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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020203028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902020302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902020302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-03
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Lcyds und Fischer haben gegenüber dem Korrespondenten des „TempS" in Brüssel ausdrücklich erklärt, daß die Friedens - Anerbietungen in Loudon nicht voll der Boerendelegativn in Europa autortsirt seien, wenn sic auch jeden zur Beendigung des Krieges unternommenen Versuch zu würdigen wüßten und dafür dankbar sein würden, vr. Leybs und Fischer erklärten ferner, daß sie von ihren Negie rungen gehörig acercditirt seien, obgleich man von einer gewissen Leite die Giltigkeit ihres Mandats be zweifle oder sich wenigstens so stelle. Sie könnten also jederzeit Unterhandlungen führen, allein cS verstehe sich von selbst, daß sie absolut nichts Entscheidendes thun würden, ohne die Commandos befragt zu haben, wie andererseits weder der Präsident Stcijn noch Botha oder ein anderer Führer der Ncpttbliken eine Entschcidnng treffen würden, ohne sich vorher mit ihnen verständigt zn haben. Das sei ein Hanptpunct, den man nicht aus dem Äuge verlieren dürfe. Fischer vom Oranjefrcistaat bemerkte, er sei ein Optimist, wie er dies von Beginn des Krieges an gewesen sei. Die Nachrichten, welche ihnen in bisweilen langen Zwischenräumen, aber doch regelmäßig zugingen, rechtfertigten seinen Optimismus. Die Engländer seien hundSmüde und durch ihre Block häuser würben sic die Kampfeslust ihrer Soldaten nicht wieder erwecken. Bor einem Jahre, als die Sache der Boercn schlecht zu stehen schien, sagte Präsident Stcijn am Schlüsse einer Proclamation: „Wir werden bis zum bitteren Ende kämpfen." Diese Phrase habe er in einem neueren Tagesbefehl an die Commandos ersetzt durch folgende Worte: „Augenblicklich, meine Freunde, glaube ich sagen zn dürfen: Wir werden bis znm glück lich c n E n d e kämpfen." Auf weitere Fragen über die Gefangennahme Viljven'S und die Hinrichtung Schecper's bemerkte Fischer, daß erstere die Bocren nicht cntmuthigcn werbe, denn bet ihnen sei Niemand unersetz lich, und daß letztere ein „elender Mord" und sein Proccß eine Komödie gewesen sei. Der sanfte SchccperS sei eines kaltblütigen Mordes, den man ihm vorgeworfen habe, gar nicht fähig gewesen. Zu Repressalien feien die Boercn nicht fähig, denn nie werde ein Boer einen un bewaffneten Menschen tödtcn; außerdem wären Re pressalien unnütz, da Hinrichtungen solcher Männer, wie Lotter, Loww und Schecpers, der Sache der Bocren mehr nützten und derjenigen der Engländer mehr schadeten, als durch die strengsten Repressalien geschehen könnte. Ueber die Eroberung eines Flüchtlingslagers -nrch Beyers wird jetzt weiter berichtet: „Die Kunde von Beyers' Ucbcrfall kommt in Bocrcnkretsen nicht unerwartet. Der Fall ist von ähnlichen anderen, nicht gemeldeten, nur der bedeutendste. Ende October bestand die männliche Be völkerung des Petersburger Lagers aus 007 Köpfen. Seitdem dürfte die Zahl derselben wenigstens auf 1100 gewachsen sein, so daß Commandant Beyers wenigstens WO kampfbereite Boercn hinwcggcführt haben dürfte. Diese einst zum Thetl glcichgiltigen Burghcrs sind durch die schmachvolle