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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020311027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902031102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902031102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-11
- Monat1902-03
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Dienstag den 11. März 1902. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffcrtenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung ./L 60.—, mit Postbesörderung .6 70.—. Ännahmetchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Erpedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die Gefangennahme General Methuen'S. * London, 10. März. Der Wortlaut der Depesche Lord Kitchencr's lautet: „Pretoria, 9. März. Ich bcdaure sehr, eine traurige Nachricht über Methuen senden zu müssen. Gr war mit 990 Berittenen unter Major Paris, 300 Mann Infanterie, 4 Geschützen und einem Pompom aus dem Marsche von LLynbnrg nach Lichtcnbnrg, nnd bcabsichtiite, am 8. März mit Grcenfell, der 1300 Berittene unter seinem Befehl hatte, bei RovtraineSfontcin zn- sammenzustoszen. 500 Mann berittener Truppen sind in Maribogo und Kraaipan cingetroffen. Sic wnrdrn von den Bocreil vier Meilen weit verfolgt. Tie berichten, Methuen'S Geschütze, Bagage rc. seien von den Bocrcn ge nommen worden. Als Mcthnen znletzt gesehen wurde, war er Gefangener. Ach habe keine näheren Nachrichten über Sie Verluste oder sonstige Meldungen Gestern früh wurde Methuen zwischen Twcbosch nnd Palmietkcill von Tclarcy's Truppen angegriffen. Die Boercn griffen von drei Leite» an. Ich hatte bereits Dispositionen getroffen, nm Truppen in diesen Distrikt zu entsenden. Ach denke, dieses plötzliche Wiederaufleben der Thäligkcit der Bocren bezweckte, die Tewct bedrängenden Truppen abzulcnkcn." (Wdhlt ) * London, 10. März. Eine weitere Depesche Kitchencr's meldet: Pretoria, 9. März. Major Paris ist mit dem MannschaftSrcst in Kraaipan eingctroffen. Derselbe berichtet: Tic Abtheilung marschirtc in zwei Golonuen und verlies; srüh nm 3 Uhr Twcbos ch. trine Stunde später, kurz nach Tagesanbruch, griffen die Boercn an. Ehe Berstärknngen cintrcffcn konnten, hatten sie die Nachhut durchbrochen. Inzwischen galopptrten die Bocren in groszcr Zahl gegen beide Flanken an; dieser Angriff wnrde Anfangs von den Flanken- abtheilungen abgrwiesen, aber cs war eine Panik ein gerissen. Alle mit Manlthiereu bespannten Wagen, sowie berittene Mannschaften stürmten wild durcheinander ge worfen dahin. Ihnen folgten die mit Ochsen bespannten Wagen. Alle Bemühungen, sie zum Stehen zu bringen, waren erfolglos. Major Paris sammelte vierzig Mann und brachte die Ochsenfuhrwerke zum Stehen. Nach muthiger, nutzloser Vertheidignng drang der Feind in die Wagen reihe. Methuen wnrde am Oberschenkel verwundet. Paris wurde umzingelt, er ergab sich um 10 Uhr srüh. Mcthncn befindet sich noch im Boereniagcr. tWdhlt.) * Loudon, 10. März. (Unterhaus.) Am Schlüsse der gestrigen Sitzung verlas der .Kriegsminister Brvdrick folgendes Telegramm Lord Kitchencr's: „Die Wagen Lord Methnen's, die Ochsen zogen, brachen eine Stunde vor denen auf, die durch Maulthiere weiterbewegt wurden. Bei Tagesanbruch griff der Feind plötzlich im '.stücken au. Die