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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190203020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-02
- Monat1902-03
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1902
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Anzeigen »Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reclameu unter dem RedoctionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 L,. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^4 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 11«. Sormtag den 2. März 1902. «6. Jahrgang. Aus der Woche. Als im vorigen Juni die Zollgesetzentwürfe veröffentlicht worden waren, wurde an dieser Stelle gesagt, nun mehr, nachdem ihr solche weitgehende Auerbietuugen von der Regierung gemacht worden, sei die Laudwirthschaft in die Defensive gedrängt und muffe alle Kraft daran wenden, die Regierungsvorlage gegen deren Gegner zu be haupten. Die eigene Agitation hat die Laudwirthschaft verhindert, rechtzeitig zu dieser Ansicht zu gelangen, daher der gegen wärtigen Zustand, den auch Richtpessimisten als einen kriti schen ansehen muffen. DaS Mebrfordern und Mehrbeschließen wird sogar noch jetzt, bei der Berathung des Generaltarifs in der Commission, fortgesetzt, und die Regierung hat dem z. B. bei der Position Mais einen verhältnißmäßig geringen Widerstand entgegengesetzt. Vielleicht handelte es sich dabei um das kleine Zugeständniß, das die ernsthaften parlamen tarischen Führer der Laudwirthschaft über die Vorlage hinaus erreichen wollen, um sich sehen lassen zu können. Es ist aber auch möglich, daß die Regierung denkt, man möge im General tarif ansetzen, was man wolle, sie sei nicht gebunden und könne bei VertragSverhanblungen abstreichen, was und inwieweit es ihr angebracht erscheine. Dem aber sollte die Erwägung gegenüber stehen, daß etwaige neue Handelsverträge auch den Reichstag zu passtren haben werden und allzuweit klaffende Diffe renzen zwischen Tarifsätzen und Vertragszöllen die Zustimmung des Parlaments zum Ganzen — einzelne Vertragsposilionen dürfen dann nicht mehr geändert werden — erschweren oder uuS wenigstens wieder in einen Streit reißen würden, wie der jetzt herrschende. Freilich, neue Handelsverträge können nach der Ge schäftslage nicht eingebracht werden, ehe durch allge meine Wahlen ein neuer Reichstag gebildet sein wird, und wenn eS die extremen Herren so weiter treiben wie bisher, so ist eS nicht unmöglich, daß eine Mehrheit auf der Bildfläche erscheint, der im geraden Gegentheile zu den stärksten Faktoren der jetzigen Mehrheit kein Zollsatz niedrig genug ist. Ein agrarische- Blatt hatte dieser Tage die Tollkühnheit, zu schreiben, dem deutschen Volke werde der Zoll-GeduldSfaden gegenüber der Regierung reißen. Wenn aber dieser Faden wirklich entzwei gehen sollt», so würden eS die Herren Graf Kanitz, Frhr. v. Wangenheim u. s. w. sein, deren Lage sich verschlechterte. Der Versuch, die Verantwortung für daS Scheitern der Zollgesetze der Regierung aufzubürden, ist angesichts der offenkundigen Entwickelung der Angelegenheit ein nahezu lächerlicher und auch von der sächsischen Regierung offen und mit aller wünschenswerthen Entschiedenheit zurück gewiesen worden. Wenn nichts zu Stand» kommt, dann werden die Landwirthe nichts Anderes anklagen können, als ihre eigene, von Frivolität gelenkte Thorheit, der sich Uebermuth nicht fern gehalten hat. Es ist wieder einmal an der Zeit, die Mahnung an die Laudwirthschaft zu erneuern, sich zu besinnen, daß „sie nicht allein auf der Welt ist". Aus der anderen Seite muß man auch bedauern, daß von officiöser Seite eine Anleihe bei dem bedenklichsten Theile des Caprivi'schen Wortschatzes gemacht und von „Opfern- gesprochen worden ist, welche die Allgemein heit mit den landwirthschastlichen Zöllen dem Ackerbaugewerbe und der Viehzucht brächte. Das ist ein einseitiges und gänzlich falsches Urtheil in einem Lande und in einer Zeit, wo für die Industrie ein sehr merklicher Zollschutz theilö erhalten, theilS verstärkt werden soll. Deutschland ist ein solches Land und unsere Zeit ist bekanntlich auch eine solche. „Opfer", wenn man von solchen reden dürfte, hätte auch die Laudwirthschaft zu bringen, und diese nicht etwa nur vom reinen Verbraucher- standpunct ihrer Angehörigen — in Anbetracht der Beklei dung, des HauSrathes u. dergl. —, sondern auch vom gewerb lichen, dem BetriebSstandpuncte. Der Preis landwirthschafl- licher GerLthe und Maschinen bleibt von dem industriellen Zollschutze keineswegs unberührt. Da« Erzeugung und Ver- trefung von Classenhaß nach sich ziehende „Vorrechnrn der Leistungen" darf füglich den Socialdemokraten und dem Freisinn überlassen bleiben. Wie Moltke über die Jesuiten gedacht haben mag. Die „Zukunft" erwirbt sich das Verdienst, den Inhalt eines SchriflchenS zu veröffentlichen, das um die Iunimitte von 1866 den höheren preußischen Stäben von der Armeeleitung (in farbigem Umschlag ohne Titel) zugeschickl wurde, „um ihnen die Möglichkeit zu bieten, Charakter und Talent der öster reichischen Nordarmee-Führer kennen zu lernen und sich danach cinzurichten." Die Oesterreicher ließen ähnliche Informationen unter ihren Officieren umgehen, sie sollen aber nicht so gut gewesen sein wie die preußischen. Die jetzt veröffentlichten Charakteristiken, die sehr viele bekannte, zum Theil in der österreichischen Armee erst später viel genannte Namen ent hält, sind hochinteressant, wenn sie natürlich auch nicht in jedem Falle die Eigenschaft eines Seelenphotographen bean- fpruchen dürfen. Die Lectüre ist sehr zu empfehlen. Un« rnteressirt von den knappen Zeichnungen vor Allem die folgende: „Generalmajor Gras Huyn. Einer der bedentendsten Jesuiten Oesterreichs. Klug, verschlagen, heimtückisch, gefährlich. Militärisches Talent, obwohl im Grneralstab« gedient, keines, aber viel Consequenz und Energie." Dieser Auszählung der Merkmale deS Begriffs .Jesuit" braucht nichts hinzugefügt zu werden. Lraßlianische LotterwirUchaft. Bon der geradezu trostlosen Mißwirthschaft in dem jenigen brasilianischen Bundesstaate, in dem sich das poli tische Leben Brasiliens eonccntrirt, Rio de Janeiro, gtcbt der nachstehende Bericht unseres dortigen Mitarbeiters ein anschauliches Bild: Der Staat Rio de Janeiro hat kürzlich eine innere Anleihe von 20 000 Eontos de RciS (ca. 20 Millionen Mark) aufgelegt, welche Summe durch Staatsschuld scheine L 100 und L 25 Milreis untergebracht werden soll, um den zerrütteten Finanzen des Staates wieder aus zuhelfen. «S verlohnt sich deshalb wohl der Mühe, die Verhältnisse dieses Staates, tvelcher zur Zeit -eS Kaiser» reichs einer der blühendsten und wohlhabendsten war, etwas näher zu betrachten. Die Schuldenlast des Staates ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen und betrug beim Regierungsantritt -es jetzigen Präsidenten Qutnttno Bocayuva 23 879 510 Milreis. Dieser Summe stand ein Baarbestand von nur 97 513 Milreis gegenüber. Allein für rückständige Beamtengehälter und Lieferungen sind circa 5 Millionen Mark zu zahlen. Das