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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.01.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020117018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902011701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902011701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Amisbkatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Polizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige« »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Rec kam en unter dem RedactionSstrich (-gespalten) 75 B,, vor den Familiennach» richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und ' Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung ./t 60.—, mit Poftbesörderung .4! 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen »nd Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Freitag den 17. Januar 1902. 98. Jahrgang. Noch einmal die Haftpflicht des Lehrers. Veranlassung zu nachstehenden Darlegungen giebt uns eine Broschüre „Die Haftbarkeit de» Lehrers bei Ausübung seines Berufes" von I)r. jur. Külz (Leipzig-Reudnitz bei Aug. Hoff mann, Preis 80 Pfennige). Einleitend gedenkt der Verfasser der großen Bewegung in der Lehrerwelt, welchen die einschlägigen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (Pa ragraphen 823, 831 und 832) hervorgerufen haben, behandelt dann die strafrechtliche Verantwortlichkeit und Die privatrechtliche Haftbarkeit des Lehrers bei Ausübung seines Berufes, erläutert diese durch viele meist treffende Beispiele, stellt die Rechtslage fest und empfiehlt zum Schluffe der Lehrerschaft, Schutzmaßregeln gegenüber der Haftbarkeit. Das Schriftcheu ist kurz uno prägnant und mit gutem Derständniß geschrieben und dürfte nach mancher Richtung Klarheit verbreiten. Gehen wir noch etwas tiefer auf die verdienstvolle Arbeit ein. Das Eine ist richtig, die Beunruhigung dec Lehrer ist zum guten Theile künstlich in die Lehrerschaft getragen worden, die Versicherungsgesellschaften haben hier Großartiges geleistet und leisten es noch. Wenn man sich die Berichte über Fälle, in denen ein Lehrer für den Schäden eines Kindes haftbar gemacht wor den ist, näher ansieht, so findet man schier unglaubliche Dinge, dabei werden Urtheile wiedcrgegeben ohne ihre Begründung, strafrechtliche und civilrechtliche Begriffe schwirren wirr durch einander und werden je nach Bedarf zum gleichen Zwecke aus gespielt und man weiß es ja, je unverfrorener etwas behaupte! wird, desto mehr wird's bekanntlich geglaubt. Den Schluß bildet aber immer die Aufforderung zum Beitritt und die Versicherung, daß es nirgends besser und billiger (?) sei, als unter der Obhut dieser oder jener Gesellschaft, die mit ihren Prospecten alle Lehrer. Gemcrndevorstände u. s. w. überschioemmcn. Die Versicherungs gesellschaften haben eben herausgefunden, daß dte Lehrerschaft ein dankbares Versicherungsobject ist. Trotzdem kann nicht abgeleugnet werden — wenn es auch ver schiedene öffentliche Zeitungen versuchen —, daß eine stärkere Heranziehung des Lehrers zur Ersatzpflicht eintreten wird. Gewiß, auch früher schon bestand eine .Haftpflicht (vergl. z. B. für Sachsen di« Paragraphen 1484, 1487, 1489—91 und 1507 des sächsischen B.-G.-B.), auch das Princip, daß Jemand für widerrechtliche Handlungen dritter Personen verantwortlich ge macht werden kann, wenn ihn selbst dabei ein Verschulden trifft, ist nicht völlig neu, das sächsische B.