erste Verwirrung wurde durch die Ein geborenen hcrvorgcrufen, die mit den von ihnen ge führten Pferden durch -en Maulthicrcvnvol) hiudurch- galoppirten, als dieser sich an den Ochscnconvvy an schließen wollte. Die Verwirrung griff sofort auf die berittenen Truppen über. Die Boercn, die Khaki- uniformen trugen, vereitelten alle Bemühungen der Officicre, die Truppcu zu sammeln. Es brach vielmehr die größte Unordnung unter den Truppen aus. Die Maulthierwagen rasten davon, bis sic, drei Meilen über den Ochsencvnvoy hinaus, von den Bocren eingeholt und abgcschnittcn wurden. Die Artillerie und Infanterie zeigte besonderen Muth. Die Infautcric weigerte sich, sich zu ergeben, bis jeder Widerstand nutzlos war. Dclarey's Truppen trugen fast alle englische Uniformen; dadurch wurde es der Infanterie un möglich, zwischen ihnen und den englischen Truppen zn unterscheiden. Ter Feind war 1500 Mann stark, hatte einen Fünfzehnpfündcr nnd ein Pompomgcschütz und stand unter dem Befehle Dclarey's, Ccllier's, Kemp's und Anderer. Für Lord Biet hu en war, als er znletzt gesehen wurde, in seinem eigenen Wagen gute Vorsorge getroffen. Ich erfahre durch ein Privattclcgramm, daß er einen Schcnkelbrnch hat und daß er sich vcrhültnißmüßig wohl befindet. Ich hoffe, daß es den Verstärkungen, die jetzt auf dem Schauplatze der Ereignisse eintreffen, gelingt, dort eine günstigere Wendung berbeiznführen, ohne die Operationen auf anderen Gebieten dadurch zu beeinträchtigen." * London, lO. März. >Tclcgra m m.) Bei der Ver lesung der Depesche Kitchencr's im Unter hause ertönten zuerst laute Beifallsrufe bei den Iren, während auf den Bänken der Ministeriellen Pfui r u f e laut wurden. Brodrick wies sodann unter all gemeinem Beifall rühmend aus die Vcrdieuste Lord Methuen'S hin. — Im O b e rhause verlas der Varla- mcntssekretür des Kricgsamtcs Raglan die Depesche Kitchencr's. Earl vf Roberts sagte, er hoffe, das Haus werde ihm zustimmen, wenn er seine Antheilnahmc an dem Schicksal Methuen'S ansspreche und sich einer ab fälligen Kritik enthalte, bis man wisse, wer für die Nieder lage verantwortlich sei. Lord Spencer schloß sich den Aus führungen Roberts' an. Lord Salisbury sprach ebenfalls die Ansicht ans, daß man mit dem Urtheil über die sehr traurige Nachricht zurückhalten solle, bis man über die Einzelheiten unterrichtet sei. Er sei überzeugt, daß Lord Methuen sein Bestes gethan habe. (Wiederholt.) * Brüjscl, 10. März. „Petit Bleu" berichtet aus London: Die Zahl der von Dclarcy gefangenen Mannschaften Methnen's beträgt tausend; die von Lord Kitchencr angegebene Zahl 201 der Ge fangenen ist die der nicht wieder sreigclasscnen. Bisher war es den Boercn noch nicht gelungen, eines namhaften englischen Führers habhaft zu werden; bis her haben sic in dieser Beziehung die Zeche allein gezahlt; ihr Crvnjc schmachtet schon lange in der Gefangenschaft, Lotter nnd Schecpers haben durch englisches Kriegsgericht ihr Leben lassen müssen, Kruitzingcr wartet noch auf das Urtheil, und Ben Viljoen, der jüngste schmerzlichste Ver lust der Boercu, hat vor wenigen Wochen die Reise nach der Gefangeneniuscl angctreten. Methuen hat sich ohne Frage, wie immer, tapfer geschlagen, nur schwer ver wundet ist er den Boercn in die Hände gefallen, aber der Mangel an