Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020220017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902022001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902022001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-20
- Monat1902-02
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
l. o. t.0. p.IM I. N. 1. N. t. V. l. 0. i. v. 1.1). v. l. I). xsd.t/7.02 I. 0 1 v i. v t. V. t.v. t. V. t-I). t. v. I. v. tiUt« I. I>. l. v. t. v. w.tzp 64 ia.0p.2i 1. o 1.1» l. ll. tlaue». >U.L L r.vLiilOIKO »llen. >. c Bezug-.Preis i» der Hauptexpedttton oder den im Stadt- bezirk und dm Vororten errichteten Au«, gaoestellen abgeholt: vlerteljüdrlich 4.50, — »weimaliger täglicher Zustellung ins Haus ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vtrrtrljährl. ^ll 6. Mau abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem- bürg, Dänemark, Schweden und Norweger, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blatte« möglich. Redaktion vnd LrprdMon: Johamltsgaffe 8. Fernsprecher ISS und 222. Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitätSstr.S, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KönigSpl. 7. Haupt-Filiale in Serlin: Käniggrätzerstraße IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. S3V3. Morgen-Ausgabe. ttMer TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Vokizei-Äintes der Stadt Leipzig. Anzeigen »PretS die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach. richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 92. Rußland und der englisch-japanische Vertrag. V. 8. Der Abschluß des Vertrages zwischen England und Japan hat allenthalben große Ueberraschung hervor gerufen. Man hatte sich seit Jahren daran gewöhnt, die Russen im Wettkampfe mit Großbritannien als die un- anfhaltsam Bordringenden zu betrachten, daß ihre Zurück- drängnng aus China und Korea kaum denkbar schien. Das hat nun das Abkommen zwischen den beiden Jnsclrcichen allerdings nicht zu Stande gebracht, aber die Position Rußlands ist jetzt jedenfalls verschlechtert. Im Zusammen schluß Englands und Japans zur Wahrung des Friedens im fernen Osten und zur Erhaltung der Unabhängigkeit und territorialen Integrität des chinesischen und korea nischen Kaiserreiches liegt für Rußland eine unverkenn bare Gefahr, die seine Diplomaten sicherlich nicht gering schätzen werden. Daß der Vertrag seine Spitze hauptsächlich gegen das Zarenreich richtet, ist für Niemand ein Geheimniß, und wird auch von den englischen Blättern kaum geleugnet. Rußland wünscht, die Mandschurei in irgend einer Form zu annectiren, und würde damit den beiden Vcrtrags- mächten Anlaß zum Einschreiten bieten. Nicht minder könnten die Petersburger Bestrebungen, an der Südküste Koreas Fuß zu fassen, von England und Japan als Ver letzung der „territorialen Integrität" des Kaiserreiches hingestellt werden. Mit einem Worte, die ganze Politik, welche der Zar bisher im fernen Osten befolgte, sicht sich auf einmal der vereinigten Kriegsmacht zweier mächtiger Nebenbuhler gegenüber, die anscheinend entschlossen sind, ein energisches voto auszurufen. So glatt und einfach, wie bisher, wird der Weg für die Zarendiplomatic im Osten Asiens nicht mehr dalicgcn. Man hat in Petersburg zunächst das Klügste gethan, was man unter den gegen wärtigen Verhältnissen überhaupt thun konnte: Man er klärt sich einverstanden mit der Tendenz des Vertrages, die Unverletzlichkeit Chinas und Koreas zu wahren, was angeblich auch das eigene Ziel sei. Die Staatsmänner an der Newa machen also gute Miene zum bösen Spiel, und sie können das jedenfalls