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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.01.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020122028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902012202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902012202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-22
- Monat1902-01
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Wie die Staatsanwaltschaft erklärte, liegt die Schuldfrage außerordentlich einfach: vr. Krause, früher erster Staatsanwalt der südafrika nischen Republik, hatte, nachdem er viel dazu beigetragen, daß Johannesburg und der Witwatersrand ohne weitere Kämpfe an Lord Roberts übergeben wurden, auf sein schriftlich abgegebenes Ehrenwort hin die Erlaubniß erhalten, im Juli 1900 nach Europa zurückzukchren. Die Grenzen, welche ihm dieses Ehren wort zog, waren keineswegs sehr enge, es verlangte von vr. Krause nur, daß er sich weiterer schriftlicher und persön licher Einmischung in den Gang der Dinge enthalten solle. Der Lordoberrichter bemerkte ausdrücklich, es kennzeichne das große Entgegsnkommen Englands, das man einem Manne, der an hervorragender Stelle gegen England gewirkt habe, überhaupt gestattete, sich in. Vereinigten Königreiche aufzuhalten und sich nach seinem Belieben der vollständigsten Bewegungsfreiheit zu erfreuen. Ja, während Krause von der Krügerregierung Ge halt bezog, habe er als Anwalt an den englischen Gerichten prakticirt. Während seines Aufenthaltes in England unterhielt Krause stetig Verbindungen mit dem später wegen Verraths er schossenen Broeksma und mit den Mitgliedern der Krüger regierung. Es sei demnach klar, daß Krause eifrig für die Sache der Boeren thätig war. Am 6. August schrieb Krause zwei Briefe an Broeksma. In dem ersten erklärt er Broeksma, daß Mr. Forster (der Krause's Pläne durchkreuzt) aus dem Wege geschafft werden müsse, da sein Einfluß verderblich sei. In dem zweiten Briefe wird dann noch näher ausgefllhrt, wie vr. Krause es meine. Er schrieb an Broeksma: „Ich machte Sie im letzten Briefe auf diesen Mann aufmerksam, damit unsere Leute wissen, woran sie sind, und er entweder kriegs rechtlich erschossen oder sonst bei Seite geschafft werden kann, und zwar je eher, je besser, cs ist unvermeidlich." Außerdem erkundigte sich Krause noch mehrmals, ob den Mr. Forster die Justiz der Boeren erreicht habe. Gegen diese Ausführungen bemerkte der Verteidiger: Nachdem man vr. Krause 3 Monate lang rinter der Anklage des Hochverrates in Haft gehalten, habe man diese Anklage fallen lassen müssen und nunmehr eine solche wegen Anreizung zum Morde an ihre Stelle treten lassen, vr. Krause sei ein Mann von hoher Bildung, der Leben und Eigenthum durch sein Verhalten bei der Uebergabe von Johannesburg gerettet habe. Wenn er auch ein ausgesprochener Feind der englischen Regie rung sei, so müßten die Geschworenen doch bedenken, daß er trotzdem volle Gerechtigkeit verlangen könne. Er sei politischer Gegner von Forster gewesen, habe sonst aber in keiner Weise etwas gegen diesen gehabt. Er habe durchaus ehrenhaft die Stadt Johannesburg an Lord Roberts ausgelieferk. vr. Krause leugne auf das Bestimmteste, den Mord des Forster angeregt zu haben. Er habe lediglich seine Landsleute auf die Thätigkeit dieses Herrn aufmerksam machen wollen. Nur in diesem Sinne habe