Behandlung im Concentrationslager und namentlich durch den Umstand, daß sie von Kaffer» bewacht wurden, schon seit geraumer Zeit gegen ihre eng lischen „Beschützer" recht unfreundlich geworden. Mehr fach haben bereits im Lager schwere Streitigkeiten zwischen ihnen und der Lagcrbehördc bestanden." politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Februar. Am 15. Marz will der Reichstag die Osterpause ein treten lassen und wirb vielleicht beute noch nicht einmal mit der zweiten Berathung des Etat- des Re ich Saint- drS Innern fertig, trotz der vielen Schwänzer, die schon vor Weihnachten in die Osterferien gegangen sind! Daß erst in der Beschränkung der Meister sich zeigt, scheint nur einem Thtilr der Fleißigen einzulruchteN. Welche Unsumme von Wünschen haben sie bereit«, zumeist in stundenlangen Neven, im Verlaufe der zweiten Lesung des Etat» bi- zum Freitag der Regierung vorgetragen! Verlangt wurde, um nur Einiges zu erwähnen: Internationaler Vogelschutz, Beschränkung der Freijügigkeit, Neichsflnanzrrsorm, höhere Besteuerung von Süßstoffen, RrichsarbeckSaMt, acht- und zehnstündiger MaxlMälarbeit-tag, Verstaatlichung de« gesammten Kohlenbergbaues, Samtnelstrlle für Arbeiter statistik, Reform des BörfttigesetzrS, Arbeitslosenversicherung auf genossenschaftlicher Grundlage, obligatorische KÜn- digungSfrist für die Arbeiter, Verlegung gewisser In dustrien auf- Land, Staatsaufsicht für die Syndi kate, bessere Wahrung de- Wahlgeheimnisse«, Mehr Be achtung der Initiativanträge de- Reichstag«, freie Eisen bahnfahrt für dir ReichStagSabgeordNeten, eine baldige Novelle dkSKranktNcassengrsetz«S,MiNbestruhezeitimBiniienswissfahrt-- brtriebe, eilige Einführung der kaufmännischen Schiedsgericht«, Besserung detLagederBureau-Angrsttllten,paritStischerÄrbeit«. nachweis, centralisirter Arbeitsnachweis,Arbeitsnachweis mitBt- sptisung, Vertretung der Handwerker in den Kammern für Handelssachen, Mädchen und Jungen auf derselben Schul bank, ungehinderte Tbrilnahme der Krauen a« svcialpolitischen Versammlungen. Maßnahmen zur Verhütung von Bauunfällen, rrichSgestylicheReqelungvrSKleinhaudelSmir Branntwein, Aus- bau desOesetzes Uber den unlauteren Wettbewerb,Abiturium für da- thierärztliche Studium, baldig« AuSfübrungSbestimmuugeN sür da« Fleischbeschguaesey, Aufhebung der Grenzsperre für Schweine, bessere Regelung der Sonntagsruhe in den Gla«- bütte», Ausdehnung der Sonntagsruhe auf Heimarbeit und Evnfeclion, AuSdehnuna des Sckuye« der Frauen, Maß nahmen gegen den Al'oholitmu«, faieultative Feuerbestattung, obligatorische Leichenschau re. rc. Und nun vollend« am Sonnabend, der allerdina« durch da« Eapitel von den allgemeinen Fond- de« NeichSamtS de« Inneru ganz be sonderen Anlaß zü einem bunten sZraae- und Antwortspiel» gab! Da wurde „angeschnitten" die Forderung der Hochsee fischerei, die Bekämpfung der Reblaus und der Anbau amerikanischer Neben, die Verpflichtung der Post zum Umtausch von Invalidenversicherung-Marken; das Capitel von den ReichStagScommiflariateu führte zu Betrachtungen über die Ausstattung der AuSwandererschisfe und die Einrichtungen zur Rettung Schiffbrüchiger, da« Capitel Reichs- schulcvmmisston zu Erörterungen der Frage der Vor bildung zum UnwrrsitätSstudium. Und hatte schon diese Debatte weit über di« ReichSpvmpetenz hinauSgrgriffen, so siel sie mit