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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.01.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020107023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902010702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902010702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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ziehen, erst müßte wohl ein Krieg kommen, um dem Geschwür Luft zu machen, und wer kann das wünschen? Mir ist es für den Augenblick auch ganz gleich — innig interessirt es mich nicht — mir lastet Anderes schwer genug auf der Seele." Der Alte warf nun die Zeitung hin und sah seinen feierlichen Gast scharf an — er sagte aber nichts, und Theuerdank zauderte wiederum vor der ersten bewußten Lüge seines Lebens; er sah, daß er nicht weiter konnte, ohne eine furchtbare Schuld auf sich zu laden; das Leben und die Erfahrung hatten ihn zwar ge lehrt, daß man zugreifen muß, auf der Jagd nach dem Glück — aber in diesen wenigen Augenblicken empfand er es mit Stolz; er hatte niemals das Wettrennen mitgemachi! Und, gestützt auf dies Bewußtsein von Tugend, überredete er sich noch einmal, auch setzt die Fäden in der Hand behalten zu können und Niemand schädigen zu wollen; eine heiße Blutwelle stieg ihm vom Herze» auf, da er an Emiliens reine Liebe dachte — und der Würfel fiel.. Der Alte sah noch immer stumm den blauen Wölkchen seiner Tabakspfeife nach, mit allen Gedanken seinem System innerer Politik folgend, ohne Befremden über das Schweigen seines Gastes, der endlich sagte: „Sie müssen es doch erfahren, mein lieber Capitän — ich wollte Sie heute um die Hand unserer Emilie bitten — aber ich bin ein abgewiesener Freier. Die Kleine will in alter Zuneigung zu mir stehen, aber mich hcirathen will sie nicht: Und doch verlangt mein Hauswesen endlich eine Repräsentation — ich denke, Emilie wäre ritt« glück liche Fra« an meiner Seite geworden — jedenfalls ich ein glück licher Mann — der werde ich nicht mit einer Anderen." Der Capitän nahm die Pfeife auS dem Munde, sah Lheucr- dank, der mit gesenkten Lidern vor ihm saß, lange an, blickte dann zum Fenster hinaus und schwieg noch immer. Plötzlich wendete er den Kopf herum und sagte Mit weicher, leicht zitternder Stimmt: „Ich habe zuweilen gedacht, daß Sie und Emilie ein Paar werden könnten — ich glaubte zu bemerken, daß Sie Emilie nicht gletchailtig waren — nun — ich hätte meinen Segen gegeben! Da Sie mir- aber jetzt mittheilen, daß Emilie Sie nicht titbt — da muß ich Ihnen ehrlich sagen: Gött sei Lank. Gott sei Dank! Denn so klug sie auch ist, so feinfühlig und so selbst ständig, so patzt sie doch nicht zu Ihnen — am wenigsten, wenn Tie Ihrem House eine Repräsentantin geben wollen — ver zeihen Tie — das mutzten Sie sich auch selbst sagen — und ich — wie man sich noch bei aller Erfahrung und allen Lebens klugheiten täuschen kann — ich dacht« mir, sie müßten froh sein, dessen nicht mehr benäthigt zu sein, was doch nur «in, Phrase für die höhlst, Schaustellung ist. Aö«r z»«it»n» — und da» k»nnt«n »der mochten Sw sich nicht sagen —, Emilie ist jung und Sie sind alt; ja, mein lieber Freund, es ist so — das sind die gefährlichen Jahre der Männer, so um die 40 bis 50 herum! Plötzlich überreden wir uns dann, wir wären noch gewaltig stark und jugendlich, zu meist sitzen wir um diese Zeit auf dem Lohn für die Arbeit des Lebens und lassen diese selbst sachter angehen — dann gicbt schon das Gefühl des erworbenen Besitzes eine jugendliche Frohheit, vor ver wir uns über der Jugend