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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020321010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902032101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902032101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-21
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Morgen-Ausgabe. Druck und Verlag von 8. Polz in Leipzig. 88. Jahrgang Freitag den 21. März 1902. Nr. 145 n 1. i. j. Fattilletsn >.L «. i-v. 1.V t-b I-K Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem NedactionSstrich («gespalten) 75 H, vor den Famtltennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zisferusatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme L5 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.—, Tagesordnung verschwinden wird. Sicherlich könnte mit ihrer Hilfe einer größeren Masse socialen Elends vvrgebeugl werden, als eS den heute beinahe überall mit so colossalem Kostenaufwand errichteten Lungenheilstätten in absehbarer Zeit möglich sein wird. ». u. u. u. i.o. >.ü i.i/ i-li. <lUts 1. !> 1.0 cu i.v l. I, l-Ü ». Ij. L Z. O. n. u. u. o 6. U <». <». lt. 0. s. u. . ü. L tl. u. L o. «. o. o. o. o. o. u. »ttonen. L ki. ivil Lliir-i E— I. l>. l. N «. I>. I. V i.v. i. v l. v »I». «. i>. «.u. «. v t. i) «. n. t.v. «. i>. ,. o «.Ns-t-N t.0. i.v. .Ns.lv. IS.t-V. -k l.0. l.v. >-ci. j. Z.L L j. j. ». ). L » t r. i. ,'»r.v^7:xoy^ ». j. i. Amtsrichter Uosenow's Wirthschasterin. Humoristische Skizze von Curt P l a t e n - Hamburg. NiKddrmk v«rb»ien. Amtsrichter Rosenom mar seit Wochen in verdrießlichster Stimmung. Das fiel selbst seinen Freunden. auf, was ge wiß etwas sagen wollte. Denn die friedliche Gemüthsart war -es Amtsrichters starke Sette niemals gewesen. Seit zwei Jahrzehnten hatte Krau Duggen nach besten Kräften und so schweigsam, wie cs der Amtsrichter selber war, den Hausstand des einsamen Nlannes geführt. Sie, die ihm sonst treu und gehorsam mar, ließ es sich plötzlich einfallen, das Leben des Amtsrichters zu revolutioniren. Es geschah wirklich ohne ihre» Willen, daß Kran Duggen eines Tage- die süße Gewohnheit, zu leben, unterließ. Bor acht Wochen schon war sic zur kühlen Erde gebettet worden, um darauf zu warten, vielleicht in einem besseren Jenseits ihre bescheidenen häuslichen Kenntnisse zn er- weitern und zu verbefsern. Natürlich mußte für Kran Duggen Ersatz geschaffen werden. Ja, was erlebte -er Amtsrichter da alle-! In kurzer Zeit hatte er die vierte „Perle" und schon wieder war er «infam und verwaist, weil auch dies« ihn wegen völliger Unbrauchbarkeit verlassen mußte. diese Krau nicht mit anderen Stellcnsuchcnden auf eine Stufe zu stellen sei. So bezwang er denn seinen Unmuth und richtete noch einige wettere gleichgiltige Kragen an sie. Noch in später Abendstunde hielt Anna Schulte ihren Einzug in des Amtsrichters HauS. ch: »st »st Drei Monate waren verfloßen. DaS europäische Gleichgewicht war nicht aus dem Loth gekommen. Der Amtsrichter Rvsenom aber schien in dieser Zeit ein anderer geworden zu sein. Seine Kreunde schüttelten die Kopse über ihn. War das der grämliche alte Junggeselle? Krüher bot er fast immer das Bild äußerer Verwahr losung. Sei» Kragen war schmutzig, sein Anzug nicht immer sauber, der LhlipS saß schief und der Hut mar ver beult. Jetzt aber stolzierte er einher, „wie aus dem Ei gepellt". Er selbst wunderte sich am meisten über die Ver änderung, die mit seinem äußeren Menschen vvrgcgangen war. Daß er über Welt und Menschen auch anders denken lernte, merkte ex nicht. Er begriff kaum, wie er früher jahraus, jahrein an Frau Duggen's langweiligem Küchen zettel Geschmack finden konnte. Er begriff