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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020225023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902022502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902022502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-25
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rttthes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Dienstag den 2'». Februar 1902. Anzeigen »Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Prinz Heinrich in Amerika. * Washington, 24. Februar. Als Prinz Heinrich in Begleitung des Staatssekretärs Ha») und des Admirals Evans vor dem Weißen Hause eintraf, spielte eine dort ausgestellte Marineeapclle die deutsche National hymne. Der Prinz wurde von dem Untersekretär Peirce, dem Botschafter v. Hol leben und ver schiedenen amerikanischen Officiercn durch den Nöthen Saal und das Blumenhaus nach dem Blauen Saale ge leitet, wo Präsident Roosevelt den Prinzen ohne Vor stellung empfing, weil kein Deutscher anwesend war, der im Range hoch genug gewesen wäre, um einen Prinzen aus königlichem Geblüt, den Vertreter des deutschen Kaisers, dem Präsidenten vorzustcllen. Die Unterredung des Prinzen mit dem Präsidenten war rein formeller Natur. Nach der Begrüßung geleitete der Präsident den Prinzen zu seiner Frau und zu seiner Tochter Alice im Rothen Saale, und hierauf in das Blumcnhaus, wo die Mitglieder des Ca- bincts sich mit ihren Damen befanden. — Vom Weißen Hause fuhr der Prinz, von einer Cavallcricesevrtc ge leitet, nach der deutschen Botschaft. Das Bot schaftsgebäude, von dem zum ersten Male die Kaiser standarte wehte, trug reichen Schmuck,' im Innern war es mit deutschen Fahnen und Fa h n c n a l l c r d e u t s ch e n E i n z e l st a a t e n aufs Festlichste geziert. Das erste Stockwerk dient dem Prinzen und seiner persönlichen Um gebung zur Wohnung, das übrige Gefolge wohnt im William-Hotel. Kurz vor 12 Uhr fuhr der Präsident Roosevelt, von der Volksmenge mit lauten Zurufen begrüßt, vor der Botschaft vor, um den Besuch des Prinzen zu erwidern. In seiner Begleitung befanden sich Oberst Bingham, sowie der Flotteneapitän Cowies, der Schwager des Präsidenten. Der Botschafter v. Hollebcn empfing den Präsidenten und geleitete ihn zu dem Prinzen, der den formellen Gegenbesuch des Präsidenten entgegennahm. Später bewillkommnete der Präsident des Districts Columbia, Mac Farlan, den Prinzen. Er inncrte an George Washington, dem die Besten in Deutschland ihre Sympathie und der große Friedrich seine Bewunderung zugcmandt hätten. Den Grundsätzen Washington s gemäß sei Amerika freundlich zu allen Nationen. „Mit besonderer Freude bewill kommnen wir", schloß Mac Farlan, „den Vertreter des Landes Friedrich's des Großen, Friedrich s des Guten, Goethe's und der großen Meister der Philosophie, der Tonkunst und der Naturwissenschaft." Um 4 Uhr begab sich der Prinz nach dem Capitol. * Washington, 24. Februar. Prinz Heinrich wurde bci seinem Erscheinen im Senate mit Hände klatschen begrüßt. * Washington» 24. Februar. Nach der Ansprache des Tistrictspräsidenten Mac Farlan drückte PrinzHei n- r i ch seinen herzlichsten Dank für den ihm in Amerika ge wordenen Willkommen aus und sprach, auf die Rede Mac Farlan'S Bezug nehmend, von den Freundschaftsbanden, die schon seit Washington's Zeiten die Vereinigten Staaten mit Deutschland verknüpften. Sodann fuhr der Prinz in Begleitung des Botschafters v. Holleben im offenen Wagen bei den fremden Botschaftern vor, da er als Vertreter des Kaisers einen höheren Rang hat, als alle Botschafter, und somit berechtigt ist, sic zuerst zu besuchen; er fuhr, von Kavallerie