Elend unter den Staatsbeamten, welche meist noch eine Familie zu er nähren haben, ist natürlich groß, da die Geschäftsleute ihnen keinen Credit mehr gewähren wollen. Auch die Lage der Lieferanten des Staates ist schwierig, und die meisten weigern sich jetzt, Lieferungen für den Staat zu übernehmen. In Folge dessen war die Regie rung gezwungen, aus fast allen Bezirken die Polizei detachements zurückzuziehen, weil sie nicht im Stande war, dieselben zu unterhalten. Aus demselben Grunde mutztn die in den verschiedenen Gefängnissen des Staates untergebrachten Gefangenen theils in Frei heit gesetzt werden, theils in dem Gcfängniß von Nictheroy untergebracht werden. Nictheroy ist augen blicklich die einzige Stadt, welche der Regierung noch einigen Credit gewährt, und zwar deshalb, weil die Be wohner schon lange daran arbeiten, die Hauptstadt des Staates, welche wegen der in Rio de Janeiro aus gebrochenen Revolution im Jahre 1893 nach PetropoliS verlegt worden war, wieder nach Nictheroy zurück zu verlegen. In Folge der Zahlungsunfähigkeit der Regierung und der Beamten haben fast alle Berufsclassen mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Noch drückender aber wurde die Lage, als auch die Staatssparcasse die Zahlung ein stellte. In dieser vom Staate garantirten Sparkasse konnten Beträge von 1 Milreis an zinstragend angelegt werden, weshalb dieselbe be sonders von ärmeren Leuten in Anspruch genommen wurde, und cs mutz als ein schweres Unrecht bezeichnet werden, daß -er Staat die mit -em sauren Schweiße des Volkes erworbenen Sparpfennige angegriffen un verausgabt hat, welche im Vertrauen auf die Garantie des Staates auf der Sparcasse deponirt wurden. Dieses Unrecht soll nicht etwa durch die neue An lage gut gemacht, sondern verschärft werden. Durch den geringen Betrag der einzelnen Schuldscheine (bis zu 25 Milreis herunter) und durch das Lockmittel von Prä mien will die Regierung offenbar die niederen Volks- classen veranlassen, ihre Ersparnisse in Staatspapieren anzulcgcn, weshalb die Anleihe auch „Dmprestimo populär", d. h. volkSthttmliche Anleihe, benannt wird. Es ist zu bedauern, daß die Staatsrcgicrung keinen anderen Ausweg mehr fand, die Ausgaben zu bestreiten, als diese Anleihe, welche gewiß wieder Biele um ihre schwer verdienten Ersparnisse bringen wir-, ohne dem Staate eine wirkliche und dauernde Hilfe zu gewähren. Der Krieg in Südafrika. Das Schicksal des Commandavte« Kruitzinger. Man schreibt uns aus London, den 27. Februar: Seit der Gefangennahme des tapferen und so häufig erfolgreichen Boerencommandanten Kruitzinger hat sich hier in England in wetten Kreisen eine geradezu un geheure Sympathie für diesen unglücklichen KrtegShelden, für diesen braven Feind bemerklich gemacht, und -war ist diese Sympathie einfach darauf zurückzuführen, daß man befürchtet, Kruitzingcr werde das gleiche grausame und . . . . ungerechte Schicksal zu erleiden haben, wie seine beiden Kameraden Lotter und Scheepers, die wie gemeine Verbrecher gegen alles Kriegsrecht auf grundlose Anklagen hin — wie selbst englische Blätter wiederholt constatirt haben — hivgerichtct wurden. Es giebt heute denn -och noch viele Engländer, die sich von keinem Jingo an Vater landsliebe übertreffen lassen, aber trotzdem einem ehrlichen Feinde ein ehrliches und seinen kriegerischen Eigenschaften entsprechendes Loos wünschen, anstatt ihn kurzer Hand durch ein incompctentes Stand- oder Kriegsgericht auf Zeugenaussagen verlogener Kaffcrn oder interessirter Spitzel und Angeber hin vom