um so eher und ohne zu be fürchten, sich vor der Öffentlichkeit bloß zu stellen, als ihre vsficiöse Prelle schon während der Zeit der China-Wirren die Unantastbarkeit Chinas mit großem Pathos procla- mirte. Der Schein ist dadurch also gewahrt. Die erste Wirkung des englisch-japanischen Vertrages wird vermuthlich eine Acndcrung der Haltung Chinas in der Mandschurei-Angelegenheit sein. Rußland sucht seit längerer Zeit, die Pekinger Regierung zur Unterzeichnung einer Vereinbarung zu bewegen, die ihm die Mandschurei völkerrechtlich sichern würde. Bisher allerdings mit un genügendem Erfolge. Der Widerstand, den China leistet, entspringt indeß nicht nur aus der Erkenntnis!, daß der Verlust der Mandschurei die Kraft des Reiches mindern würde, sondern er ist die Folge englischer und japanischer Beeinflussung. In letzter Zeit schien cs, als beginne der Widerstand zu erlahmen: die Meldungen, daß der förmliche Abschluß in naher Zukunft bcvorstehe, traten immer be stimmter auf, und man rechnete bereits mit der baldigen Besitzergreifung des Gebietes durch die Russen. Jetzt haben Donnerstag den sich diese Aussichten verringert. Es kann als sicher ange nommen werden, daß die Chinesen im Hinblick auf das englisch-japanische Bündniß mit neuer Entschlossenheit den Russen cntgegentreten und die Unterzeichnung -es Mandschurei-Abkommens verweigern werden. Die Nach richt, daß die chinesische Regierung wettere Verhandlungen mit dem russischen Gesandten über die Angelegenheit ab gelehnt habe, ist zwar noch nicht amtlich bestätigt, aber sie hat viel Glaubwürdiges für sich. Es ist nun die Frage, was das Zarenreich zu thun gedenkt, um schließlich doch zu seinem Ziele zu kommen. Daß man an der Newa auf die Mandschurei nicht ver zichten will und kann, liegt auf der Hand. Aber schwerlich wird man sich zu einem gewaltsamen Vorgehen ent schließen. Die Gründe, welche Rußland zum Frieden zwingen, liegen einerseits in seiner unvollendeten Rüstung, andererseits in seinen inneren Verhältnissen und der außerordentlich schlimmen wirthschaftlichen Lage. Ein großer Krieg wäre für das Zarenreich im gegenwärtigen Augenblick ein ungeheueres Wagniß, und könnte ihm leicht den Zusammenbruch seiner Weltstellung kosten. Man wird sich deshalb hüten, seine Truppen gegen China marschtren zu lassen und England und Japan dadurch dtrect heraus- zufordern. Wahrscheinlicher ist es, daß die Russen ver- suchen werden, den Engländern in Mittelasien Schwierig keiten zu bereiten, und sie, um ihre Aufmerksamkeit von China abzulenken, an der indisch-persisch-afghanischen Grenze zu beschäftigen. Auffallend ist die Thatsache, daß der Emir von Afghanistan sich veranlaßt sicht, eine außer ordentliche Gesandtschaft nach Petersburg zu schicken, um engere Beziehungen mit dem Zarenreiche anzuknüpfen. Der Zweck dieser Gesandtschaft bedarf noch sehr der Auf klärung und bereitet den Briten manche Sorge. Hier liegt jedenfalls eine erfolgreiche Action des Zarenreiches vor. Wir glauben es nicht, daß Rußland die Vereinbarung zwischen England und Japan zum Anlaß, loszuschlagen, nehmen wird. Ebenso wenig darf man solches von Eng land erwarten, welches hinlänglich in Südafrika be schäftigt ist und jeden Confltct vermeiden möchte, der ihm militärische Pflichten auferlegt. Wie aber steht Japan zur Kricgsfrage? Trotz -er Friedcnsverstcherungen der Tokioer Negierung scheint uns die Möglichkeit, -aß das asiatische Jnselrcich seine Welthcrrschaftspläne, die einst durch den Frieden von Shimonosekt gestört wurden, nun mehr wieder stärker aufnimmt. Allein will Japan mit Rußland