militärischer Ein- nnd Umsicht ist nicht immer durch Tapferkeit zu ersetzen, nnd so ist er, statt die Ucbcr- rumpelung bei Klcrksdorp zn rächen twvzu er von Kitchencr von Vryburg aus auf Lichtenberg vvrgcschickt worden war, während Kekewich's und Greenfell's Co- lonncn den schlimmen Dclarcy nach Westen verfolgten), dem verschlagenen Bocrenführer selbst zum Opfer gefallen. Man kann wohl sagen, daß die Ironie des Schicksals noch nie so furchtbar gewaltet hat: der Verfolger wird zum Verfolgten, ja zum Vernichteten, und zwar durch einen Gegner, der nach Ansicht der anderen Seite schon längst in seinen letzten Zügen liegt. So lange Methuen in Gefangenschaft ist, wird man cs übrigens schwerlich wagen, den in die Gewalt der Eng länder gefallenen Bocrcneommandanlcn Kruitzingcr zu füsiliren. prin; Heinrich in Amerika. u. Philadelphia, 10. März. (P r i v a t t c l c ü r a m m.) Die Kundgebungen der Bevölkerung waren großartig. Prinz Heinrich wurde auf der Fahrt durch die Straße» überall mit Hellem Jubel begrüßt; das Wetter nmr herrlich. Der Bürgermeister wies in einer Ansprache darauf hin, daß die Stadt die Wiege der Un abhängigkeit sei und gab die Versicherung, daß die h e rz- lich en Beziehungen zwischen Deutschland nnd den Vereinigten Staaten von der Stadt Philadelphia vollauf gewürdigt würden. Der Central- buud deutscher K r i e g s v e t e r a n e n und ehe maliger Soldaten ließ durch eine Abordnung eine Adresse überreichen und seinen besonderen Dank dafür aussprechen, daß der Kaiser ihm eine Kanone übersandt habe zur Verwendung für die Errichtung des ersten national-deutschen Krieger denkmals in Amerika nach deutschem Muster. Das Pro gramm des letzten Reisetages wurde so würdig und eindrucksvoll durchgesührt, wie alle früheren. Es wird allgemein betont, daß noch niemals zuvor so große Meuschcnmassen zusammcngeströmt seien, wie heute an der Bahnhvssftraßc. Die Ovationen dauerten an, so lange der Prinz in Sicht war. Zwei Eseadrous Caval- lcrie und eine Compagnie berittener Polizisten bildeten die Escorte. Ans die im herzlichen Tone gehaltene An sprache des Bürgermeisters erwiderte der Prinz, dies sei nur eine weitere der vielen ihm in diesem Lande zu Thcil gewordenen Freundlichkeiten; er versichere, daß er sie aus vollem Herzen würdige. Er danke für die Verleihung des Ehrcngastrechtes und das schöne Souvenir. Die Besichtigung der Jndepcndancc-Hall mit vielen historischen Sehenswürdigkeiten wurde durch den Vortrag deutscher Lieder unterbrochen. Dort wurden auch die deutschen Veteranen dem Prinzen vorgestcllt, der jedem die Hand drückte. Auf der Crampochenwerft wurde der Prinz von dem Besitzer begrüßt. Nach Be sichtigung des neuen Schlachtschiffes „Maine" besuchte der Prinz den auf der Crampochen-Werft gebauten russischen Kreuzer „Retvizan", wv er von dem Eapitän Spohns- nvwitsch nnd den Offieiercn begrüßt wurde. Die Mann schaften standen in Parade. Der Prinz besichtigte das Schiff von oben bis unten. Sodann wnrden der Bauhof der Werft, insbesondere die Maschinenwcrkstätten, genau besichtigt. Hierauf fuhr der Prinz zum Banket nach der ttnionlcague und trat nm 2sH Uhr die Rückreise nach New ?)ork au. * Philadelphia, 10. März. An dem Diner der Univ n- Leaguezn Ehren des Prinzen Heinrich nahmen 100 Bürger Theil. Dem