Leben zum Tode befördert zu sehen. Ferner möchten diese ehrlichen britischen Pa trioten ihr Vaterland und ihre Armee auch vor dem leisesten Schatten des Verdachte- bewahrt wissen, baß Leute wie Kruitzingcr, Lotter, Scheepers u. s. w. sterben mußten, weil sie ihrer erfolgreichen Thätigkett auf -em Kriegs schauplätze wegen der Rache Englands verfallen waren. So werden denn augenblicklich die Londoner Zeitungen, und natürlich hauptsächlich die liberalen und radikalen, mit „Eingesandts" überschwemmt, in denen Männer und Frauen aller Classen sich dafür aüSsprechen, daß Kruitzinger unter keinen Umständen zum Tode ver- urthetlt und wirklich auch hingerichtet werden dürfe. Man weist auf sein gute» Verhalten, seine durchaus correcte Behandlung britischer Kriegsgefangenen in seinen Händen hin, und man warnt die britische Regierung und das britische Oberkommando in Südafrika davor, bet -er Ab« urtheilung Kruitzingcr'- die gleichen schweren Fehler zu begehen, die man bei ScheeperS, Lotter und so vielen an deren gefangenen Boerenführern gemacht hat. Bekanntlich haben sogar verschiedene britische Staats- bürger unter der Führung von drei liberalen oder radi kalen Parlamentsmitgliedern eine Bittschrift direkt an den König Eduard eingereicht des Inhaltes, daß Ge. Ma jestät persönlich dahin wirken möge, daß dem gefangenen Boerencommandanten Kruitzinger unter allen Umständen Gerechtigkeit geschehe, und daß er nicht etwa al- ein Opfer der augenblicklichen feindseligen Stimmung gegen alles Boerische au» den Tod am Galgen oder durch Pulver und Blei erleide. Ob alle diese gutgemeinten Bemühungen, dem tapferen Feinde daS Leben zu retten, Erfolg haben werden, ist min- besten» zweifelhaft, und daS Vorgehen der erwähnten Parlamentsmitglieder hat im Jtngolager bereits die hellste Entrüstung hervorgerufen und in einigen Blättern die laute Versicherung producirt, daß „ein solches ver- rätherischeS Borgehen englischer Volksvertreter dem ge fangenen Boerenführer unter allen Umständen nur chaden könne", mit anderen Worten, daß er „nun gerade" die schärfste Strafe erleiden werde. Sv wogt der Streit der Meinungen über das Schicksal Kruitzinger'S hin und her — jedenfalls ohne jeden Zweck, denn seine endgiltige „Bestrafung" steht sicherlich schon heute bei seinen „Richtern" in Südafrika fest — sonst würde man ihn nicht von vornherein wie einen gemeinen Verbrecher im Ge- ängniß gehalten und ihn überhaupt anders als einen im ehrlichen Kampfe gefangenen feindlichen Heerführer be handelt haben. Vom englischen Standpuncte aus be trachtet ist es eben einfach unverzeihlich, daß ein so genannter simpler Bauer sich als „General" aufspielt und -en englischen Truppen Niederlage auf Niederlage bei bringt, und da müssen denn nach der gelegentlichen Gc- angennahme die üblichen „Mißhandlungen von britischen Unterthancn", alias Kaffcrn (die als Spione von den Boeren abgefaßt wurden), „Eisenbahnüberfällc", „Mord brennerei" u. s. w. herhalten, um dem verhaßten feind lichen Commandanten den peinlichen Proccß zu machen. Kruitzingcr wird, nach den gegen ihn erhobenen Anklagen zu rechnen, unter denen „Mord" u. s. w. eine hervor ragende Stelle einnehmen, so gut wie Scheepers und Lotter den Tod erleiden, und an dieser Thatsache werden alle Eingesandts in der englischen Presse nichts ändern können. König Eduard ist außerdem viel zu sehr mit Pferderennen, Viehausstellungen, Theaterbesuchen und Vorbereitungen für seine Krönung beschäftigt, um dem Schicksal eines gefangenen Boerencommandanten irgend welche