keinen Waffengang machen. Es hat das oft in unzweideutigster Weise gezeigt und schien eine Zeit lang, weil es nirgends Bundesgenossen fand, selbst zur Vcr- ständiguug mit dem Zarenreiche bereit. Aber, gestützt durch Euglaud, wird cs diese Tactik jetzt rasch aufgcben. Eine Verständigung mit dem Zarenreiche, bet der es auf Biele verzichten müßte, braucht cS jetzt nicht: ja, cs ist nicht un denkbar, daß man in Tokio den Krieg beschließt, um so rasch als möglich den Streit zu entscheiden, ob Rußland oder Japan im fernen Osten die maßgebende Rolle spielen soll. Mit dieser Möglichkeit muß man um so eher rechnen, als das Jnselrcich gegenwärtig in militärischer Hinsicht Rußland überlegen ist, aber nach einigen Jahren, nach Vollendung der russischen Kriegsflotte, wofür be kanntlich 90 Millionen Rubel flüssig gemacht wurden, nicht 20. Februar 1902. mit voller Sicherheit auf seine Stärke rechnen kann. Je länger der Krieg hinausgeschobcn wird, desto mehr ver schlechtern sich die Aussichten Japans. Diese Verhältnisse kennt man in Tokio und weist sic zu würdigen: sie sind jedenfalls bedeutsam genug, um die durch das Bündniß geschaffene Lage nicht als unbedingt friedlich erscheinen zu lassen. Schließlich allerdings ist ein Vertrag im politischen Leben nicht viel mehr, wie cm Stück Papier: die einzelnen Bestimmungen werden von den Parteien immer nur so lange gehalten, als es ihnen nützlich erscheint. Will England keinen Krieg gegen Ruß land fuhren, so wird cs von Japan dazu nicht gezwungen werden können. Dann käme eigentlich nur die moralische Wirkung des Vertrages in Betracht. Wie Rußland nun diese hinnehmen wird, muß abgcwartct werden. Deutsches Reich. Berlin, 19. Februar. (Die Reichstags ersatzwahl in Celle-Gifhorn, j Durch den Tod des welfischen Reichstagsabgeordnetcn v. Häm in c r st e i n ist eine Rcichstagscrsatzwahl nothwcndig ge worden, bei der es nicht nur für die nationalliberale Partei, sondern für alle national gesinnten Bewohner des Wahlkreises gilt, eine böse Scharte auszuwetzen. Der Wahlkreis Pcine-Ccllc-Gishvrn ist bis jetzt in sechs Legis laturperioden nationallibcral, in nur vier welfisch ver treten gewesen, was schon dafür spricht, daß es an einem kräftigen Kern nationalgesinnter Bevölkerung nicht fehlt. Auch bet den letzten allgemeinen Wahlen war der nationalliberale Bewerber mit 7749 Stimmen dem wcl- fischen Candidatcn mit 5521 Stimmen bei Weitem über legen: trotzdem siegte in der Stichwahl der Letztere, da seine Stimmenzahl sich weit mehr als verdoppelte, während diejenige des nationalltbcralen Candidatcn nur um wenig mehr als 2000 zunahm. Der Stimmenzuwachs des welfischen Candidatcn war gewiß in erster Reihe dem Umstande zuzuschrcibcn, daß die Socialdcmokraten, die in der Hauptwahl 5000 Stimmen erhalten hatten, in der Stichwahl Mann für Mann für den Welfen stimmten. Dies wird zweifellos auch bet der Ersatzwahl der Fall sein, und da die Socialdemokratic sich in diesem Wahl kreise von Wahl zu Wahl erheblich vermehrt hat — bei -en Wahlen von 1887 brachten die Socialdcmokraten nur 1050 Stimmen auf, bei denen von 1898 aber, wie erwähnt, über 5000 —, so ist cs doppelte Pflicht der auf nationalem Boden stehenden Wählerschaft, geschlossen gegen das mit der Socialdemokratic verbündete Welfcnthum zusammen- zuhalteu. Daran aber hat cs bei der letzten Wahl in einer geradezu kläglichen Weise gefehlt. Neben dem national liberalen Candidatcn war ein Kandidat Handwerks- parteilicher Richtung, ein antisemitischer Bewerber und ein Angehöriger der freisinnig e n Vereinigung ausgestellt. Diese drei Kandidaten