selbst täuschen lassen — noch ein paar Jahre weiter, sind wir 'doch nur Greise — und die junge Frau, die nun erst Geschmack am 'Leben kennen gelernt hat, erwacht aus dem täuschenden Traum, und da giebt es ge wöhnlich ein großes Unglück! Gott sei Dank! Vor dem weiß ich nun meine Emilie gesichert! Reichen Sie mir die Hand, Theuerdank — hoffentlich geht es Ihnen nicht zu tief zum Herzen — mein theurer Freund! Und sehen Sie — ich habe noch den vorhin angeregten Grund gegen eine Heirath mit Emilie näher zu beleuchten: Daß Emilie nicht glücklich die Stellung einer Repräsentantin ausfüllen würde, liegt nicht darin allein, daß sie ihr junges Leben nur ausgenutzt hat, um ihren Verstand und ihr Herz zu bilden, sondern daß sie nicht von Geburt an Ihren Kreisen fest angehörte und sich dessen Schwächen anzuschmiegen lernte. Emilien würde der formale Werth immer zu gering erscheinen, und dennoch würde sie sich nicht ungestraft von Gebräuchen emancipiren können, die in ihren Augen Mißbräuche sein würden; dies Alles habe ich fchon oft mals überdacht — denn ich sah Aehnliches kommen, wie diese Stund« uns nun bietet." Thkuerdank schwieg. Ihn überwältigten diese Wahrheiten, die ihm wenig schmeichelhaft sein mußten; er hatte durchaus nicht geahnt, welche geringschätzige Meinung in diesen Kreisen, Unter -Viesen Menschen über die sogenannte Gesellschaft besteht und die sich besonders scharf ausprägt und auspragen kann in kleinen Kreis- und Garnifonstiidteu wie hier, wo Hochmuth, Eitelkeit, Unwissenheit, sogenannter PatricismuS mit seinem un leidlichen, verdummenden Gefolge von obligatorischen Zuständen ein« geschlossene Phalanx bildet, di« nur selten von einem frischen Geist durchweht wurde, und auch dann nur vorübergehend, denn da» brwegliche Element zog sich sehr bald lieber rnrf sich selbst zurück, al» zwischen Larven immer die einzig fühlende Brust zu sein; darum hatte Theuerdank sich längst rücksichtslös isolirt und fühlt« sich auch unfähig und unberechtigt zum Widerspruch, ob wohl die Worte des alten Mannes Ihm großes Unbehagen ein flößten. Und an das vorhin von Theuerdank Gesagte knüpfte nun der Alt« wieder an: .Sie schlossen vorhin, Sic wären ein glücklicher Mann mit Emjlw geworden — das würden Ei« nun nicht mit ein« Anderen. Es scheint also, Sie haben wie ein umsichtiger Feld Herr sich die Riickzugslinie gedeckt — irre ich nicht?" Mit einem so sonderbaren Lächeln, einem Lächeln, das dem Capitän nicht gefiel, das er aber mit der Enttäuschung und Ver legenheit des Abgtwiesenk'ir sich erklärte, sagte nun Theuerdank: „Auch eine Emilie — die andere Emilie!" „So — die! nun ja — repräsentiren wird die ja in gewissem Sinne durchaus können — auch das Alter paßt vortrefflich — nun — da will ich Ihnen denn Glück zu dem Unternehmen wünschen — Gott lenke Ihr Lebensschiff, daß cs nicht noch auf der Heimfahrt Schaden leidet, mein lieber Freund! und nun erst recht — vergessen Sie nicht, daß Ihre zweite Heimath hier in unserem Hause ist! —" Plötzlich vor diesen einfachen Worten des ehrwürdigen Freundes versank das ganze kunstvolle unwahre System, das Theuerdank sich aufzubauen unternommen hatte; er sah di: biltere schreckliche Wahrheit und barg stöhnend das Gesicht in den Händen. Und auch diesen Schmerzsnsausbruch dem Kummer des Zurückgewiesencn zuschreibend, beruhigte ihn der Capitän. „Vergeben Sie es ihrer Unkenntniß und Jugend, wenn Emilie Sie täuschte durch ihre Liebenswürdigkeit, wenn Sie für Liebe nahmen, was doch nur der große Aufwand von Be geistermrg und Freundschaft war, den sie in sich für Sic als einen der