besondere Aufmerksamkeit schenken zu können. * London, I. März. (Telegramm.) Lord Kitchener telegraphirt aus Harrismith unter dem 1. März: Die Verluste der Boeren bei den jüngsten Operationen beziffern sich auf 800 Mann. Deutsches Reich. Berlin, 1. März. (Die „Freiheit" der „katho lischen" Wissenschaft.) Daß die im Sinne des Klerika- liSmuS „katholischen" Gelehrten bei ihren Forschungen eine gebundene Marschroute haben und innehalten muffen, ist jüngst an dem Beispiel deS klerikalen Historikers Hü ff er drastisch beleuchtet worden. DaS rheinische Centruins organ bemüht sich heute, den Eindruck dieses Bei spiel« durch die Behauptung abzuschwächen: DaS seien „olle Kamellen, die aber heule, anno 1902, doch wahrlich eine mehr al« schmale Grundlage für solche Schlußfolgerungen bieten." — Die Andeutung, al« sei die Gebundenheit des katholischen Forschers, wie sie von Hüffer gefordert wurde, heute ein überwundener Standpunkt, ist zwar als Ausflucht recht bequem, läßt sich aber mit den That- sachen der unmittelbaren Gegenwart nicht vereinbaren. Denn jene heute vorliegenden, von Jedermann leicht con- trollirbaren Thatsachen beweisen da« Gegentheil dessen, wo ran die „Köln. VolkSztg." glauben machen will. Seltsam freilich wäre eS, wenn diese Thatsachen dem rheinischen CentrumSorgan unbekannt geblieben wären. Finden sie sich doch in einem tonangebenden Organe deS KlerikaliömuS, in den „Historisch-Politischen Blättern, dem Eigcnthum der Familie GörreS, und zwar in dem allerneuesten Hefte (dem 4. deS 129. Bandes). Darin ist nämlich ein Aufsatz de« Aachener Prälaten StiftSherrn I)r. BelleSheim über die Schrift „Cavour" von Franz Xaver Kraus enthalten, ein Aufsatz, der durchaus mittelalterlichen Geist in Bezug auf den springenden Punct athmet. Es heißt in »hm: „Am Anfänge deö 20. Jahrhunderts dem Schöpfer der politischen Einheit Italien« ein Denkmal setzen, obwohl (!) das schöne Land auf den höchsten Leben-gebieten heute weniger geeint ist denn je zuvor, verdient zum Vorhinein (!) die Bezeichnung eines verfehlten Unternehmens (!). Erwägt man, daß ein Lehrer der katholischen Theologie an einer Hochschule mit einer solchen Schrift zwei Päpsten und ihrem LebenSwerk damit den Fehdehandschuh hinwirst, dann wird das Unternehmen noch unverständlicher." Schon die vorstehende Auslassung verräth deutlich genug, wohinaus ihr Urheber will. Aber völlig lüftet dieser die MaSke in der Kritik, durch die er über Kraus' Auffassung vom Kirchenstaate den Stab bricht. Krau« hat bekanntlich den Untergang de« Kirchenstaates nicht nur nicht betrauert, sondern sogar gepriesen, vr BelleSheim erinnert infolgedessen KrauS an den Briefwechsel deS Papste« PiuS VII. mit Kaiser Franz I. und an die Briese Leo's XIII. an den Cardinal-StaatSsekretär Rampolla und fährt dann wört lich fort: „An dies« Kundgebungen der Päpste, in denen jede- Wort auf daS Sorgfältigste abgewogen ist, werden sich die Leiter der öffent lichen Blätter katholischer Richtung, die Vertreter de» katholischen Volke« in den gesetzgebenden Körperschaften, endlich die Professoren der katholischen Theologie in den Vorlesungen über Kircheurecht und Kirchengeschichte gewissenhaft halten. Die Studenten der Theologie bei der Behandlung einer Frage von solcher Bedeutung in offen- kundigem Gegensätze zu den Auffassungen de« heiligen Stuhles beeinfluss«», hieße s«t»em Amte nicht gerecht werden. Zwar handelt «S sich hier nicht nm Glauben«. u»d Sitteulihr«». Aber nicht mind«r deutlich ist die Be stimmung de« Batican » m, welche dem Papst« die