der Rede deS Socialdemokraten Herzselv über die mecklenburgischen Schulverhaltnisse ganz auS dem Nahmen. Graf PosadowSky belehrte zwar den Redner darüber, daß die NeichSschulcommission, die lediglich die Einhaltung der Vorbedingungen für die Erlangung deS Einjährigen-Zeug nisses zu überwachen hat, sich in daS BolkSschulwesen der Einzelstaaten überhaupt nicht einzumischen habe, dar hinderte jedoch Herrn Pach nicke, der gleich falls in Mecklenburg gewählt ist, nicht, daS agitatorisch dank bare Thema auch seinerseits zu bearbeiten. Und schließlich fühlte sich noch Herr Kirsch zu der Aeußerung veranlaßt, daß das Centrum der Forderung der Staatsschule niemals zustimmen werde. Geht daS so fort, so kommt entweder die ElatSberathuNg nicht rechtzeitig zu Ende, oder es beginnt, wie schon in den letzten Jahren, je näher die in Aussicht ge nvmmene Ferienzeit kommt, rin Hasten und Jagen, bei dem die wichtigsten Angelegenheiten nur flüchtig gestreift werden. Um den Grafen Bülow für die Beseitigung des FesnttengrsesseS zu gewinnen, versichert Vie „Köln. VolkSztg.", „daß das Iesuittngesetz nicht mehr bestände, wenn Fürst Bismarck bis zu seinem Tove Reichskanzler geblieben wäre; er würde dann sogar versucht haben, vie Jesuiten auf seine Seite zu bringen." Und daS rheinische CentrumSblatt fährt fort: „Der große Staatsmann lachte der kleinen Krakehler des Evan- gellschen Bundes, die et unsanft zur Srlt« gedrückt haben würde, Wrun si« sich ihm dabei hätten in den Weg stellen können. Dadurch war «k vor manchen Staatsmännern von heute im Borzug, in deren Auge» die rulturkümpferischeu Lürmmacher gewichtig« Auto ritäten sind, die man jo nicht verletzen darf, sondern durch Ver- sprechungen, mindrsttuS aber durch ein vielsagendes Augenzwinkern zu gewinnen trachten muß." Wenn „manche Staatsmänner von heute" jetzt Nicht ganz geknickt sinv unv nicht wissen, was sie zu lhuu haben, dann ist die „Köln. VolkSztg." daran unschuldig! Denn mit größerer Sicherheit hätte sie auch nicht betheuern können, baß der Cardinal Hohenlohe die Jesuiten, von ihm „Landplage" genaunt. durchaus wieder in Deutschland sehen wollte. Zunt Unglück für Vie «Köln. Ävlksztg." fehlt es nicht an ÄnhaltSpuneten, vie ihre Behauptung von Dismarck's Stellung zum Iesuitengesty all ubsurckum führen. Um nicht weitläufig zu werden, übergehen wir, wie Bismarck seine jesutkettsetnvlich» Stellungnahme in der Sitzung des Herren« hause« vom L4. April 1873 oder in der Retch-tagSsitzUNg vvm 38. November 1885 :c. beleuchtet hat, und geben nur folgend« Stelle au« seiner Abgeordnetrnhausreve vom 10. März 1875 wieder r „Wir thun einfach unsere Pflicht, indem wir dl« Uv- odbängtgkeit Unsere« Staates und der Nation gegen fremden Ein fluß schützen, tubem wir die getsttgr Freiheit gegen Unter- drückung durch den Jesuitenorden und durch einen frsuittschen Pavst sicher stellen. Dafür kämpfen wir mit Gott für König und Vaterland." Da die „Köln. VolkSztg." ferner in einer Auslassung über die Döbelner Wahl wenigstens verblümt dir Jesuiten al- Heilmittel gegen di« Socialdemvkrati« empfiehlt, seien ihr noch die nachstehenden Bemerkungen Bismarck s au- dem Jahre 1885 in« Gedächtniß zurückgerufrn: „Die Jesuiten werden schließlich die Führer der Socialdemo kraten sein, und ich halte eS nicht für bewiesen, daß nicht unter den heutigen Führern schon einige sein können, die ihr« Weisung«» ganz wo ander- her al- vom Papste empfangen, auch nicht von dem Centrum der rothen Internationale, sondern von dem von beiden unabhängig stehenden Elementen dcS JesuitencentrumS ... Mit dem absoluten Königthum werden die Jesuiten immer gehen, mit dem absoluten Parlamentarismus auch, mit der absoluten Demokratie auch. Sie werden immer so schwimmen, daß sie dabei obenauf bleiben und «ine gewisse Macht, viel leicht »in« reichliche, mit ihrem stet» steigendrn vermögen behalten." Vielleicht hat die „Köln. VolkSztg." hieraus geschlossen, daß Fürst Bismarck da- Jesuitrugesetz aufgehoben haben würde? l In Oesterreich wirb eine ernste Parlamen tär i s ck, e B c r l c g e n h e t t tu den nächsten Tagen offen kundig werden. Es handelt sich, wie der „Tägl. Ndsch." aus Wien geschrieben wirb, um die slawischen K ampfs ch n l e n in deutschen Städten. Die Tschechen und Polen verfolgen die Taktik» iu deutsche Städte Privat- Mittelschulen hinzusetzen, die bald ausgiebige Subven tionen vom Staate erhalten rind schließlich in die Ver waltung des Staates übernommen werden. Diese Frage ist eine kleinliche, da schon manche umstrittene Stadt durch Gründung solcher Kampfanstalten den Deutschen entrissen wurde. Die Forderung der Deutschen geht dahin, daß diese Schule in slawische Orte verlegt werden. Neber mehrere solche Anstalten: das polnische Gymnasium in Teschen, das tschechische iu Troppau und die slowenischen Ncbenclassrn am deutschen Gymnasium in Eilli, wird be reits seit einer Reihe von Tagen zwischen den deutschen und slawischen Parteien unter Theilnahme der Regierung unterhandelt, ohne daß bisher irgend welche bestimmten Vereinbarungen mit Ausnahme eines halben Einverständ nisses über die Eillter Schule zu Stande gebracht werden konnten. Die deutschen Parteien lassen erkennen, daß sic nicht geneigt sind, im Falle cS auf eine Kraftprobe ankämc, irgendwelche Rücksicht auf die schwierige Lage der Ne gierung gegenüber den slawischen Parteien zu nehmen. Bis zum 4. Februar muß die Lage geklärt sein, weil nach dem Zusammentreten des Abgeordnetenhauses Verhand lungen erfahrungsgemäß viel weniger Aussichten haben, als zur parlamentölosen Zeit. Daun wäre die Demis sion Koerber's wahrscheinlich. > - Aus Tanger, 20. Januar, schreibt man un«: Tanger war in letzter Zett d«r Schauplatz aufgerrgttt Seinen und Straßenkuitvarbungttt. Eta gewisser H«rr Basto« au« Oran, französischer Unl«rtbän, hat hier rin« Cigarettenfabrik g,baul unv zu deren Betrieb Maschinen ausgestellt. Die Tabak arbeiter von Langer sehe» sich dadurch in ihrem Verdienst bedruht, sie zogen, mehrer« Hundert a» dir Zahl, vor das Haus des Baste« und vor die französische Gesandtschaft mit der Forderung, daß die Fabrik nicht in Thätigkeit treten fäll«, si« zog«n auch an den Landungsplatz der Schiffe, um di», au« Dran erwarteten Arbiiter am Äulsteigett zu verhindern. Der französische Gesandt«, von dem es ein,« Tage« hieß, er sei durch Sliinwürf« Sm Kopfe stark verwundet worden, trat natürlich sür Herrn Basto« ein, dem da« Nicht zur Seite steht. Dir Arbeiter ihrerseits rottete« sich täglich Zusammen, eine Zeitung mit dem Titel die „Obnehemben" (Lo-DeScamisado»), welche Feuer und Flammen speit, wurde gegründet. Herr BastoS war drr Gegenstand wilver Drohungen, eines Abend- wurde mit einem Revolver auf ihn ge schossen, jedoch ohne daß er getroffen worden wäre, und der Gouverneur gab ihm daraufhin eine Leibwache von 4 Soldaten. Wie die Dinge in Tanger liegen, hat jeder europäische Gesandte für da« ruhrge Verhalten seiner Colonie zu sorgen; mit den ihm zur Verfügung stehenden 7—8 Khawassen ist er auch im gewöhnlichen Laus« der Dinge wohl dazu im Stande, in diesem Falle aber mußte der Gouverneur Sidi Torre« uni! Beistand angegangen werden. So sicht man auch jetzt ungewöhnlich viele Soldaten in ihren rothen Uniformen, aber meist unbewaffnet, auf den Straßen. Eö ist zu hoffen, daß die Gemüther sich beruhigen, denn wenn in eiurr Stadt wie Tanger erst einmal Schüsse gewechselt werden, ist schwer abzusehen, wann die« aushörl und wohin es führt. Indessen sind die Arbeiter in Oran etwas, und als er Döring gegenüberstand, begrüßte er ihn in alt gewohnter, überaus liebenswürdiger, freundlicher Weise. Julius aber schien die auSgestreckte Hand nicht zu sehen. Er hatte sich von seinem Platze erhoben und stanid mit der Miene des tiefbeleidigten Mannes vor dem Hausherrn. „Ich denke, Du hast m'ir di« Freundschaft auf «in« sehr deut liche Weise gekündigt", sagte er, den Anderen fest ansrhend, „und ich bin auch nur gekommen, um Dir mein Bedauern darüber auszusprechen, daß ich jemals mit einem Menschen Verkehr pflegen konnte, welcher zu den raffinirten Heuchlern zählt." Franke erschrak heftig. Die Dörings waren eigentlich die Einzigen, welche sich weder durch sein oft genug sich bemerkbar machendes, seltsames Verhalten abschreckcn ließen, noch durch die stetig zunehmende Häßlichkeit seiner Gattin. „Nun, nun! Was ist denn geschehen?" fragte er, scheinbar sehr erstaunt, obgleich ihm sogleich die Ahnung kam, daß der Bankier von den ihm überlassenen Wechseln schlechten Gebrauch gemacht habe. „Ja, verstell« Dich nur, Du Wolf im Schafskleid«!" rief Döring aufgebracht, „aher ein schlechter Specutant «bist Du doch, daS lasse Dir gesagt s«in! Es war Dein« Absicht, mich auS dem Hinterhalt« hrrauS zu Grunde zu richten! Aber die Gerechtigkeit waltet! Malchow hat endlich da» Zeitliche gesegnet, und in wenigen Tagen sind wir reiche Leute!" Es überlief Franke eisig kalt. Da hat!« er ja in seinem Aerger vine wirklich kapitale Dummheit begangen! So ganz Unrecht hatte Döring mit seinen Anklagen wirklich nicht! Franke empfand immer bitteren Neid auf di« Döring» und schadenfroh« Befriedigung über den Streich, den er ihnen spielen konnte. Freilich hatte er nicht geglaubt, daß Schöttler gewaltsam vorgehen werde, nur ein wenig Angst sollte dem stet« ver gnügten Freund« grmacht werden! „So «rzähle doch erst einmal, WaS geschehen ist!" sagte er aufgeregt, „wenn di« kmgerwartet« Erbschaft Euch nun endlich zufällt, so gratulir« ich von ganzem Herzen. Ich braucht« noth. wendig mein Geld und ließ mich von Schöttler iiberröden, ihm sämnnllche Wechsel von Dir auSzullefern. Er gab mir di« frste Versicherung, daß er nicht daran denke, irgendwelchen Druck auf Dich au»zuüh«n." „Der «lende Bursche!" grollte Döring, „er bewarb sich um Stephani« und wurd« ckbg«wits«n. Nun sucht «r sich durch solch« Niedertracht zu rächen. Heute li«ß «r mir sämmtlich« Wechsel präsentiren — zahlbar bis morgen Vormittag um 11 Uhr. Wenn ich keine Rettung finde, bleibt mir nur ein« Kugel, und Du, falscher Freund, hast mich auf dem Gewissen!" „Sch'rei nur nicht so!" beschwichtigte Franke mit einer matten Bewegung, denn ihm war nicht anders zu Muthe, als wenn heute das jüngste Gericht übe: ihn hereingebrochen fei, „Margot ist auf den Tod erkrankt —" „Sieh eS als die Strafe des Himmels für Deine Heimtücke an", grollte Döring finster, „für den Frevel, mit dem Du nach dem Ruin Deiner ahnungslosen Freunde trachtetest!" „Aber es muß sich doch «in Ausweg finden lassen. In An betracht der bevorstehenden Erbschaft wird Schöttler ja mit sich reden lassen!" „Wenn Du Deine Redekünste versuchen willst — ich komme soeben von dem Bankier, er ist zu keinem Vergleich zu bewegen." Franke trocknete sich die feuchte Stirn. Er wußte es ja, daß er niemals etwas bei den Menschen erreichte. Im entscheidenden Moment verließ ihn olle Geistesgegenwart, und was er sprach, gereichte ihm mehr zum Nachthril, als daß es seine Zwecke ge fördert hätte. In seinem Fache war er sattelfest und bei den nothwendigeu Conferenzen mit seinen Chefs oder Auftraggebern kannte er w«der Befangenheit noch Verlegenheit. Aber schon wenn man ihn, zu einem Glase Bier «Inlud, wurde er unsicher, benahm sich seltsam und erregte Befremden. Sein« Vermittelung konnte also zu einem befriedigenden Resultat niöbts beitragen. Er verwünschte heimlich seine verrätherisch« Handlungsweise und grübelt« angestrengt darüber nach, wie er sich Döring's Ge wogenheit von Neuem gewinnen könne. „Wenn mein Geld mir wenigstens noch zur Disposition stände", seufzte er, „aber cs befindet sich bereits in den Händen meines Kompagnons, mit welchem ich mich etabltrt habe. Ich mochte nicht länger die Früchte meines angestrengten Fleißes Anderen überlassen. Das kannst Du mir auch nicht verdenken, bester Döring!" Dieser wurde todtenblaß. Er mußte sich auf den Tisch stützen, um seine Schwäche nicht merken zu lassen. Dieses Geld war ja seine einzige, sein« letzte Hoffnung gewesrn. Er wußte sehr genau, welch' ein bedeutendes, geistige« Uebergewicht er über Franke befaß. Als «in Leichtes war «S Ihm erschienen, dem Anderen dar Capital wieder abzulocken. Nun mußt« er erfahren, daß «S überhaupt unerreichbar für ihn war. Durchprügeln hätte er den Freund mögen, welcher jahraus, jahrein willig jede Summe, die er für sich zu ersparen gedachte, herausgegcben hatte. Er war gänzlich vernichtet, nun sich auch dieser letzte Rettungs anker als trügerisch erwies. Doch sollte Franke nicht erfahren, wie zuversichtlich man auf sein Geld gerechnet hatte! „Ich danke fernerhin für Deine Hilfe!" braust« Döring auf, „nicht einen Heller würde ich von Dir ann«hmen, nachdem Du Dich so heimtückisch gezeigt hast! Mr sind geschieden« Leute von dieser Stund« ab! Magst Du Deinen Verrath nie zu bereuen haben, und ebensowenig den Verlust meiner Freundschaft!" Franke warf schluchzend seine Arm« um den Hals des Anderen. „Aber Mensch, alter Knabe, sei nicht unversöhnlich, nimm doch Vernunft an! Wie konnte ich ahnen, daß Schöttler seinen Vortheil in so brutaler Weise nützen würde! Ich habe doch wohl so manche Stange Gold in Deine Hände gleiten lassen und mir so manchen Wunsch versagt, nur, um Dir helfen zu können! Wenn Du doch nur ein einziges Mal mir die kleinst: Summ« zuriickerstattet hättest, aber stets verlangtest Du nur, das hat mich nachgerade verbittert!" In diesem Moment ging die Hausglocke und