besten Menschen gesammelt hatte — vergeben Sie es ihr und tragen Sie es uns nicht nach!" Dies war zu viel — Theuerdank sprang auf — nicht wissend, sollte er die Wahrheit bekennen, wo der Capitän einen gan; neuen Gesichtspunkt ihm eröffnet hatte — oder sollte er der Zeu die Lösung der Verwickelung überlassen! Der Zufall kam ihm zu Hilfe; Louise klopfte an und meldele: „Doctor Hellwig", und da der Arzt ihr auf dem Fuße folgte, benutzte Theuerdank die Gelegenheit zu kurzem Abschied. Doctor Hellwig sah ihm lächelnd nach und sagte: „Theuerdank hat es eilig heute — nun. Sie haben sich hier wohl auch über feine Ver lobung gefreut — ich war gestern Halbwegs Zeuge derselben, wenngleich ein recht unerwünschter, va Fräulein Torgany im entscheidenden Momente das Bein gebrochen hatte." Der Capitän erschrak — aber es kam keine Frage über seine Lippen, obgleich er sich sagte: „Wie seltsam, gestern verlobt er sich, heute hält er um meine Emilie an — und er war so nieder geschlagen, und Alles so unverständlich, erst das vage Lächeln und dann fast Thronen!" Langsam sagte er: „Air wollen ihm Alle wünschen, das; er glücklich wird — wir halten so große Stücke auf ihn!" Sollt« er sagen: Besonders Emilie, wiewohl sie ihn nicht heirathen wollte? — Er bezwang die Bemerkung und dachte: 02,so 54.7S >,so W2. s» rrsr vs^Iist »i r«»t. §e >8 5c. «o 5,^ 0, 2, 8. 8, ,w in m- Us iss »u SN US SU so äs 2«, i,2ö t,SO 03,70 1ö,SU SS,— 42.— 5«,7S 52,S0 ,S0 ,20 ,80 25 ,75 40 coo,20 88,7o 97,80 .02,20 82,2» 85,7» 7«.— 84,30 04,— 72,7S 5,24'1, 0 !vr«ti88 .'twuuje su <ter rsüt. —" Ui-siseo ev 1, P. 5,SV lu r >u !U ,40 1,20 r»bru»r UtrM-2, t 38810, -ruMa. strtlL, iSIus». > >dk, -lUi- 51,30 53,50 >7,30 iS,so >s,'äs !6,40 »,S0 '7,— >1,— «,7V »,- 2,75 Bezug--Preis k« der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- gab,stellen abgeholt: vierteljähritch.H 4.50, — zweimaliger täglicher Zu st« klung ins Hau» S.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. .4 8. Man abonnirt ferner mit e»tspreck>endem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blattes möglich. Die Moraen-AuSgabe erscheint um '/r? Uhr, die Abeno-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-action und Expedition: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'» Sortim. Universitätsstraße 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. WiM TaMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (»gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (8 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. 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Weiß man doch, wie gefährdet bei der skrupellosen englischen „Justiz" das Leben des ehemaligen Commandanten von Jo hannesburg ist. Edle Freunde der Boerensache hatten die Summe von 80 000 in Baar zur Verfügung gestellt, um die Londoner Bürgen vr. Krause's zu befriedigen und den Rest ihm selbst aus zuhändigen. Aber der Boerenofficier wußte, was er sich und der von ihm vertretenen guten Sache schuldig war. Weder der Schmerz der Mutter, noch die hochherzig angebotene Befreiung aus aller Gefahr vermochten ihn zu halten. So ist er einem ungewissen Schicksal entgegengereist! Und welches ist das Verbrechen, dessen man ihn anklagt? — weshalb er nun im October vergangenen Jahres ins Gefängniß gesteckt und erst vor Kurzem wieder gegen Bürgschaft zweier be- freundeter Londoner Hausbesitzer einstweilen freigelassen ist? Der ehemalige Boer und spätere Ueberläufer Forster, der sich zu einem Werkzeuge der englischen Sache erniedrigt hatte, ver kündete, so wird der „Rundschau" weiter