Prinzen gegenüber war ein Bild Kaiser Wilhclm's angebracht. Bei der Ausschmückung des Saales war in höchst charakteristischer Weise die Prinz Heinrich-Nelke, eine neue so getaufte Art, mit Maiblumen verwandt worden. Während des Mahles hielt der Prinz nachfolgende Rede: Ich wünsche Ihnen zu danken für die freundliche Aufnahme, welche ich in den Ver einigten Staaten gefunden habe. Meine Herren, dies ist wohl die letzte Gelegenheit, welche ich während meines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten habe, öffentlich zu sprechen. Ich bin sehr betrübt darüber, daß dies so sein must. Mas ich jetzt im Begriff bin, Ihnen mitzu- thcilcn, sage ich v v r a l l e r W e l t: Es war absolut kein g e h c i m e r Z w e ck, der mit meiner Mission in Ihr Land verknüpft war. Sollte irgend Jemand von Ihnen etwas Gegentheiliges lesen oder hören, so er mächtige ich Sie hiermit, dies rundweg zu bestreiten. Mir wurde gerathen, bevor ich die Reise autrat, die Augen und Ohren so weit wie möglich zu öffnen und so wenig wie möglich zu sprechen. In letzterer Beziehung bin ich bange, dast meine Mission fchlgeschlagcn ist. Ich sah bedeuten mehr Dinge, als Viele von Ihnen glauben mögen, ich hörte gleichfalls sehr viele Dinge, darunter viele freund liche Worte von Personen, ebenso die Jubelrufe Tausender Ihrer Landsleute. Was ich in Ihrer Gegenwart aus spreche, spreche ich in Gegenwart Ihrer Nation aus, näm lich meinen herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme und die Sympathien, welche ich während meines Auf enthaltes in Ihrem Lande fand. Es wird mir am Herzen liegen, dem Kaiser hiervon Kcnntniß zu geben. Morgen trete ich die Rückreise an. Es wäre nicht recht von mir, wenn ich sagen würde, daß cs mir leid thue, wieder nach Hause zu reise», aber gleichzeitig überkommt mich ein trauriges Gefühl, das Land zu verlassen, in dem ich mit so viel Güte nnd Gastfreundschaft ausgenommen wurde. Lasten Sie mich, meine Herren, noch sagen: Lassen Sie uns darnach trachten, Freunde zu sein, und es auch wirklich sein!" X. New ?)ork, 10. März, t P r i v a t t e l e g r a m m.) Nach der Rückkehr aus Philadelphia wird sich Prinz Heinrich nach Sobokcn an Bord der „Deutschland" begeben, wo für die Neisegcnosscn des Prinzen ein Fest» mahl stattsindct. Hierauf wird der Prinz auf einen» Regiernngsdampser wieder über den Fluß gesetzt nnd begiebt sich nach dem deutschen Theater zur Galavor stellung. Nach der Vorstellung kehrt der Prinz auf die „Deutschland" zurück. Die Ankündigung Morgan's, er werde seine siegreiche Bacht „Columbia" über den Occan schicken, wenn sie herausgefordert werde, erweckte gestern im New ?)orkcr Nachtklub einen Sturm der Bc- geisterung; man erwartet, daß sie mit dem neuen „Meteor" wetteifern wird. Das Modell der „Hohenzollern", ein Ge schenk für den Nachtklub, ist aus Celluloid und 6 Fuß lang. Eine mit kostbaren Blumenstickercien bedeckte pracht volle Flagge mit der in Goldbuchstabcn ausgeführte» Inschrift: „Glückliche Heimreise! Eine deutsche patrio tische Frau!" wurde im Waldorf-Astoria-Hotcl für den Prinzen abgegeben; die Herkunft der Flagge ist un bekannt; sic soll von einer wohlhabenden alten deutschen Dame sein. Die Pilgerfahrt des Publikums nach der „Hohenzollern" dauert fort, der Zutritt ist jedoch