brachten zusammen nicht viel mehr als halb so viel Stim men auf, wie der uationallibcralc Bewerber allein, und schon daraus ergab sich die Ucberflüssigkeit ihrer Kandi daturen. Daß aber eine solche Ltimmenzersplitterung nicht nur überflüssig, sondern dircct schädlich ist, zeigte sich bei dieser Wahl in besonders beweiskräftiger Weise. Denn von den 4200 Stimmen, welche diese drei Bewerber 98. Jahrgang. in der Hauptwahl aufgebracht hatten, kamen in der Stich wahl nur 2100, also gerade nur die Hälfte, dem national liberalen Kandidaten zu Gute. Die andere Hälfte aber enthielt sich nicht etwa der Wahlbetheiligung, sondern stimmte direct für den deutschfeindlichen welfischen Be werber. Dies geht aus der Stimmenziffer, die der wel- fische Kandidat iu der Stichwahl aufbrachtc, klar hervor. Der Welfe und der Socialdcmotrat hatten in der Haupt wahl 5521 -s- 5035, zusammen also 10 550 erhalten; wenn es der welfische Kandidat in der Stichwahl auf 13 717 Stimmen brachte, so müssen ihm also noch etwa 3l>00 Stimmen von anderen, und zwar bürgerlichen Parteien zu Gute gekommen sein. Dieses Ergebnis; beweist wieder einmal, wie verkehrt es ist, sich bei einer Vielheit von Kan didaturen damit zu trösten, bei der Stichwahl würden die in der Hauptsache verwandten Parteien einander schon unterstützen. Es ist vielmehr eine feststehende Thatsache, daß gerade die einander vergleichsweise am nächsten stehenden Parteien sich in der Hanptwahl am heftigsten be fehden und daß dadurch eine Erbitterung entsteht, die eine energische Unterstützung der in die Stichwahl ge langenden verwandten Partei unmöglich macht. Deshalb ist cs im Interesse der Bekämpfung des deutschfeindlichen Welfenthums dringend geboten, daß bei der Ersatzwahl möglichst nur ein deutschgesinnter Kandidat den Welfen und den Socialdcmokraten gegcnübergcstellt wird. Da der Wahlkreis, wie erwähnt, bereits sechs Mal in natio- nallibcralem Besitz gewesen ist, und da, waS ja auch die letzten Wahlen gezeigt haben, die nationallibcrale Partei weitaus die stärkste dcutschgesinnte Partei im Wahlkreise ist so dürfen die Nationalliberalen gerechtfertigten An spruch erhebe«, daß der gemeinsame Candidat ihren Reihen entnommen werde. Berlin, 19. Februar. Die Gencralcom- mission der socialdcmokratischen Gewerk schaften macht bekannt, daß der 4. Kongreß dieser Gewerkschaften am 16. Juni in Stuttgart stattfinden wird. Auf der Tagesordnung stehen bisher unter Anderem folgende Themata: Hausindustrie: Arbcitsloscnstatistik und Arbeitslosenversicherung; koalitionsrccht der Eisen bahner: Unterstützungsfonds für Gewerkschaftsbcamte. — Dem gleichzeitig soeben erschienenen Rechenschafts berichte -er Gencralcommissivn für das Jahr 1901 ent nehmen mir, daß die Ausgaben 98 205 die Einnahmen 70 145 .^, der Kasscnbcstand am 31. Deccmber 1901 48 720 Mark betrugen. Von der B c i t r a g s z a h l u n g an die Gcncralcvinmission sagt der Bericht, daß sic mit „ziemlicher Regelmäßigkeit" erfolgte. Inwieweit diese Auffassung ovtimistisch ist, zeigt folgende Zusammenstellung. Alle vier Quartale 1901 hatten am 31. Deccmber bezahlt: Bergarbeiter, Dachdecker, Metallarbeiter und Lagerhalter. Drei Quartale hatten bezahlt: Bauarbeiter, Bildhauer, Buchbinder, Eisenbahner, Gastwirthsgchilfen, Graveure, Hutmacher, Maler, Schiffszimmerer, Schmiede, Töpfer, Vergolder, kigarrcnsortircr, Gemeiudcarbeitcr, Maschi nisten und Fvrmeustccher, Buchdruckhilfsarbcitcr und Buchdrucker. Zwei Quartale hatten bezahlt: Bäcker, Brauer, Fabrikarbeiter, Gärtner. Glaser, Handlungs gehilfen, Holzarbeiter, Pvrzellanarbeitcr, Seeleute, Stein