er an Broeksma geschrieben. Daß er sich keiner Schuld be wußt gewesen sei, gehe daraus hervor, daß er dem als belastend bezeichneten Briefe seine mit Unterschrift versehene Photographie beigefügt habe. Die heftige Sprache des Briefes sei erklärlich durch die damals in England herrschende Bewegung gegen die Eoncentrationslager, vr. Krause sei erregt gewesen durch einen Artikel des Douglas Forster, in welchem dieser aufgesorvert habe, die Boeren als Banditen und Räuber zu behandeln und gleich zeitig Vie Anklage erhob, daß die Boeren englische Artilleristen gemordet hätten. Diese Beschuldigung sei von Lord Kitchener widerlegt worden. Der Artikel des Förster 'fei eine absichtliche Lüge gewesen und habe vr. Krause's Brief veranlaßt. (Hier unterbrach der Vorsitzende den Vertheidiger, um ihn darauf auf merksam zu machen, daß er den Artikel nicht als Lüge bezeichnen dürfe. Der Vertheidiger ersetzte daraufhin das Wort durch das Wort „Unwahrheit" und ließ cs unbestimmt, wem diese Unlvahr- heit zur Last zu legen sei.) vr. Krause habe den Boeren ledig lich geschrieben, daß diese berechtigt seien, den Forster standrecht lich zu erschießen. Er habe ausdrücklich in fernem Briese ge sagt, es müsse „in gesetzlicher Weise" geschehen, und deshalb müsse er sreigesprochen werden. Die Geschworenen dürften nicht außer Acht lassen, daß die Anschauungen des An geklagten den ihrigen vollständig entgegengesetzte seien und sie dürften sich nicht durch ein Vorurtheil von der Unparteilichkeit ablenken lassen. Bestünden Zweifel, so müßten diese zu Gunsten des Angeklagten ausgelegt werden. Der Staatsanwalt erwiderte: Die Krone habe keine gegen den Angeklagten in diesem Lande erhobene Beschuldigung zurückgezogen. Man habe aus Gnade für den Angeklagten davon Abstand genommen, ihn den Kriegs gerichten in Südafrika auszuiiefern. Wer könne leugnen, daß aus den Briefen hervorgehe, daß die Abnöigung des vr. Krause auch noch andere, als politische Gründe habe? Sie seien mit der ausgesprochenen Absicht geschrieben, den Tod Forster's herbeizu führen, wenn auch auf gesetzlichem Wege. Welche Rechtfertigung läge dafür vor? Ein Mann, der ein Verbrechen dieser Art an rege, suche sich im Allgemeinen dadurch zu decken, daß er sich auf das Gesetz berufe, und deshalb sei auch hier das Wort gesetz lich eingeschoben worden. Der Brief deut: an, daß Forster er schossen weiden müsse, weil er in einem in London erschienenen Zeitungsartikel über die Kriegswesse der Boeren gesprochen habe. Der Brief sei dann 'in eine Gegend geschickt worden, deren Be völkerung zum großen Thcile aufständisch sei, uno wo sich der Tod eines Menschen leicht verheimlichen lasse. Dies seien die Puncte, welche die Geschworenen im Auge zu böhalten hätten, wenn sie beurtheilien, welche Zwecke der Brief gehabt habe. Der Oberrichter sagte, daß die Jury sich um das nicht zu kümmern brauche, was der Anklage vorausgegangen sei. Der Angeklagte sei den Landesgesetzen verfallen, wenn er ein Verbrechen begangen habe, selbst wenn er ein Boer sei. Die Frage sei, ob er ein Verbrechen begangen habe. Die Wahrheit oder Unwahrheit von Forster's Artikel geh: Vie Geschworenen nichts an. Sie hätten lediglich die Wirkung zu beurtheileu, dir dieser Artikel auf Herrn Krause gehabt habe. Ob der Brief in die Hände von Broeksma gekommen sei oder nicht, das komme bei der Beurtheilung, ob