volle und höchste JnriSdictionSgewalt über die gesammte Kirch« nicht blo« in Sachen d«S Glaubens und de: Sitten, sondern auch in Allem, wa« di« DiScipltn und die Regierung der Kirche betrifft, zoschreibt. Hätte der Verfasser deS „Lavour", anstatt die Erzeugnisse der italienischen RevolutionSlittrotnr in sich aufzuuehmen, sich auch nur aus einen Augenblick al« gehorsamen Sohn de« Papste« benehmend, den Brief Lev'« XIII. vom 29. April 1889 an den Bischof Bono- melli von Cremona durchdacht und befolgt, dann wäre der befremd- lich, „Cavour" wahrscheinlich nicht entstanden." Gehorsam gegen den Papst ist also für den katholischen Forscher nach klerikaler Auffassung da- höchste Gesetz, mag auch seiur,wiffeuschaftliche Ueberzeugnag das Gegentheil von Ge horsam gegen den Papst erheischen! Wenn aber der katholische Forscher gemäß seiner wissenschaftlichen Ueberzeugung vor seinen Studenten spricht, ohnediepäpstlicheAuffaffungzu berücksichtigen, dann wird er seinem Amte nicht gerecht! Und daS wohlver standen in Dingen, bei denen eS sich nicht um Glaubens und Sittenlehren handelt! Die Berufung auf das Vaticanum erfolgt in der Arbeit vr. BelleSheim« unter Anlehnung an Simar's, deS jetzigen Erzbischofs von Köln, Lehrbuch der Dogmatik. Gerade deshalb ist BelleS- heim'S Hinweis auf da« Vaticanum von erhöhter Bedeutung. Denn es geht daraus hervor, daß die ungeheure Aus dehnung der höchsten IuriSdictionsgewalt des Papstes auch von den sogenannten gemäßigten Klerikalen gefördert wird. Ze klarer e« aber ist, was eine derartige Ausdehnung der päpstliche» IuriSdictionsgewalt als Hinderniß sür die Freiheit der katholischen Forschung bedeutet, um so hinfälliger ist der Versuch der „Köln. VolkSztg.", die Ge bundenheit der katholischen Wissenschaft als der Vergangen heit angehörig auszugeben. L Berlin, 1. März. (Zur Reichstagsersatzwahl in Celle-Peine.) Ging bei den letzten Wahlen das Mandat für Celle-Peine durch die Uneinigkeit der nationalen bürgerlichen Parteien an die Welfen verloren, so scheint eS bei der bevorstehenden ReichStagSersatzwahl leider nicht besser werden zu wollen. Es verlautet nämlich, daß der Bund der Landwirthe beabsichtige, neben der bereits ausgestellten nationalliberalen Candidatur und neben einem conservativen Bewerber auch noch einen eigenen Candidaten aufzustellen. Weder die Conservativen, die bei der letzten Wahl ganze 1100 Stimmen erhielten, noch auch der Bund der Landwirihe, der bei mehreren Ersatzwahlen in der Provinz Hannover bereits seine Schwäche documentirt hat, haben die mindeste Aussicht, in die Stichwahl zu gelangen. Bedenkt man hin gegen, daß die Sccialdemokratie in diesem Wahlkreise von Wahl zu Wahl um ca. 1000 Stimmen zugenommen hat, so ist es durchaus nicht ausgeschlossen, daß bei der bevorstehenden Reichstagsersatzwahl die Socialdemokraten zum ersten Mal in die Stichwahl gelangen; haben ihnen doch bei der vorigen Wahl nur 600 Stimmen dazu gefehlt, um als zweitstärkste Partei zur Stichwahl zu kommen. Wenn aber die Social demokraten mit dem nauonalliberalen Bewerber in die Stich wahl kommen — und dies ist das Wahrscheinlichere, da die' Welfen an Stimmenzahl erheblich hinter den National liberalen zurückgestanben haben —, so ist eS mehr als wahrscheinlich, daß in der Stichwahl die welfischen Stimmen dem Socialdemokraten zu gute kommen, wie ja beispielsweise die Welfen dem Socialdemokraten in der Hauptstadt Hannover so lange in der Stichwahl gegen den nationalliberalen Bewerber zum Siege verhvlfen haben, bis dies nicht mehr nöthig