arbeiter, Tapezierer, Werftarbeiter, Textilarbeiter, Hafen arbeiter, Stuckateure, Steinsetzer, Maurer und Zimmerer. Ein Quartal hatten bezahlt: Barbiere, Handels- und »n. i.v. > « ». ». «. >. i. t. i. i. i. o.ev !k LIsr4 v:- i.v. v V. V. v. t. v v. 0. v. 0. V. V. V. V. v. . v I. Lent-V t. V. I.V. !c Llnrli: Feuilleton. Hugo von Hofmannsthal. Gelegentlich der bevorstehenden Ausführung seine- Dramas „Die Frau im Fenster" im Carolatheater am Sonntag Vormittag. Von Professor Johannes Volke! t. Zum ersten Male trat mir Hugo von Hofmannsthal iu dem „Modernen Musenalmanach auf das Jahr 1894" entgegen. Unter dem Namen Loris hatte er hier ein dramatisches Gedicht „Der Thor und der Tod" erscheinen lassen. Ich wurde sofort von der sanften, reifen, müden Kunst des Dichters gefangen genommen, die in seltener Weise zwischen Naivetät und Raffinirthcit, zwischen Träumerei und Uebcrwachheit schwebt. Eine Kunst von so verwickelter und -och so einfacher Art, von so voraus- scyungsvollcr und doch so mühelos spielender Stimmungs- und Phantasiebewcgung war mir in der modernen Dichtung Deutschlands noch kaum begegnet. Auch die Stellung des Dichters zum Leben drängte sich mir als eigenartig gcgensatzvoll auf: das Leben regt seine verlangenden Nerven auf, aber ebenso stimmt c» ihn zu stillem, gedankenschwerem Sinnen; er fühlt die rothe Gluth -cs Lebens, und doch scheu ihn die Gestalten, mit denen er verkehrt, schattenhaft an; seine Seele ist scharf und heiß erregt, aber doch ist cs nur ein Genießen ohne Glauben ustd Hingebung, ein Fühlen wie durch Flor hindurch. Claudio, -er Held der Dichtung, ist ein Faust des Deca-entcnthums, ein ins Ucberempfindlichc und Feinschmeckerische übersetzter, dabei aber doch Tiefe und Erhabenhcit aufwetsender Faust. Als ich laS, daß der Schöpfer dieser Dichtung erst neunzehn Jahre zähle, konnte ich mich angesichts ihres mehr als reifen Gepräge- eines unheimlichen Gefühle» nicht erwehren. Seitdem habe ich eine Dichtung HofmannSthal'S kennen gelernt, die noch um ein Jahr früher fällt. E- ist der „Tod des Tizian", ein „dramatisches Fragment", das zur Todtenfeier für Bücklin vor einem Jahre im Künstlcrhausc zu München aufgeführt wurde. Ts ist, ähnlich wie jenes, ein reines Stimmungsdrama. Der Hauptsache nach besteht eS aus einem Kranz längerer Wechselredcn, in denen einige junge Schüler Tizian » die Bewegungen und Erlebnisse aussprechcn, die in ihren hochgesttmmten Seelen angesichts de- bevorstehenden Tode- des Neunundneunzigjährigen vor sich gehen. Mit der Sicherheit eines Meisters weiß der Dichter die Lebens- und Schönheitsgefühle, die in den Werken Tizian'» walten, und die Stimmung», und Betrachtungs ¬ weise, die unter seinem Eindruck in jungen, edlen, leiden- schafiltchen Künstlcrseclen entstehen mußte, in großen Phantasicschauungen zum Ausdruck zu bringen. Freilich ist es nicht die reine Renaissance, die wir hier zu fühlen bekommen, sondern die Renaissance, wie sic durch da üppig schwere und zugleich aufgeregt müde und zudem ge- üankcnbclastctc Fühlen eines ganz Modernen hindurch gegangen ist. Die Fähigkeit, sich in eine Künstler individualität bis in die letzten Verborgenheiten ihrer Mischung mit selbstständigem Erlebe» zu vertiefen und dieses Erleben nun selbst wieder zu dichterischen Gebilden voll Duft und Pracht zu gestalten, hat Hofmannsthal mit Gabriele d Annunzto gemein. Bis jetzt ist Hugo von Hofmannsthal in Leipzig noch nicht auf der Bühne erschienen. Der kommende Sonntag wird uns zum ersten Male Gelegenheit geben, ein Drama des Dichters aufgeführt zu sehen. Zu