cscvrtirt, durch viele Straßen, überall von der Bevölkerung mit lebhaften Huldigungen begrüßt. Zuerst gab Prinz Heinrich bei dem englischen Botschafter seine Karte ab, sodann bei dem französischen, dem russischen, dem italienischen und dem mexikanischen; den Gesandten wurden keine Besuche ab gestattet. Nach seiner Rückkehr in die Botschaft nahm der Prinz mit seinem Gefolge und den drei amerikanischen Ehrenbcgleitern ein Gabelfrühstück ein und empfing im Laufe des Nachmittags die Besuche des ganzen diplo matischen Corps. ^V. Washington, 24. Februar. (P r i v a t t c l e « gram m.) Wohl schwerlich ist hier jemals ein so schönes Schauspiel erlebt worden, als der Empfang des Prin zen Heinri ch. Alle Vorbereitungen waren unter der persönlichen Leitung Noosevelt' s getroffen. Roose velt wollte dem hohen Gaste ein prunkloscs, herzliches Willkommen bieten; das ist durchaus gelungen. Der Prinz zeigte durch sein Auftreten, wie sehr erfreut er über das wahrhaft herzliche Verhalten Rovscvclt's und dessen Umgebung war; er gewann, wie in New Bork, alle Herzen; darüber ist nur eine Stimme. Die Räume des Weißen Hauses sind wundervoll, doch ohne Pomp künst lerisch geschmückt. Hvcherfreulich ist die Haltung aller Blätter. Sie wetteifern ausnahmslos, den Prinzen ihren Lesern im allerfreundlichsten Lichte zu zeigen und bringen die ausführlichsten Schilderungen seines liebenswürdigen Auftretens auf Schritt und Tritt. Besonders wird die Schlichtheit, der Humor und die Leutseligkeit des Prinzen bewundert; sehr gefällt der mehrfach vom Prinzen ge äußerte Wunsch, möglichst viel Leute und Dinge un behindert kennen zu lernen. * New Bork. 24. Februar. Vom Augenblick, da Admiral Evans salntircnd auf der Brücke des „Illinois" stehend, plötzlich die militärische Haltung vergaß und den Dreispitz hoch in die Luft schwenkte, war der Empfang des Prinzen durch die Marine besonders herzlich gewesen. Als das Langbvot ihn und Evans zur Erwiderung des Besuches des Admirals Barker gestern an das Brooklyn Navyyard landete, war dort eine Compagnie Marineinfanterie mit Musik ausgestellt. Die Matrose» legten eine kleine Brücke vom Ufer nach dem Langbvot und waren überrascht, als der Prinz mit einem großen Satz in den Schnccschlamm sprang und herzlich auf den Admiral zucilte. Dann schritt der Prinz die Front ab. Die amerikanischen Officiere waren erstaunt, als er, langsam gehend, jeden Mann vom Kopf bis zu Fuß musterte. Während dessen dröhnten Salutschüsse, und die Pferde des Wagens, der für die Rundfahrt bestimmt war, scheuten dicht hinter dem Prinzen, der, ohne sich umznblickcn, scharf und ernst in die Glieder sehend, wciterschritt. Es fiel auf, daß der Prinz der Fahne die Ehrenbezeigung erwies. Als die Ab schreckung beendet war, sagte der Prinz zum Hauptmann der Ehrcncompagnie kurz und laut in seinem brillanten Englisch: „Ihre Leute gefallen mir, Hauptmann". Der Officier crröthcte in freudigem Stolz, denn man lobt nicht derart in der amerikanischen Armee. Der Prinz bestieg dann den Wagen und fuhr nach der Wohnung des Ad mirals. An dem Imbiß nahm die Fran nnd die Stief tochter des Admiratls theil. Admiral Barker sagte in seinem Toaste: „Königliche Hoheit wissen, wie hoch will kommen Sie der Nation sind, aber niemand mehr als der Marine." PrinzHeinrich erwiderte: „Ich weiß, daß herzliches Einvernehmen stets nnter unseren Flotten wie Nation c n herrschen wird". Später besuchte der Prinz Evans Flagschiff. Es war dies weniger eine Inspektion, als cin herzlicher Besuch. Als der Prinz dieses prächtigste Linienschiff Amerikas, auf dem er mit Hurras; und Hissung der deutschen Flagge empfangen wor den war, durchschritt, sagte er Evans