nicht erlaubt. — Es war dem Prinzen unmöglich, das deutsche Hospital, die berühmte Mnstcranstalt, zu besuchen, aber er entsandte gestern v. Tirpitz, v. Eisendecher und v. Hol- lebcn dahin. In der Versammlnng der „Central Federated Union", dem Centralvcrband der organi- sirtcn Arbeiter, wurde der gestern von sociali st i s ch e r Seite gemachte Versuch, den Empfang des Prinzen zu verurtheilen, mit Hohngclächtcr ab gewiesen. Die Tiraden hierüber wurden gar nicht an gehört. * New Uork, 10. März. PrinzHcinrich ist heute Nachmittag 5 Uhr 45 Min. inHoboken eingetroffen. Feurllaton. 9, Die drei Freunde. Roman von Robert Mifch. Nachdruck «crboUn. Es ging doch etwas, lauter zu, als cs sich für eine an ständige Bürgcrfamilie und für die jungen Mädchen schickte. Diese Künstler vergaßen vollständig, wen sie vor sich hatten. Und als die Bowle gar kein Ende nahm, die Köpfe immer röther, die Augen immer feuriger wurden, die Lippen immer heißer küßten, da erklärte der Herr Oberlehrer plötzlich, daß er nnn leider gcnöthigt sei, sich mit seiner Frau und seinen fünf jungen Damen — die zwei Lehrerinnen standen natürlich unter seinem Schutze — zurückzuziehcn, da sie morgen Alle ziemlich früh auf stehen müßten. Ungeheurer Protest! Man umringte sic und wollte sic einfach nicht wcglasscn. Nur mit großer Mühe gelang es dem Gastgeber, den lachenden Haufen zur Freigabe der Familie Rcnncbohm zu bewegen. Aber die Gesichter der jungen Damen vcrriethcn durchaus kein Wohlgefallen an diesem verfrühten Weggänge. Sic amüsirten sich Alle so köstlich, wie noch nie in ihrem jungen Leben. Da aber alles Bitten und Betteln vergeblich blieb, so beschlossen die jungen Herren, den Damen einen feierlichen Abschied zu bereiten, worüber man sich schnell in geheim- nißvoller Weise verständigte. Vorher mußte der Herr Oberlehrer noch den großen Schmerz erleben, daß er seine Eva in -er Küche sand — wie sie dahin gerathen war, wurde trotz genauester Untersuchung nie aufgeklärt — und zwar in den Armen eines jnngen Künstlers, der den ganzen Abend nicht von ihrer Seite gewichen war und jedenfalls ein vergessenes Pfand cinlöscn wollte, ohne dabei ans merklichen Widerstand von ihrer Seite zu stoßen. Während sich die Herrschaften nun in ihre Ueberkleider hüllten, holte man ein Dutzend längliche, in Papier ge wickelte Gegenstände aus dem Corridor, die sich sogleich als ebensoviel chinAischc Stocklatcrncu entpuppten. Diese wurden jetzt augezündet; und trotz des flehentlichen und entschiedenen Protestes von Seiten des Herrn Oberlehrers zogen ihnen sechs Laternenträger voran, sechs ihnen nach. So ging eö die Treppe hinunter, auf die Straße hinaus, wo leider die erst gegen Mitternacht bestellten Mieths- wagcn noch nicht cingetroffen ivarcn. Auch Droschken gab es nicht in dieser etwas „entfernten" Gegend. Die Laternenträger stimmten darauf ein fröhliches „OLuckeslnu» ixitur" an, und aus dein vierten Stock, wo der Nest der Zigeuner in den weitgcöffnetcn Fenstern lag, fiel der Chorus ein, unterbrochen von Hochrufen auf die sämmtlichenRenncbohms, die von dcmHcrrn und der Fran Oberlehrer an bis auf Eva, Klärchen nnd Tünchen Rcnnc bohm einzeln mit Namen aufgezählt wurden. Um der Sache noch eine besondere Weihe zu geben, ließen die Herren die mitgcbrachten Schwärmer und Frösche