-G.-B. (8 779) verlieh ihm Ausdruck; auch das gemeine Recht, das allgemeine preußische Landrecht (I, 6, Paragraphen 53, 64; I, 13, § 36), sowie de: Eode Napoleon (o. o. Art. 1384) wahrten diesen Grundsatz, aber das neue Bürgerliche Gesetzbuch verschärft die Ersatzpflicht, so daß jetzt der in Anspruch Genommene wesentlich ungünstiger, der Verletzte wesentlich günstiger gestellt ist, als früher. Auch Külz sogt (S. 35): „Es muß zugestanden werden, daß die Mög lichkeiten und Arten, haftbar gemacht zu werden, für den Lehrer außerordentlich mannigfaltig sind, und daß die Haftbarkeit unter Umständen zu einer recht umfangreichen Ersatzpflicht führen kann." Nach altem Recht war der Lehrer für Schäden, welch« seine Schüler in Folge mangelnder Aufsicht ver ursacht hatten, nicht haftbar, denn die Ver pflichtung zum Schadenersätze setzte nach tz 1484 eine Be - gehungs Handlung voraus, konnte demnach nicht aus einer Unterlassung gefolgert werden. — Eine zweite Bestimmung, die erschwerend für den Lehrer ist, betrifft die Beweislast. Während sonst der die Ersatzpflicht in Anspruch Nehmende ein Verschulden des von ihm als ersatzpflichtig Bezeichneten nachzu weifen hatte, ist hier die Beweislast zu Gunsten des Verletzten so eingerichtet, daß der Aufsichtpflichtige einen Entschuldigungs- beweis zu führen oder auch nachzuweisen hat, daß der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsfllhrung entstanden sein würde. Und hier 'liegt eine empfindliche Verschärfung. Stünde uns der er forderliche Raum zu Gebote, so würden wir an einer großen Zahl von Beilvielen nachweisen, wie es unter Umständen un möglich sein kann, den Entlastungsbeweis zu führen, ist doch auch das Zeugenmaterial ein völlig unmündiges, und der Richter so wie der Rechtsanwalt des Gegners können der Aussage eines Kindes Glauben schenken oder auch nicht, um so mehr, da Kinder in ihrer lebhaften Phantasie durchaus nicht immer glaub haft sind; inan kann aus ihnen herauskatechesiren, was mau braucht. Dazu bestimmt sich der Inhalt einer Aufsichtspflich! nicht ausschließlich nach Gesetzen und Verträgen, sondern auch nach den besonderen Umständen und vernnnstgemSßen Erforder nisten des einzelnen Falles. Es ist also einzig uno allein Sache des erkennenden Richters, jeweilig darüber Fest stellung zu treffen, ob der Aufsichtspflicht hinreichend genügt worden ist oder nicht. Diese beiden Punctc lasten sich nicht wegdemonstriren, sie be deuten ein« Verschärfung der Lag« gegen früher; Külz giebt dies auch zu, wenn auch mehr nebenher, eine stärkere Hervor hebung wäre nöthig gewesen. — Bedenkt man ferner, daß im Lauf« der letzten Jahrzehnte durch officielle Einführung der Unfallversicherung u. s. w. die Menschen gewöhnt worden sind, bei einem Unfälle Ersatzansprüche an Gemeinden, Arbeitgeber, Hausbesitzer, Genossenschaften u. s. w. zu erheben, und jeder Be troffene sich nach irgend Jemand umsicht, den ee ersatzpflichtig machen kann, so wird unsere Behauptung, daß in Zukunft eine stärkere Heranziehung auch des Lehrers zum Ersätze zu er warten steht, nicht anzufechten sein. In Hinsicht hierauf ist auch dem Lehrer zu empfehlen, sich durch Versicherung gegen Haft pflicht zu schützen. Man hat nun mehrfach versucht, die Gemeinden oder den Staat zu veranlassen, die Haftpflicht für den Lehrer zu über nehmen, und zwar unter Hinweis auf 8 831 