einige Cvmplimentc, die dessen Suite für bloße Höflichkeit hielt. Als er aber in die Cadcttenanslalt kam, alles besichtigte und dann sagte: „Hier gefällt cs mir nun gar nicht; warum sollen denn die jungen Leute solchen Luxus haben?" da wußte jeder, daß jene Komplimente der Ucberzcugnng des Prinzen ent sprachen. Auch die Mannschaftsräume wurde» durch schritten. Im Schranke eines Matrosen war das Zeitungs bild des Prinzen zu scheu. Lachend rief Prinz Heinrich: „Evans, hier habe ich einen Verehrer." Herzliche Fragen richtete der prinzliche Gast im Krankenzimmer an alle Patienten. — Kapitän Cvvcrse von der „Illinois" faßte sein Urthcil über den hohen Gast folgendermaßen zu sammen: „Der Prinz ist Seemann durch und durch, er kennt cin Schiff, wenn er cs sieht; meines gefällt ihm, aber noch mehr gefällt mir der Seemannsprinz." — Die Liebenswürdigkeit des Prinzen war überhaupt be wundernswert!). Im deutschen Verein, wo man den Prinzen eine Stunde lang die Mitglieder und ihre Ja- inilen vvrstcllte und dann ihm, der eben vom Diner kam, eine Mahlzeit servirte, sah man die Gesichter der prinz- lichen Begleitung, namentlich die der Amerikaner, immer müder werden. Als wir dann den Prinzen und die andern Herren nach der Fahrt zum Bahnhöfe im Salonwagen Platz nehmen sahen, schienen sie anfzuathmcn. Es war cin behagliches Bild, das sich da bot. Der Prinz saß in der Mitte einer langen Seite des kleinen Salons, dessen Tisch mit Rosen geschmückt war. Er rauchte eine Cigarette und schien sehr erheitert über irgend einen Gegenstand, indem cr die Herren, die auch ihrerseits gelegentlich Be merkungen machten, fortwährend zum Lachen brachte. Herr v. Hollebcn, der dem Prinzen gerade gegenübersaß, schien unter seinen Augengläsern geradezu Thräncn zu lachen. General Brooke nestelte an der Schärpe, ttntcrstaats- sekrctär Hill versuchte vergeblich seine würdevolle Haltung zu wahren, und Admiral Evans, der nach Art der ameri- kanisä^n Secosficicrc nit offenem Nock saß, schüttelte sich hinter den Wolken seiner Cigarette. „Ligsttinp: Lost" hat nie zuvor Cigaretten geraucht, cr thut cs jetzt, weil der- Prinz cs thiit. Der ganze Anblick der kleinen Gesellschaft zeigte, wie schnell der Prinz cin herzliches Einvernehmen hcrstellt. l„Bcrl. Lokalanz.") Der Krieg in Südafrika. Ucbcr den Stand des Krieges hat die „Tägliche Rundschau" direkte Nachrichten vom Kriegsschauplätze erhalten. Sie schreibt: Wir können aus bester Quelle über den gegenwärtigen Stand des Kampfes zwischen Boercn und Engländern ver sichern, daß Evmmandos der Boercn das gcsammte Ge biet der Capcolonie, des Freistaates nnd Transvaals un aufhörlich durchziehen und die englischen Truppen aller orten in Schach zu halten wissen. Im Dcccnrbcr und Januar fanden ü b e r MO Gefechte statt. Es ist gar kcinGedankc daran, daß England mit seinen mili tärischen Mitteln der B o c r c n H e r r w e r d c n kan n. Nnr zwei Dinge giebt cs, welche die kriegerische Kraft der Boercn brechen könnten: die fortgesetzte Liefe rung von Pferden ans allen Weltthcilen und der A u s s ch l u ß aller Aerzt c. Die Mächte haben nur die Wahl, ob sic der gewaltsamen Entfernung aller den Boercn behilflichen Acrztc vom Kriegsschauplätze — soeben sind wieder zwei von ihnen zur Rückkehr nach Deutschland gezwungen worden — ferner stillschweigend zusehen und damit geradezu einen Mord an einem um seine Freiheit ehrlich kämpfenden Völkchen begünstigen, oder mit der nöthigen, mit strenger Neutralität wohl zu vereinbaren den Energie auf die B c o b a ch t u n g civilisirtcr K r i e g s g e b r ä u ch e dringen wollen. Im letzteren Falle kommt die Pferdcfrage erst an zweiter Stelle. * London, 