Anstiftung zum Morde vorliege oder nicht, nicht in Betracht. Die Staatsanwaltschaft sc'i der Ansicht, daß der Brief einzig und allein als Anstiftung zum Morde zu verstehen sei. Die Geschworenen kamen nach einer Berathung von 15 Minuten zurück und erklärten den Angeklagten schuldig ves Versuches der Anreizung zum Morde. — Der Angeklagte leugnete, jemals zum Morde an gereizt oder überhaupt an Mord gedacht zu haben. — Der L o r'd-Ob e r ri ch t c r er klärte, der Fall sei ein sehr böser und verdiene die schärfste Strafe, die zu verhängen 'in seiner Macht liege. Er verurteile daher den Angeklagten zu zwei Jahren Gefängniß. vr. Krause blieb vollständig gleichmüthig und leer!:, eh: er abgcführt wurde, ein Glas Wasser. Aus dem englischen Unterhause. * London, 21. Januar. (Unterhaus.) Balfour bespricht die von den Mitgliedern der Opposition gegen den Antrag Cawley's erhobenen Angriffe. Der Antrag gehe bis an die äußersten Grenzen. Redner vertheidigt alsdann die Regierung wider die Beschuldigung, daß sie das Ersuchen Lord Kitcheuer's vom Decembcr 1900 um Entsendung frischer Truppen verschleppt habe. Die Negierung habe nicht nur das, worum Lord Üitschener geboten habe, sondern viel mehr gethau; sie habe während des letzten Jahres 81,000 Mann und 129,000 Pferde nach Südafrika gesandt. Die Leistungen des Kriegsamtes seien ohne Gleichen in der Geschichte des Reiches. Schließlich forderte Redner Campbell Banncrmann, an dessen Patriotismus er appellirte, auf, seinen Antrag zurückzu- ziehen, schon im Hinblick darauf, Laß die Ertheilung einer Censur an die Regierung wegen Südafrikas noch mehr die Ueberzeugung in den Herzen der Boeren befestigen würde, daß sie ihre Hoffnungen auf Erfolg nicht stützen aus die Niederlage der britischen Truppen, sondern aus die Verlängerung des Krieges, bis die Oppo sition wieder zur Macht gelangt sei. (Beifall.) Campbell Bannermann führt aus, er müsse aus patriotischen Gründen sür den Antrag stimmen, weil er glaube, Laß die Haltung und die Politik der Regierung wohl nicht zu einem dauernden Frieden führen würden. Hierauf wurde die bereits gemeldete Abstimmung über den Antrag vorgeuommen. Dabei enthielten sich außer den Iren noch der äußerste Flügel der Radikalen und ebenso eine große Anzahl liberaler Imperialisten, darunter Grey und Asquith, der Abstimmung. politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Januar. Wenn auf der Tagesordnung deö Reichstags Wahl- prüsungeu stehen, kommt Leben in die „Bude", in der ost bei den wichtigsten Berathnngsgegenständen die Redner nur mit größter Mühe die Aufmerksamkeit einiger Dutzend Zu hörer zu fesseln vermögen. Aber mit der ungewöhnlich großen Zahl solcher Mitglieder des Hauses, die dieses sonst meiden, kommt an Wahlprüfuugc-tagen kein guter Geist in die zumeist öden Räume, sondern der Geist des FractiouSneides. ES giebt daher kein undankbarercsGeschäft als dachwelches die Mitglieder der Wahlprüfungscommission zu besorgen haben. Mögen diese Mitglieder die gegen die Giltigkeit einer Wahl er hobenen Einsprüche noch so sorgsam prüfen und noch so gewissenhaft ihr Urthcil fällen: handelt eS sich um einen viel umstrittenen Wahlkreis, in dem der Sieger erst nach hartem Kampfe mit nicht allzugroßcr Mehrheit seine Gegner ge schlagen, dann trommeln die unterlegenen Parteien für die Entscheidung im Plenum