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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020305022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902030502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902030502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-05
- Monat1902-03
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen »PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (»gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung ./6 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 5. März 1902. 96. Jahrgang. Prinz Heinrich in Amerika. 6. Chicago, 4. März. ( P r i v a t t e l e g r a m m .) Die -cm Prinzen Heinrich vom Gouverneur von Minnesota, van Zant, überreichte kunstvolle Adresse hat ungefähr folgenden Wortlaut: „Namens 50 000 Bewohner St. Pauls deutscher Abkunft bringen wir Ihnen ein Willkommen dar. Millionen von Herzen, in denen deutsches Blut fließt, sind mit uns heute verbunden im Gruß an den herrlichen Hohenzollernsproß, den Ver treter des Kaisers und des deutschen Volkes. Wollen Euere Hoheit Ihrem Bruder versichern, daß wir stets des Vaterlandes in tiefster Liebe gedenken und zu Gott beten, er möge das alte Vaterland und unsere neue Heimath im Freundschaftsbande fest vereinen." — Um 11 Uhr wurden die Wagen zur Fahrt nach dem L i n c o l n d e n k m a l bestiegen. Mit dem Prinzen fuhren der Bürgermeister Harrison, Admiral Evans und der frühere Kriegsminister Robert Lincoln, ein Sohn Abraham Lincoln s. In den übrigen Wagen folgten außer dem regulären Gefolge der Gouverneur Nates, der Direktor der „Associated Preß", Stone, der deutsche Consul Wcvcr, die Viccconsuln Kär- ling und Zöpfel, sowie die Herren Halle, Rübsen, Carling, Selfridgc, Palmer, Plamodon und Jones. Die nach dem Lincolnpark führenden Straßen waren festlich geschmückt. Aus allen Fenstern wurden Taschentücher geschwenkt und überall herrschte jubelnder Zuruf. Prinz Heinrich er widerte die Grüße mit fortgesetztem Danke. Am Lincoln denkmal hatte sich eine riesige Menschenmenge versammelt, welche Hochrufe auf den Kaiser Wilhelm und den Prinzen Heinrich ausbrachte, als er daselbst eintraf. Das Denkmal war abgezäunt und ein starkes Polizeiaufgebot hielt die Ordnung aufrecht. Prinz Heinrich legte einen Kranz an dem Fuße des Denkmals nieder. Die Ceremonic war in wenigen Minuten vorüber. (Wdrhlt.) * Chicago, 4. März. Vom Lincolnpark aus fuhr PrinzHeinrich zum Luncheon nach dem nahen Ger - mania-Clubgebäudc, das eins der schönsten Gebäude Chicagos ist, erbaut von Architekt Fiedler, -er auch das „Deutsche Haus" der Weltausstellung' geschaffen hat. Als die Ca- valleric - Escorte in Sicht kam, erklangen Fanfaren vor dem Clubhause. Der Prinz betrat Arm in Arm mit dem Consul Wever die Schwelle uud wurde von dem Präsidenten des Clubs, Fischer, und den Herren Rubens, Brentano, Halle und Madlener empfangen. Auf der Treppe zum Banketsaal standen weißgekleidete Mädchen. Zu dem Lunchcon waren geladen: das Gefolge des Prinzen, eine Abordnung der deutschen Vereine und 50 Mitglieder des Clubs. Der Saal war wundervoll geschmückt. Das durch die Fenster hereinfluthendc Licht war durch blau und weißen Atlas gedämpft. Büsten von Kaiser Wilhelm und Präsident Roosevelt waren aufgestellt und unter einem Triumphbogen befand sich ein mächtiger amerikanischer Adler gegenüber einem deutschen Adler. Als der Prinz cintrat, spielte die hinter Palmen verbor gene Capelle die „Wacht am Rhein". Später wurden Ncgermelodien vorgctragcn. Fischer brachte den Toast auf den Präsidenten Roosevelt und den Kaiser Wilhelm aus. Hierauf hielt Rubens eine kurze poetische An sprache, in welcher daran erinnert wurde, daß die Sänger des Germania-Clubs einst an dem Sarge Lincoln s ge sungen