25. Februar. (Telegramm.) Lord Kitchenev telegraphirt: Nach den Meldungen der Truppen sind in der letzten Woche 24 Boeren gc- tödtet, 12 verwundet und 379 gefangen genommen worden, darunter Fcldcornet Grobclaar; 104 Boeren haben sich ergeben. * London, 24. Februar. Oberhaus. Ein Antrag Tw e c d m o u t h ' s , welcher dahin geht, einen gemein samen Ausschuß beider Häuser einzusetzen, welcher alle Kaufverträge, die von dem Kriegsamt mit Be zug auf den südafrikanischen Krieg geschloffen wurden, prüfen solle, wurde mit 88 gegen 25 Stimmen abgelehnt. Lord Rosebery unterstützte den Antrag, den die Re gierung bekämpfte, mit Rücksicht darauf, daß während der Dauer des Krieges eine derartige Untersuchung nicht statt finden dürfe. * Madrid, 24. Februar. Hiesige Blätter berichten, während die Officiere eines englischen, an der Küste liegenden Geschwaders in einem Hotel in Santiago -e Compostella frühstückten, habe ein Student der dortigen Universität den Saal betreten und Hochrufe auf den Präsidenten Krüger ausgcbracht. Die englischen Officiere hätten darauf, ohne ein Wort zu er widern, den Saal verlassen. politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Februar. Nachdem schon vorgestern der „Reichstag", d. h. das kleine Häuflein der Nichtschwänzer, sich recht rcdeunlustig ge zeigt, ist es gestern nicht stiller in ihm hergegangen, und beute und morgen schweigt er ganz. Angeblich, um der Budgetcommission mehr Zeit zu lassen, wahrschein lich aber, um den Fractionen Gelegenheit zu schaffen, Stellung zu der letzten Erklärung des Grafen PosadowSky bezüglich der Gctretdczöllc zu nehmen. Das Centrum ist, wie verlautet, bereits in Berathungen getreten, hat sich aber anscheinend noch nicht geeinigt. Die Nationalliberalen, die fast samnck und sonders auf dem Boden der Regierungs vorlage stehen, werden leichter und rascher zum Ziele kommen; am schwersten natürlich die Conservativen, denen die Berufs>Agitatoren deS Bundes der Landwirthe veu Rückmg auf die Minimalsätze der Vorlage nichts weniger als erleichtern. Da und dort zeigt es sich aber doch, daß diese Agitatoren mit ihrer „Alles oder NichtS"-Taktik selbst in den Reihen der Bündler den früherenEinfluß verloren haben. So ist im ReichStagswablkreise Elbing-Marienburg ein interessantes Compromiß ge schlossen worden, das den Bundesagitatoren schwer auf die Seele fallen wird. Dort ist bekanntlich der ursprünglich von den Elbinger Conservativen für die Reichstagsersatzwahl Feuilleton. Kittmeister Eckhoff. Roman von A. von Try siebt. Nachdruck verbot«,. Lächelnd begrüßten sich die beiden jungen Mädchen. Aber als sie nun plaudernd dicht bei einander saßen, da war der Unterschied zwischen Beiden doch sehr deutlich er kennbar. Margot sah schon aus wie eine Sterbende, und nur aus den unnatürlich groß erscheinenden, dunkel umran deten Augen leuchtete noch einiges Leben. Eva dagegen glich der Roscnknospc, die vom Sturme getroffen, um so schneller zu voller Blüthe gelangt, sich nm so holdseliger entfaltet, so bald auf den Regen der blendende Sonnenschein folgt. Es hat immer etwas ungemein Rührendes, ein sehr junges Mädchen in tiefer Trauer zu sehen, Eva s Köpfchen aber schien nur für leichte Farben geschaffen zu sein, cs berührte geradezu schmerzlich, diese thaufrischc Anmuth durch das düstere Schwarz beeinträchtigt zu sehen. „Stephanie ist ein Unfall zugestoßcn", sagte sie bei läufig, „uud sie ist uun schwer erkrankt. Frau Major Eckhoff bittet mich, ihr in der Pflege bcizustehen, Mama ist einverstanden, und so werden wir auf einige Wochen Abschied nehmen müssen, meine liebe Margot —" Die großen, glänzenden Augen sahen ein wenig er schreckt zur Freundin hinüber. „Du