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wo es heißt, daß auch Derjenige zum Ersätze heran gezogen werben kann, der den Anderen zur Verrichtung der Ar beit bestellt, und es haben auch in Folge der eifrigen Werbung von Seiten der Versicherungsgesellschaften, manche Gemeinden dahingehende Verträge abgeschlossen. Größere Gemeinden könnten überdies denselben Zweck auf viel billigere Weise er reichen, wenn sie aus den Geldern, die sie als Prämie an die Ge sellschaften zu zahlen hätten, in einer Reihe von Jahren einen Fonds bildeten, aus dessen Erträgnissen dann etwaige Ansprüche beglichen würden (Selbstversich-nmg). Külz ist allerdings auch nicht hierfür. Er sagt: „Die Fälle der Ersatzpflicht werden sich stets nur ergeben im Anschlüsse au eine schuldhafte, meist sogar strafbare Handlung. Würde die Gemeinde als Austellungs- nnd Aufsichtsbehörde für schuldhaftes Verhalten der Lehrer ein treten und dadurch die ernstlichen Folgen destrlven ganz oder thrilVrise aus der Welt schaffen, so würde sie ihrer natürlichen Pflicht, schuldhaftem Verhalten ihrer Angestellten nach Kräften zu begegnen, direct entgegenwirken." Wir meinen auch, daß das Vcrhältniß zwischen Schule und Gemeinde sich nur zu leicht un günstig gestalten würde, wenn es den Lehrern mit Hilfe von Ge- meindcgeldern ermöglicht würde, ohne besondere eigene Gefahr z. B. das Züchtigungsrecht an den Kindern der Gemeinde bis an die äußerste Grenze des Erlaubten, ooer noch darüber hinaus, auszuüben. Auch der Vorstand des Sächsischen Lehrervereins ist derselben Meinung, „die Schulverwaltungen kommen in eine eigeirthümliche Lage; sie müssen die Handlungsweise der ersatz pflichtigen Lehrer tadeln und halten dieselben dann aus Ge meindemitteln schadlos." („Sächs. Schulztg." Nr. 39) und weiter heißt es dort: „Die erheblichen Uebelstände, welche eine Versicherung dec Lehrer durch die Schulgemeinden im Gefolge haben muß, stehen in keinem Vcrhältniß zu der geringen Geld ausgabe, welche dem Lehrer dadurch erspart wird." Der Lehrer kommt auch in ein besonderes Abhängigkeitsvechältniß von seiner vorgesetzten Gemeinde, wenn diese für ihn bezahlt, ohne dabei die gewünschte Sicherheit zu haben, denn Versicherungsgesellschaften begleichen gewöhnlich nur neunZehntel des Schadens, ein Zehntel würde immer noch dem Lehrer verbleiben u. 's. w. Schließlich würden neben diesen p r i n c i p i e l l e u Bedenken auch di: praktischen Conseq uenzen die Uebernahme der Haft pflichtversicherung durch die Gemeinde oder den Staat verbieten „Der Lehrer greife selbst zum Mittel der Haftpflicht versicherung", sagt Külz, „aber zur richtigen Art dieser Ver sicherung". Als die richtige Art gilt ihm dte Sclbstver st ch c r u n g, die genossenfchastliche Selbsthilfe. Von der Ver sicherung bei bereits bestehenden Gesellschaften tst er ein aus gesprochener Gegner, und das mit vollem Rechte. Die That- sache, daß seit den letzten Monaten die Versicherungsgesellschaften sich förmlich den Rang ablaufen, um die Lehrer zu gewinnen, redet eine deutliche Sprache, das versicherungstechnisch geschult: Auge hat hier ein Feld für gewinnbringende Tätigkeit entdeckt. Warum soll man aber dieses Felo nicht selbst bebauen? Eine eigene Haftpflichtversicherung der deutschen Lehrerschaft für An sprüche aus der Ausübung ihres Berufes, das würde das beste Sicherungsmittcl sein, cinestheils ist es bedeutend billiger, anderentheils aber auch angemessener, und