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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011204020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901120402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901120402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-04
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Ämtsötatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Nokizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Mittwoch den 4. December 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen lgefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördcrung ./L 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschlub für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu nickten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Sü-aftika. Englische Lügenberichte. * London, 4. December. Mit Bezug auf die Meldung des Lbercommandtrcndcn in Eapftadt vom 28. November, üatz Aouchö zwei englische Soldaten, die gefangen ge nommen morden waren, habe erschicszen lassen, ist gestern beim Skriegsamte ein amtliches Telegramm aus Kapstadt einae mngcn, ,n dem es hrifft: Fonchs habe brieflich erklärt, Satz zwei Mann Eonnaught Rangers erschaffen, nicht aber gefangen genommen nnd erschaffen worden seien. Dcr Sekretär des KriegsamtS richtete daraus an ve» Lbercommandircndcn in Eavstadt folgendes Telegramm: „Unter Bezugnahme auf Ihr Telegramm vom 2. December soll der die Connanght Rangers befehligende Dificicr ermahnt werden, eine grötzcre Sorgfalt bei feinen Meldungen zu beobachten. Die Beliauptnugen über eine schlechte Handlungsweise dcr Boeren, die nicht voll kommen bewiesen sind, sind sehr zu mitzbilligen". Sonder-Bestimmungen zur Berschärsung des Standrechtes in Südafrika Das Londoner Kriegsaint giebt folgende Bestimmung be kannt: „In Folge der Verhängung des Standrechtes über alle südafrikanischen Häfen ist in Uebereinstimmung mit der Re gierung der Capcolonie und Natals bestimmt worden, daß vom 1. Januar 1902 an für jede Person, die beabsichtigt, sich nach dcr Cap-Colonie oder Natal zu begeben, Erlaubnißbescheinigungen für den Eintritt in jene Colonien nöthig sind. Personen, welche solchen Erlaubnißschein nicht vorweisen können, wird von den Behörden das Landen in Südafrika n-icht gestattet werden, ausgenommen unter besonderen Umständen. Jeder, der sich um solchen Paß bewirbt, muß nachweisen, daß er entweder im Besitz von 2000 ist oder daß er in der Lage ist, sich in Südafrika zu unterhalten, daß der Zweck seiner Reise „bona kille", und daß er bisher weder deportirt, noch als mittellos ausgcwiesen worden ist. Wenn eine Familie sich nach Südafrika btgeben will, so muß für jedes Kind über 16 Jahre eine Sondcrerlaubniß nachgesucht werden. — Nicht-britische Unterthanen müssen sich von den britischen Consuln Pässe er bitten. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß diese Bescheini gungen Passagieren nur ermöglichen, in Südafrika zu landen, nnd daß dieselben ihnen keine Garantie dafür bieten, daß ihnen die Erlaubniß ertheilt werden wird, landeinwärts zu gehen. Wer dies wünscht, muß am Landungsplätze die Ertheilung eines Special-Passes hierfür nachsuchen. Letztere werden gewarnt, daß noch Tausende in den Hafenplätzen der Küste auf eine Ge legenheit, nach ihrem Heim zurückzukommen, warten, und daß diese vor später Ankommenden den Vortritt haben werden." Zur selben Stunde, wo Sir I. Gordon Sprigge, der Premier-Minister der Capcolonie, in Capstadt eine optimistische Festrede mit der Versicherung beschließt, die Lage in der Kolonie sei durchaus hofnungsvoll, wird in London „in Uebereinstim mung mit der Regierung der Capcolonie" eine mehr als drako nische Maßregel erlassen, welche auch denjenigen, die sich bis her über den Ernst dec Situation nicht nur in Transvaal und am Oranje-Fluß, sondern in den gejammten britischen Be sitzungen in