wirst mir so sehr fehlen, Evchcn —" Diese nahm die Hand der Kranken und streichelte sic. „Es thut mir auch so leid, Herzchen, aber Du sichst cin, daß es nicht anders geht! Wenn ich wicderkommc, holen wir Alles nach, fahren nach der Roseninscl, wo cS in einigen Wochen so wunderschön ist, plaudern nnd schwatzen nach Herzenslust!" Margot seufzte leise auf. „In einigen Wochen —, willst Du mir versprechen, Liebling, später — meine armen Eltern recht oft zn besuchen, und von mir mit ihnen zu plaudern?" Und mit einem verklärten Lächeln fügte sie hinzu: „sic haben mich doch sehr lieb, Mama und Papa. Das zeigt sich jetzt so recht. Ich hätte es gewiß nie er fahren, wenn ich nicht todtkrank geworden wäre!" Eva athmctc beklommen. „Gewiß, mein Liebling, komme ich nach wie vor zu Euch —" Margot sah die Freundin mit einem geisterhaften Blick an, der bereits in eine andere Welt geschaut zu haben schien. „Es ist bald — Alles vorüber! — Wir werden uns nicht Wiedersehen, meine liebe Evi —" „Rege Dich nicht auf, Herzchen, und sprich nicht so ganz thörichte Dinge —" „Ach, glaubst Du denn, das Sterben werde mir schwer? Nein, Liebste, ich gehe gern aus dieser Welt!... Ach, unter brich mich nicht, es thut so wohl, einmal Alles, Alles vom Herzen herunter sprechen zu können. Sich, ich war nie recht heimisch hier — nie — immer, so lange ich zurück- zudcnken vermag, habe ich dieses leise Sehnen nach Er lösung in mir gehabt Ich war stets so anders, als Ihr Alle, — Ihr konntet für diesen oder jenen Tänzer schwärmen, Euer Herz schlug heftig, wenn Ihr begrüßt wurdet — das Alles verstand ich nicht! Ich fand keine Ruhe dazu, dergleichen auf mich einwirkcn zu lassen! Immer glaubte ich die scheltende Stimme meines Vaters zu hören, seine gewiß wohlgemeinten, mich aber stets in krankhafte Erregung versetzenden Vorwürfe! Und wie bangte ich cin jedes Mal vor dem Nachhausekommcn! O, diese Thräncn, dieses herzbrechende Weinen, die unbedingte, scheinbar nothwendigc Folge, wenn mir cin Vergnügen zu Theil geworden war!" „Margot!" rief Eva, unfähig, ihre Erschütterung zn verbergen, „höre auf, zu sprechen, Du strengst Dich viel zu sehr an, cin Rückfall ist immer so gefährlich —" Die Kranke schüttelte heftig den Kops. „Das ist ja so egal, Eva, verwehre mir doch die letzte Wohlthat, die Befreiung von jahrelang.geduldig ertragener Last nicht — sag, hast Du eine Ahnung von diesem heimlichen Martyrium gehabt?" „Ja, mein armcS Herz, cs mußte mir doch zum Be wußtsein kommen, welch' cin großer Unterschied zwischen dem Verhalten Deiner Eltern nnd der meinigen nns Kindern gegenüber bestand —" „Ach, wie habe ich Dich stets beneidet um Deine liebe Mutter!" „Mama sagte so ost, Du seiest viel zu zart, um so viel gescholten zu werden!" „O, sie Haven mich sogar —" ein heftiger Hustenanfall verhinderte die Arme vorläufig am Wcitersprechen. Eva ordnete mit zitternden Händen von Neuem die Kissen, stützte den Kopf der Leidenden und brauchte all' ihre Selbstbeherrschung, um die heißen, brennenden Thräncn zurückzuzwingen, die sich ihr gewaltsam in die Augen drängten. „Ich will sie doch nicht anklagen, Eva, sie meinten cs ja in ihrer Art so herzensgut! Ich erhielt die reizendsten Valltoilettcn, und wenn ich einen Wunsch aussprach, so war cr auch schon erfüllt! Aber sic konnten dieses Schelten, das böse Monircn, die endlosen Tiraden über belanglose, oft auch nur eingebildete Dinge nicht lassen! Dieses ganze, unerträgliche Wesen mar ihnen zur zweiten Natur geworden! .... Die Aermsten, sic waren stets so unglücklich, haben einander niemals verstanden, und an mir hielten sic sich schadlos! So haben sic mir die Kindheit verkümmert, die Jugend geraubt! Nie