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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.01.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190201120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020112
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020112
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-12
- Monat1902-01
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.01.1902
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Anzeigere-PreiS die 6 gespaltene Petitzrile LS Reklamen unter demRedaction-strich (4 gespalten) 7S vor den Famtltennach- richten (6 gespalten) 8V H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanaahme 2» (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgeu-AuSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesördernug ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- in Leipzig. Nr. 2V. Sonntag den 12. Januar 1902. 88. Jahrgang. Aus der Woche. Nun beginnt es mit der innerpolitischen Arbeit ernst zu werden. Morgen setzt die ReichStagScommission für die Zollgesetze mit der eigentlichen Thätigkert ein, am gleichen Tage tritt da» preußische Abgeordnetenhaus mit der Berathung der Poleninterpellationen in eine hoffentlich erfolgreiche Wirksamkeit, um sich alsbald der ersten Lesung des Etat» zuzuwenden. Die fleißigen Mitglieder beider Häuser — sie sind seltener als die schwarzen Schafe, aber doch zahlreicher denn die weißen Raben — studiren die Etats, von denen der preußische, wie gewöhnlich, der interessantere ist. Das politische Leben dcS Reiches ist das bedeutsamere, aber das in den Einzel staaten ist bunter, namentlich in einem Lande von dem ungeheuren und vielgestaltigen Staatsbesitze Preußens, daS ohne Frage der größte Unternehmer der Welt ist. Die landschaftlichen und die örtlichen Angelegenheiten, mit denen daS Einzelparlament zu thun hat, sind unvergleichlich zahl- reicher als die in die Competenz der Reichsgesetzgebung fallenden ähnlichen Dinge. Man schöpft aus dem preußischen Etat mehr administrative und wirthschaftliche Kenntnisse und Anregungen, und daS gestaltet ihn, abgesehen davon, daß er übersichtlicher und durchsichtiger ist, als der Reichsetat, auch für den hier wie dort persönlich nicht interessirten Leser zu der anziehenderen Lectüre. Waö an der am Mittwoch verlesenen preußischen Thron rede von allgemeinem deulschen Interesse ist, haben wir hervorgehoben, ebenso glauben wir bisher die erste Berathung deS ReichShauShaltSetatS über die Pflicht hinaus commentirend begleitet zu haben. Sieht man von der Rede deS Abg. Bassermann ab, der etwas zu sagen batte, so hätte man daS nach den Erklärungen de» Grafen Bülow Gesprochene getrost gänzlich unbeachtet lassen können. Diese Verhandlungen waren inhaltsleer, soweit die Parteien in Betracht kommen, insbesondere nahmen sich die Darlegungen dcS Wortführers der „aus schlaggebenden Partei", deS Herrn Bachem, trotz ihrer Länge in dem von der „Germania" gelieferten steno graphischen Berichte äußerst dürftig auS. DaS Centrum bat eben im Augenblicke nichts zu sagen, weil eS in alle» Fragen, die die nächste Zukunft betreffen, noch nicht zu einheitlichen Entschlüssen gekommen ist. Wo Herr Bachem wirklich etwas zu sagen schien, über die Reichsfinanz reform, hat er wahrscheinlich vielen Parteigenossen außerhalb Preußens und etwa Bayerns zu viel gesagt. Der Badener Hugh und Andere haben schon vor Jahren eine der Aenderung der finanziellen Wechselbeziehungen weit ent gegenkommendere Auffassung bekundet. Und schließlich wird der Bien müssen. Den Vogel in der Etatsberathung hat Graf Bülow ab geschossen, er hat den Verhandlungen einen Inhalt gegeben. Ueber die Aufnahme der beiden Theile feiner Mittwochs-Rede