nicht, wie er so gar keinen Werth auf seine Kleidung legen, wie er nicht dulden wollte, daß die Hausdame in seinem Arbeitszimmer Ordnung machte. DaS war doch alle- selbstverständlich, und er hätte eS Frau Schulte gewiß Übel genommen, wenn sie es nicht gethan oder weniger darauf gesehen hätte, daß ex adrett und sauber «ch sein Amt ging. f lohe n sic unter -cm Einfluß der blindeu Panik, die in der Geschichte des Krieges auch ältere Truppen schon entnervt hat. Nur die berittene Eappolizei, die 5. Zj evmanr y und einige kleinere Abtheilungen hielten sich tapfer und fochten mit glänzeudemNktth. Der Rest, ver wirrt und zügellos gemacht, brach nach der Seite aus. Dadurch ließen sie die beiden Geschütze der 38. Batterie vhne Bedeckung. Obgleich aber die Artilleristen den Boerenschüyen gegenüber hoffnungslos und hilf los verloren waren, benahmen sie sich doch würdig der hohen Traditionen ihres Regimentes. Kühl und ruhig, als wären sic auf dem Exereirplatzc, fuhren sie fort, zu laden und zu schießen, bis die Boeren an den Geschützen waren und die ganze Bedienungsmannschaft, einschließlich Leutnant N e s l> a m , der sich hartnäckig weigerte, sich zu ergeben, niederschossen. Auf dem r e ch ten Flügel mar unterdessen der Angriff durch die vorzügliche Haltung der regulären Infanterie und das ruhige Feuer der beiden lveschütze der 4. Batterie und der Pom Poms einiger maßen zum Stehen gebracht. Das Feuer mar so gut gezielt und wurde so gut unterhalten, daß an dieser Stelle die Boeren trotz all' ihrer Tapferkeit nicht näher als ans 600 Meter herantommen konnten. Diejenigen, die ihr Ungestüm näher herantrieb, und die nicht getroffen wurden, waren genöthigt, ihre Pferde herumzuwcrfen und sich dcn Ihrigen wieder anzuschließcn. Auf diese Ent fernung von 600 Metern saßen die Boeren ab und legten sich nieder, um nun einen regel recht e n Angriff durchzuführcn. Unsere Leute waren im Rachtheil, weil die Länge der von der Infanterie und den wenigen noch auf dem Kampffelbe gebliebenen Reitern zu haltenden Linie, die Vertheidigung an jedem einzelnen Puncte gegen den überlegenen Feind schwach machte. Man mußte sich aber unter allen Umständen halte». Es war vollständig klar, daß an ein Zurückzieheu der Geschütze nicht gedacht werden konnte, und daß die Schützenlinie nicht zurückgehen durfte, wenn sie nicht den Transport den Boeren ausliefern wollte. Außerdem hatte die Flucht der Mehrzahl der Eavallerie die Situation noch mißlicher gestaltet und sie wurde zwischen 8 und 8 Uhr sehr ernst. Lord Methnen erkannte die Sachlage und befahl dem Transport und den Truppen -en Rück zu g auf einen Kral, wo er bereits einen Theil der Bagage gesammelt hatte. Noch einmal versuchte er, die berittenen Truppen in die Hand zu bekommen, aber der Versuch mißlang. Sie wareu schon zu weit weg, um sich sammeln zu innen, und setzten ihre Fluchtvhne Aufenthalt fori. Lord Mcthuen übergab Major Paris das Eommando am Kral und sprengte zu den G e s ch ü tz e n aus dem rechten Flügel zurück. Er spornte die Leute durch Stimme und Bewegungen an und wurde dadurch für den Feind sofort ausfällig. Außerdem bot er ein gutes Ziel. Die Scharfschützen der Boeren richteten ihr Feuer aus ihn, während er von einem Punct znm anderen ritt, und endlich stürzte sein Pserd, von drei Kugeln getroffen, todt zusammen, und er selbst erhielt einen Schuß durch die Hüfte. Sein Verlust ries Schmerz hervor, aber keine Eutmuthigung. Obgleich der General gefallen war und der Tag offenbar verloren war, kämpften die Peomanry, die Polizei und die wenigen sonst noch übrig lyeblicbenen, die von Anfang an ohne Zucken die Hitze des Angriffes über sich hatten ergehen lassen, mit Rübe nnd