansicht angegangen werden sollte, keinen Anstand nehmen, diese öffentlich und unzweideutig zu erkennen zu geben. Das ist sehr hübsch vom Reichskanzler, und es wird dafür gesorgt werden, daß der Reichskanzler sich unzweideutig aussprechen kann, wenn auch die „Allgem. Ztg." die vorsichtige Erklärung abgiebt, daß die Meldung nicht so zu verstehen sei, als ob bei der Regierung der Wunsch oder die Absicht vorliege, zu einer Kundgebung die Initiative zu ergreifen. Im Anschluß an den Beruhigungs versuch leisten sich die Herren Offieivsen eine kleine Ver dächtigung, indem sie den Charakter der Protests er- s a m mlunge n zu discrcditiren versuchen, z. B. heißt cs in einer dieser Mittheilungen: „Der Reichskanzler hat es nur als eine befremdende Zumnthung abgclehnt, sich Marschrouten durch AersammlungSbeschlüsse verschreiben zu lassen, deren spontaner Charakter durch den Umstand nur schlecht bezeugt werde, daß zwischen ihnen und dem Zeitpuncte, an dem jene Aenßerungen gefallen sind, vierzehn oder mehr Tage liegen." Darüber kein Wort. Daß in Berlin diese Kundgebungen unangenehm empfnnden werden, ist kein Wnncer. Man ist cs eben dort noch gar nicht recht gewohnt, den braven deutschen Bürger als selbst ständig empfin dend zu betrachten und ihn demgemäß zu behandeln. Vielleicht aber hat man doch auch eingesehcn, daß die Protestbewegung sicher nicht so großen Umfang angenommen lätte, wenn Diejenigen, die außer ihrem Deutschtham auch noch ihr Amt dazu ermächtigte, sofort eine würdige Entgegnung auf Chamberlain's Worte gefunden hätten. Und das wäre immerhin eine gute Lehre, wenn nicht für dies, so doch für ein ander Mal. /?. Berlin, 19. November. (Die „erschreckende Zu nahme" der Verbrechen und der Strafvollzug) In einem Vortrag« hat Oberstaatsanwalt Vv. Isenbiel auf die große Zunahme des VerbrecverthumS im Allgemeinen, insbesondere aber bei den Rückfallsverbrechen und bei den jugendlichen Misselhätern hingewiescn. Daß die Zunahme des Verbrecherthums im Allgemeinen „erschreckend" ge wesen sei, vermögen wir nicht ohne Weiteres zuzugeben. Wenn man die bloßen Ziffern miteinander vergleicht, 478 000 Bestrafte i. I. 1899 gegen rund 300 000 Verurtbeilte im Jahre 1882, so erscheint ja die Isenbiel'sche Auffassung auf den ersten Blick als gerechtfertigt. Es ist aber Dreierlei zn erwägen: einmal, das; seit 1882 die Bevölkerung Deutsch lands uni '» der damaligen Ziffer zugenommen hat, zweitens, daß die Zahl der Neichsgesctze, die Strafen, und zwar nicht nur wegen Uebertrelungen, sondern auch für Vergehen fest setzen, sich seitdem erheblich vermehrt hat, und drittens, das; wohl auch die Strafverfolgung inzwischen vielleicht rigoroser geworden ist. So ist «S also sehr unsicher, ans Len bloßen Gesammtziffern wirklich zutreffende Schlüsse auf die Ver schlechterung der moralischen Qualitäten deS Volkes zu ziehen. WaS die einzelnen Delictskategorien anbelangt, so war im Gegcntheil in den letzten Jahren die erfreuliche Thatsache festzustellcn, daß die Eigenthnm sdelicte einen völligen Stillstand erfahren Halen; auf der anderen Seite haben allerdings leider die Rohheitsdelikte sich konstant vermehrt. Aus der Gegenüberstellung dieser beiden hauptsächlichen Kategorien von Delikten gegen das ReichSstrafgesetzbuch läßt sich jedenfalls so viel ersehen, daß die Behauptung von einer erschreckenden Zunahme der Vergebungen zum Mindesten nicht in allen Puncten zulrifft. Hingegen stimmen wir vollkommen mit Isenbiel in dem lebhaften Bedauern überein, daß d e Ziffer der rückfälligen und der jugendlichen Ver brecher sich constant vermehrt, und wir stimmen ferner mit ihm darin überein, daß mit in erster Reihe das heutige Strafsystcm, vor Allem bei den Jugendlichen, verantwortlich zu machen ist. Für die jugendlichen Missetbätcr sind nach dein heutigen System drei Strafen möglich: dcr Verweis, die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe. Der Verweis verfehlt nnistenS seinen Zweck, weil er auf einen jugendlichen Uebcl- tbäter nicht einen genügend nachhaltigen Eindruck macht; die Geldstrafe ist ein verfehltes Mittel, weil sie bei dem vermögenden Jugendlichen nichts auSmacht, da ein jnnger Mensch daS Geld erfabrungSmäßig mit viel geringerem Schmerze sortgiebk, als der Erwachsene, wäbrend sie den irenig bemittelten Jugendlichen in seinem Fortkommen unbillig behindert und ibn dadurch ge gebenenfalls erst recht auf den Weg des Verbrechens leitet. WaS endlich die Gefängnißstrafe anbelangt, so sind alle Criminalisten darüber einig, daß längere Freiheitsstrafen unter allen Um ständen zu vermeiden find, weil sie geradezu ein Verderb für den Charakter dcS jugendlichen Uebclthäters sind; kurze Freiheitsstrafen wiederum entsprechen einmal unter Umständen nicht der Schwere dcS begangenen Dc lictS und machen zweitens nicht Len genügenden Eindruck auf die zu Bestrafenden. WaS also tbun? Ober staatsanwalt Uv. Isenbiel wicS auf Vorschläge dcS Professors Zucker bin, eine Lügen dstra fbe bördc zu schaffen, die einer seits dafür zu sorgen hätte, daßderNamedeShesirasten Jugend lichen nicht in die Ocssentlichkeil komme, und die zweitens andere als die bisherüblichen Strafen zu verhängen hätte,beispielsweise Karzer, Verlängerung dcr Schulpflicht, krudere Einstellung ins Heer u. s. w. UnS will der Erfolg solcher Maßnahmen wenig versprechend erscheinen. Für die Kinder kcnimt cS nicht sowohl daraus an, das; die breite Ocffcntlichkeit nichts von ihrer Bestrafung erfährt, sondern das; die Alter«-
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