zwar insofern, als die Entscheidung über ztveifelhafte Fragen (Vorsätzlichkeit oder Fahr lässigkeit?) dann ausschließlich der Beurtheilung von Standes- genossen unterliegt, und die Erörterung nicht ausschließlich vom geschäftlichen Standpunkte aus geschieht. — Wir haben uns auch bereits eingehend über diesen Punct in der „Sächs. Schulztg." ausgesprochen und Sachsens Lehrerschaft ist auf dem besten Wege, diese Frage gedeihlich zu lösen; denn der Vorstand des Sächsischen Lehrervereins beabsichtigt — das Einverständniß seiner Mitglieder vorausgesetzt, an dem es jedoch hoffentlich nicht fehlen wird — den Hastpflichtschutz für alle Mitglieder des Vereins auf die Hauptcasse zu übernehmen. Denjenigen aber, die wegen der Zustimmung Bedenken tragen, und cS giebt deren, sei das Schriftchen von I)r. Külz ganz be sonders zur Lectiire empfohlen. Der Krieg in Südafrika. Der „Schwäb. Mercur" macht auf ein Gedicht Rudyard Kipling's aufmerksam, das den Titel „Die Insulaner" führt und in dem der Dichter seinen Landsleuten bittere Wahrheiten sagt. Es ist besonders bemerkenswerth, daß das Gedicht in den „Times" erschienen ist, die an der Spitze der imperialistischen Jingo-Partei marschiren. Bei Beginn des Krieges, also vor 28 Monaten, veröffentlichte R. Kipling ein patriotisches Ge dicht, dessen nicht unbedeutender Reinertrag zum Besten der m den Krieg ziehenden englischen Soldaten Verwendung fa-nd. Damals wurde Tommy Atkins als ein liebenswürdiger Schwere- nöther geschildert, der leichten Herzens in den Krieg ziehe, um für Old-Englands Ruhm uud Ehre zu sterben. Auch sonst fehlte es in dem Gedicht nicht an poetischen Redewendungen aller Art. Wie hat sich in der Zwischenzeit das Bild geändert. Heute bezeichnet er die blutjungen Soldaten als unfertige Schwäch linge und verdorbene Großstzadtsöhne, die man von der Straße auflese (sie) und in die Schlacht sende. Dann liest er aber seinen Landsleuten gründlich den Text und sagt: Ihr vergeßt völlig Euren Stolz, bei den jüngeren Nationen (Australien und Canada) bettelt Ihr um Männer, die reiten und schießen können, denn Euch sind diese Eigenschaften ab handen gekommen. Ihr zieht es vor, zu Hause zu bleiben und Hurrah zu rufen, wenn Andere hinaus^iehen. Eure ganze -nationale Erziehung beschränkt sich auf Criquet- und Fußball spielen, zu dem vornehmsten D i e n st e der Erde, zur Ableistung der Wehrpflicht, vermögt Ihr Euch nickt auf zuschwingen. — Das sind allerdings bittere Wahrheiten, aber nützen werden dieselben nichts. Wenn eine Nation sich trotz der schmerzlichen Erfahrungen und der beschämenden Niederlagen nach wie vor weigert, sich der allgemeinen Wehrpflicht zu unter ziehen, dann ist wenig oder gar keine Aussicht vorhanden, daß sich hier jemals ein Wandel vollziehen wird. Zwar die eng lischen Officiere haben sich als unerschrockene und tapfere Männer erwiesen, und auch Schottlands Söhne haben als brave Soldaten ihre Pflicht erfüllt, aber der englische Städter hat, mit geringen Ausnahmen, völlig versagt. 