Wohlthätigkeits- zwecken veranstaltet -er „Verein Leipziger Presse" am 23. Februar eine Mittags-Aufführung im Carolatheater, bei der an erster Stelle das einactige Drama Hosmanns- thal's „Die Frau im Fenster" gespielt werden wird. Wir werden in diesem Drama, wie überall bei Hof mannsthal, in eine gesteigerte Welt versetzt. Auch die Amme spricht eine vornehm intelligente Sprache. Vor Allem aber zeigt Madonna Dtanora, der bei Weitem die Hauptsache des Stücke-, auch der Masse -c- Gesprochenen nach, zufällt, das Gepräge der menschlichen Steigerung, wie der Dichter sie liebt. Es ist eine Steigerung nach der Seite hoher, künstlerischer, im Sinne Schopenhauer'- „willenloser" Beschaulichkeit; zugleich aber eine Steige rung nach der Richtung verhaltener, verschwiegener, un- ! heimlicher Lerdcnschaftsgluth. Dazu gesellt sich dann aber noch eine eigenthümliche Verfeinerung und Vervielfälti gung des Sinnen- und SttmmungSlebens. Die Spür kraft der mersschlichen Sinne, ihr Auslaufcn in die feinsten Spitzen und Hauche, die ülangoerwandtschakt der verschiedenen Sinne untereinander: die» Alles ist auf eine fast gefährliche Höhe getrieben. Und ungetrennt davon hat das Stimmung »leVen eine über die gewöhn- lichen Steigerungen wett htnauSreichende Verfeinerung erfahren: in fast unheimlichem Grade weiß sich die Stim mung den Dingen und Vorgängen anzuschmicgen, gleich- sam die verstecktesten Melodien un- geheimsten Athemzügc der Dinge hervorzuziehen. So gewaltig, verschieden Dianora in unserem Stück, der Kaufmann und Sobetdr in dem Drama „Die Hochzeit der Sobeibe", der Baron Weidenstamm in dem Stück „Der Abenteurer und die Sängerin" sein mögen: diese Erhebung de» sinnlichen Empfinden» und de» Sttmmung»leb«ns -u einer vir tuosen Kunst ist ihnen Allen gemeinsam Schon dieser Umstand übrigen» macht es unmöglich, da- Hofmann»- thal jemals ein Dichter für breite Schichten des Volkes werde. Nach einer gewissen Richtung trägt gerade die „Fran im Fenster" das Gepräge der Eigenart Hofmannsthal'ü im besonderen Grade. Sein Stil ist eine fesselnde Ver einigung von Spiel und Grausamkeit. Mau sieht den Dichter ordentlich durch die reichen Auen der deutschen Sprache lustwandeln und dabei mit lässiger und zugleich besonnen wählerischer Hand nach ihren Blüthcn und Kleinodien greifen. Das Prägen, das seine Phantasie ausübt, gleicht keineswegs einem machtvollen Heraus hauen oder einem trotzigen Hinstcllcn, sondern viel eher einem lächelnden Schmücken mit erlesenen Kostbarkeiten, einem Formen mit leisen Fingern. Dabei aber ist die Seele, die in diesen spielenden Prägungen wohnt, mit Nichten nur zart und wohlthuend, sondern cs lauert in ihnen ein wilder, heißer Hintergrund voll Lebensgicr, voll drohender, verderblicher Spannungen. Und so bricht eS denn auch furchtbar hervor: jäh, brutal wird das sün dige Liebesglück zerstört. Das Eingreifen des Schicksals hat etwas Kurzes, Hartes, Thicrischcs, mit einem Mal unerbittlich Zerschneidendes. Man wird an Schriftsteller wie Merimüe, Maupassant erinnert. Ein langes Selbstgespräch Dianora's eröffnet die Dich tung. Sie sitzt an dem Fenster ihres Palastes, mit er regter, müder Ungeduld den Abend erwartend, der ihr den Geliebten bringen soll. Ihr Gcmüthszustaud hat eine ge wisse Aehnlichkcit mit dem Hero s im vierten Acte bei Grillparzer. Ich bewundere an diesem Selbstgespräch die Fülle von Betrachtungen und Stimmungstöncn, die sich > zwanglos aneinander reihen; die Mannigfaltigkeit der Vorgänge, die Dianora thcils in ihrer Phantasie, thcils mit wirklichem Auge erblickt und in scharfer Zeichnung ihren