Entschlossenheit weiter, und hielten den Feind bis Uhr im Schach. Um diese Zeil begannen die Boeren, im Vertrauen aus ihre Uebermachl nnd von De la reu persönlich angefeuert, noch einmal den Angriff, und fingen an, die Stellung zu umzingeln. Einer nach dem Anderen von den tapferen Kanonieren siel tobt oder verwundet nieder. Die Uebcrlebenden ar beiteten an den Geschützen nnd den Pom PomS weiter. Endlich waren sic Alle getödtct und verwundet, einschließ lich des Leutnants V e n n i n g. Um 10 Uhr umzingelten die Boeren die Truppe nnd den Kral. Commandant Cellicrs brachte jetzt zwei Fünfzehnpfündcr vor und beschoß mit diesen den Kral und die bei der Bagage ausgestellte Bertheidigungsmannschast. Unsere Geschütze waren zum Schweigen gebracht und unsere Truppen zogen sich langsam auf den Kral zurück. So hielt nichts mehr die Boeren ab, ihr Feuer auf die Stellung zu cvneentriren, die bald unhaltbar wurde. Es würde unter diesen Umstände» Wahnsinn gewesen sein, einen günstigeren Ausgang zu erwarten. Nichts mehr konnte nutzloses Verschwenden von Menschenleben ver hindern, als Ucbcrgab e." klangvoller, jedoch leiser Stimme. „Ich wollte mir die Anfrage erlauben, ob der Posten einer Wirthichafteriu bei Ihnen, Hen Amtsrichter, noch frei sei." „Und Sie bewerben sich?" „Ich bitte darum." „Was sind Sie?" „Was ich bin? Mein Mann mar Schiffscapitän. Er ist seit drei Jahren todt. Ich habe bisher meinen Unter halt durch Zimmervcrmiethung erworben, möchte nun aber wieder einen Hausstand leiten. „Sie wissen doch, daß die Person, die ich miethe", — der Amtsrichter unterbrach sich plötzlich, als er die blaue«« Augen seines (Scgenüber mit ganz entsetztem Blick auf sich geheftet sah. „Ich ineiue, daß die Dame, die in engagire", verbesserte er sich, leiblich verwirrt, „vhne Anhang sein muß. Sic ver stehen mich, ganz ohne Anhang", sagte er, indem er sich gerade vor der Frau aufpflanzte. War eS nun der scharfe Ton, in dem Roscnom sprach, oder die vorhergehenden, brüsken Worte, kurz und gut, als er Frau Schulte irr die Augen schaute, merkte der Amts richter, daß diese in Thronen schwammen. Ncsignirt wendete er sich um. Weiberthränen wäre» ihm verhaßt. Auf -em Grundbuchamte schickte er heulende Frauen erst vor die Thüre, damit sie sich auSweinten, ehe er mit chnen weiter verhandelte. Am liebsten hätte er es mit Anna Schulte ebenso gemacht. Daß er es nicht that, kam daher, wett ein unbestimmte- lstesühl ihm sagt., da» Der Krieg in Südafrika. Die Niederlage Lord Methuen s. Der „Ltandard"-Eorrespondelit in Pretoria giebt den ersten ausführlichen Bericht über die Niederlage nnd Gefangennahme Lord Methuen's bei Tmeebosch. Selbstverständlich Hal auch dieser, vom 17. Mürz datirte Bericht die Militäreensnr passiren müssen. Wir entnehmen dcmselbcn Folgendes: Die Cvlonne »nter M c t h n e n ' S Evnnnandv ver ließ Vrhburg am 2. März. Von diesem Platze aus hatte der Ge»eral seit einiger Zeit die Operationen im Districte geleitet. Die Colonne wurde durch eineu Ochsen- und eiueu Maulthiertraiu begleitet, welche für sechs Tage Proviant mitsührteu. Am 5. März erreichte man denK l e i n H a r t s - Fl n ß, südöstlich vvnVrtzbnrg. Bei Tweebosch bekam man Fühlung mit dem Eom- mandv B a n Z «i l und verlor einen Mann. Am nächsten Morgen nahm die Eolvnne ihren Marsch auf und folgte dabei einer Linie etwas oberhalb der Harteweeste- f o n t e i n - H ü g e l. Dort war früher Delarcy's gewöhnlicher Schlupfwinkel. Der O ch s e n t r a n s p v r t trat den Marsch um 0 Uhr Morgens an und der Rest der Colonne folgte mit den Manlth lerer« eine Stunde später. Die Truppe marschirtc über vcrhältnißmäßtg offenes nnd welliges Terrain, etwa parallel mit dem Klein Harts - Flusse. Um ?> Uhr, direct nach Tagesanbruch nnd während die Sonne noch mit de», Nebel kämpfte, kam vier Meile«« hinter der Colonne ein Reitertrnpp ir« Sicht. D i e Boeren — L o r - M c t h u c n h a t t e s i e s o f o r t a l s s o l ch c e rka n n t — bildeten, als sie aus 8 Meilen herangekommen waren, fünf offene Linie,« und galoppirten direct auf die Nachhut zn. Der ganze Anprall der Attacke traf das 5. Bataillon Beo ma n ry und die Ashbnrncr Reite r. Der OchsentrauSport, der zn dieser Zeit einen Vorsprung von etwa Meilen hatte, hielt, während der Maulthiertransport anfschloß. Mittler weile kamen die Boeren rufend und ihre Ost'wehre schwingend, angaloppirt und drohten, durch das Gewicht ihrer Masse und ihrer Zahl die Arriöregardc niederzu reiten und zn durchbrechen. Als der Feind noch 1400 Nieter entfernt ivar, eröffnete die Nachhut das Salve Il sen er, während die Geschütze mit Granaten schossen. Die Boeren erwiderten das Fcner lebhaft und setzten ihren Angriff fort. Während aber ihr Centrum geradeans ritt, bogeu die Flügel um uusere Flanken. Die Boeren zeigten äußersten Muth nnd Entschlossenheit, so daß Biele von ihnen mitten in unsere Nachhut hinein ritten. Sobald Lord Methuen den Ernst des Angriffes erkannt hatte, sandte er eine berittene Truppe, bestehend aus den Diamond Ficlds Hvrse und der« Scouts zur Uutcrstützung. Die Ankunft dieser Ver stärkung besserte die Situation für eine» Augenblick und nach einem harten Kampfe war der Angriff der Boeren zum Stehen gebracht. Dies war aber nur vorübergehend. Die Boeren, die einen Muth an dcn Tag legten, den man unbedingt bewundern muß, erneuerten ihren Angriff, ohne ans daS Feuer, welches sich gegen sie ergoß, irgend welche Rücksicht zu nehmen. Ein Theil der Boeren griff nnsere rechteFlanke an nnd cs wurde deshalb eine Abtheilung Infanterie und die 4. Batterie vorgeschoben, um diesen« Angriffe entgegenzutreten. Der Rest der Nachhut hatte mit den Verstärkungen die Angriffe des Feindes bis ^;7 Uhr ausgehalten. Um diese Zeit war der Hauptangriff auf unsere rechte Flanke und den Rücken voll entwickelt. Die Geschütze d e r 38. Batterie, die auf dein linke» Flügel aufgefahren waren, arbeiteten »nit äußerster Geschwindigkeit und über schütteten Len Feind mit einem furchtbaren Fcue r. Die Infanterie, die zur Deckung der Geschütze auf dem rechten Flügel commandirt worden war, blieb bewunde rungswürdig ruhig. Selbst, als die Boeren ihren An griff fast bis zu den Gewehrmündungen fortsehtcn, hielt ihre DiSciplin nnd ihre Ausdauer Stand. Unglücklicher Weise läßt sich nicht das Gleiche von den berittenen Truppen der Nachhut sagen. Durch deu rück- l sichtSlosen Ansturm -er Boercnvetcrauen nervös gemacht, I Jetzt stand er also abermals vor der Qual der Wahl einer Grazie, die geneigt wäre, die Fackel des Friedens aus seinem häuslichen Herde anzuzünden. Der Vorrath des Städtchens an geeigneten Bewerberinnen schien schnell erschöpft zu sein. Von dcn vier Dameu, die sich dem Amtsrichter präsentirten, «sendete er sich mit stillem Grausen. Bald war er wieder mit seinen wahrhaftig nicht menschenfreundlichen Gedanken allein. Er hatte die Wirtschaft satt, gründlich satt. Der Gedanke, i» den Ruhestand zu treten, um in einer Bäder-Stadt in einem Pensionat leben zu können, tauchte in ihm auf. Einen Augenblick erwog er sogar die Möglichkeit — zu heirathen. Gerade, als er diese verzweifelte Eingebung mit einem höhnischen Lachen, begleitet von einem prüfen den Blick in -en Spiegel, beiseite schob, wurde zaghaft die Hausglocke gezogen. In Ermangelung einer Bedienung öffnete Roscnow selbst. Was er vermuthcte, traf zu. Nummer fünf kam, sich vorzustcllcn. Es war eine zarte, brünette Erscheinung, etwa Ausgang der Dreißiger, mit klaren, blauen, aber traurig blickenden Augen. Amtsrichter Rosenow war kein Mann unuöthiger Höf lichkeiten. Er führte die Verhandlungen stehend, und so war eS ihm bisher nicht in den Sinn gekommen, einer der Besucherinnen einen Stuhl anzubteten. Warum er es gerade der Eintretendcn gegenüber that, war ihm selbst nicht klar. „Ste wünschen?" »Ich -«ist» ßkma Schulte", »ersetzt« di« An,«redete mit Anfall und Criminalitiit. vr. k'. Wenn eS eine längst von der Statistik festzestellte Thatfach« ist, daß sociale Mißstände und insbesondere inate- rielle Noth einen weitreichenden Einfluß ausüben auf die Häufigkeit strafbarer Handlungen, so daß wir aus den Schwankungen in den Preisen der wichtigsten Lebensmittel gerader» einen ziemlich sicheren Schluß ziehen können auf die Zu- oder Abnahme der Verbrechen, so hätte man wohl er warten dürfen, daß ein Gesetz, welche« in so groß artigem Maßstabe für die Invaliden der Arbeit sorgt, wie da« Unfallversicherungügesetz, im günstigsten Sinne auf die Kriminalität der durch Unfälle Verunglückleu ein wirken müßte. Leider haben sich aber diese Voraussetzungen, wie wir einer jüngst aus der Hamburger Natursorfcherver- sammlung erstatteten sehr inirressanten Miltbeilung des Berliner GerichtSarzteS vi. Leppniann entnehmen, nicht bestätigt; ein recht großer Proeenlsatz der durch Unfall ganz oder theilweise erwerbsunfähig Gewordenen kommt früher oder später mit dem Strafgesetz in Conflict, namentlich Eigen» tbumSverbrechen kommen häufig vor und e« sind keine-wcg- etwa nur die mit «wer sehr niederen Theiireute Abgefundenen, welche sich in dieser Weise straffällig machen. Bei Bielen war es auch nicht etwa die erlittene Arbeits einbuße, was den unmittelbaren Anlaß zu der strafbaren Handlung geboten hatte, sondern die langdanernde Unthätig- keit, die über Monate sich erstreckende Behandlung m einem Uofallkraokenhause, wobei sie sich an träges Hindämmern gewöhnten und mehr und mehr zu arbeitsscheuen Individuen wurden. Kommt zu dieser Verschlechterung de« Charakter« noch eine ziemlich hohe Theilrente, die den Verunglückten wenigstens vor der äußersten Noth bewahrt, dann kann man sich leicht vorstellen, wie im Laufe der Jahre die absteigende Entwickelung immer weiter schreitet, wie der Alkohol noch da« Srinige dazu beiträgt, so daß bei günstiger Gelegenheit der Arbeitsscheue our zu häufig rum Verbrecher wird. In anderen Fällen ist der Zusammenbang mit dein er littenen Unfall ein noch engerer; e« gehören hierher die Ber- sicheruagSbetrüger, Versicherte, die rillen Unfall erlitten haben und nun ihre Beschwerden entweder vollkommen simuliren oder in hohem Maße Übertreiben, um eine möglichst hohe Rente hrrau-zuschlagen. Die Ansichten der Aerzte über die Häufigkeit der Simulation sind ja noch recht getheilt; wahr scheinlich kommt reine Simulation keineswegs so oft vor, wie man e« eine Zeitlang geglaubt bat. Ein größerer Theil der Simulanten ist wahrscheinlich geistig nicht vollkommen ge sund, sei eS von vornherein ober erst infolge deS Unfalls; man findet unter ihnen sehr häufig jene mäßigen Grade des Schwachsinns, welche mit der Sucht, Aufseven zu erregen, und mit phantastischer Lügenhaftigkeit verknüpft sind. In solchen Fällen ist also die Simulation daS Ergebuiß einer krankhaften geistigen Constitution; immer hin darf man nicht übersehen, baß erst der Unfall und insbesondere die mit dem Kampf um die Rente verknüpfte Erwartung und Aufregung die krankhaften Erscheinungen auSgelöst hat und zum Ausbruch kommen ließ. Andererseits kommt eS namentlich im Anschluß an Kopfverletzungen vor, daß in der Tbat lediglich durch deu Unfall die nervöse Con stitution sich ändert; verminderte Widerstandsfähigkeit gegen Reize aller Art, deftige Erregung mit bald nachfolgender völliger Erschöpfung, die mannigfachsten körperlichen Be schwerden sind die Symptome derartiger Störungen. Daneben zeigt auch das Seelenleben krankhafte Veränderung«», uud zwar sind eS weniger die eigentlichen BerstandeSfunctionrn, Ge- dächtniß, Auffassung, Verknüpfung der Vorstellungen u. s. w., welche Noth gelitten haben, al« die sittlichen und moralischen Begriffe. Solche Personen sind stumpf- und gleichgütig geworden gegen Alle«, was ihnen vordem Interesse eivflößte, von brutalem Egoismus, arbeitsscheu und trunksüchtig. Dabei vertragen sie den Alkohol sehr schlecht und lassen sich in an getrunkenem Zustande leicht zu Gewaltthätigkeiten hinieißen. Auch EigenthumS- und Leidenschaflsverbrechen, sowie Sittlich- teitsvergehen kommen unter solchen Verhältnissen nicht selten vor. Wir sehen also, wie bei einem recht erheblichen Theile der Unfallverletzten der Unfall selber in dem Nervensystem Ver änderungen hervorruft, die zu einer Verschlechterung des Charakter- und damit zu erhöhter Criminalitiit führen; in solchen Fällen haben wir eS also mit einer in Folge der Krankheit aufgehobenen oder jedenfalls stark beschränkten Zu- ro.vv «.V.2 7, E 8 k>k> recknungSfähigkeit zu thun. Bei Anderen — und hierher gehören die meisten Simulanten — besteht von vornherein ein gewisser Schwachsinn, der die Betreffenden verbrecherischen Antrieben gegenüber minder widerstandsfähig erscheinen läßt; bei diesen ist aber vorzugsweise daö Streben nach de^Renle, die lange Untbätigkeit und daS verlockende Beispiel glücklicher Rentenempfänger der unmittelbare Anlaß ihres gesetzwidrigen Verhaltens. Endlich ist auch die Zahl Derer nicht ganz klein, welche durch den langdauernden Aufenthalt in einem Krankenhause der Arbeit und einem geordneten Leben ent fremdet werden. ES wäre gewiß verkehrt, bei aller Anerkennung der groß artigen Fortschritte, welche «vir den« UnfallversicherungSgesetz auf socialem Gebiete verdanken, jenen unerwünschten und nicht vorhergesehcnen Mißständen gegenüber die Augen zu verschließen. Wir dürfen uns nicht darüber täuschen, daß daö Gesetz in moralischer Beziehung keineswegs immer erfreuliche Wirkungen gezeitigt hat. Der Drang, wieder gesund und arbeitsfähig zu werden, der früher den Verunglückte«« beherrschte, hat heutzutage in vielen Fällen der Sucht nach der Rente Platz gemacht; während früher der Verunglückte, sobald cs irgend möglich war, wieder aufing zu arbeiten und auf diese Weise das geschwächte geschädigte Körperalied aufs Neue übte nnd kräftigte, seine Gelenke vor Versteifung bewahrte, wird heute vielfach mit der Wiederaufnahme der Arbeit möglichst lange ge wartet und, wenn eS endlich geschieht, in steter Erwartung der Rentenbewilligung nicht immer mit jener Ausdauer und jenem Eifer gearbeitet, die notbweodig wären, um cntgegenstehende Hindernisse zu überwinden. Die trüben Erfahrungen, welche wir oben erwähnt haben und die sich im Laufe der Zeiten noch in« Ungemeffene mehren könnten, sind wahrlich derartig, daß schon beute energische Maßregeln geboten erscheinen. Zweierlei wird vor Allem nothwendig sein, einmal ein von Anfang an mög lichst energiscke-, mit allen modernen Hilfsmitteln und wenn notbwendig in einer geeigneten Heilanstalt dnrchgeführtes Heilverfahren und weiterhin die möglichst rasche Festsetzung der Rente ohne häufige nnd wiederbolte Untersuchung und Begut achtung, ohne überflüssiges Schreibwerk. In anerkcnnenswerther Weise find übrigens seit den letzten Jahren die meisten Berufs genossenschaften bemüht, diesen Forderungen zu genügen. Sehr günstig wirkt auch eine einmalige Capitalabsindlnig an Stelle kleinerer Theilrenten; in solchen Fällen wird das Geld dazu benutzt, eine neue Existenz zu gründe», und der Verunglückte kommt viel weniger in die Gefahr, zu verbummeln. Bon besonderer Wichtigkeit ist endlich die zweckmäßige Fürsorge für die nur lheilweise Erwerbsfähigen; eS erscheint unbedingt nothwendig, diesen Halbinvaliden schleunigst ge eignete Arbeit zu verschaffen. Gewiß fällt es solchen Personen recht schwer, lohnende Thätigkeit zu finden, und ihre ost geminderte sittlicke Widerstandskraft wird auch häufig die nothwendige Ausdauer vermissen lassen. Es sollten darum in Ergänzung unserer schon bestehenden Wvhl- fahrlSeinrichtungen für diese Halbinvaliden Arbeitsnach- weiSstellen errichtet werden, von denen ihnen unmittelbar nach Beendigung deS Heilverfahrens paffende Beschäftigung verschafft würde; der Staat und die Commune haben rin großes Interesse daran, zu verhüten, daß durch solche Verunglückte die Armeu- und die Strafrechtspflege unverhältnißmäßig belastet werden, sie sollten darum auch in ihrer Stellung als Arbeitgeber hier den privaten Unternehmern durch Schaffung geeigneter Stellen mit gutem Beispiele voranaehen. Nicht weniger bedeutungsvoll ist auch die rechtzeitige paffende Behandlung der mittelbar oder un mittelbar durch einen Unfall in ihrem Nervensystem Geschädigten. Der größte Nachtbeil für diese Leidenden ist die lange Nn- lhätigkeit, die häufige Untersuchung und Begutachtung und daö immer tiefere Emlrben in die Idee, zu aller Arbeit un fähig zu sein. Hier wären besondere Heilstätten »vthwendig, in denen die körperliche Thätigkeit als wesentlicher Hrilfactor gehandhabt würde. Mehr und mehr hat mau in den letzten Jahren den Werth systematischer, ärztlich geregelter Arbeit bei gewissen Nervenkraukru schätze,« gelernt, am besten bewährt sie sich aber dort, wo hypochondrische Ideen uud maugelude sittliche Charakterstärke kein zielbrwußtr- Handeln mehr aufkommen lassen. DaS gilt ganz besonders für die infolge eines Unfalles nervenkrank gewordenen; für diese wäre die Arbeit nicht allein Heilfactor, sondern auch Ziel- punct der Behandlung. Volk-Heilstätten für Nerveukiante sind darum eine Forderung, die nicht sobald wieder von der BezrrgS-PreiS l, der Hauptexpedttton oder den im Stadt- beürk und deu Vororten errichteten Ins- üLbestellen abgeholt: vtettelfShrlich -.50, 5. zweimaliger täglich«« Znstellnng in« Haus ^il k-0 Durch die Post bezogen für Dentschland u. Oesterreich: Vierteljahr!, 6. Man aboanttt ferner mit entsprechendem Postanffchlag bei den Postanstalkrn in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem- «arg, DLnemark, Schwede» nnd Norwegen, Rußland, de« Donanstaaten, der Europäischen Tücket, Egypten. Kür all, übrige« Staate« ist der Bezog nur unter Kreuzband durch di« Expedition dich«- Blattes möglich. »«d Lrpeditto»: Johamrisgafse 8. Fernsprecher 1öS und LLS. FUtaloeePodMmrttr r Alfred Hah», Bnchhaadlg, kniversttüttstr.S, L L-sche, Katharinenstr. 1s, «. Königspl. 7. Harwt-Flliale in Lerlin: Ksniggrätzerstraß« 116. Fernsprecher Amt VI Nr. S3S3. AnnahmrschluL für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgrn-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den FUialen und Annahmestelle« je eine halb« Stuode früher. Anzeige« sind stet« an die Expedition zn richten. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geSffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. KipMer TügMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. b-ü. «»0. l.L L l.Ü L cv. l-v.! L cu u. M.V. -8. v.1>1 O 6. »k »z. t-U u. o. co. b» o. u.
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