los, die mit Geknatter. Blitz und Knall in der klaren, stillen Hcrbstnacht crplodirten. Wie zu vcrmuthen, erregte das die Sensation des Hauses und der, freilich noch etwas unvollständig be bauten, Straße. In allen Hansthüren, in allen Fenstern erschienen mehr oder minder bekleidete Menschen, die mit Gelächter das Gratisschauspiel begrüßten und in die Hoch rufe einstimmten. Der Herr Oberlehrer schwankte zwischen einer Ohn machtsanwandlung, Wuth, Bestürzung, Scham und dem Gedanken, daß er auf immer blamirt sei und wohl seinen Abschied werde nehmen müssen, während seine klügere Gattin sich zwar auch schämte, aber den Humor dieses wunderlichen Geleites doch begriff. Die jungen Damen sahen es einfach als einen köstlichen Spaß an, der die Monotonie ihres grancn Alltagsdaseins angenehm unter brach. Sv zog die Proeession unter dem Jubel der Straße bis zum nächsten Droschkenhalteplatzc, wo man die acht Menschen — die Tante Kanzleirath war natürlich auch dabei — in zwei Droschken verpackte, den Abfahrenden noch einmal ein Hoch nachrief und die Laternen schwenkte. Ein Schutz mann war weit und breit in dieser stillen Gegend nicht zu sehen, und so kamen die zwölf Laternenträger ungefährdet in das HauS zurück, vor dem sie sich von der begleitenden Volksmenge mit einem Hoch auf „ganz Cyarlottcnburg und Umgegend" feierltchst verabschiedeten. Droben fanden sic freilich den Eigenthümer des Hauses vor, der gegen solche Skandalscenen energisch protestirte nnd sogar etwas von „Kündigung und Exmission" des neuen Mtethers verlauten ließ. Man jubelte ihm aber so laut zu, drückte ihm gewaltsam ein Glas Bowle in die Hand und gab ihm so reichlich zu trinken, bis er sich in einem Stadium befand, in dem er nicht mehr protestirte, sondern sich einer feierlichen Laterncnpolonaise durch die Wohnung und den Vorslur anschloß. Paula wußte nicht, ob sie zn alledem lachen oder sich ärgern sollte. Jedenfalls war sic todtmüdc; und die Herren hatten so viel Taktgefühl, dies endlich zu merken. Wer cs nicht merkte, dem flüsterten cs Herr Heine und Franz Lcuc zu; und so zogen sie nach einem letzten Trünke und einem letzten Hoch allesammt ab. Brnno sah dem lachenden nnd schwatzenden Haufen aus dem Fenster nach; und trotz des GlückSgefühlcs in ihm, endlich am Ziele seiner Wünsche zu sein, konnte er den Gedanken nicht los werden: Dort zieht meine Jugend dahin. Dreizeh ntcsCapitcl. Bruno stand vor seinem großen Bilde „Die Nymphen jagd", dessen Entwurf er vor mehr als anderthalb Jahren, gleich nach der Hochzeit begonnen hatte. Mit dieser Schöpfung der freien Phantasie wollte er sich mit einem Schlage zu den Höhen seiner Kunst aufschwingen. Im kühnen Anlauf hatte er es angefangcn, aber bald waren Stockungen eingctreten, innere und äußere Hinder nisse, die ihn Wochen und Monate lang am Weiterarbeiten hinderten. Wenn er dann wieder zum Pinsel griff, gefiel ihm diese oder jene Einzelheit nicht mehr so recht; er kratzte sic aus. Schließlich mißfiel ihm der ganze Ent wurf; er stieß ihn um und entwarf die Composition von Neuem. Die Freilichtmalerei begann damals. Anfangs der achtziger Jahre, ihren Sicgcszug von Paris nach Deutsch land anzutrcten. Einige „Junge" schloffen sich dieser Richtung an; und auch auf Bruno hatten diese, in Licht und Luft getauchten