geschrieben, in allen englischen Blättern Südafrikas, „daß alle Boeren als Räuber zu behandeln und wie Wegelagerer und Banditen hinzurichten seien. Keiner solle geschont und Alle, ob Mann, ob Weib, ob Greis, ob Kind, niedergeschossen werden". Man sicht, Forster hatte die Henkerspracke seiner englischen Herren und Meister gut gelernt, und Krause gab nur der allgemeinen Empörung aller Afrikander Ausdruck, als er an den inzwischen Hingerichteten Broeksma schrieb: „Dieser Mann (Forster) muß auf irgend einem legalen Wege (in sorno Isgal va^) aus Süd afrika entferntwerden,ko st ees,was«s wolle!" In diesen Worten will die englische feile Justiz die Anstif tung zum Morde sehen! — Diese Darstellung des Pro- cesses ist englischen Berichten (im „Daily Telegraph") entnommen, also keineswegs auS doerenfreundlicher Quell«. Um daS Völkerrechtswidrig«, ja, V«rbr«cherische des englischen Ver fahrens in noch grelleres Licht zu setzen, so mag hier noch erwähnt sein, daß Krause niemals den Neutralitäts-, geschweige denn den Nnterthaneneid geleistet, sondern nur auf sein Ehrenwort als Officier die Waffen niedergelegt hat. Aus welchem Grunde ist daher ein englisches Gericht befugt, ihn vor sein Forum zu ziehen? — Zur Charakterifirung des englischen Unterhändlers Forster, der immer mehr zu einer von Roberts zu allerhand lichtscheuen Diensten benutzten Kreatur herabsank, sei noch hervorgehoben, daß Krause seiner Zeit sich weigerte, Forster als Vertreter Roberts' zu empfangen, und daß der englische Generalissimus diesen Ab scheu so berechtigt fand, daß er ihm Rechnung trug und Forster seiner Dienste in dieser Sache enthob. Am 13. Januar beginnen nun wieder die Verhandlungen in London, und die Hoffnung soll nicht aufgegcben Verden, daß daS schlichte Heldenthum, mit dem Krause sich seinen Richtern wieder überantwortet, nicht unbelohnt bleibt und daß das alte englische, einst so hoch gerühmt« Gerechtigkeitsgefühl die eng lischen Gerichte von einem neuen Rechtsbruche abhält. * Lsndon, 6. Januar. (Frkf. Ztg.) Nach einer Meldung de» „Bureau Reuter" au» Johannesburg ist dort gestern in Segen, wart Milner'S wieder die erste Nummer de» „Star" gedruckt worden. Milner selbst setzte unter Beifall die Maschine in Gang und sprach die Hoffnung au», die Zukunft des „Star" möge so glänzend seiu, wie seine Vergangenheit. (Das Blatt wird wieder vou dem s. Z. viel genannten Herrn Monypenuy rebigirt, der als Redactrur drS Johannesburger Blattes und als Correspondent der „Times" so viel zur Herbeiführung des Kriege» beigetragen hat. Red.) * Chester, 7. Januar. (Telegramm.) Der Geueral-Post- meister Marqui» os Loudondevey hielt hier gestern erae Red« in der er auSsührte, rS könne keine Frage darüber sein, daß den Boeren keinerlei Selbstständigkeit geschaffen werden, dürfe. Die den englischen Truppen zugefügten Schlappen seien nur durch die letzten Anstrengungen des besiegten Feinde-, der durch daS BlockhanSsystem in die Enge getrieben sei, hervorgerufen worden. * Loudon, 6. Januar. Lord Kitchener telegraphirt: Die Meldung, daß zwei dem Nachrichtendienst zugehörige Officiere in hinterlistiger Weise von den Boeren in der Nähe von Warmbad erschossen worden seien, ist unbegründet. * Cleoeland (Ohio), 6. Januar. Der frühere demokratische Präsidentschaftskandidat Bryan hielt hier in einer Versammlung von Boerenfreunden ein« Red», in wekcher er sagte, di« hohen Kosten deS Kriege» ertheiiten England eine Lehre, welche so bald nicht werde vergessen werden. Bryan feierte die tüchtigen Eigen- schäften der Boeren, denen er den dringenden Rath ertheilte