gleich darauf trat Stephanie in'S Zimmer, gefolgt von der Hausfrau. Wie ftischquellrNdeS Leben strömte «S von dem Mädchen aus. Sie war strahlend schön an diesem Abend, und ganz prickelnde Lebenslust. „Man sagte mir, ich würde hier ein neugebackenes Brautpaar finden", rief sie fröhlich, obgleich ein Zucken ihrer Mundwinkel verrieth, daß diese Heiterkeit doch wohl eine «rborgte war, „und ich komme, um als Erste den Glücklichen meine Gratulation dar zubringen." Franke wurde sehr verlegen. Er erinnerte sich der Bitte seines zukünftigen Schwiegersohnes, vie Verlobung vorläufig als ein Geheimniß zu betrachten, doch wurde es ihm schwer, hier zuriickl»aktcnd zu bleiben. „Margot ist sterbenskrank", entgegnete er ausweichend, „cs sind schwere Tage über uns hereingebrochen. Du ckber wirst nun bald Verlobung und Hochzeit feiern, wie ich hörte —" „Ja!" rief die Schäme lachend, „fetzt beginnt »In neues Leben, Onkel Frank-, und es befriedigt mich sehr, daß der arme Eckhoff sich so schnell getröstet hat. Du kennst ja die Testaments bedingungen, die allein mir das Erbe sichern, ich bin gezwungen, den Mann zu beirathen, für welchen Malchow schwärmte, wie «ine alte Jungfer für ihren Mops." Sie seufzte. „WaS hilst's! Feuilletsn. Kittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachdruck »erböte«. Weshalb zog es ihn nicht hin zu dem süßen, blassen Ge sichtchen, aus dem so viel sanfte, echt weibliche Güte ihm entgegen leuchtete? Sie war so röizcnS, die herzig« Kleine, so rührend in ihrem tragischen LSid. Und doch regte sich nichts in seiner Brust für sie, wie ausgebrannt erschien ihm das eigene Horz, und ein Frösteln durchlief ihn, wenn er an das Später dachte, wo sie als Gatten zu engem Bunde aneinander gefesselt sein würden. Trotzdem war er entschlossener denn je, Gleichmuth anzu streben, womöglich Verachtung für jenes verführerische, herzlose Weib. Er hat alle Schiffe hinter sich verbrannt, grau und un gewiß, wie der fahle Schein, den der Schnee schafft, liegt das Leben vor ihm. Kein Stern leuchtet vom grauverhangenen Himmel hernieidrr, nirgends «in Licht, das als Trost, als freund liches Omen gelten könnte! Solche dunkle Stunden wollen überwunden fein. Wer aber ruhig und gefaßt aus ihnen hervorgeht, der wird auch siegen über Zwiespalt und wahnsinnerregende Leidenschaft. Hi» und wieder fliegt mit lustigem Geklingel ein Schlitten an ihm vorüber, der Nachzügler von der Partie heimbringt. Dann stellt er sich jedesmal in den Schatten eines Thorbog«nS; Stephanie könnte dabei sein, und sie soll «S ^wahrhaftig nicht wissen, daß er trostlos, einsam und elend, wie nite zuvor, herum« irrt! Sie wird es nie erfahren, wie «r kämpft und leidet um verschmähte Li«de, um sein heilige«, nun versunkenes Glück! Achtes Capitel. Franke hätte seinen Freund Julius Döring gern unter irgend einem triftigen Vorwande — Margot'« Krankheit allein war ja eigentlich Grund genug, abgrwieftn, aber wann hätte er es wohl gewagt, Anderen, als den unmündigen Kindern gegen- über seinen eigenen Willen geltend zu machen! So ging er denn in's Wohnzimmer, wo er erwartet wurde. Auf dem Wege dorthin grollte er noch und gab Döring allerlei Beinamen, die weder schmeichelhaft, noch salonfähig >oaren, al« er aber di« Stubenthür öffnete, wußte Franke davon kaum noch
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