zusammen, was sich nur irgend auf die Beine bringen läßt, und diese Schaaren geben hieraus ihr Votum im Fraclionsinteresse ab, mag auch der Berichterstatter ter Commission noch so dringend zu objcctiver Würdigung des Falles mahnen. Das Abstuumen im Fraclionsinteresse ist begreiflich, wenn man bedenkt, von welchem Einflüsse auf die Abstimmung über die wichtigste» Gesetzentwürfe die Verminderung oder Ver-1 mehrung der Stärke einer Fraction um einige Stimmen sein I kann; aber trotzdem ist eS häßlich, schädigt das ohnehin sehr! gesunkene Ansehen des Reichstags noch mehr, steigert die Spannung des Verhältnisses der Fractionen zu einander und vergiftet, wenn das Resultat eine UngiltigkeitSerklärung ist, in dem davon betroffenen Wahlkreise den nothwendig werden den neuen Wahlkampf. Wie erbittert dieser im Kreise Saar brücken werden wird, nachdem gestern im Reichstage daS dort unterlegene Centruin im Vereine mit den Freisinnigen und den Socialdemokraten gegen den Vorschlag der Commission das Mandat des Abg. Boltz für ungiltig erklärt hat, läßt sich denken. Und ebenso läßt sich denken, welcher Groll der Socialdemokratie sich bemächtigen und bei künftigen Wahlen zum Ausdrucke kommen wird, nachdem die Genoffen gestern die Cassirung der Wahl des Abg. Hänel aus ganz ähnlichen Gründen, anS denen sie im Verein mit dem Centrum und den Freisinnigen die Wahl des Abg. Boltz für ungiltig er klärt, beantragt, aber wegen Mangels an Unterstützung nicht durchznsctzen vermocht haben. Solche Erfahrungen, die zahl reiche Vorgänger haben, sind wahrlich dazu angethan, den schon wiederholt gemachten Vorschlag, daS WahlprüfungS- g-schäft einer richterlichen Behörde anzuvertrauen, neue Anhänger zuzuführen. — Heute tritt der Reichstag in die zweite Lesung des Etats ein und beginnt diese mit der Berathung des Etats des Reichskanzlers. Wir haben kürzlich gemeldet, daß führende klerikale Blätter den extremen Agrariern ankündigten, das Centrum würde einem Compromiß über die Aollgesetze nur zustimmen, wenn auch diese Herren, die vom Bunde der Landwirthe, dem Beschlüsse beiträten. Wir haben hinzu gefügt, diese WirthscbaftSpolitik sei keine correcte, weil nicht von dem vollen parlamentarischen Verantwortlichkeitsgefühl getragene und deshalb von den Nationalliberalen perhorreScirte Taktik, es sei aber möglich und nicht unwahrscheinlich, daß daS Centrum sie sich m der That nach der Regel: „Ge- uölbigt wird nicht" zueigen mache. Diese Vermuthung wird erheblich bestärkt durch folgende Auslastung der „Germania": „Gesetzt den Fall einer Einigung der RcichstagSmajorität mit der Regierung über die Getreidezollsätze, dann würde ein solches Compromiß unseres Erachtens nur unter der Bcdiugnng geschlossen werden kümien, daß di« sämmtlichen Mitglieder deS Bundes der Landwirthe, so weit sie dem Reichstage angehören, sich diesem Com- promisse unbedingt anschließen und damit auch auf Angriffe gegen dieses Compromiß verzichten." Abgesehen davon, daß wir, wie gesagt, die Moral des Verhaltens nicht billigen, ist «S ein unkluges, weil unerfüll bares Verlangen, daß sämmtliche Mandatsinhaber aus dem Bunde der Landwirthe einem Compromisse zustimmen, das hinter den Erwartungen des Bundes zurückbleibt. Einige dieser Herren haben sich derart festgelegt, daß sie nicht znrückkönnen. Darauf kommt aber wenig an, denn die Zahl der durch den eigenen