war ich ohne Herzklopfen, und wenn sie zum Spreche), ansctztcn, zuckte ich in heimlichem Schreck zu sammen!" „Es ist unverantwortlich", schluchzte Eva, fast vergehend in Mitleid. „Es ist ihr Wesen so", widersprach Margot sanft, „sic selbst sind am bcklagenswertbesten! Berthcidigen durfte ich mich doch nie, so habe ich sic beobachtet, jahraus, jahr ein — sic verstanden einander nicht, daher waren sie so unglücklich sic wußten mit sich selbst nichts zu be ¬ ginnen, deshalb hielten sie sich schadlos an mir —" „Margot, Du wirst in der eigenen Häuslichkeit dereinst reichliche Entschädigung finden für all' das erduldete Leid!" „Glaubst Du, Eva? Und wenn ich nun bestimmt wüßte, daß ich dermaleinst trotz all' meines guten Willens meine Kinder ganz ebenso maltrütiren würde? Ja, ja, meine kleine Eva, das ist ja, was meine Eltern von aller Schuld frcispricht — sie folgten dem Zwange ihres Wesens, sic konnten sich nicht anders geben — da ist kein Drehen und kein Deuteln! Ich bin Beider Kind, derselbe Charaktcrzug liegt mir im Blute! Auch ich würde das Leben meines Kindes un glücklich gestalten, würde mich eines TagcS ln Reue und Sclbstpcin verzehren, ganz so, wie jetzt diese armen Alten. Ist im Gegensatz zu solchem Unheil diese Lösung nicht als ein Glück zn betrachten? Begreifst Du nun, wie gern ich von all' der irdischen Herrlichkeit scheide, herzliche Eva?': „Verlange doch nicht, daß ich Dir mit einem Ja antworte!" „Nein, Evchcn, nein, gewiß nicht! Ich wollte nur, -atz Dll solche geheimnißvolle Vorgänge verstehen lernst, daß Du Mitleid hegst und nicht verurtheilst!" „Ich werde immer gut gegen Deine lieben Eltern sein, immer, ich gelobe es Dir!" „Habe Dank, Du Liebe! Nun aber fühle ich mich doch — ein wenig schwach — und möchte schlafen! Schläfst Du auch so gern, Evchcn?" „Ja!" brachte diese mit erstickter Stimme hervor. Sie war verwirrt, so von dunklen, unklaren Empfindungen bewegt, als habe sic soeben einen Blick in ein fremdes, »nheimlichcs Land gethan, in dem dunkle Schatten weben und die Sonne schlichten, reinen Glückes Chimäre ist. — Eva war nicht mehr das harmlose Kind von einst. Sie begriff, daß cs genug des Unausgeglichenen im Dasein giebt, um sich allein deshalb glücklich zu schätzen, wenn man davon nicht berührt wird. Und gerade heute war die schmerzliche Trauer in ihr zum ersten Male einer sanften Freude gewichen. Frau von Eckhoff hatte eine hübsche, bunte Kiste für die „Städter" gepackt, mit kräftiger Landwurst als Inhalt, zartem, jungem Geflügel und goldgelber, kerniger Butter. Aber auch cin Carton mit Evas Adresse befand sich dabei, und als sie diesen öffnete, leuchtete ihr ein Strauß herr licher Rosen und seltener Orchideen entgegen und cin von Schleinitz geschriebenes, so warm und tief empfundenes Billct lag dabei. Eva hatte froh und überrascht die duftige Gabe und die lieben Zeilen in Empfang genommen, und viel später erst dachte sie wieder an ihre Trauer und schämte sich des Ver gessens derselben. Aber die gehobene Stimmung ließ sich nicht wieder ab weisen. Sie hatte Schleinitz immer gern gemocht, damals natürlich mit echter Kinderharmlosigkeit — seitdem hatte sic es gelernt, das Leben zu verstehen, und solche innigen, eindringlichen Worte, wenn sic dem Herzen eines jungen Mannes entströmen. Eine heimliche, fast unbewußte Scheu hielt sie davon zurück, der todtkraukcn Freundin von jenen Blumen und jene«) Gruß zu sprechen. Nicht ctiva Furcht vor Neid be einflußte sic, denn Margot war von Engclsgütc beseelt, aber es sollte wohl nicht der leiseste Schatten auf dieses Neue, Werdende fallen, cs gehörte dem sieghaften, frohe«
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