im AuS- lande kann man sich noch heute kein rechtes Urtheil bilden. Die Engländer, die Galizier mit ihren Helfershelfern und die Italiener waren zunächst verdutzt und nahmen die Aus lassungen von einer so guten Seite, wie sie der deutsche Reichskanzler vielleicht gar nicht genommen wissen wollte. In England hat sich das schon einigermaßen gegeben. Wir reproducirten und besprachen bereits unter anderen späteren Preßstimmen von jenseits deS Canals eine Auslassung des konservativen, also gouvernementalen „Standard", der an Umkehrung deS Sachverhaltes und Unverschämtheit selbst daS an Briten gewohnte Maß von Verlogenheit und Ueb »Hebung übersteigt. „Doch anstatt mit Dir zu zürnen, sag' ich Dank, der wohl versöhnt". Der Zorn, der in der deutschen Zurückweisung der Ungezogenheiten eines englischen Ministers „einen groben Bruch mit der diplomatischen Höflichkeit" findet, „Abbitte" und zwar „schleunige" verlangt, mit „gespannten Beziehungen" droht, ist nämlich unterhaltsam, und für AmüsirendeS soll der Mensch dankbar sein. Er wird wohl auch die Boeren amüsiren. Diese haben zwar keinen Anlaß, sich zu gaudiren, aber dieses englische Dräuen muß gerade auf ihr Zwerchfell wirken. Und vielleicht verraucht dieser Zorn etwas infolge der Ab fertigung, die Graf Bülow am Freitag dem Abg. Lieber mann von Sonnenberg deshalb zu Tbeil werden ließ, weil er sich im Schimpfen den britischen Lästerer zum Vor bilde nahm und seine beleidigenden Vorwürfe auf daS eng lische Heer und die englische Nation auSdehnte. Bei uns hat diese Abfertigung den Eindruck der MittwochS-Rede des Kanzlers nicht abgeschwächt; er hat nichts von dem zurückgenommen, was er vorher gesagt, und dem, waS er am Mittwoch ausführte, konnte die gröbliche Ausdrucks- weise deS ehemaligen Antisemitenführers nur als Folie dienen. Auch hat Graf Bülow die Rectificirung deS schimpfenden Deutschen zum Anlasse benutzt, den schimpfenden Engländer nochmals als den Urheber des „Zwischenfalle»" zu bezeichnen. Aber der Beweis seine» Gerechtigkeitsgefühles und seiner Friedensliebe, zu dem ihn Herr v. Liebermann wider Willen nölhigte, zwingt doch vielleicht selbst dem „Standard" etwas wie Achtung und Dankbarkeit ab. Wenn nicht, dann eben nicht. Auch der Hinweis des gouvernemen talen englischen Blattes auf die bevorstehenden Besuche des Prinzen von Wale» in Deutschland und deS deutschen Kaiser» in England läßt un» kühl. Der Besuch unseres Kaiser» ist noch nicht officiell kundgegebener Entschluß und wenn der Prinz von Wales einen Schnupfen vor schützt und dennoch an dem Tage, wo er in Deutschland zu weilen beabsichtigt, im Londoner Hydepark spazieren reitet, unS Deutsche wird da» nicht im Mindesten kränken und wir werden Kaiser« Geburtstag mindesten» ebenso freudig begehen, al» wenn wir den Sohu König Eduard « in Potsdam wissen. Der zweite, wichtigere Theil der Mittwochsrede Bülow'», der den Dreibund betrifft, wird vielleicht von Oesterreick und Italien auch noch unfreundlicher erwidert werden, als im ersten Augenblicke. Auch daS würde ertragen werden, namentlich soweit die Galizier u. s. w. in Betracht kommen. Die Betheiligung eines k. k. österreichischen Ministers an der lediglich Hetzzwecke verfolgenden Sammlung für Wreschcn, die Duldung der Beschlußfassung über deutsche Angelegenheiten im galizischen Landtage und die dazu gehaltene maßlos dreiste Rede de» Fürsten CzartorySki waren starke Stücke und eine — auf eine scharfe »albamtliche deutsche Zurechtweisung — gegebene „Er klärung" deS Wiener .Hremdenblattcs", des dortigen Re- sierungSorganes, sind in ihrer gesuchten Gemüthlichkeit o verletzend gewesen, daß sie auch einen sehr fest gesponnenen Geduldsfaden zum Reißen bringen konnten. Die galizischen Uebergriffc und die Chamberlain'schen Schmäh worte sind an sich nicht zu vergleichen, aber wenn Graf Bülow, waS er nicht wissen können, bei seinen AuSeinander- etzungen über den Dreibund an jene galizischen Vorkomm niffe dachte, so muß er ebensogut das Bewußtsein, in der Abwehr zu handeln, gehabt baden, als bei der Abferti gung deS englischen Ministers. In Deutschland, dessen darf ich der Reichskanzler versichert halten, war die Auf nahme seiner beiden Darlegungen eine vorzügliche. Berliner linköliberale Blätter verhielten sich allerdings sehr kübl, mehr fach sogar mißbilligend, aber daS hatte zwei Gründe. Ein Theil von ihnen hatte die Zurückweisung von Chamberlains Beleidigung schon am deutschen Volke getadelt, bei der Sache überhaupt „nichts gesundet,", eine» von ihnen war sogar der Ansicht, daß man in einer Bemerkung, die gedruckt nur fünf Zeilen ausmacht, überhaupt nicht beleidigen könne. Und nun kommt der deutsche Reichskanzler und redet über diese Bemerkung, die er für sehr schwer verletzend hält, viel mehr als fünf Zeilen. DaS ist bitter. Der andere Grund der kalten Ausnahme ist der schlechte Leumund, den Graf Bülow zur Stunde bei den NichtSalsfreihänvleru genießt. Hätte er seine Rede zu einer Zeit gehalten, wo man noch vielfach glaubte, Doppeltarif gelte ihm für Unsinn, er wäre von den oben kenntlich gemachten Blättern am Mittwoch bei lebendigem Leibe unter die Halbgötter versetzt worden. So aber, er mag thun und lassen, WaS er will, wird der Jude ver brannt oder wenigstens angeraucht. Kann man nun aber auch mit den beiden Darlegungen des Kanzlers am Mittwoch ebenso zufrieden sein, wie mit der Ergänzung der ersten am Freitag, so muß man doch dem Abg. Bassermann Dank wissen dafür, daß er der Ansicht AuSdruck gab, die heutige internationale Lage stelle hohe An forderungen an die Vorsicht und die Weisheit der leitenden deutschen Persönlichkeiten. Man kann die Warnung vor politischen Improvisationen kaum feiner einkleiden. Ein Zeichen der Zeit — ob ein gutes oder schlimmes, bleibe vorläufig dahingestellt — ist di« von verschiedenen Blättern, und auch vom „Leipziger Tageblatt", berichtete Thatsache, daß die Zahl der Theologie Studirenden sich im Zeiträume von nur 5 Jahren (1896/97 bis 1901/02) um 20 Procent verringert hat. Auch die „Kreuz zeitung", die ihre statistischen Mittheilungen darüber dem Ascherson'schen Universitätskalender entnimmt, findet es, namentlich im Hinblick auf Greifswald, sehr auffällig, will aber die Gründe des Rückganges von 2959 auf 2380 „nicht unter suchen". Warum nicht untersuchen? Eine „auffällige" Thatsache reizt doch dazu, und die vorliegende ist eine solche umsomehr, als Vie Zahl der Studenten in allen anderen Facultäten seitdem fort während zugenommen hat. Aber freilich, die noch vor etlichen Jahren beliebte Erklärung ist heute auch für die Leser der „Kreuz zeitung" nicht mehr überzeugend. Damals sah man pharisäisch und schadenfroh auf die paar Facultäten von freierer Richtung herab, und es hieß: „Unsere jungen Theologen und ihre Väter mögen von den linksstel^enden Professoren nichts wissen." Aber wie steht's nun? Nicht nur Jena hat abgenommen, sondern auch, und allermeist, Greifswald. Denn da ist die Zahl der Theologie Studirenden von 320 auf 155 zurückgegangen; und gleich nach Greifswald kommt Erlangen, dem von seinen 313 Theologen nur noch 175 geblieben sind. Wenn also die alten Hochburgen der kirchlichen Orthodoxie den stärksten Rück gang zu verzeichnen haben, so kann man für den allge meinen nicht mehr, wie ehedem, die paar freisinnigen Universi tätslehrer verantwortlich machen. Wie aber ist die „auffällige Thatsache" zu erklären? Es liegt nahe, zu sagen, und man hat es gesagt: „Aus der vorherrschend materialistische» Richtung unserer Zeit. Der Theolag, auch der Pfarrer der kleinste» Dorfgemeinde, hat ideale Interessen zu vertreten, und der Durchschnittsmensch des zwanzigsten Jahrhunderts fragt weniger nach ihnen, als „wie er baldmöglichst zu einer gesicherten Lebens stellung", zu „Amt und Brod" kommt." Mag nun in dieser Er klärung — vielleicht — etwas Wahres sein: ausreichend ist sie nicht. Denn zum Erwerb materieller Lebensgüter hat sich oec Beruf des Theologen in der evangelischen Kirche niemals geeignet, und wem's nur um „Amt und Brod" zu thun ist, findet zur Zeit Beides in ihm «her, als in manchem anderen. Ob ich um eine bessere Erklärung der „auffälligen Thatsache" weiß? Ich glaubt, ja. Viele junge Männer sehen — oder ahnen wenigstens — den Conflict voraus, in den sie, wenn sie an der Schwell« des Pfarramtes stehen, hineingerathen können, so lange dessen Uebertragung vom Bejahen eines Dogmaglaubens ab hängig gemacht wird (und es geschieht noch fast überall), dem sie sich schon auf der Schule, im geschichtlichen und naturwissen schaftlichen Unterricht, entfremdet hoben. Und ist dies der Beweg grund, aus dem die Meisten sich lieber jedem anderen Berufe, als dem pfarramtlichen zuwenden, so ist di« Abnahme der Theologie Studirenden, genau besehen, kein betrübendes, sondern ein er freuliches Zeichen der Zeit. Denn es beweist, daß in unserer akademischen Jugend daS protestantische Gewissen iwch eine Macht ist, und daß sie die Versuchung scheut, ihm um äußeren Dortheiles willen untreu zu werden. Gewiß hat der vielbesprochene Fall W « i n g a r t, sowie mancher ähnlich« im letzten Jahrzehnte, dazu beigetrage». Denn „voatix-ia terre-nt!" Sollte es dem Kaiser gelingen, den Traum einer deutschen evangelischen Kirche zu verwirklichen, und zwar einer, die nicht nur den kirchlichen Sondergrmeinschaften, sondern auch den Ge meinden 'm den Fragen der Lehre und des Cultu» di« zu ihrem Gedeihen nöthige Freiheit, insbesondere freie Predigerwahl, gewährte, so würde die Zahl der Theologi« Studirenden bald wieder zunehmen. Denn wie bescheiden der Beruf de» evange lischen Prediger» und Seelsorgers fein inog: ein schöner, für idealgesinnte Jünglinge anziehender ist er doch, und nach wie vor lregt auf dem evangelischen Pfarrhaus, aus dem viele unserer vortrefflichstenMännerhervorgegangen sind, einHauch vo-nPoesie, daran es dem katholischen und selbst dem erzbischöflichen Palast fehlt. Bleibt es hingegen bei der seitherigen Abhängigkeit der Ge meinden von einem mehr oder weniger engherzigen Kirchen- regimente, so wird man, umgekehrt, auf eine weiter« Abnahme der Theologen gefaßt sein müssen- Aber auch dann, wenn sie «intritt, können wir nur die Ursache, und nicht die Wirkung, be klagen. Der Krieg in Südafrika. Mne Rechtfertigung Ser Boeren. Ein früherer Mitkämpfer der Boeren schreibt aus Lorenzo Marques «unter dem 15. Deceember: Der Fluch des Goldes, der schon so manches reiche Land ins Verderben stürzte, hat auch in den Boerenrepubliken, noch ehe dieselben sich in den Vollgenuß ihrer Reichthümer setzen konnten, nur zu schnell sein Wert gethan. Mit Entdeckung der Goldfelder wurde die Begehrlichkeit Eng lands rege, und seit 'dem ersten finanziellen Erfolg des Minen betriebes war es sein Bestreben, das den Boeren seinerzeit als ziemlich werthlos überlassen« Land wieder in seine Hände zu bekommen Mit List und Tücke, und wenn diese nicht fruchteten, mit heimlicher und offener Gewalt versuchte das mächtige Eng land, den fetten Bissen an sich zu reißen, aber immer gelang es den Boeren, Vie gegen sie gesponnenen Jntriguen aufzuvecken, die verderblichen Absichten Englands zu Hintertreiben und, wenn diesem die Sache zu langweilig wurde, unv cs mit einem Gewalt streich zum Ziele zu kommen gedachte, ihm derartig auf die Finger zu klopfen, >vaß ihm auf Jahre hinaus die Lust zu weiteren Ge-1 waltmaßregeln verging. Inzwischen wurde aber immer weiter gebohrt, intriguirt und chicanirt, und so gehört eben die Zähig-, leit und Dickfelligkeit, und auf der anderen Seite auch das Gott vertrauen der Boeren dazu, um einerseits alle die unzähligen Nadelstiche zu ertragen, die das ränkesüchtige England durch diplo matische Kniffe, unbefugte Einmischungen in andere Angelegen heiten rc. ihnen zufügt«, und andererseits, wenn es zum Klappen kam, den offenen Kampf mit dem übermächtigen Gegner auf zunehmen. Ich habe Gelegenheit gehabt, die Vorgeschichte dieses unglückseligen Krieges, die zurückreicht bis zur Entdeckung der ersten Goldfelder im Jahre 1867, zu studiren, und ich weiß heute nicht mehr, welches Gefühl mich dabei mehr beherrscht«, ob das tiefe Mitleid mit dem armen Boerenvolke, welches sich fort und fort der Anzapfungen auf diplomatischem Wege oder auch der bewaffneten Einfäll« des auf seine Macht pochenden rücksichts losen Gegners zu erwehren hatte, oder Entrüstung und Abscheu über die selbstsüchtige ränkevolle Politik Englands, das trotz der erlittenen Niederlagen immer wieder eine Stelle zu finden wußte, wo es seine Hebel ansetzen konnte, um die Boeren aus dem Sattel zu heben. Die Boerenregierung batte nämlich während des Krieges, zu ihrer Rechtfertigung vor der übrigen Welt wegen des seinerzeit gestellten Ultimatums und Beginnes der Feind seligkeiten, diese Vorgeschichte mit allen Details und unter Wieder gabe sämmtlicher diplomatischer Noten und Schriftstücke zu Papier bringen lassen und dieselbe als hübsch ausgestattetes Werk in Halbfolioformat in beschränkter Anzahl drucken lassen, um es an die fremden Regierungen zu versenden. Ob diese Versendung noch geschehen ist, kann ich nicht sagen, denn das Werk, um welches der federgrwandte Staatssekretär Reitz sich be sonders verdient gemacht hat, kam erst kurz vor der Einnahme von Pretoria heraus, und ob die von da ab stets auf der Flucht befindliche Regierung dann noch Zeit zur Absendung gefunden oder diese überhaupt noch für opportun gehalten hat, ist fraglich. Mir selber verehrte Reitz in Machadodorp ein Exemplar dieses hochinteressanten und jetzt jedenfalls historisch höchst werthvollen Werke? mit eigenhändiger Widmung, und ich hatte vierzehn Tage später, als ich verwundet in Lydenburg lag, Muße genug, mich gründlich in dasselbe zu vertiefen. Leider fand ein englischer Officier nach der Einnahme von Lydenburg bei Durchsuchung meiner Sacken nach Kriegsconterbande dieses Buch, und nahm es mir, trotz meiner energiscken Reclamation, unter dem Vor wande, dasselbe als officielles Tocument der früheren. Boeren- regierung «bkiefern zu müssen. Es würde zu weit führen, näher auf den interessanten Inhalt dieser R e ch t f e r t i g u n g s sch r'i f t mit all ihren Belegen an diplomatischen Schriftstücken einzugehen, auch würde viel dazu gehören, um denselben aus dem Gedächtniß genau wieoer zu geben. Aber so viel habe ich daraus ersehen, daß die Boeien- I rcgierung für Abfassung diplomatischer Noten garnicht so un- I geschickt war, wenigstens inhaltlich trugen dieselben bei aller Höflichkeit stets den Stempel eines großen, durch unerschütter liches Gottvertrauen ringegebenen Selbstbewußtseins, aber die Form derselben mag in europäischen Tiplomatenkreisen oft genug Heiterkeit erregt haben, denn ohne Bibelcikate waren auch diese diplomatischen Noten gar nicht denkbar. Di« englischen Noten dagegen waren formvollendet, aber inhaltlich, selbst kurz nach den verschiedenen Niederlagen, stets voller Nörgeleien oder unver schämter Forderungen und Drohungen. Die größere Hälfte des Werkes nimmt allein die Zeit vom Jameson Einfall bis zum Ausbruch des Krieges in Anspruch, und dieser Abschnitt ist natürlich ganz besonders interessant mit seiner sich immer mehr zuspitzenden Heftigkeit im Ton der Hunderte von Noten, die in dies«« Periode gewechselt worden sind. Ein Umstand ist mir in diesem Buche noch besonders aufgefallen, und derselbe dürfte auch im Allgemeinen von Interesse sein, nämlich der, baß es einem Deutschen Vorbehalten war, den Goldreichthum Transvaals zu entdecken. Ein gewisser Herr Hauch Ivar danach der erste, der im Jahck 1867 im nordwestlichen Transvaal, in der Gegend von Tati, und drei Jahre später im Lydenburgdistrict, bedeutende Goldfunde machte und auch das Vorhandensein von goldhaltigen Quarz gängen feststellte, welche Entdeckung dann zur Vornahme weiterer Unteeksuchungen führte, die Transvaal in die Reih« der gold reichsten Länder der Erde ruckten, aber auch zugleich den Fluch heraufbrschworen, der das Land und seine bcdauernswerthen Bewohner Hm Untergänge zuzuführen droht. * Loutzon, 11. Januar. Wie „Reuter'S Bureau" meldet, ist beschlossen worden, »in Lager gefangener Boeren aus der Insel Antigua (Kleine Antillen) zu errichten. Ein Officler ist dahin ab gegangen, um Platz für das Lager auSzuwählrn. Deutsches Reich. Berlin, 11. Januar. (Deutschland» aus wärtige Politik und das Centrum.) Das Mün chener Cenirumsblatt findet es sehr schlimm, wenn Oester reich mit Rußland einen Balkanvertrag schließt, wenn Japan und Amerika mit Rußland uwd Frankreich „die" Politik in Ostasien machen, wenn Frankreich sich mit Italien über Tripolis ver ständigt — „ohnedasveutscheReich". — „Während dec Zweibund Alles beherrscht", ruft im Artschluffe hieran das Münchner Blatt aus, „immer mehr an Inhalt gewinnt, läuft das Faß des Dreibundes aus." — Das Centrumsorgan vergißt bei dicsen Klagen, daß der Dreibund zu keiner Zeit Oesterreich ge hindert hat, mit Rußland Balkanverträge zu schließen, einer Ver ständigung Italiens mit Frankreich — deren realer Werth schon jetzt überaus winzig erscheint — ebensowertig jemals im Wege stand und die ostasiatischen Verhältnisse in ihrer Beziehung zu Japan und den Vereinigten Staaten u. s. w. niemals berühren konnte. Vergegenwärtigt man sich die Stimmen aus dem Bis- marck'schen Lager, die zur Zeit der kretischen Wirren mit Nach druck in dem Sinne laut wurden, Deutschland thue gut, wenn es bei Anlässen, die seine direkten Interessen nicht berühren, sich möglichst zurückhalte, so wird man die Münchener Centrums klage über Vas Auslaufen Des Dreibundfasses im Hinblick auf die geoach'en Puncte, auch unter Anlegung Bismarck'scher Maß stabe, nicht gerechtfertigt finden können. Wenn das bayerische Centrumsblatt weiter behauptet, der gegenwärtige Frieden sei ein Frieden auf Kosten der geschwundenen europäischen Vor machtstellung des deutschen Reiches und habe als Inhalt die Ein schnürung der deutschen Politik, so ist hierauf Folgendes zu ent gegnen. Eine europäisch« Vormachtstellung, wie sie Deutschland unter Wilhelm I. und Bismarck eine Zeit lang sicherlich ein genommen bat, mußt« von dem Augenblick ab Einbuße er leiden, wo der Glanz der kriegerischen und diplomatischen Groß- thaten des Reiches anfing, für die übrigen Mächte den Charakter oes Ungewohnten zu verlieren. Davon abgesehen, hat das Hin scheiden des alten Kaisers, der Rücktritt Bismarck'», und di« Ca- prroi'sche Periode mit ihrem Verzicht auf den deutsch-russischen llteutralitärsvertrag einer europäischen Vormachtstellung Deutsch lands nicht förderlich sein können. Daß aber der gegenwärtige Frieden mit einer Einschnürung der deutschen Politik verbunden sei, diese Frage ist nur cum grauo sslis richtig. Keine euro päische Macht kann heute thun, was sie will, und in diesem Sinne schnürt der bestehende Frieden di« Politik jedes Staates ein. Das Münchener Centrumsorgan zeigt sich aber von der Vorstellung beherrscht, als gehe die Einschnürung der deutschen Politik so weit, daß ein Zusammengehen Deutschlands mit England zu einer eisernen Notwendigkeit werde, wenn das Reich nicht in eine „vollendete Jsolining' aevathen wolle. Man braucht nur auf den Samoa Vertrag mit Amerika und England, auf den für uns ehrenvollen Ausgang der ckinesischen Wirren, auf unser gutes Verhältniß zu RußlanD zu blicken, um zu erkennen, daß — den Dreibund einmal ganz aus dem Spiele gelassen — von einer Jsolirung Deutschlands nicht entfernt gesprochen werden darf. Das bayerischen Eentrumsorgan freilich macht „schon" einige Fragezeichen hinter das große Problem, wie „Großpreußen", d. h. das deutsche Reick, in der Jsolirung bestehen wird. Diese Bc tiimmerniß der bayerischen „Patrioten" contrastirt grell zu dem Bestreben derselben „Patrioten", die Jsolirung Deutschlands durch Sprengung 'des Dreibundes zu befördern. Daß ein Bünvniß zwischen Italien und Frankreich das einzig naturgemäße sei, Saß es unklug von Italien wäre, trüge es „für den Dreibund" seine militärisch-finanziellen Lasten -weiter, dies« Ausstreuungen gehören bekanntlich zu den Specialitäten des bayerischen Cen- lrumsorgans. An dem Ernste seiner Bekümmernisse um die Zu kunft „Großpreuß.-ns" darf unter solchen Umständen mit Fug und Recht gezweifelt werden. z Berlin, 1>. Januar. (Chamberlain'S deutsche socialvemokratische Schutztruppe.) Wenn eS irgend einen Vorwurf giebt, der gegenüber dem Centralorgan unserer Socialdemokratie nicht erhoben werden darf, dann ist eS der, daß seine politische Garderobe niangel- bast fei. Dieselbe ist vielmehr die reichhaltigste von der Welt. Wird ein deutscher Gesandter von Chinesen ermordet und dadurch eine deutsche Erpedition nach China nothwendig, dann ist der „Vorwärts" sofort in dem CostUm eines chine sischen BoxerS auf dem Plane. Benimmt sich Venezuela ungebührlich gegenüber deutschen Rechten, dann tritt der „Vorwärts" sofort als venezolanischer Kämpe snr Castro in die Schranken; beleidigt Chamberlain daS deutsche Heer, dann zieht der „Vorwärts" eilends die englische Khaki-Uniform an und sormirt sich als begeisterte Schutztruppe Chamberlain'«. Wen wird eS Angesichts diese« socialdemolralischen „internationalen", in Wahrheit anti- nationalen Verhaltens überraschen, daß die energische Ab fertigung Ckamberlain'S durch den Reichskanzler das socialdemokratische Centralorgan in belle Entrüstung ver setzt hat'?! Aber seine Wuth über die Wahrung des natio nalen Schatzes, den die ruhmreiche Vergangenheit unsere« Volkes in Waffen bedeutet, gebt so weit, daß eö jede Be sinnung und da« Gedächtniß für da» verloren bat, waS es 24 Stunden vorher selbst geschrieben. In einer Besprechung der Mittwochssitzung dcS Reichstag» schrieb der „Vorwärts" am 9. Januar: „Für den Kanzler . . . war e» kein Geringes, an den nicht geringen Gegensätzen zwischen der Volksstimmung und der Hof- stimmung da» ihm unschädliche Wort zu finden." In einer Besprechung derselben Sitzung sagt der „Vor wärts" dagegen am lO. Januar: „Wir glauben nicht einmal, da» die Erklärung (Bülow's) in jedem Worte sorgfältig vorbereitet war." Am 9. Januar schrieb der „Vorwärts": „Graf Bülow mußte sich entschließen, mit einiger Schürf« den Minister (Chamberlain) . . . zurückznwtisen . . . Schwer und grguält brachte er die» späte Opfer an die Entrüstung im Volke, von der Graf Stolberg gesprochen hatte." Am lO. Januar aber sagt derselbe „Vorwärts": „Um vopulären Stimmungen Rechnung zu tragen, hat er
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