war, d. h. bis bei den letzten Wahlen der Socialdemokrat gleich ini ersten Wahlgange siegte. DaS selbstständige Vorgehen der Conservativen und der Bündler kann also für beide niemals den geringsten Erfolg haben, sondern höchstens den nationalliberalen Sieg zu Gunsten der Socialdemokratie oder aber deS deutschfeindlichen Welfeu- thums verhindern. * Berlin, 1. März. (EinamcrikanischesUr- theil über de» deutschen Schiffba u.) „Der deutsche Schiffbau, seine Geschichte, Werften und be- merkenswerthen Institutionen" ist ein bcachtenswcrthcr Artikel beuannt, -er kürzlich in der „New Yorker Staats zeitung" erschienen ist. Abgesehen von einzelnen ttnge- nauigkeitcn, die dem Verfasser untergelaufcn sind, bietet die Abhandlung eine Fülle geschichtlichen Materials der deutschen Wersten, und fordert besonderes Interesse durch die außerordentlich hohe Anerkennung, die den Leistungen des deutschen Schiffbaues gezollt wird. Das allgemeine Urtheil klingt in den Worten aus: „Was den Bau der Frachtschiffe, ihre Größe und Geschwindigkeit anbclangt, steht Deutschland den übrigen Ländern nicht nach, und in Bezug auf Schnelldampfer hat cs a l l e N a t 1 v n c n b e i Weitem überflügel-", und: „Durch den Umstand, daß die deutsche Admiralität eine große Zahl ihrer^ bet der Gründung ihrer Flotte nöthig gewordenen Schiff bauten durch die heimische Privatindustrie ausführen ließ, ist auch der Kricgsschiffbau zu einem e r st en der W e l t cmporgcwachsen." Der Verfasser geht dann aus eine Be- sprechuug der einzelnen Wersten über, in der er sich mit den bestehenden Verhältnissen recht vertraut zeigt. Vom Vulcan heißt es: „Er nimmt sowohl in der Stettiner Industrie, als auch unter allen deutschen Schiffswerften die erste Stellung ein; er darf sich selbst nach dem Urtheil der Engländer getrost in die Reihe der ersten Schiffbauer Großbritanniens, ja der ganzen Welt stellen." Auch seine gesammtcn schiffbau- und maschinenbanlichcn Erzeugnisse werden eingehender Schilderung gewürdigt. Es sind so dann in ähnlicher, wenn auch nicht so eingehender Weise die Schichau-Wcrke, Odcrwerkc, die Flensburger Schiffs werft, die Germania in Kiel, die HowaldtS-Werke, Blohm L Voß, die ReiherstiegschiffSwcrst und Maschinenfabrik, die Tecklcnborg - Werst, die Weser - Werst und viele kleinere Werke beschrieben, unter denen die Werst von Fechter fälschlich in Memel statt in Königsberg liegend angegeben ist. Nachdem dann selbst der deutsche Fluß- schiffbau durch den Hinweis auf die „Kette" in Uebtgau und Gebrüder Sachscnbcrg in Roßlau nicht unerwähnt geblieben ist, werden der Hamburg-Amcrtka-Linie und dem Norddeutschen Lloyd noch längere Ausführungen zu Theil. Außer einer Besprechung der hervorragendsten Fahrzeuge der Flotte« dieser beiden Rhcdereien wird vom Norddeutschen Lloyd die Schaffung seines Eadctten- schulschisfcs „Herzogin Sophie Charlotte" und die mit demselben verfolgten Zwecke anerkennend hcrvvrgchyben und ferner gesagt: „daß derselbe sich durch die Einrichtung einer „Schleppversuchö-Station" unter vorzüglicher Lei tung für die theoretische Entwickelung des Schiffbaues große Verdienste erworben habe." Nach einer kurzen Schilderung der Gründung der „Schiffbautechnischen Ge sellschaft" und der von ihr verfolgten Ziele schließt dann der Verfasser seine Abhandlung mit dem Wunsche, daß der deutsche Schiffbau seine Stellung an der Spitze deS internationalen Schiffbaues noch mehr befestigen und lasse erhalten möge. Diese rückhaltlose Anerkennung
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