'Nach den vor Kurzem veröffentlichten statistischen Aufstellungen des englischen Oberstleutnant- Garsia kann man sich ja auch darüber nicht wundern. Die billigen Ovationen, die Lord Chamberlain jetzt auf Volksversammlungen einerntet, und die papiernen Proteste und Entrüstungsäußerungen der englischen Presse sind nicht ge eignet, an der Sachlage das Geringste zu ändern. Vr. Peters über die Boeren. Unter der Ueberschrift: „Boerensache, England und Deutsch land" veröffentlicht vr. Karl Peters in der „Finanz-Chronik" eine den Boeren sehr sympathisch gehaltene Betrachtung, die aber für die politische Zukunft der heldenmüthigen Vertheidiger ihres Landes betrübend ausklingt. Wir lesen da: „Für die Boeren steht die Sache heute folgendermaßen: Als Volkstkum sind sie zersprengt über die Erde; ihre Weiber und Kinder, ihre Farmen und Wohnstätten sind in der Hand des Siegers, der seinerseits begonnen hat, sich häuslich in ihrem Lande einzurichten. Es fragt sich für die Boerenführer, ob sie diesen Zustand der Dinge beruhen lassen, oder ob sie durch Anerkennung der Thatsachen die Grundlagen für neue Entwickelungen schaffen wollen. Wollen sie lieber untergehen, als sich unterwerfen, so fallen sie als Helden wie die Ostgothen in Italien. Aber was in dem erbarmungslosen Staatensystem dec alten Welt bittere Noth- Wendigkeit war, dafür fehlt im modernen Völkerleben das eigent liche Motiv. Damals hieß es: Stirb, oder sei ein rechtloser Sclave." Heute tritt der Unterworfene in das neue Staats wesen ein als gleichberechtigter Bürger; ja, er verliert nicht ein mal seine Nationalität, wie die Polen in Preuße,: und die Franzosen in Canada beweisen. Deni Holländerthum in Südafrika steht unter Umständen noch eine große geschichtliche Zukunft bevor. In solchen vcrhängniß- vollen Entscheidungen läßt sich ein Rath von außen nicht geben. Die Leiter, denen die Verantwortung zufällt, haben der Stimme ihres eigenen Gewissens und dem Raunen des Genius ihrer Art zu lauschen. Was immer die Boeren wählen mögen, der trauernden Theilnahme von Mit und Nachwelt sind sie sicher." vr. Peters meint aber: „Anders wäre es geworden, wenn auch den südafrikanischen Holländern 1896—1899 ein Oranien erstanden wäre! Schon gährte es allgemein unter den Afrikandern; schon brodelte der chinesische Topf über. Ein Oranien hätte sicherlich nicht 1899, vielleicht aber 1900 oder 1901 losgeschlagen, und dann wäre Groß britannien in der That ins'Meer zurückgeworfeu worden." * London, l6. Januar. (Telegramm.) Es verlautet, die Lppositiou im Unterhaus«: werde einen Zusatz zur Adresse des Hauses in Beantwortung der Thronrede beantragen, der die Nothwendigkeit, den südafrikanischen Krieg zu einem schien, nigen Ende zu bringen, betont. Wahrscheinlich werde vor geschlagen werden, Laß das Auswärtige Amt ein Rundschreiben an die Mächte erlasse, des Inhalt-, daß Großbritannien zwar entschlossen sei, die Boerenstaaten dem britischen Reiche einzuverleibcn und der Wiederkehr der gegenwärtigen Verwickelung vorzubeugen, ober Loch bereit sei, falls die Boeren unverzüglich die Waffen nieder legen, den verschiedenen Theilen Südafrikas nach dem Abzug der Truppen Localverwaltung zu verleihen, weitgehende Amnestie zu ge- währen und hinreichende Mittel sür den Wiederaufbau der zerstörten Farmen zu bewilligen. (Voss. Ztg.) Deutsches Reich. -> Berlin, 16. Januar. (L e b c n s m i t t c l z ö l l e und Wittwen- und W a i s e n v e r s o r gu n g.) Das Cen trum lhit bekanntlich in der Z o l l t a r i f c o m m i s s i o n des Reichstags den Antrag eingebracht, Mehrerträgnisse ves neuen Tarifs, so weit sie aus den Zöllen auf Getreide, Vieh, Fleisch, Butter, Käse, Eier und Müllerei-Erzeugnisse sich ergeben, zu: Durchführung der Wittwen- und W a i s c n v e r s i ch e - rung zu verwenden. Gegen Viesen