den Kampf fortzusetzen. * Cleveland (Ohio), 6. Januar. In seiner Red« äußerte Bryan ferner, cs sei eine Schande, daß die Regierung der Ver. einigten Staaten noch keine Sympathiekundgebung für die Boeren veranstaltet habe. politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Januar. Morgen tritt mit dem Reichstage der preusttfche Landtag zusammen, so daß nun n«ben dem Reichsparlamente die LaudeSvertretungen aller vier deutschen Königreiche tagen werden. „DaS ist reichlich", sagt der Berliner. Zum Unter- schiede vom Reichstage wird der preußische Landtag eine Session im eigentlichen Sinne beginnen. Er ist — im Mai — nicht vertagt, sondern geschlossen worden. Der Schluß erfolgte vorzeitig, denn die „Wasferwirtbschaft- liche Vorlage", wie die ehemalige Canalvorlage, nachdem sie noch eine lange Reihe anderer Bauten, Rezulirungen u. s. w. in ihren Leib ausgenommen, getauft wurde — die wasser- wirthschaftlich« Vorlage war noch nicht durchberathen. E« war aber zugleich höchste Zeit zum Schließen, drrm bemeldete Vorlage batte nicht die geringste Aussicht. Gesetz zu werden. Hatte man den Landtag länger beisammeugehal- ten, so würde die conservativ-klerikale Canaloppojition nur noch die Geschichte dieser Angelegenheit mit weiteren Pikanterien bereichert habt«, etliche allzu ungestüme und nicht gerade politisch sonderlich kluge Canalschtvarmrr hätten an ihrem Anspruch, ernst genommen zu werden, weitere Ein buße erlitten und der zu einer „Umbildung ver Regierung" ent schlossene Reichskanzler und Ministerpräsident hätteJ daS „Ministerium Bülow", daS mit dein Ausscheiden der Herren v. Miquel, v. Hammerstein und Brefeld nach der Versicherung eine« linksliberalen Blattes eigentlich erst in die Erscheinung getreten war, zu einem schlechten Debüt geführt, wenn er sich weiter hätte Hinhalten lassen. Zu einer Auflösung deS Abgeordnetenhauses und zu Neuwahlen reichte aber die Canalbegeisterung breiterer Massen lange nicht hin und so war der Sessionsschluß der gegebene Ausweg. An daö un fröhliche Ende wird ein problematischer Anfang sich nicht an knüpfen: daS Wichtigste an der Tagesordnung der morgen beginnenden Session ist daS Fehlen der Canalvorlage. Ihre Wiederkehr vor Erledigung der Zollfragen in irgend einer Form hätte die schlimmste Verwirrung angerichtet. Darüber baden verschiedene Bundesregierungen und denöthigtste Parteisnbrer im Reichstage keine Täuschung in Berlin anskommen lassen. Inzwischen bat die demokratische Presse, vielleicht hierzu von ganz und gar nickt demokratischer Seite aufgefordert, hoben Stellen in den Ohren gelegen, daß sie nicht in eine zwölf monatige Verschiebung willigen könnten, ohne ihr Ansehen zu schädigen; aber Graf Bülow ist fest geblieben. Wie er nun mit „seinem" Ministerium zurechtkommt, bleibt abzuwarten. Den Frhrn. von Hammerstein, der den früheren Minister deS Innern v. Rheinbaben ersetzt, sowie den Herrn v. Pod- bielSky al« Nachfolger de« Frhrn. v. Hammerstein- Loxtcn im Landwirthschastsministerium hat er sich wohl nicht selbst auSgewählt. Dagegen dürfte vie Berufung deS College» v. Rh ein baden al« Finanzminister auf deS Ministerpräsidenten Antrag hin erfolgt sein. Der Posten de» Finanzministers ist ein sehr wichtiger, trotzdem ist zu befürchten, es gebe auch heute noch kein „Ministerium Bülow". Die Nichteinheitlichkeit wird schon durch den Namen „Studt" markirt. Wie der Cultnsminister über gewisse Zeitfragen denkt, ob er über sie überhaupt eine eigene Meinung hat, wissen wir nickt, jedenfalls bandelt er nach Weisungen, die der Auffassung von Bildungsfragen, die