Willen um ihren freien Willen Gekommenen ist gering »nd gleichgiltig sür die Majoriiätsbildung. Bei der Ankündigung, oder, wie man will, Drohung der „Germania" handelt es sich aber uni Zuwachs von konservativer und reichspartei licher Seite her, der nötbig ist, um ein Compromiß abzusckließen. Tie Mitglieder dieser beiden Fractionen sind zum allergrößten Tbeile Mitglieder des Bundes, und selbst nach einer vom Handelsvertragsverein angestellten Rechnung bebens cs nickt viel über dreißig Angehörige der deutsch- conservatwen NeichStagspräsenz, um einen von der Regierungs vorlage abweichenden Zolltarif sammt Zollgesctz im Reichs- Rittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachdruck verboten. In diesem Moment wurde die Thür geöffnet und die Haus frau erschien mit der dampfenden Omelette auf der Bildfläche. Eva trug das Besteck, die Serviette, eine halbgefüllte Wein flasche und ein Glas. Döring athmete voll Behagen den Duft des Frischgebackenen. „Nun aber schnell", mahnte die Gattin, „das will ganz frisch verzehrt sein." Sie hatte im Kasten für Döring einen Brief vorgefunden, dessen Poststempel sie sehr erregte. Einstweilen aber barg sie das Schreiben in der Tasche ihrer Wirthschaftsschürze. Döring rannte nach dem Buffet, nahm drei kleine Teller heraus, schnitt von der Omelette drei Stückchen ab und präsen- tirte sie seinen Damen. Sie nahmen das Gebotene lächelnd in Empfang und verzehrten es vergnügt. Wußten sie doch, daß der Papa es nicht anders that. Jedes bekam ein Kosthäppchen, wonach ihr Appetit immer erst rege wurde. Daran dachte Döring aber nicht. Er schmauste vergnügt darauf los. Sein Gesicht strahlte jetzt und seine enthusiastischen Zwischenrufe bedeuteten das größte Lob für seine Frau. „Wenn doch jede Krankheit durch ein Leibgericht aus der Welt geschafft werden könnte!" rief Stephanie mit gutmiithigem Spott. „Halt den Schnabel, Jungfer Naseweis", entgegnete Döring, eine ganz kleine Verlegenheit schnell und siegreich bekämpfend, und dann das gefüllte Weinglas, das ihm seine Gattin credenzte, entgegennehmend, „auf eine sorgenfreie, glückliche Zukunft!" rief er mit blitzenden Augen und leerte das Glas in einem Zuge. Stephanie hatte sich wieder erhoben. Sie war heute un ruhiger, nachdenklicher als sonst. Bernhard's strahlendes Gesicht schwebte ihr vor. Er glaubte fest an ihre Liebe und daran, daß sie seine Werbung annehmen werde. Hatte sie nicht doch ein Unrecht begangen, daß sie nichts that, um ihm diese grausame Enttäuschung zu ersparen? Wäre es nicht ihre Pflicht gewesen, ihn zu meiden, sobald sie erkannt hatte, wie tief ergeben er ihr war? Döring legte seine Serviette zusammen. „Du bist die vortrefflichste Köchin der Welt, Mama, das hat nach Mehr geschmeckt!" Die Hausfrau nickte zerstreut. „Es ist ein Brief aus Ham burg für Dich da, Papa." Sie überreichte ihm das Schreiben. Julius griff mit einer ungestümen Bewegung danach. Seine Hände schienen zu beben, als er das Couvert zerriß. Mit gefalteter Stirn überflog er die wenigen Zeilen. Aber schnell klärten sich seine Züge auf. „Endlich!" rief er. Seine Augen glänzten, seine Rechte machte eine Bewegung auf der Decke des Tisches, als wühle sie bereits im Golde. „Das Märchen beginnt Wahrheit zu werden, Stephanie! Onkel Malchow ist schwer, hoffnungslos erkrankt! Der alte Erbonkel ist im Begriff, das Zeitliche zu segnen, und wir werden endlich von unseren schweren Sorgen befreit, endlich reiche Leute sein!" Frau Döring hatte sich am Fenster niedergelassen. Sie stützte den Arm und beschattete das Gesicht mit der Hand. Sie beobachtete sorgenvoll ihre älteste Tochter. Stephanie sah todtenbleich aus. Ihre Augen aber funkelten in einem neuen, unheimlichen Licht. An das unwürdige Spiel, das man in dieser Angelegenheit mit ihrer Person trieb, dachte sie nicht. Nur das rothe, ver führerische Gold schwebte ihr vor. „Von wem hast Du die Mittheilung?" fragte sie mit fliegendem Athem. „Vom Bankier des alten Herrn. Ich habe ihn schon vor langen Jahren um die Gefälligkeit gebeten, mich von Zeit zu Zeit Uber den Gesundheitszustand des reichen Sonderlings zu unterrichten." „Konntest Du wirklich mit ruhigem Gewissen auf den Tod eines Menschen speculiren?" fragte Frau Martha vorwurfsvoll, „das war doch recht herzlos, Julius." „Nimm es nicht so sentimental", war die oberflächliche Ent gegnung, „dieser alte Geizhals lebte schon seit Jahrzehnten sich und Anderen zur Last, sein Geld kommt Keinem zu Gute, zu dem — einmal muß Jeder sterben, daran ist nichts zu ändern, der Tod dieses Alten aber wird uns das Glück bringen, nach dem wir seit langen Jahren schmachten —" „Nach dem Du schmachtest, Julius, denn ich habe mich stets wohl und zufrieden gefühlt in unseren schlichten Verhältnissen. Malchow's Großmuth schützte uns vor jeder Sorge, wir haben wahrlich keine Ursache, seinen Tod herbeizusehnen." Frau Martha widersprach selten. Das Verhalten ihres Mannes erschien ihr aber so unerhört, daß selbst ihre Sanftmuth sich empörte. Julius jedoch war sehr empfindlich und die Meinungen Anderer ließ er ungern gelten. „Soll das ein Vorwurf für mich sein?!" brauste er auf, „Du freilich hast es immer wieder versucht, mich ins Joch zu spannen, trotzdem Du längst weißt, wie widerwärtig mir Alles ist, was an Schablone auch nur entfernt erinnert. Ich bin kein Mensch, welcher die Abhängigkeit einer festen Stellung zu er tragen vermag, ich muß mich als freier Mann fühlen können, um vor mir selbst zu bestehen!" „Und ich habe Deiner Eigenart gewiß stets Rechnung ge tragen", erwiderte die Gattin mit zuckendem Munde, „aber wir wollen diese Dinge doch nicht in Gegenwart der Kinder er örtern." „Ich habe eine solche Auseinandersetzung nicht zu fürchten, aber wie Du denkst. . . . Jedenfalls, Stephanie, rückst Du Deinem Ziele nun beträchtlich näher, Wochen nur trennen Dich vielleicht noch von dem beneidenswerthen Loose, das einer Millionärin lacht." Und Stephanie's Augen lachten schon jetzt. Auch Eva's Kindergesicht erstrahlte in Heller Freude. „Du wirst doch redlich mit uns theilen, Stephanie?" fragte sie aufgeregt, „ich habe Dutzende von Wünschen auf dem Herzen —" „Sie sind alle im Voraus erfüllt!" rief Stephanie un gestüm, „das Glück meiner lieben Familie wird immer meine erste Sorge bleiben!" „Das erwarten wir freilich auch", nickte Döring, „denn, was wir thun konnten, um Deine schönsten Jugendjahre zu einer Kette reinster Freude zu gestalten, das ist geschehen! Bei allen Festlichkeiten warst Du die Schönste, Strahlendste, die Begehrenswertheste, alle Herzen flogen Dir zu! Du hast im besten Sinne des Wortes Deine Jugendjahre genossen! Wenn Du Dich später als Millionärin dieser Zeiten erinnerst, so werden sie Dir ihrer Einfachheit wegen vielleicht ein Lächeln entlocken, aber nichts Unharmonisches, Häßliches wird je Dein Sinn in der Vergangenheit finden, es ist überall Sonnenhelle! Trage Sorge, daß diese Harmonie auch ferner der Grundton Deines Wesens bildet, lasse Dich durch Macht und Glanz nicht gar zu sehr beeinflussen, bleibe immer eins mit Deinem innersten Wesen!" Julius hatte pathetisch gesprochen. Er that das gern, be sonders, wenn er eine gute Mahlzeit gehalten hatte. Stephanie bedachte nicht, daß sie all' die so nachdrücklich betonte Harmonie und den Sonnenschein, der bisher ihren Lebensweg überstrahlte, hauptsächlich der lieben, sanften Mutter zu danken hatte. Sie vernahm die klingenden Worte ihre» Vaters, und an seine Brust warf sie sich mit einem Laut Hellen Jubels. „Die Pracht wird mich betäuben, berauschen, das fühle ich schon jetzt", sagte sie, zitternd vor tiefinnerer Erregung, „aber lasse mich immerhin untertauchen in dem goldigen Strom, dec mich unaufhaltsam locken, in eine neue Sphäre hineinziehen wird. Eines Tages schüttele ich all' die Verwirrung von mir ab und bin wieder ich selbst, dessen darfst Du versichert sein. Bleibe Du mir nur immer zur Seite, Papachen, belehre mich, suche mich nach Deinem Sinn zu leiten, so muß Ueberhebung mir fremd bleiben, auch wenn ich in eigener Equipage dahin fahre, mit dem Groom in reicher Livree auf dem Rücksitz!" „Himmlisch!" rief Eva, „ack, wenn Du doch hier Deinen Wohnsitz nehmen, bei uns vorfahren könntest —" „Närrchen, das läßt sich Alles einrichten! Ich schicke Euch einfach Pferde und Wagen mitsammt dem Kutscher auf einige Wochen hierher, wenn man über Millionen verfügt, kann man sich solche Extravaganzen gestatten!" „Stephanie, welch eine herrliche Idee!" rief Eva, aufgelöst in Entzücken. Auch Döring begann es wie ein Rausch zu Kopfe zu steigen. Er, welcher der Tochter so eindringlich Nüchternheit predigte, war der Erste, welcher sich von dem Gift des Hochmuthes die Sinne umnebeln ließ. Er sah sich schon im Fond des seiden gepolsterten Wagens lehnen, von oben herab hier und dorthin grüßend, getragen von dem unvergleichlichen Bewußtsein,' staunende Bewunderung zu erregen, und — giftigen Neid. Wie ein Taumel hatte die Aussicht auf die Millionenerb schaft die drei Personen ersaßt. Sie dachten nicht daran, daß ein leidender Mensch erst noch den schweren Todeskampf zu be stehen habe, ehe das Geld ihr Eigenthum wurde. Es kam ihnen auch nicht in den Sinn, dem Erblasser irgend ein freundliches Empfinden zuzuwenden, oder ein Bedauern zu äußern über das trostlose, einsame Daseins das Malchow, wie Döring ja behauptete, schon seit Jahrzehnten führte. Im Gegentheil hatte Julius oft genug in ohnmächtigem Grimm das zähe Leben verwünscht, das, einer armseligen Flamme gleich, flackerte und mühsam fortbestand, ohne ganz verlöschen zu können. Und seit länger als einem Jahrzehnt nahm der Gedanke an diese Erbschaft ihn Tag und Nacht vollständig ein, bestimmte sein Thun und Lassen, und wahrlich nicht zu seinem Besten. Er hatte Geld ausgenommen, wo er es irgend erlangen konnte. Seine Beredtsamkcit verschaffte ihm immer neue Hilfs quellen. Einmal aber mußte der Zusammenbruch der unhaltbaren Verhältnisse doch erfolgen, und gerade in der letzten Zeit hatte es den leichtsinnigen Mann, oft wie ein Schwindel grpakkt.
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