haben, und die mit einem Hoch auf den Prinzen schloß. Nach dem Lunchcon sand Empfang in dem pracht voll geschmückten Ballsaalc statt. Fischer überreichte im Namen der Damen des Clubs eine kostbare Vase für die Prinzessin Irene,- der Prinz mar hierüber hocherfreut und sagte, seine Frau werde das Geschenk als einen Schatz be trachten. * Chicago, 4. März. Auf die poetische Ansprache, welche das Mitglied des Germania-Clubs Rubens vei dem Luncheon im Germania-Clubgebäude an den Prinzen Heinrich richtete, antwortete der Prinz in deutscher Sprache: „Ich danke Ihnen sehr für den mir bereiteten Empfang. Ich wünsche zu sagen, daß die Deutschen in Amerika viel für Literatur uud Wissenschaft gethan, und ich hoffe, Sie werden das gute Wert fortsetzen. Ich will Sie nicht durch eine lange Rede aufhalten, sondern ein fach sagen, ich hoffe, daß der Germania-Club erfolgreich seinen Idealen nachlebcn werde, und bin überzeugt, daß seine Zukunft glänzend sein wird wie seine Vergangen heit." Hochrufe folgten der Rede. Alsdann wurde ein Trinklied gesungen und «Ick Lentuost^ stomo". Die Gesellschaft war sehr heiter und anregend. 0. Chicago, 4. März. (P r i v a t t e l c g r a m m.) Vor dem A u d i t o r i u m - H o t e l hatte sich schon in früher Morgenstunde eine schaulustige Menge eingefundcn. Um 10 Uhr wurde der Prinz sichtbar. Er beschloß, die freie Zeit jetzt bis 11 Uhr zu einer improvisirten Spazier fahrt zu benutzen. Ein bereitstehendes Automobil schlug der Prinz aus und bestieg einen Wagen. Die Fahrt, welcher sich das Gefolge des Prinzen anschloß, ging zunächst zum Wollenkratzcr und Illinois Trust and Savings Bank, welche der Prinz eingehend besichtigte. Von dort begab sich der Prinz zu Fuß «ach dem Nookerngebäude, von wo die Fahrt durch die Bazargcgcnd zur öffentlichen Biblio thek fortgesetzt wurde. Hier begrüßte der Prinz den Manor. Inzwischen war die Ausfabrt des Prinzen be kannt geworden, der überall von der Bevölkerung lebhaft begrüßt wurde. Nach der Ueberreichuug einer Adresse durch den Gouverneur van Sant äußerte der Prinz, er schätze die Adresse sehr hoch als einen weiteren Ausdruck der besten Wünsche, die ihm allerseits als Gesandten seines Bruders geworden seien. Er werde die Adresse Kaiser geben und sei sicher, daß dieser der Bevölkerung von Minnesota ebenso dankbar sein werde, wie er selbst. N. New Nork, 4. März. lP ri v a t tc l c g ra m m.) Zu der am 10. März im Deutschen Theater statt findenden Galavorstellung stellte der Prinz nachträglich sein Erscheinen in Aussicht. — Die Zahl der Besucher der „Hohcnzollcrn" wird bis jetzt auf 15 000 geschätzt. Leider wurde von Leuten, die auf irgend ein Andenken erpicht waren, mancherlei Unfug verübt. — Das gestrige erste Concert der Marinecapelle in Carnegiehall hatte einen großen Erfolg; das Publicum war begeistert. * Milwaukee, 4. März. PrinzHeinrich ist 4 Uhr Nachmittags hier eingetroffcn. Der Krieg in Südafrika. * LonSon, 4. März. Im Laufe der Berathung des HeeresbudgetS im Unterhause brachte Humphreys- Owen eine Resolution ein, welche die große Sterblich keit in den ConcentrationSlagern und die Verzögerung der Durchführung von Verbesserungen beklagt. Chamberlain bekämpft die Resolution, welche mit 232 gegen 111 Stimmen abgelehnt wird. Er wie« darauf bin, wce außerordentlich schnell die Sterblichkeit in den Concentrationslagern abgenommen habe, und bedauert die Sterblichkeit, die aufgetreten sei, er drückt jedoch die Ucberzeugung aus, daß jede andere Politik, als die von der Regierung befolgte, eine vermehrte Sterblichkeit zur Folge gehabt haben würde. Niemals in der ganzen Weltgeschichte seien so gewaltige Anstrengungen gemacht worden, die Schrecken des Krieges auf das kleinste Maß zu beschränken. Die Kosten für die Concentrations lager betrügen 180 000 Pfund Sterling monatlich. Als der Guerillakrieg begann, habe Lord Kitchener sich erboten, die Frauen aus den Farmen zu belassen und sogar mit Lebens mitteln zu versehen, wenn Botha ihnen erlaubte, den Neu- tralitätSeid zu leisten. Botha habe dies abgelehnt, und diese Politik werde von den Boeren weiter befolgt, bis zu den letzten Stadien des Krieges. Pscrdcverbrauch. * London, 4. März. (Unterhaus.) KriegSministcr Brvdrick sprach über die Schwierigkeiten, die die uner wartet lange Dauer deS Krieges in Südafrika im Gefolge gehabt habe. Er theilt mit, daß für die Armee in Südafrika 550000 Pferde beschafft worden seien, und erklärt, cs sei deshalb unbillig, anzunehmen, daß bei solch riesenhaften Transaktionen keine Fehler uns Irrthümer mit unterlaufen sollten. Er bestreitet, daß er Lord Kitchener gegenüber kargenden Sinn gezeigt. Das Kriegsamt habe nicht nur die vorliegenden Bedürfnisse be friedigt, sondern auch Vorsorge für die Zukunst getroffen. Es sei ein neuer Plan für das Remontend^partement auf gestellt, durch den dasselbe in engere Verbindung mit den Pferdezuchten: gebracht werden solle. Man hoffe, daß in ruhigeren Zeiten eine dauernde Verbindung in dieser Hinsicht mit Canada und den anderen Theilen des Reiches geschaffen werden könne; auch beabsichtige man, mit den Ersatzquellen deS Continents in dieser Beziehung in Fühlung zu treten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. März. Das Reich bleibt also Besitzer der aus Peking fort geführten astronomischen Instrumente. So Hal es der Reichstag gestern beschlossen, indem er die von social demokratischer Seite beantragte Resolution, welche die Zurück bringung der Instrumente nach China anregte, ablehnte. Er konnte freilich nicht anders, da auS einer Beute ein Geschenk der Kaiserin von China, aus dieser ehemaligen Feindin eine Freundin geworden ist und eine Freundin nicht durch Ablehnung eines Geschenkes beleidigt werden darf. Außerdem war die Mehrheit sich bewußt, daß die Zustimmung zu der Resolution einen Tadel gegen die Wegnahme der Instrumente in sich schließen und ein solcher das Geschehene nicht ungeschehen machen würde; so begnügte man sich damit, die ganze Geschichte als peinlich zu bezeichnen. Da sie das allem Anschein nach auch für den Reichskanzler ist, so wird er wohl dafür sorgen, daß mit den Dingern kein Staat ge macht wird. Die kaiserliche Geberin wird ja nicht fragen lassen, wo ihr jedenfalls nickt ganz freiwilliges Geschenk Auf stellung findet, und wird ihre freundschaftlichen Empfindungen nicht abgekühlt fühlen, wenn sie zufällig erfährt, daß ihre Spende nicht in nächster Nähe des Kaiser - Wilhelm- Denkmals die Bewunderung der Berliner herausfordert. Mit der Ablehnung der beantragten Resolution wurde weniger passend als geschäftsordnungsgemäß die Be willigung des Gehalts des Staatssekretärs des Aus wärtigen Amtes verbunden. Sonst ist aus der gestrigen Sitzung nichts hervorzuheben, als die in erster und zweiter Lesung erfolgte Annahme des Nachtragsetats, der zur Gewährung von Beihilfen an hilfsbedürftige Kriegstheilnehmer 335250 fordert. Durch Ein bringung dieses Nachtragsetats haben die verbündeten Regie rungen die kühle Haltung wieder gut gemacht, die sie dem wiederholt ausgesprochenen Wunsche deS Reichstags gegenüber beobachtet hatten. Heute wird jedenfalls der schon früher besprochene Antrag der Budgetcommission, der deutschen Colonialgesellschaft für die Schaffung einer AuskunftSstelle für Auswanderer nicht jährlich, wie auf Wunsch des Hauses die Regierungen beantrag! hatten, sondern nur für ein Jahr 30 000 zu bewilligen, zur Annahme gelangen. Angesichts der jetzigen Stimmung der Mehrheit des Hauses hielt es gestern sogar der Abz. vr. Hasse für aussichtslos, die An nahme der Regierungsforderung zu beantragen. Entschließt sich aber das Haus nur zu einer einmaligen Bewilligung, so ist es, wie gestern der Staatssekretär Frhr. v. Richthofen bemerkte, leicht möglich, daß die verbündeten Regierungen die Forderung ganz zurückziehen, um die deutsche Colonialgesell schaft nicht zu einer kostspieligen Einrichtung zu veranlassen, für deren Erhaltung später wahrscheinlich die Mittel fehlen würden. In der gestrigen Sitzung der Zolltarif-Commission gab es wieder einmal, wie zur Ergänzung des Berichtes in unserer heutigen Morgenausgabe und zur Kennzeichnung des die Commission beherrschenden Eifers zur Förderung und Abkürzung der Beratbungen mitgetheilt sei, eine erregte, zwei Stunden lang sich hinziehende GeschäftsordnungSdebatte, der der Vorsitzende der Commission, Herr Rettich, ziemlich hilf los gegenüberstand. ES wurde ihm von den Socialdemokrate» und den Freisinnigen der Vorwurf gemacht, daß er sich von Herrn v. Wangenheim beeinflussen lasse; der Letztere leite eigentlich die Debatten und nicht der Vorsitzende. Die Streitfrage, welche zu diesen heftigen Auseinander setzungen führte, drehte sich um die Anwendung der Geschäfts ordnung des Plenums auf die Commission bei Stellung von Schlußanträgen. Die Freisinnigen und die Socialdemokraten bestritten die Zulässigkeit des Schlußantrages in der Commission. Die Frage soll dem Präsidenten Graf Ballestrem zur Ent scheidung vorgelegt werden. Weil diese vorliegt, wird sich ja wohl eine neu: Streitfrage finden, die Anlaß zu neuer Zeitverschwendung giebt. Dem auf seinen Wunsch aus seinem Amte scheidenden Director der Volksschulabthetlung im prentztschen CultuS- ministrrium vr. Kügler widmet die „Germania" einen Nachruf, in dem eS heißt: „Herr Kügler hat im Cultusministerium, namentlich auch als Leiter des Bolksjchulwesens eine Thätigkeit entfaltet und einen Ein fluß ausgeübt, der immer sehr wenig unseren Beifall gehabt hat. Er war ein Liberaler mit culturkämpferischen Neigungen und mit starken Antipathien gegen Katholiken und Polen (!) und dementsprechend hat er gewirkt. Zu Anfang der 80er Jahre in das Cultusministerium berufen, hat er unter fünf verschiedenen (Kultusministern seine liberal-culturkämpferischen Neigungen bethätigen können. Wenn auch die Minister conservativ waren, so besaß er Feuilleton. 41 Die drei Freunde. Roman von Robert Misch. Nachdruck «erboten. „Ja, dafür sind wir im lieben Deutschland, wo jeder Schauspieler, der ein paar Wochen Regie geführt und die Nase in ein dramaturgisches Buch gesteckt hat, viel mehr versteht, als der Autor selbst", wetterte Franz los. — „In Frankreich, mein Lieber, da ist der Dichter der Herr der Scene. Er allein bestimmt, ordnet und ändert noch im letzten Moment. Und dabei haben sic da ihre fünfzig und siebzig Proben, auf denen sie oft das halbe Stück neu schreiben. Wir sollen Alles am Schreibtisch machen; und doch gehört die Anschauung, die lebendige Bühne dazu. Glaubst Du, daß Shakespeare anders ge arbeitet hat, oder Mokiere? Im Hamlet sicht man noch förmlich die neu cingcschobenen, nachgcschricbenen Scenen. Sic können gut sagen, er hätte nie eine Zeile geändert ... ich glaube cs einfach nicht. Der Drama tiker muß sehen. Bei uns machen sic selbst an den grüßten Bühnen nur zehn, zwölf Proben. Und diese Proben selbst! Der Regisseur ist nervös, die Schauspieler sind cs erst recht, und der arme Autor muß sich ducken. Am liebsten möchte man ihn von der Bühne weisen." Als die Proben endlich begannen, lebte Franz wie im Fieber. Er machte Besuche bei den bekanntesten Kritikern, um sie zur Vorstellung cinzuladcn. Der kleine Hellrich, der ob seines boshaften Witzes gefürchtet war und bisher vergeblich nach dem Bühnenlorbecr gestrebt hatte, meinte sarkastisch: „Die Bühne ... du lieber Gvtc! Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln. — Frankfurt an der Ober also? Na, nnd ivenn ich irgendwie Zeit sindc, komme ich . . . Zug und Stück werden doch nicht beide entgleisen? — Ich hielt Sie bisher für 'nen leidlich an ständigen Menschen, einen Philosophen . . . Jetzt schreibt der auch Stücke — nnd gleich ein modernes! Da hätte ich Ihnen viel eher eine Römer- oder Hohenstaufen tragödie zugctrant." Wie eine geheime Angst zitterte cs durch die scherz haften Reden des gefürchteten Mannes, der durch seine Zeitung eine so einflußreiche Stellung einnahm, daß wieder ein neuer „Eoncurrent" auftauchte, ehe es ihm selbst geglückt war, sich als Bühnenautor in den Sattel zu setzen. Andere, nicht minder einflußreiche Herren erklärten hochmüthig, sie bedauerten lebhaft, indessen ihre Zeit erlaubte nicht . . . aber sic würden zu diesem — imit ironischer Miene) „so wichtigen Ercigniß" vielleicht einen Stellvertreter senden. Sechstes Capitcl. Obgleich Franz cs sich anders vvrgenommen, fuhr er bereits zur zweiten Probe nach Frankfurt hinüber. Aus nahmsweise waren dem wichtigen Ercigniß zu Liebe, das die Berliner Blätter bereits in einer Notiz erwähnt hatten, acht bis zehn Proben statt der üblichen vier oder fünf angesctzt worden. Man war nicht gerade sehr an genehm überrascht, als der „Dichter" plötzlich auf der Bühne auftauchte. Schröder stellte ihn den Schau spielern vor. „Es ist ja ein recht hübsches Stück, Ihr Lumpenpack — hm, ja!" meinte der Komiker, einer von der hageren Sorte mit einem gallig-gelben Gesicht, das Franz un endlich zuwider vorkam. — „Aber die dramatischen Accente fehlen, wie sie die Franzosen haben. — Ja, die Franzosen — von denen können» wir Deutschen doch noch viel lernen!" „Wie man's zum Theil nicht machen soll! Wir Deut schen sollen diesen Effekthaschereien aus dem Wege gehen", erwiderte Franz gereizt. „Nun, wie man Rollen schreibt, können Tie immer hin von ihnen lernen", meinte der hagere Komiker spitz. „Ich will keine Rollen schreiben, ich will Charaktere schaffen. Sie werden dann schon von selber wirken. Ihre Rolle zum Beispiel „Na, ich bitte Sic", unterbrach ihn der Mime schnell, „ein so unsympathischer Charakter! ... Ich spiele sonst nur sympathische Figuren . . . mein Publicum, das mich vergöttert, will es so. — Herrgott, ist das ein ein gebildeter Kerl", murmelte er, als Leuc ihm den Rücken zugcdreht, um sich der Naiven zu widmen, die ihn beim Arme nahm. — „Kinder, das Stück fällt durch . . . Ein Stück, in dem ich keinen sympathischen Charakter spiele, fällt immer durch." „Doctorchcn, liebes Doctorchcn", flötete die Naive, eiu hübsches, dralles Ding, mit lebhaften Augen, die ihn hold anlächelten, „Sie müssen mir einen «Gefallen thun . . . Im zweiten Act, in der zweiten Scene, da müssen Sie mir einen anderen Abgang machen . ent weder was zum Lachen oder zum Weinen . n . das ist mir ganz gleich." „Aber erlauben Sic, mein Fräulein, Ihr Abgang ist der natürlichste, der einzig mögliche." „Aber er wirkt nicht." „Dafür ist er echt und lebenswahr." „Mein Gott, das ist doch Nebensache. Auf der Bühne ist doch der Effect die Hauptsache. Und wenn ich da 'ne große Scene hätte . . . wissen Sie, so was für die Taschentücher, oder etwas ganz Naives, Dummes, wo sich die Leute schüttelte» vor Lachen —" „Entschuldigen Sic, mein Fräulein, aber zur Beförde rung der Taschentuch-Industrie oder als Lachmuükcl- übung habe ich das Stück nicht geschrieben." „Oh, diese Dichter — diese Dichter! Gleich sind sie verletzt!" sagte die Naive lächelnd, die cs nicht mit dem vielleicht sehr einflußreichen Journalisten verderben wollte, und ein koketter Blick traf ihn. Mit einer kurzen Verbeugung grüßend, schritt Franz zum Regictisch, der am Soufflcurkastcu stand. „Kinder, der Mensch hat einen kleinen Lütütü - r . Größenwahn!" meinte die berufsmäßige Naive. Eine starke Mißstimmung gegen den noch so ganz un bekannten und doch schon so furchtbar eingebildeten Autor begann sich hinter den Coulisscn zu bilden und wäre wohl schleunigst zur Explosion gekommen, wenn man nicht ihn selbst und seine einflußreichen Berliner- Freunde gefürchtet hätte. Die jüngeren Schauspieler, die noch Carriörc machen wollten, erhofften sich noch etwas von diesem „Ercigniß". Jeder von ihnen beschloß, sein Bestes zu geben, um auf- zufallcn und dadurch vielleicht nach Berlin engagirt zu werden, dem ersehnten Dorado und Paradies aller deutschen Provinzmimcn. Franz hatte sich nnterdcß neben Schröder gesetzt. Vor dem Souffleurkasten stand der kleine, durch ein Lämpchen trübe beleuchtete Regictisch, während spärliches Rampen- und Seitenlicht die Bühne nur matt erhellte. Schröder ließ sich nicht weiter in seiner Arbeit stören; er runzelte nur die Stirn, als ihm Franz von Zeit zn Zeit zu flüsterte, was ihm an der Auffassung der einzelnen Dar steller und an der Anordnung der Scene nicht gefiel. Da Schröder cs natürlich mit den College» nicht ver derben wollte, rief er dann immer ostentativ: „Der Autor" oder „Herr Dvctor Leuc meint, daß es besser märe, wenn Sie . . Der hagere Komiker, dessen Scenen gerade probirt wurden, lächelte nur ironisch-schweigsam und that dann doch, was er wollte. Das regte Franz auf, als der Mime die Rolle total vergriff und sie mit allerhand Pvsscnmäychcn „garnirtc". Auch die komische Alte über trieb so fürchterlich, daß Franz sie um Mäßigung bitten mußte. Aber auch hier fand er wenig Gegenliebe. Die Dame hörte ihn mit einem überlegenen Lächeln an. „Erlauben Sic, Herr Doctor, als ich noch am Stadt theater in Leipzig war, hatte mir der selige Benedix, der übrigens selbst Schauspieler gewesen war und «daher „Rollen" schreiben konnte, der hatte mir da eine Rolle cinstudirt, die war ganz ähnlich, und da habe ich —". „Ja, ja, liebe Pawlowska", rief Schröder un geduldig . . . „Nun aber mal endlich weiter, sonst werden wir ja überhaupt nicht fertig." „Ja, ich möchte auch mal wieder nach Hause kommen", hörte man die ironische Stimme des Komikers hinter den Coulisscn. — „Das ewige Unterbrechen kann Einen wirk lich ganz nervös machen." Bald darauf erschien der Herr Director, den man von der Anwesenheit des Dichters unterrichtet hatte. Er be grüßte Franz nach der Vorstellung Schrödcr's ziemlich mürrisch: „Freut mich sehr, freut mich sehr, Herr Doctor! . . . Trotzdem wir Sic eigentlich erst zu den letzten zwei Proben erwarteten. Sehen Sie, Schauspieler sin- nervös, und meine sind nun mal nicht daran gewöhnt, daß ihnen der Autor auf der Pelle sitzt. Darum möchie ich Sie bitten, in den Zuschauerraum hinuntcrzugchcn." „Und wie soll ich dann meine Wünsche kundgcbcn?" „Sic können ja raufrusen, wenn Ihnen was auffällt — oder noch besser, schreiben Sie's ans und sagen Sic's nach dem Aetschluß!" „Ich kann ja auch überhaupt gehen, wenn meine Gegenwart lästig ist." Schröder merkte, wie es in Franz und auch in dem cholerischen Herbart kochte. Schnell trat er zwischen beide Herren und überredete Franz, mit einigen geschickten Worten, sich zusammen mit ihm selbst ins Parkett zu setzen, wo man eine bessere Uebersicht auf die Bühne hätte. Wollte dieser keinen Streit hcrbeiführcn, so mußte er wohl oder übel dem Vorschlag folgen. Die Probe nahm ihren Fortgang. Schröder ließ jetzt, um sich -ein mißgestimmten „Freunde" gefällig zu er weisen, keinen Lapsus mehr durchgehen; und Franz, hingerissen von der Verkörperung seines Werkes und
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