Antrag wendet sich die „Sociale Praxi s", indem sie die Absicht, v'-e Aöboiterclafse für die Erhöhung der Zöllo zu entschädigen, zwar billigt, das zu ihrer Verwirklichung oorgeschlagene Mittel aber aus folgenden Gründen verwirft: „Man kann nicht dauernde Ausgaben von großem Belang auf s ch w a n k e n o e E in nah m« n gründen, ganz abgesehen davon, daß es auch budgeU technisch und sta a t s w i r t h sch a f t l i ch verkehrt ist, be stimmte Einnahmen für bestimmte Ausgaben gesetzlich festzu legen. Schwankend aber sind in hohem Grade die Erträge na mentlich oer Getrcidezölle, die ganz vorwiegend von dem Ausfall der Jnlandernte abhängen; sie weisen jetzt von einem Jahre zum anderen mitunter Differenzen von fast 40 Millionen auf. Die Zolleinnahmen von Vieh, Fleisch, Eiern, Molkcretproducten sind zwar bisher beständiger, aber hier ist die ausgesprochene Absicht des neuen Zolltarifs, durch Erschwerungen der Einfuhr den Be darf an diesen Producten künftig thunlichst im Inlands zu decken — eine Absicht, die auch bei dec Erhöhung der Getrcidezölle wenigstens mit ins Treffen geführt wird. Mit dem Grade ihrer Verwirklichung aber müßte der Ertrag aus diesen Zöllen natür lich entsprechend sinken. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, irgend welche Schätzung der Beträge anzugeben, die nach dem Centrumsantrage — falls er die Zustimmung de» Reichstags und des Bundesraths finden sollte — für die Wittwen- und Waisenversorgung erst zu admassiren und dann zu verwenden wären. Auf einem so unsicheren und schwankenden Boden kann man aber ein so wichtiges und nothwendiges Werk der Soctal- reform nicht aufbauen." — Den geeigneten Boden hierfür hat nach der Ansicht der „Toc. Praxis" eine Reichs-Erb schaftssteu«r zu schaffen. Hierüber dürften im Reichstage die Meinuiigen ungleich weiter auseinandergehe», als über die Frage der Wittwen- und Waiscnversicherung selbst, deren Noth- wcudigkeit vor zwei Jahren vom Reichstage nahezu einstimmig in einer durch den Frhrn. v. Stumm beantragten Resolution anerkannt worden ist. Auch der Staatssekretär Des Innern hat damals vas Ziel ausdrücklich gebilligt, aber beu Einwand de: hohen Kosten gemacht, die er auf 100 Millionen jährlich schätzte. Nach einer Berechnung von vr. Prinzing, die auf die Wittwen und Waisen der zur Alters- und Invalidenversicherung ver pflichteten Arbeiter sich bezieht, würden im ersten Jahre einer solchen Versicherung oen Wittwen und Waisen etwa 7, im zehnten Jahre rund 57, im dreißigsten gegen 99 Millionen an Renten gezahlt werden müssen, bis im sechzigsten Jahre nach Einführung des Gesetzes bei einer Million Wittwen und zwe! Drittel Million Kindern der Beharrungsftand mit rund 111 Millionen erreicht werden würde, * Berlin, 16. Januar. (Aerztliches Beru fs- geheim niß und T o d e s u r s a ch e n st a t i st i k.) Am 19. November 1901 wurde in Staufen im Bröisgau Anklage gegen «inen Arzt erhoben, weil derselbe in die von ihm auszu füllenden Leichenscheine in zwei Fällen nur die allgemeinen Diag nosen „Leberleiden" und „Nierenleiden" eingetragen hatte und sich trotz der Aussonderung von Seiten des Bezirksarztes und Bezirks amtes gl'w-iaert hatte, die Diagnose genauer zu stellen. Der betreffende Arzt stützte sich darauf, daß bei Bekauntwerden dieser letzteren üble Nachreden entstehen könnten, daß die Hinterbliebenen ihm verboten haben, mehr als die allgemeine Diagnose bekannt zu geben und daß er nach 8 300 D. St.