Betrachtungen cinwebt; vor Allem aber die wie selbstverständliche Verschmelzung von Sinnlichem und Seelischem, von Skrvencmpflndlichkett und erhabenen Stimmungen, von wannen individuellen Lebcnsregungcn und hohen Schicksal-- und Weltgefühlen. Sie läßt ihr Treiben am heutigen Tage in seiner lässigen Geschäftigkeit an ihrer Erinnerung vorüberziehen; dann giebt sic sich beobachtend und sinnend den im anstoßenden Garten und Felde wahrgenommencn kleinen Vorgängen des zögern den Tages und nahenden Abend- hin. Besonders fein aber ist eS vom Dichter empfunden und gestaltet, wie er das liebeerregte Weib das Bedürsniß aussprechcn läßt, mit Allem, was da lebt und athmet und kriecht und schwimmt und blüht und duftet, in leiblich warme Be rührung zu treten. Die Amme tritt ein, nm die Blumen zu begießen. Aus dem Bespräche Beider ersabren wir, da- Dtanora - Gatte eine ungeheuere Kvrperstärke besitzt und von jäher Leiden- schaftlichkeit ist. Und um so gefahrdrohender steigt das Bil des Gatten vor unserer Phantasie auf, als Dianora während des ganzen Gespräches eine unbekümmerte, zer streute Verträumtheit au den Tag legt. Wie die Amme fort ist, träumt sic im Selbstgespräche weiter. Es ist eine Mcistcrstcllc, wo sic die siegreiche, aus prächtigem Leibe und prächtiger Seele erblühende Fröhlichkeit ihres Ge liebten schildert. Diese Schilderung trägt viel dazu bei, daß die ehebrecherische Liebe Dianora's, bei aller schweren Schuld, doch zugleich in das Reich seliger Naturnoth- wcndigkeit und festlicher Menschlichkeit hiuaufgerückt er scheint. Wie Dianora ihren Geliebten schon auf dem Wege zu ihr vcrmuthct, bindet sie eine seidene Strickleiter an -cir Balcon und läßt sie hinuntcrglciteu. Hierbei wird sic von Messer Braccio, ihrem Manne, überrascht. Was nun folgt, ist zum großen Theile, besonders bei dem Ciatten, bloßes Mienen- nnd Bcwcgungsspicl. Auch dieses Spiel ist vom Dichter in den schärfsten und bezeichnendsten Linien ge schaut. Dianora, zuerst sprachlos, gcräth dann, wie durch Borstellnngs- und Lprcchzwang, in ein langes Er zählen nnd Beichten. Sic weiß, cs giebt kein Entrinnen. Mit unheimlich genauer und zugleich springender Erinne rung erzählt sic in hastiger, gespannter Rede, wie eine Verlorene, nnd doch mit einer gewissen Ucberlcgcnhcit allerhand aus ihrer frühen Kindheit, aus späterer Zeit, und endlich auch den Vorgang, bei dem sic für ihren Ge liebten entflammt wurde. Jetzt ist sic, in aller Todesangst, doch iu Liebe selig. Da wird sic von Messer Braccio blitzschnell mit der Strickleiter erdrosselt. Es ist Beides: die That eines wilden Thicres nnd doch zugleich furchtbar gerechte Strafe. Die Dichtung ist eine Tragödie der schneidend pessimistischen Art. Doch hat der Leser oder Zuschauer einmal die unerbitt lich harte Tragik in seinem tRnnuthe überwunden, so bleibt ihm der warme Zauber Dianora's dauernd vor der Seele stehen; besonders, wie sic sich in stillem Sinnen über die Natur ergeht und tlir Leben und Lieben mit ihr ver flicht. Ueberhaupt ist es eine schöne Eigcnthümltchkeit des Dichter-, daß er seine hochgcstimmten Menschen in künstlerischen nnd contemplativcn Verkehr mit der Natur, in beruhigende Einheit mit ihr zu setzen liebt. Dies gilt selbst von Bittvria im ..Abenteurer". Ganz besonders aber gilt es von dem Kaufmann in der „Hochzeit der Sobcidc". In dieser Gestalt schuf der Dichter einen Menschen, der gerne den ewigen Klängen nnd Gesetzen des Weltalls lauscht und seine Augeu vvn seinen persönlichen Geschicken zn den hohen Sternen emporkehrt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite