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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011204012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901120401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901120401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-04
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Amtsvlatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Molizei-Nmles -er Lta-L Leipzig. Nr. 617. Mittwoch den 4. December 1901. Anzeigen.PreiS die 6gespaltene Petitzeile L5 Reclamen unter dem RedaetionSstrich (4 gespalten) 78 vor de» FamUtennach» richten (6 gespalten) 80 H. Tabellarischer und Hiffrrnsatz eutsprrchend höher. — Gebühren für ötachweisungen uud Offerteuannahme 25 L, (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), «ur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuua .4t M.—, mit Postbesärderung 70.—. ^»nahmeschluß sür Auzeize«: Lbeud-AuSgab«: Bormittag» Iv Uhr. Morg«».Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelle« je ei«« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet- an di« Expedition z« richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh S biS Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz i« Leipzig. 95. Jahrgang. Eine Wandlung der japanischen Politik? Der frühere japanische Ministerpräsident, Marquis Ito, befindet sich auf einer Rundreise durch Europa. Dabei verdient der Umstand Beachtung, daß der japanische Staats mann seinen Aufenthalt in Paris und Petersburg besonders ausgedehnt hat und daß er der Gegenstand der schmeichel haftesten Aufmerksamkeit sowohl des Präsidenten Loubet und des französischen Ministers des Auswärtigen, Herrn Del - cassS gewesen ist, wie auch des russischen Kaisers und des Grafen Lambsdorff. Marquis Ito hat also be sondere Beachtung bei den Mächten des Zweibundes gefunden, deren Interessen, wie in allen überseeischen Gebieten, so auch in Ostasien, den englischen Interessen schnurstracks zuwider laufen. England hat sich bekanntlich gern als Japans Schutzmacht aufgcspielt, aber gerade Marquis Ito hat schon seit geraumer Zeit eingesehen, daß die englische Freundschaft nur auf dem Papiere steht. Deshalb hat er schon kurz nach der Beendigung des japanisch-chinesischen Krieges versucht, eine Verständigung zwischen Japan und China herbeizuführen, und, damit diese Verständigung auch einen realen Werth besitze, China durch Reformen wieder zu einem lebenskräftigen ätaatSgebilde zu machen. Aus diesem Grunde unternahm er im Jahre 1898 persönlich eine Reise nach China, um, gestützt auf ferne Freund schaft mit Li-Hung-Tschang und auf die damals dort am Ruder befindliche Reformpartei, das Seinige dazu bcigetragen, das Riesenreich der europäischen Cultur näher zu bringen. Gerade in jenem Augenblicke aber gelang der Staatsstreich, der den chinesischen Kaiser zu völliger Ohnmacht verurtheilte, die Häupter der Äeformpartei am Leben bedrohte und die schroffste Reaction gegen jeden Culturfortschritt einführte. Mochten also die Bestrebungen des japanischen Staats mannes, durch ein Bündniß mit China sein Vaterland von der platonischen Freundschaft Englands zu befreien, zunächst ge scheitert sein, so hat er doch ofsenbar nicht aufgehört, dieses Ziel im Auge zu behalten. Gerade weil China auch in absehbarer Zeit noch nicht bündnißfähig für Japan ist, und weil Eng land einerseits vollkommen unzuverlässig, andererseits auch in Folge des südafrikanischen Krieges actionsunfähig ist, läßt sich ein Versuch, mit Rußland zu einem leidlichen Einvernehmen zu gelangen, wohl als gerechtfertigt ansehen. Man wird nun einwenden können, daß Marquis Ito eine gestürzte Größe und als solche nicht geeignet und befugt ist, eine Wandlung der auswärtigen Politik seines Vaterlandes her beizuführen. Dem ist entgegenzuhalten, daß der japanische Staatsmann, ähnlich wie in früherer Zeit Freycinet in Frank reich, ein „Stehaufmännchen" ist. Er ist schon wiederholt leiten der Minister gewesen, wiederholt gestürzt worden, hat aber immer schnell wieder eine der ersten Rollen in der Politik seines Vaterlandes einzunehmen verstanden. Don dem oben erwähnten Freycinet unterscheidet er sich dadurch, daß dieser nur ein geschickter Macher war, während der japanische Staatsmann ein solches Maß von rücksichtsloser Energie besitzt, daß ihm, nicht mit Unrecht, der Beiname „der japanische Bismarck" ge geben worden ist. Er ist erst 61 Jahre alt und Führer einer Partei, welche die parlamentarische Situation beherrscht. Es wäre also sehr verfrüht, anzunehmen, daß Marquis Ito, wenn er auch jetzt in Jnactivität befindlich ist, seine Rolle als aktiver leitender Staatsmann definitiv auSgespielt habe. Wenn er aber wieder in die leitende Stellung gelangt, so werden die Eindrücke, die er in Europa gesammelt hat, nicht ohne Einfluß auf die auswärtige Politik Japans bleiben. Und in Paris und Petersburg hat man wohl dafür zu sorgen ver standen, daß Marquis Ito von den günstigsten Eindrücken er füllt wurde. Wendet sich Japan von England ab und gelingt es ihn«, mit Rußland zu einen« mocku» vivoncki zu gelangen, so wird Englands Position iir Ostasien nahezu unhaltbar, ja, wenn Rußland und Japan sich zu einem activen Zusammengehen ent schließen, so kann England in jedem Augenblicke gewaltsam aus Ostasien — wenigstens aus dem nördlichen Theile — herauS- gedrängt werden. So weit wird es ja nun nicht so bald kommen, aber es ist für England schon fatal genug, wenn sein Einfluß in Peking da durch an Gewicht verliert, daß man dort weiß, England könne nicht mehr auf Japan rechnen. Niemand wird daran zweifeln dürfen, daß England diese Verschlechterung seiner Situation sich selbst zu verdanke«« haben wird. Der südafrikanische Krieg rächt sich an England eben in alle«« Welttbeilen: heute in Mittel amerika, morgen am Persischen Meerbusen, übermorgen in Ostasien. Der Krieg in Südafrika. Man schreibt unS aus London unter dem 2. December: „Während in England und speciell in London da» liebe Publicum sich bezüglich seiner südafrikanischen Heroen Lord Roberts und Sir Buller in den Haaren liegt und den Ersteren auspfeift und beschimpft, während es den Letzteren in den Himmel hebt und mehr denn je vergöttert, wird et den unerfreu lichen Vorgängen auf dem Kriegsschauplätze gegenüber immer gleichgiltiger oder wünscht doch mit jedem Tage sehnlicher daS Ende des kläglichen Trauerspiels herbei. Die Nachrichten, die über die wirkliche Lage in der Capcolonie und in den Boeren- staaten allmählich ihre Wirkungen und ihren Einfluß nicht mehr verfehlen können, tragen natürlich in stetigem Fortschritte das lhrige dazu bei, das unsaubere und ruinöse Geschäft, zu welchem Herr Joseph Chamberlain die britische Nation zu verleiten ge wußt hat, der größeren Volksnraffe geradezu verhaßt oder doch mindestens langweilig und unerfreulich zu machen, und an dieser Thatsache vermögen auch alle gegentheiligen Behauptungen und Bemühungen, wie sie die Regierung und ihre Gefolgschaft in ver bissener Wuth und Verlogenheit noch jeden Tag zu lanciren ver suchen, nichts mehr zu ändern. Es ist eine wahre Komödie, welche von den Vertretern der Regierung, wie Joseph Chamberlain selbst, seinem würdigen Sohne Austin Chamberlain, und andere» Ministern oder Staatssekretären, eurerseits, und von den Führern der liberalen Partei und sonstigen oppositionellen Po litikern andererseits in der letzten Zeit aufgesührt wird. Mit Bezug auf den südafrikanische«« Krieg denunciren sich diese Herren gegenseitig in langen Reden als Feinde des Staates und der Nation, wobei allerdings die Gegner des Krieges und seiner Urheber bei Weitem über das bessere und erdrückendere Ma terial zuin Angriff und zum Beweise verfügen. Es ist eine bös artige, schmutzige Wäsche, die da mit besonderem Eifer in den letzten Wochen hier in England gewaschen wird, und den einzigen Vorwurf, den man den liberalen Kämpfern und ihrem Anhänge dabei machen kann und muß, ist der, daß sie es an Einigkeit und an einer praktischen Uebersetzuna ihrer vielen und gut gemeinten schönen Worte fehlen lassen. ES ringt sich im oppositionellen Lager aber doch endlich immer mehr die etwas verspätete Ueber- zcugung durch, daß mit der bisherigen schwächlichen und halben Verurtheilung der unheilvollen Chamberlain'schen Raubkrieg politik auch nichts erreicht werden kann, und daß mit Bezug auf die letztere nur «ine reinliche Scheidung zwischen den Vertretern der gegentheiligen Ueberzeugurrg jetzt noch das gewünschte >«nd erforderliche Resultat — Beendigung des Krieges um jeden Preis — vielleicht ohne allzu groß« weitere Opfer an Prestige I u. s. w. erzielt werden kann. Ob und wann aber dieses Ziel er-1 reicht werden wird — das weiß weder Herr Chamberlain noch I sein bitterster Gegner, Sir Henry Cainbell-Bannermanii, der ein«, weil er keinen Ausweg aus dem Dilemma weiß, auf dem er nicht selbst zum Sturze kommen «nutz, und der Andere, «veil er einsieht, daß er mit seiner Partei vorläufig immer noch zu schwach ist, um die jetzige Regierung und ihre Politik zu stürzen. Und so herrscht einstweilen das Chaos in England und seiner Politik weiter, bis einst vielleicht doch endlich die Tage des Herrn Chamberlain und seiner treuen Jingogefolgschaft gezählt sind. * Soustantmo-el, 2. December. („Wiener Telegr. Corresp.- Bureau".) Die englische Botschaft verständigte die Psorte von dem drmnächstigen Transport von England in Odessa gekaufter, für Südafrika bestimmter Pferde durch die Dardanellen. Deutsches Reich. - Leipzi», 3. December. Der Ausschuß für die Förderung der evangelischen Kirche in Oester reich tbeilt un» mit, der in unserer Abend-AuSgabe vom 30. November veröffentlichte, vor Monaten ergangene Aufruf zu neuen Spenden sei nicht für die Oesfentiich- keit bestimmt, aber bereits von so erfreulicher Wirkung gewesen, daß die Schilderung der Geldcalamität nicht mehr zutreffe; diese sei gehoben und so sei die weitere Veröffentlichung deS Aufrufs nicht wünschens- werth. Wir freuen uns dieser letzteren Mittheilung und bedauern, daß wir von dem vertraulichen Charakter deS Schriftstückes keine Kenntniß hatten. Es war uns mit der Bitte um Veröffentlichung von einer Seite zugegangen, deren unermüdliche Thätigkeit sür die evangelische Kirche in Oester reich jeden Zweifel an der Redlichkeit der Absicht aus schließen mußte. 6. H. Berlin, 3. December. (Schwarze auf deut schen Kriegsschiffen.) Den Mittheilungei« über die o st- asia tisch« Station, welch« seiner Zeit dem Rcichsmarine- amt «ing,-.sandi würben und in denen von amtlicher Seite sehr inte.-rffante Angaben über die Ausbildung unserer „blauen Jungens" in Ostasien gemacht wurden, sind jetzt solche von der we st afrikanischen Station gefolgt; sie werden in der von« Nachrichtenbureau des Rcichsmarineamts Herausgegebenei« „Ma rine-Rundschau" veröffentlicht und sind, besonders durch die Mit- theilungen über die Schwarzen auf den Kriegsschiffen, von hohem Interesse. Es heißt in dein Berichte: Das Leben an Lord der Kanonenboote „Habicht" und „Wolf", besonders auf dem letztere«« Fahrzeuge, erhält ein besonderes Gepräge durch die angeworbenen Schwarzen. Ihr Zweck ist, während der heißen Tagesstunde«« die Außendienste zu versehen, vornehmlich in den Booten und im Hcizraume Hilfe zu leisten, vor Allein finden sie beim Länden durch die Brandung Verwendung. In frühere«« Jahre«« ließ man dazu Krunegcr aus Liberia kommen, weil man die faulen Diralla für unbrauchbar hielt. Die Beschaffung der Ersteren wurde aber von Jahr zu Jahr schwieriger, umständlicher und kostspieliger, da die Leute nach einem Jahre wieder in die Heimath zurückbefördert werden müssen. Auch war man, wem« einzelne der angeworbenen Leute nichts taugten, Wege«« des Ersatzes iir Verlegenheit. Die Erfahrung hat inzwischen gezeigt, daß bei richtiger Behandlung auch der Dualla ei«« brauchbarer Hilfs- matröse bez. .Heizer werden kann. Sie werde«« contractlich auf ein Jahr verpflichtet, ein merkwürdiger Ehrbegriff läßt es diesen Schwarzen als unschicklich erscheinen, sich auf einmal für längere Zeit zu verpflichten. Manche, denen es nur darauf ankommt, die große Stadt (Capstadt) zu sehen, dienen später nickt wieder, andere, besonders diejenigen, welche Aussicht haben, Vorleute zu werden, kommen nach einein Jahre oder wen«« Vacanzen eintreten, wieder. Sie erhalten höhere Löhnung als die Weihen und dieselbe Verpflegung. Auf die letztere Bedingung ihres Conlrartes achten sie mit großer Eifersucht nno essen selbst Dinge, die ihnen zuwider sind, nur um ans ihrein Rechte zu be stehen. S. M. „Wolf" hat für gewöhnlich 20, während der Vermessung in Kamerun 30 schwarze Matrosen und ä Heizer. Sie unterstehen zwei Vorleuten, die meist einigermaßen fließend deutsch sprechen und bis zu einem gewissen Grave für das Ver halten ihrer Leute verantwortlich sind. Reicht deren Autorität nicht ans, so treten die im Contract vereinbarten Strafen, Hiebe und Lohnverkürzung, ein. Von der letztere«« Straf« wird aber fast nie Gebrauch gemacht, sie ist dem Schwarzen weitaus pein licher als die erstere, und er kann sich nach seiner Denkweise nicht vorstellen, daß der Lohnabzug in eine andere Tasche als in die des die Straf: verhängende«« Vorgesetzten fließe. Hiebe haben für ihn nichts Entehrendes, er erwartet nichts Anderes, und sobald der Schmerz aufgehört hat, ist auch jede Erinnerung an die Strafe verflogen. -4- Berlin, 3. December. („W asdie Engländer von König E d u ard VN. erhoffe««.") Als Gegenstück zu der Beurtheilung, die König Eduard VII. in Deutschland über wiegend findet, verdient «ine englisch: Auffassung über den König Beachtung. Ihr Vertreter ist S i r R i ch a r d T e m p l e, der in der „Deutschen Revue" die Frage beantwortet, „was die Engländer von König Eduard VII. erhoff«n". — Zweifellos ist der Aufsatz Temples darauf berechnet, die öffent liche Meinung in Deutschland zu beeinflussen. Diesem Zwecke zi« Liebe ergeht sich Tempi: des Oesteren in einem stark übertriebenen englischen Sekbstbetvußtsein, das unter den obwaltenden Um stände«« einigermaßen an die Berliner Redensart „Dickelhun ist mein Neichthum" erinnert. Auch von Byzantinismus ist Temples Arbeit nicht frei. Dahin gebärt z. B. die Behauptung, daß König Eduard VII. „jede Vorbedingung besitzt, um seinen Hof und dessei« Umkreise in socialer Ordnung und aller Vo^trefflichkeit fortzu führen". Auch die Anspielung auf das Vertrau««,, daß Eduard VII. als Sohn außergewöhnlich vortrefflicher Eltern großen Erfolg haben müsse, wenn ihin ein genügend langes Leben b-schieden werde, gehört eben dahin — von ähnlichen Äußerungen ganz zu schweigen. Aber vom englischen Standpunkte aus rühmt Sir Richard Temple mit Recht eine Reihe von Eigenschaften des Königs Eduard. In erster Linie steht hier der Tact, den der König durch kluge Zurückhaltung gegenüber den politischen Par teien bewährte. Nächstdem zeichnet den König ein unleugbares Geschick aus, bei seinem Auftreten als ö f fe n t l i ch e r R e d n e r Anstoß zu vermeiden. Uebung in dieser Beziehung hat er als Vertreter seiner Mutter bei zahllose«« Veranstaltungen erhalten. Durch die Betheiligung am Sport, insbesondere an dei« Pferde rennen, hat der König sich populär gemacht. Das Gleiche gilt von seiner Beschäftigung mit der Arbciterwohnungsfrage. In der Erledigung der Staats geschäfte läßt der König es an Raschheit und Pünktlichkeit nicht fehlen. Und den Grund sätzen des englischen Constitntionalismus getreu, hält der König an den Beschlüsse«« des Parlaments fest und krachtet den Rath seiner Minister. In welcher Richtung Eduard VII. nach der Nn sicht Temples dein Itandpuncte des Parlaments sich vor Allem anschließen soll, geht aus der Art hervor, wie Temple den Ge danken erörtert, ob die Regierung des Königs Eduard ebenso nack Feuilleton. Alfred tlobel. Bon A. GundaccarvonSuttner- Hartmannsdorf. Nachdruck odcr Äurzug vrrSote«. W«r es nicht wußte, hätte in Nobel nicht den vielfachen Millionär vermuthet. Er hatte so gar nichts Typisches dieser be vorzugten Classe an sich. Ji« seinem Schaben bescheiden, fast schüchtern, mied er die sozenannie Welt, um sich mit unermüd lichem Eifer seinen Arbeiten hinzugeben. Auch in seinem Acußeren trug er nichts vom Weltmann zur Schau. Er besaß nicht jene gewisse Parquetgeschmeidigkeit, die dem Salonmanne seine selbstbewußte Sicherheit verleiht; er war auch kein Causeur iin landläufige«« Sinne des gewandten Schwätzers, der über das nächstbeste Thema seinen Witz und seinen Geist leuchten läßt. Wohl aber war er ein universell gebildeter Mann, der in Kunst und Literatur «benso Bescheid wußte, wie in dei« Wissenschaften. Seinem phänomenale:« Sprachental«nte verdankte er «ine Belesenheit, wie man sie selten bei einem Menschen finden wird. Er beherrschte die deutsche, englische und französisch« Sprach: in einer Weise, daß «r im Stande war, in jedem Idiom mit Anwendung aller Feinheiten der Sprache zu reden und zu schreiben. Der Mann, der in seinem Laboratorium über die wirksamsten Vernichtungsmittel grübelte und lebensgefährliche Experimente anstelltc, war in seinen Mußestunde«« «in feinfühliger Dicht«r, oer sich an seinem Jd:al Byron begeisterte ünd Verse schrieb, die einem Porten von B:ruf all- Ehre gemacht hätten. Er besaß je doch nicht den Ehrgeiz, in diesem Fache in die Oeffentlichkeit zu treten. Was er schrieb, schrieb er ausschließlich zu seinem Vergnügen, und nur in ganz intimer« Kreisen ließ er sich hier und da bewegen, das eine oder das andere Manuskript bor- zulesen. So viel ich weiß, hatte Nobel eine ziemlich traurige Jugend, voll Mühe, Entbehrungen und getäuschten Hoffnungen hinter sich. Wenn ich nicht irre, war sein Vater infolge schwerer Ver letzungen durch «ine Explosion gestorben und hatte die Familie in recht desolaten Verhältnissen zurückgrlass«». Als einzige Erb schaft blieb ihr das gefährliche Dynamit zurück, mit dem man nichts aiizufangen wußte, da der unbändig« Explosivkörper allen Versuchen, ihn der Technik nutzbar zu machen, Widerstand leistete. Dock« hinter der gewölbte«« Stirn Nobel'S steckt« nicht allein ein großer Verstand, sondern auch ein ungewöhnlich zäher Will«, der ihn fökncklch zwang, die Lösungen schwerer Probleme zu suchen. Und mit den vereinten Kräften — Geist und Wille — setzte er es auch durch, sein Ziel zu erreichen. Er fand im Kiesel- guhr das Bindemittel, daS die Geister bannte und das Dynamit zu einem handlichen Sprengmittel machte, das durch Kraft und Wirksamkeit das Schießpulver weit in den Hintergrund stellte. Mit dieser glücklichen Entdeckung war er jedoch noch lange kein gemachter Mann, denn, selbst so gut «wie mittellos, mußte er nun erst den langen Leidensweg des Geldsuchens antreten. End lich fand er eine P«rson, die die Wichtigkeit der Entdeckung be griff und Nobel rin bescheidenes Capital zur Errichtung einer kleinen Fabrik vorstreckte. Zs dauerte Decennien, bis di: Er findung durchgriff, dann aber kam auch der Goldstrom heran gebraust, der Nobel die Millionen zuführte. Als er starb, hinter ließ er etwa 35 Millionen schwedische Kronen (otxr 40 Millionen Mark). Eine Million Kronen, dir er ganz vergesse«« hatte, trieb man erst nach seinem Tobe in irgend einem Depot auf. Das Testament, bas dieser hochherzige Mann hinterlassen hat, ist wohl allgemein bekannt. Wiederholt hatte er die Absicht ge äußert, sein ungeheures Vermögen solchen Institutionen zuzu wenden, die im Dienste der Menschheit stehen. Daß auch die Friedensbewegung bedacht werden sollte, stand jedoch nicht in seiner ursprüngliche«« Absicht, denn er hatte die längste Zeit keine Kenntniß von ihrer Existenz. Zum ersten Mal: trat «r für die Sache insofern ein, als er 1891 gelegentlich der Gründung der österreichische«« Friedensgesellschaft auf unser Bitten einen Beitrag leistete. Sein Begleitschreiben lautete aber ziemlich skeptisch; er konnte sich nicht recht vorstellen, was die Gründung einer solche»« Gesellschaft und die Abhaltung von Congressen «igentlich err«ich«n sollten. So ungefähr schrieb er. Im nächsten Jahre trafen «vir zufällig mit ihm in Bern zu sammen, wo «den der nächstfolgende Congreß stattfand. Wir be wogen ihn, an den Verhandlungen als Zuhörer theikzunehmen. Eine hervorragende S»g«nschaft Nobel'S war «S, sich für Aller, an dem er sich beiheiligte, zu intereffiren und selbstständig über daS, was sein Gehirn aufnahm, nachzudenken. So auch hier. Er folgte den Verhandlungen mit Teilnahme und Spannung, und als «r noch vor Schluß des ConaresseS nach Zürich abreiste, lud er uns «in, dort zwei Tage seine Gäste zu sein, um die ganze Sach« unter un» zu besprechen. So einfach Nobel für seine Person lebte, um so großartigrr sorgt« er für Freunde, die er zu Gast hatte. So waren denn auch im Hotel Bauer nn Ino für uns di« Wohnräum« vor bereitet, die wenige Tag: vorher Kaiserin Elisabeth bewohnt hatte. Hier hatten wir nun Muße, uns über die noch ganz junge Friedensbewegung auszusprechen. Für den herrlichen Nachmittag war das Nobel'sche Aluminiumboot — daS erste seiner Art — zur Landungsstelle beordert. Ein winziger Petroleum-Motor, nicht viel größer als ein Samovar, brachte uns in schneller Fahrt in den See hinaus. Die Bemannung bestand aus einen« ein zigen Jungen, der den Motor handhabte. Wir spräche«« über allerhand ernste Dinge, — über Leben und Tod und Zukunft und Glauben, als Nobel plötzlich wieder auf di: Friedensfrage überging: „Wissen Sie, wie man d!« Sach: anpacken müßte?" sagte er. Und er fuhr fort: „Man müßte einflußreiche, maßgebende Per sonen dafür gewinnen. Man sollte große Summen zu Preisen für Solch: bestimmen, die sich die Erreichung dieses Zieles zur Aufgabe gestellt haben. Diese Menschen müßten materiell so ge stellt werden, daß sie sich, frei voi« allen Lebenssorgen, diesem edlen Berufe gan^ widmen könnten." „Wer würde -wohl solch: Prämien geben?" erwiderten wie, im Gefühle, daß unser Freund da etwas weit vom Realen ab schweifte. „Wer? . . . Ich. Wenn solch: Persönlichkeiten zu finden sind, thue ich es von Herze«« gern." Er erwärmte sich immer mehr für dies« seine Idee, und als «vir am nächsten Tage schieden, legt« er uns ans Herz, ihn fortwährend auf dem Laufende«« über die Bewegung zu halten, denn er sei nun einer von den Unseren. Selbstverständlich blieb die Correspoirdenz mit Nobel auf recht. Im Briefwechsel wurde noch die Frage dieser Prämien wiederholt besprochen, und Nobel modificirte seine ursprüng liche Idee insosen«, als er der Ansicht Ausdruck gab, es wäre für die Sach« nutzbringend, wenn zu gewissen Perioden — etwa alle fünf Jahr: — ein bedeutender Preis an solche verliehe«« werd:, die sich überhaupt in der B-wegung Verdienste erworben hatten. Di: endgiltig: Lösung der Frage «rar, daß er den fünfte«« Theil seiner Hinterlassenschaft der Friedcnrbckwegung widmete, damit aus den Zinsen alle Jahre rin Preis an di: meistverdiente Person verliehen werd,. Unser freundschaftlicher Verkehr mit Alfred Nobel datirk auf länger zurück. 1887 verbrachten wir den Winter in Pa.is, wo Nobel seinen eigentlichen Wohnsitz hatte. Er besaß in der Avenue Malakoff ein schmuckes kleines Hotel, in dem wir manche an genehme. «isterfrischendr Stunde verbrachten. Es war ein reizendes Funagescllenheim: unt«n ein kleiner Salon, der den Vorranm zu seinem Herligthum, dem Laboratorium, bildete; oben: Salons, Rauchzimmer, Wintergarten — nichts protzig oder aufdringlich und doch vornehm und luxuriös. Er arbeitete gerade an einem Problem, daS auf dei« Krieg Bezug hatte. „Man wird lach:««", sagte er, „ich, der Dynamit- und Kanonenmann — Friedensfreund! Aber, war wollen Sie! Zeige«« sich die Menschei« der Vernunft nicht zugänglich, so wird man eben ein Mordwcrkzeug erfinden müssen, das so furchtbar ist, daß die Menschh:it au? Angst und Selbsterhaltungstrieb zum Flieden übergeht." Die französische Negierung hatte ihm für diese Versuche einen Schießplatz zur Verfügung gestellt. Früh am Morgen fuhr er hinaus, in der Tasche einen kalten Imbiß, und spät am Abend kehrt« er erst heim. Das ging mit kurzen Unterbrechungen Wochen so fort. Wenn er eine Arbeit in Angriff nahm, kannte er weder Rast noch Ruhe. Er hatte sich bei diesen Winterlicken Experimente«« eine arge Erkältung zugezogen. Von Ruh: und Pflege wollte er jedoch nichts wissen. Er ließ sich zu Haust einen eisern:«« Ost-«« bis zur Glulihhihe heize«« und «briet sich dort den Rücken. Die Roßcur schien Erfolg gehabt zu haben, den«« Tags darauf setzt: er schon wieder seine Schieß versuche fort. Mit Alfred Nobel über Welt und Menschen, über Kunst und Leben, über die Probleme der Zeit und Ewigkeit zu sprechen, war ein geistiger Hochgenuß. Seine Conversatioi« war funkelnd und tief. Leeres Salongeschwäh war ihm ein Greuel — übe: Haupt misckte sich in seine große Liebe zum abstracren Mensch hritsideal viel Verachtung, Bitterkeit und Mißtrauen gegen die gegenwärtigen Menschen im Allgemeinen. Gewiss.- Fonnen der Schalheit, des Aberglaubens, der Frivolität, flößten ibm geradezu zornigen Ekel ein. Seine Bücher, seine Studien. seine Expcri mente waren sein Leben — und vielleicht auch sein zu friib zeitiges Ende, denn er gönnte sich keine Ruhe: geistig nnd physisch arbeitete er unablässig. Als er einmal ernstlich leidend war, schrieb er, daß er, da ibn Krankheit an seiner Berufsarbeit hinderte, seine unfreiwillig: Muße benutzt habe, nm ein Drama, „Beatrice Cenci", zu schreiben. Wir hätten bas Stück gern gelesen, aber ans unsere Anfraac antwortete er, es sei schwedisch geschrieben uno noch uunbersetzt. Ob sich dieses Drama und seine anderen Dichtungen im Nachlasse vorgefnnden haben, konnten wir bis heute nickt er fahren. Acht Tage vor seinem Tode traf noch ein Brief — der letzte — ein: „Ha^e ick im figürlichen Sinn: ein Herz?" schrieb «e „DaS weiß ick nicht: so viel ist aber sicher, im physiologi scken Sinne ist dos so benannte Organ sehr bedenllick stank bei mir." Welch' große?, allumfassendes Her, er besessen, hat wobt sein herrliches Testament zur Genüge bewiesen . . .
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