Landschaften einen tiefen Eindruck gemacht. Dazu kam der Einfluß Böcklin'S, den sie damals in Berlin freilich noch verhöhnten. Die Technik der fran zösischen Schule und das Stoffgebiet des großen Maler poeten waren seine Vorbilder; sie zu erreichen und zu ver einen, das Ideal, das ihm vorfchwebtc. „Die Nymphenjagd" spielte sich guf einer großen, weiten Wiese ab, deren saftiges Grün in hellstem Sonnenschein funkelte — die Luft klar und durchsichtig, der Himmel tief blau. Ein (Sriechenhimmcl, von einigen leichten Lämmer wölkchen belebt. Im Hintergrund Wald nnd Gebüsch, aus dem scheu und halbverbvrgen einige Dryaden ihren fliehenden, von Satyren verfolgten Gefährtinnen nach blickten. Drei Paare tummelten sich auf dem weiten, grjinen, mit Frühlingsblumen bestickten Plan: links im Hinter grund eine Nymphe, die sich spöttisch lachend nach ihrem bocksfüßigcn Verfolger umsah, der eben über eine Wurzel gestolpert war und der ganzen Länge nach am Boden lag; in der Mitte des Vordergrundes eine zweite, nach welcher der Faun die Hand ausstrccktc, um sic zu erhaschen. Ein drittes Paar rechts vorn unter einer breitwipfligen Pinie — er im Begriff, die bereits gehaschte in seine Arme niedcr- zuziehen. Der Entwurf war entschieden geistvoll und sehr geschickt componirt. Sein ehemaliger Lehrer, der berühmte Meister, hatte ihn gelobt und zur Ausführung ermuntert. Der Meister hatte freilich gut reden; dem wand die Noth nicht immer den Pinsel aus der Hand. Ach, die Ehe kostete so viel Geld; und seit gar das Kind gekommen war, da mußte er oft zum Zcichcnstift greifen oder die Radiernadel in die Hand nehmen, um nur schnell Geld zu schaffen. Den Teufel auch, das hatte er sich in seinem jugend lichen Leichtsinn nicht so vorgcstellt. Ueberhaupt hatte die Ehe, obgleich er sein Weibchen wahrhaftig liebte, ja noch immer aubctctc, auch manche Schattenseite. Paula war ja ein liebes, sanftes nnd anschmiegsames Geschöpf; aber in der ersten Zeit hatte er ihr doch allerlei philiströse Sitten und bourgeoishafte Anschauungen abgewöhnen müssen. Sic war eifersüchtig aus seine Modelle — geradezu lächer lich für eine Künstlersfran! Zu seinen nackten Nymphen brauchte er doch weibliche Acte. Ohne das ging cs ein fach nicht, das machte er ihr klar. Und ein echter Künstler sieht doch gar nicht mehr das Weib im Modell. Er hatte schön predigen; sic wollte durchaus immer den Sitzungen beiwohnen, was ihn natürlich störte, aber noch mehr die Modelle, die sich das einfach verbaten. Es hatten einige lächerliche und ärgerliche Scencn stattgefunden, die ihn znm Gespött seiner College« machen mußten; denn natürlich erzählten die Modelle mit Behagen solchen Atelierklatsch weiter. Da machte ihm Paula eines Tages den Vorschlag, sic selbst wolle ihm für seine Nymphen Act stehen. Anfangs war er ganz überrascht, daß sie, das bürgerlich schamhafte Weib, die ehemalige Lehrerin, sich dazu hergeben wollte! Wohin doch die Eifersucht ein Weib alles führen kann! Sie schwor zwar, Eifersucht sei cS nicht; sie bringe ihn» dies Opfer nur deshalb, weil er das Geld für die thcurcn Mo delle kaum mehr erschwingen könne. Er war ganz gerührt über so viel Liebe. Als sie eS ihm sagte und ihn so zaghaft, so lieb und gut mit ihren
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