-G.-B. unbefugt Privatge heimnisse nicht offenbaren dürfe. Der Arzt wurde vom Schöffen gericht freigesprochen. Da der Tvdesursachenstatistit in anderen Ländern mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, a-ls in Deutsch land, so ist in einigen derselben versucht 'worden, den Zwiespalt der Pflicht, in den der Arzt gerathen kann, zu beseitigen. Bei spielsweise ist das in England und Italien geschehen. In Deutschland fehlt jede gesetzliche Grundlage zur Exhebung des für die Todesursachenstatistik nöthigen Materials, und es sind daher alle diesbezüglichen Verordnungen in den Einzelstaaten auf dem Verwaltungswege erlassen. Der oben angeführte Fall be weist, daß diese Verordnungen nicht immer mit dem bestehenden Gesetz in Einklang sieben. Daß eine genaue Todesursachen statistik für die öffentliche Gesundheitspflege nicht entbehrt werden kann, ist in ärztlichen Kreisen allgemein anerkannt. Die Ab nahme der Tuberkulose, des Abdominaltyphus u. s. w. läßt sich nur so feltstellen. Nichts zeigt mehr die Unzulänglichkeit in der Art 'der Erhebung der Todesursachen, als 'die verschiedenen An sichten über die Zunahme des Krebses und über die locale Ver breitung dieser Krankheit. Leider ist die Einführung einer ärzt lichen Leichenschau in Deutschland oder wenigstens in den einzelnen Bundesstaaten in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Bisher besteht sie nur im Großherzogthum Hessen und in Ham burg. Die Todesursachen müssen demnach durch die Behörden direct von den behandelnden Aerzten erhoben werden, deren An gaben auf den Leichenscheinen durch verschiedene Hände gehen, ehe sie an die Stelle gelangen, von der sie verarbeitet werden. In der „Aerztlichen Sachverständigen-Ztg." wird empfohlen, um Conflict mit dem K 300 D. St.-G -B. zu vermeiden und eine genaue Erhebung der Todesursache in Fällen, in denen rin Bc- kanntwerven derselben für die Familie des Verstorbenen oder für den Arzt unangenehm wäre, zu ermöglichen, den Arzt zur Angabe der Todesursache bei den von ihm Behandelten gesetzlich zu verpflichten und zugleich eine Art der Erhebung einzuführen, vie die Wahrung des ärztlichen Geheimnisses gewährleistet. * Berlin, 16. Januar. Wegen strafgerichtlicher Verfolgung der Cur Pfuscherei hat der preußische Justizminister folgenden Erlaß an-die Oberstaatsanwälte ge richtet: Nach einer Mittheilung des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten ist aus den Kreisen der Aerzte im Laufe der letzten Jabre wiederholt Klag« darüber geführt woroen, daß seit dw durch die Reichsge'webbeordnung erfolgten Aufhebung des frülzer -in Preußen bestandenen Cur- pfuschcreiverbots di: Kurpfuscherei in einem solchen Maße zu genommen habe, daß ein Einschreiten im öffentl-ichen Inter esse geboten erscheine. Die aus Veranlassung dieser Beschwerden veranstalteten Erhebungen haben ergeben, daß auf dem Gebiete ves Curpfuschereiwescns, insbesondere durch Anpreisung von Heilmitteln und Heilmethoo.'n gegen alle möglichen Krankheiten Durch nicht approbirte Personen Auswüchse entstanden sind, denen im Interesse des Publikums entgegcngetretcn werden muß. Zu den für die Bekämpfung der hervorgetretenen Miß stände in Vorschlag gebrachten Maßregeln gehört auch die An- wcnvung ver Bestimmungen des Reicksgesetzes zur Bekämpfung de- unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896. Wie eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 16. Juli 1900 und dic dazu erstattete, durch Vermittelung des Herrn Staatssekretärs des Reichsjustizamtes vem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts und Mckvicinalangelegenheiten zugcgangene Er klärung des Oberreichsanwalts vom 23. Octoder 1900 ergiebt, hat das Reichsgericht die Bestimmungen des § 4 des genannten Gesetzes auch auf die von den sogenannten Heilkünstlern dar gebotenen „gewerblichen Leistungen" für anwendbar erklärt. Nach 8 12 a. a. O. ist die Strafverfolgung in den Fällen des 8 4 von einem Antrag abhängig, welcher von jedem der in dem z> 1 Ans. 1 bezeichneten Gewerbetreibenden und Verbände gestellt werden kann- Zu den Antrag-berechtigten 'werden außer den Aerzten selbst auch die zur Vertretung der Interessen d-s ärztlichen Berufs berufenen Aerztekammrrn bezw. deren Vor stände zu rechnen sein. Euer Hochwohlgeboren ersuche ich. die Ihnen unterstellten Beamten der Staatsanwaltschaf: hierauf hinzuweisen und auf eine nachdrückliche Verfolgung der eingehenden Strafanträge hinzuwirken. (D Berlin, 16. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm gestern Bormittag einen einstündigen Spazier gang. Zur Mittagstafel und zur Abendtafel waren Ein ladungen nicht ergangen. — Heute Morgen von 9 Uhr ab hörte der Kaiser die Vorträge des Kriegsministers v. Goßler, des Chefs des Generalstabes der Armee, Graf v. Schliessen nnd daran anschließend den des CbefS des Militärcabinets Graf v. Hülsen-Häseler. — Heute Morgen traf Ler Kronprinz auf Station Wildpark ein und nahm im Neuen Palais Wohnung. — Heute Nachmittag um 5 Uhr 35 Mia. wird auf dem Anhalter Bahnhof zu Berlin der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin rintrefseu und später an der Abendtafel beim Kaiserpaare im Neue» Palais theil- nehmen. — Heute Abend um 8 Ubr 30 Min. werden Prinz und Prinzessin Heinrich und Prinz Friedrich Ferdinand von Schleswig-Holstein auf dem Lehrter Bahn hof in Berlin eintrcffcn und im königl. Schloß zu Berliu Wohnung nehmen. 8. Berlin, 16. Januar. (Privattelessramm.) Der Prinz von Wales trifft am 25. Januar hier ein, wo ihm vom Kaiser ein glänzender Empfang bereitet wird. Am 28. wird er auf einem Ballseste erscheinen, welches der groß britannische Botschafter Sir Frank LaScclles veranstaltet, und ebenso wird der Prinz einer Einladung deS Otsiciercorp« des 1. Garde-Dragoner-Regiments Folge leisten. Außer nach Potsdam zum Besuche der Herzogin von Albany und deS Erbprinzen und der Erbprinzessin zu Wied wird der Prinz auch dem mecklenburgischen Hofe in Strelitz einen Besuch machen. Die Großherzogin ist eine englische Prinzessin, eine jüngere Schwester LeS Herzogs von Cambridge. (-) Berlin, 16. Januar. (Telegramm.) Ein Artikel der „Berliner Correspondenz" über die Polcndebatte im Abgeordneten Hause stellt fest, daß von keiner der im Landtage vertretenen deutschen Parteien und von keinem ihrer Preßorgane daS Vorhandensein einer illoyalen, st a a t S g e f a h r l i ch e n polnischen Agitation, die ans daS LoSreißen der ehemals polnischen LandeStheile vom preußischen Staate hinzielt, in Abrede ge stellt wird. Der Artikel fordert die Vertreter des Polen- IbumS in Preußen auf, sich zu vergegenwärtigen, daß die StaalSregierung fest entschlossen ist, bei der eingrschlaaenen nationalen Politik in den Ostmarken mit Stetigkeit und Nach-
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