der Ministerpräsident bekundet hat — wir erinnern nur an feine bei der Enthüllung des Berliner BiSmarck-DenkmalS gehaltene Rede — zuwidrrlaufen. Der Fall Spahn muß ja nicht im Landtage zur Sprache kommen, wohl aber dürften preußische Analogien dazu vorhanden sein, womit nicht etwa angeveulet werden soll, daß die Pauschalangriffe, die der Ministerialdirektor Althoff m erfahren hatte, begründet erscheinen. DaS Programm der LandtazSsessiön wird außerhalb Preußens kaum interessiren, eS ist osficiöS angekllndigt worden, daß eS geflissentlich durstig und thunlichst harmlos gehalten werden soll wegen der Zoll kampfe. Selbstverständlich wird die Polenpolitik von sich reden machen. Hoffentlich gewinnt man dabei wenigstens die Urberzeugung, daß die an BoikSverrath streifenden Ueber- aescheivtigkeiten deS auf seinen Ruf als „Einspänner" stolzen Berliner Professors Hans Delbrück, über die wir an anderer Stelle berichten, nirgends Eindruck gemacht habe. Etwas Großes hat der preußische Landtag vor dem unserigen in dieser Tagung voraus. Während dieser sich mit einer Reform der direkten Steuern abplagen mußte, ist diese An gelegenheit in Preußen längst und für die Verhältnisse deS Lande» trefflich geordnet. Herr v. Rhcinbaben bat sich in dieser Hinsicht in ein von seinem genialen Vorgänger ge machte« Bett legen dürfen. Aber auch die preußischen Finanzen lassen zu wünschen übrig, die Neichsfinan zreform muß auch dem führenden Staate zur Nothwendigkeit werden und wenn — auch wegen der Zollangelegenheiten — die Frage in diesem Winter schweigt, Herr v. Rbeinbaben wird vorbereitend handeln müssen. Die liberale Mittelpartei wird voraussichtlich nicht zögern, seinen Eifer zu beflügeln. Vielleicht hängt eS mit dem bevorstehenden Wiederbeginne der parlamentarischen Arbeiten zusammen, daß die offici-ic Presse außergewöhnliche Töne anschlägt. Außergewöhnlich ist es jedenfalls, vaß die „Nordd. Allgem. Ztg." die Be- bauptung eines englischen Blattes, der bevorstehende Besuch des Prinzen von Wales in Berlin werde auf eine dringliche Einladung deS Kaisers erfolgen, als falsch bezeichnet und feststellt, daß dieser Besuch auf einen Wunsch deS Königs von England zurückzu führen ist. Wenn man sich erinnert, welche Anstrengungen Herr Chamberlain machen mußte, um seine „Privatäuße rungen" über die deutschen Kämpfer von 1870/71 von der „Nordd. Allg. Ztg." zurückgewiesen zu sehen, so muß man es erstaunlich finden, daß ein englisches Blatt so rasch zu der Ehre gelangt, von dem deutschen Regierungsblatte demen- tirt zu werden. Soll dieses Dementi etwa auf eine schneibige Antwort deS Grafen Bülow vorbereiten, wenn die Aeußerungen Chamberlain s im Reichstage anläßlich der EtatSberathung zur Sprache kommen? Erfreulich wäre daS; aber eben deshalb wagen wir noch nicht recht daran zu glauben. Ebensowenig glauben wir aber mit furchtsamen Seelen daran, daß infolge der Richtigstellung der „Nordd. Allg. Ztg?' der Besuch des Prinzen von Wale» unterbleiben werde. England hat daS Bedürsniß, in guten Beziehungen zu Deutschland zu stehen, und wird dieses Bedürsniß befriedigen, auch wenn dasselbe öffentlich constatirt wird. DaS zu erfabren, kann für viele Leute in Deutschland von Nutzen sein. Weit auffallender noch als die Kundgebung der „Nordd. Allg. Ztg." ist die eines Berliner Mitarbeiters der Münchener „Allgem. Ztg.", der zum auswärtigen Amte in Beziehung steht. Er fuhrt gegen die „Köln. Volksztg." wegen eines die galizischen Polen und die Polen überhaupt gegen die deutsche und die preußische Regierung in Schutz nehmenden Artikels des ultramontanen BlatteS eine Sprache, wie man sie von solcher Seite seit Jahren nicht gehört bat. Der Schluß deS Artikels, in dem von „Bösartigkeit" und „Jesuiten kniffen" die Rede ist, lautet wörtlich: „Vielleicht ist es bei diesem unerhört groben und frivolen Vorstoß ans einen EinschüchterungSversuch gegenüber dem Grasen Bülow abgesehen. Dann sind wir von dem voll ständigen Mißlingen im Voraus überzeugt. Hat man es aber, was uns wahrscheinlicher dünkt, mit einem AuSbruch der Wuth darüber zu thun, daß sich das Ceutrum in dem Grasen Bülow arg verrechnet bat, dann offenbart sich hier die Auffassung, welche die „führende" Partei von der Reichs politik hegt, in einer Kraßheit, die den nationalgesinntcn Kreisen die Nothwendigkeit einer gründlichen Aenderung des gegenwärtigen ReichStagszustandes zwingender als je erscheinen lassen wird. Aus jeden Fall stehen wir am Beginn einer bedeutungsvollen Klärung der Lage." Daß Graf Bülow im preußischen Abgeordnetenhaus« solcher Redewendungen sich nicht bedienen wird, kann man sich von vornherein sagen. Aber wenn er auch nur leise andeutete, daß das Centrum durch die Rolle, die es in der Polenfrage spielt, am Ende die Geduld der Re- Fcrrilletsn. Gesühnt. 4s Roman von E. Eschlicht. Nachdruck verboten. Er zögerte noch immer, zögerte auch noch, als er schon allein draußen stand, eines Rufes von ihr, eines umstimmenden Wortes gewärtig; endlich stieg er langsam nieder, wie betäubt von dem seltsamen Geschick, in das er nun so fest verstrickt war, er, der noch vor vierundzwanzig Stunden ein freier Mann, ohne einen Gedanken an Liebe und Heirath gewesen! Louise war unten in der Treppennähe beschäftigt und ging ihm aus dem Weg«, kam aber auf seinen Anruf rasch herbei; sein Gesicht war verstört, und seine Lippen erbleichten unter den eigenen Worten, die doch eine so arge Täuschung für diese so guten und ihm seit Jahren freundlich gesinnten Menschen bargen. „Ja, ja, Louis« — Sie sehen in mir «inen abgewiesenen Freier — nur Freundschaft ist mir bewilligt, die alte unver brüchliche Freundschaft — so bleibt denn zwischen uns Alles beim Alten!" Er übersah ihre staunenden Mienen und die im Schreck er hobenen Hände, ging weiter und klopfte an die Thür des Ca- pitäns, der ahnungslos den Vorgängen von gestern und heut« gar keine Beachtung geschenkt hatte. Er hatte die Ausgabe der ParlamentSsihung von gestern mit der Morgenpost erhalten, und, kaisertreu und conservativ, saß ec in grollendem Zorn vor der socialen Debatte. Mit der Hand grüßend, bat er Theuerdank, Platz zu nehmen, sprach einige Worte über das Gelesene und sagte, mit der geballten Hand gegen das Papier schlagend: „Unsinn, lieber Theuerdank. Nach allen diesen Volksbeglückungen wird es immer thörichter in der Welt — ich bleibe bei meinem erfahrungsmäßigen Programm: Schließung dieser verdammten Kneipen, die Hau» bei Haus liegen; dafür sollen sie die Thüren der protestantischen Gottes häuser öffnen, gleich den katholischen, denn zu unserm Herrgott sollten wir jeden Augenblick freien Zutritt haben. Dritten»: Auflösung de» Parlamentes in Permanenz. Viertens: eine ordentliche, mit Altersbeschränkung wilder einzusührende Prügel strafe — eine ordentliche, gesunde, weitausholende —, sollten 'mal sehen, Liebster, wie das social wirken würde, und last not Inast eine kolossale Branntwein und Luxussteuer." „Ja, ja", stimmte Theuerdank zerstreut bei, „Sie mögen Recht haben aber die Lösung der schwebenden Fragen dürfte sich auf die von Ihnen geträumt« Art auch nicht naturgemäß voll-
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