Südafrika nicht klar geworden sind, die Augen öffnen. Ein großer Theil der britischen Colonien ist nunmehr gänz lich vom Mutterlande, von der Außenwelt überhaupt, abge schlossen. All' das Geschwätz über „Ansiedler", über „bedeutende Auswanderung" und „offene Thür" ist zu einem plötzlichen und dramatischen Abschluß gekommen. Die Thür ist mit einem Krach zugeschlagen worden. Und was sich hinter dem eisernen Vorhang abspielt an Elend und Noth, an Brutalität und Blutgerichten und anderen charakteristischen Merkmalen englischer Politik in Süd afrika, das geht die Welt nichts mehr an. In der Stille, im Dunkeln, kann nunmehr die Henkers arbeit weiter verrichtet werden. Keine unbequemen Zahlen und Facta über die lieblichen Concentrationslager werden mehr bekannt werden, ungestört kann die Ausrottung eines christlichen Volkes, das so thöricht ist, die nationale Freiheit als der Güter höchstes zu betrachten, fortgesetzt werden. Die Nothschreie, die aus dem Lande heraus dringen, werden vom Censor unterdrückt, und hineingelassen werden nur noch „Loyale". Heute zeigt sich das letzte Glied einer ganzen Kette von Ge- waltmaßregeln, der Kette , mit welcher der neue Autokrak Chamberlain das erstarkte holländische Element in Südafrika an Großbritannien zu fesseln hofft. Gleichheit und Gerechtigkeit mögen den alten Haß versöhnen, Gewalt aber wird dies niemals fertigbringen, sie wird ihn nur schüren und unaustilgbar werden lassen; nicht einen Schritt vor wärts, sondern einen gewaltigen Sprung rückwärts bedeutet diese letzte Bestimmung. Daß die Maßregel, sobald der Krieg vorüber sein wird, auf gehoben werden wird, kommt als Rechtfertigung gar nicht in Be tracht, denn — der Krieg wird niemals vorüber sein. * Pretoria, 3. December. („Reuter's Bureau".) Botha befindet sich in K l i p s t a f e l bei Chriffisee mit den Mitgliedern derBoerenregierung und 1800 Mann. Gefangene Boeren sagen, Botha wolle weiter kämpfen, aber seine Leute seien einem Kampfe abgeneigt. * Capstavt, 3. December. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus".) In Mofselbay sind fünf Personen an der Pest ertrankt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. December. Ob aus dcr ersten Lesung der Zolltarifvorlage im Reichstag „etwas herauskommen" wirv, läßt sich auch nach dem gestrigen, rem zweite» BcratbungStage, noch nicht mit Sicherheit sagen. Wenn man aber daraus, daß der Abg. Richter mit seiner gestrigen Rede weniger auf die Urtheilskraft seiner Zuhörer, als auf ihre Lachmuskeln speculirte, einen Schluß ziehen darf, so kann es nur der sein, daß dieser Abgeordnete die Hoffnung, die Vorlage zu Falle zu bringen, verabschiedet habe und nur noch darauf denke, möglichst geschickt den lackenden Philosophen zu spielen, der sich über eine Niederlage nicht grämt. Uedrigens scheint Herr Richter etwas an Gedacht- nißsckwäche zu leiden. Jahre lang hat er nicht vergessen können, daß ihn einmal Fürst Bismarck durch eine An spielung aui seine, Richters, körperlichen Reize in der tiefsten Seele gekränkt; gestern aber sprang er mit dem „langen Möller" in einer Weise um, als ob er niemals in tiefster Entrüstung die Anspielung auf körperliche Eigcnlbümlichkeiten eines Parlamentariers als unziemlich bezeichnet hätte. Wir bemerken Lies für den Fall, daß Herr Richter im Lause der Zolldcbatte das Wort neck öfter ergreifen und seinen Bedarf nach Witzen auf ähnliche Weise wie gestern zu decken suchen sollte. Die Herren, die dabei zur Zielscheibe genommen werden sollten, werden dann zum Voitbeile der Sachlichkeit der Beratbung sehr leicht durch eine Erinnerung an den er- wävnten Vorfall den Führer der freisinnigen Volkspartei zum eigentlichen Thema zurückführen können. WaS er gestern zu diesem vorbrachte, daS hatte man schon vorher wiederholt in einer ihm nahestehenden Zeitung gelesen und es bedurste daher einer Würze. Auf eine solche konnte der Abg. Spahn, dcr vor ihm gesprochen hatte, verzichten; er als Redner deS ausschlag gebenden C ntrumS wußte, daß man mit Spannung seinen sachlichen Ausführungen folgen würde. Selbstverständlich legte er weder sich noch seine Fractivn fest, aber es darf doch wohl als günstiges Vorzeichen für eine schließliche Verständigung gelten, daß der Redner zwar über die Vorlage hinausgehende Wünsche ländlicher C-ntrumskreise feststellte, aber gleichzeitig mahnte, den Bogen nicht ru straff zu spannen. Trotz dieser sach lichen und Herrn R ckter'S unsachlichen Ausführungen waren eS aber gestern nicht die Redner „aus rem Hause", die „Leben in Pie Bude" brachten, sondern die Redner vom Tische deS ''^undesraths, der Staatssekretär deS Innern Graf r. Posadowsky und der Reichskanzler Graf v. Bülow. E slerer, der wohl fühlen mochte, daß vorgestern die Debatte vom Kanzler und dem Reichsschatzsekretär rn etwas gar zu gelckäftlichcr Kürze eingeleitel worden war, eröffnete gestern die Reihe der Redner durch eine eingehende Be gründung der Vorlage, deren Eindruck auf die Gegner ersichtlich ein tiefer war. Er begann mit dem Hinweise darauf, daß die Nothwendigkeit eines modernen specialisirten Zolltarifs bereits im Jahre l892 vom Freiherrn von Marschall im Hinblick gerade auf die Schwierigkeit der Handelsvertrags- Verhandlungen mit dem Auslande betont worben sei. Die Negierung habe den neuen Zolltarif im Gefühle ihrer Verant wortlichkeit festgestcllt und sei in dieser Arbeit durch die Sachlich keit und Unparteilichkeit des Wuthschafllichen Ausschusses in dankenswerther Weise unterstützt werben. Daß das deutsche Zollsystem kein bockschutzzöllnerischeS sei, erweise die Thatsache, daß das Verbältniß ter Zolleinnabmen zum Wertbe der Ein fuhr sich für Deutschland niedriger, zum Tbeil sehr erheblich niedriger stelle, als für Frankreich, Italien und Rußland. Daß ter neue Tarif hierin etwas Wesentliches ändern würde, lasse sich nicht annehmen, da es sich nur in 25Proc. aller Positionen um Erhöhung, in anderen Fällen um Ermäßigung der Sätze bandle. Eine frcihändlerische Oase inmitten lckutzzöllneriscker Nachbarn zu bilden, sei für Deutschland, wenn e« sich nicht w'rihschafltich preisgeben wolle, unmöglich. Ausführlich ging dir Staatssekretär auf die Frage eines höheren ZollichutzeS für .ie Landwirthschast ein, indem er besonders daraufhinwicS, baß in keinem anderen Berufszweige veihältnißmäßig so viele selbstständige Existenzen vorhanden seien und daß unter diesem GesichlSpuncte die Erhaltung der Landwirlhschaft ein wichtiges poiiliichcs und sociales Interesse sei. In Bezug auf die Minimal sätze erklärte er dem Grafen Schwe-in, daß die vorgeschlagene Höhe derselben dem entspreche, WaS die Regierung glaube in Verhandlungen mit dem AuSlande sestbalten zu können. Sei man damit nicht zufrieden, so könne ein Zwie spalt zwischen dem, was die Regierung soll und dem, was sie kann, cintreten, und dies würde den Werth der Miiiimalsatze erheblich verminvern. Den Reichskanzler hatte der Spott Nickler's über die vorgestrige kurze Rebe des leitenden Staatsmannes veranlaßt, diele Neve durch eine Reihe bedeutsamer Erklärungen zu er gänzen, die im Wesen mit denen des Grafen Posadowsky harmonirten, aber doch durch den Hinweis aus grotze nationale GesichlSpuncte fesselten. Zunächst entgegnete Gras v. Bülow auf den Versuch deS freisinnigen Redners, die Schutzzollpolitik im Gegensatz gegen die weltpolitischen Ziele der Klottenverstärkung zu stellen: die Basis einer gesunden Weltpolitik sei eine kräftige nationale Hermathpolitik; eine Weltpolitik, welche die heimische Arbeit ohne Schutz ließe, wäre phantastisch und chimärisch und für eine solche Weltpolitik wäre er, der Reichskanzler, nickt zu haben. Ferner hatte der Abgeordnete Richter wieder die Canalfrage als Erisapfel zwischen die Regierung und die sckutzzöllnerlscke Mehrheit zu werfen gesucht, was der Reichs kanzler mit treffendem Humor zurückwies. Bemerkeuswertb war die hierbei abgegebene Eiklärung, daß von einem Fallenlaffen der großen Wasserstraßcnpläne in Pieußen nickt die Rede sei. Auf die Zollpolitik übergebend, wiederholte der Reickskanzler, daß er es für erstrebenswerth halte, zum Abschlüsse langfristiger Handelsvertiäge zu gelangen, die nicht nur der In dustrie und dem Handel, sondern auch der an einem gesichertenZu- stande gleichermaßen interessirten Landwirthschaft zu Gute kommen würden. Den Absatz der Jndustrieprovucte nach dem Auslände zu erhalten, fei eine national-ökonomische und sociale Nothwendigkeit. Deutschland befinde sich indessen nicht in der Zwangslage, auf alle Bedingungen eingehen zu müssen, da daS Ausland an der Fortsetzung des Bertrageverhäliniffes ein ebenso starkes Interesse habe, wie wir. Durch Artikel fremder Blätter werde sich die Regierung nicht um Haaresbreite von ihrem Wege abbringen lassen; auch nicht durch die unpatriotische, würdelose Art, in der das ausländische Interesse von deutscher Seite aufgerufcn und unterstützt werde. Die Reden des Grafen Schwerin und deS Abgeordneten Spahn glaubt der Reichskanzler in dem Sinne deuten zu können, daß man in der Commiision zu einer Verständigung gelangen werde, „der Landwirlhschaft zu Nutz und der Jnbust ie nicht zum Trutz". Der energische Ton dieser Ausführungen weckte im Hause lebhaften Beifall und wird Wohl nicht ohne Einfluß auf den weiteren Verlauf der Debatte sein. Die Anwesenheit einer ganzen Reihe von einzelstaat lichen Ministern aus Anlaß der Berathung des Zolltarife» im Reichstage giebt Gelegenheit, auch die fiiiaiizpolitischcn Unterhaltungen weiterzuspinnen, die bereits im Sommer im Zu sammenhänge mit der Besprechung der grundlegenden Fragen der zollpolitischen Action stattgefunden hatten. Bei den Bemühungen die in den Bundcsrathsausschüffen wirksam gewesen sind, um das sogenannte Reichsdeficit heradzumindern, hat sich, nach der „Natlib. Corresp.", die nicht erfreuliche Aussicht als ziemlich sicher herausgestellt, daß auch in den folgenden Jahren nicht auf eine wesentliche Steigerung der Reichseinnahmen, deren Rückgang jetzt beklagt wird, zu rechnen sei. Das hängt allerdings von der wirthschaftlichcn Entwickelung ab, giebt aber hoffentlich doch den nichtpreußischen Ministern Anlaß, mit größerer Entschiedenheit als bisher auf die Inangriffnahme einer auf neue Einnahme quellen sich gründenden Reichsf-inanzreform zu dringen. Das Decemberheft der „Fortnightly Review" bringt aus sachoersländiger Feder eine Resumö der Erfahrungen der letzten brit,scheu Hltbstmauövcr und im Anschluß daran eine die taktischen Eigenschaften eines »trie„speschwaScrs ^handelnde Darlegung, die auch in Deutschland beachtet zu wer den verdient. Der englische Autor geht von der unbestreitbaren Thatsache aus, daß die vermehrte Fahrgeschwindigkeit der Schlachtschiffe und die gesteigerte Feuerwirkung der Kreuzer, beides Fortschritte, welche durch die modernen Errungenschaften auf dem Gebiet- der Geschütz- und Panzerplatten-Fabrikation ermöglicht worden sind, bis zu einem genügen Grade die Grenz linie zwischen diesen beiden Typs der KriegKfahrzeuge verwischt haben. Auf Grund der im Verlaufe der letzten Seemanöver ge sammelten Erfahrungen, in denen die überlegene Schnelligkeit der Wilson-Flotte diesem Admiral den Sieg verschaffte, wird die Ansicht ausgesprochen, daß an einer um mindestens 2—3 Knoten höheren Fahrtgeschwindigkeit für die Kreuzer fcstgehalten werden müsse. In einem Theile der englischen Presse begegnet diese For- Feiiilletsii. Oie Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. N.it!>rriick VkrtoikN. „Tante, Du sagst das mit einer geheimen Absicht!" „Absicht? Das nicht gerade, allein es kam mir eben auf die Zunge, weil der Abstand in Deinem Benehmen gegen Iwanow, unfern Verwandten, und gegen die fremden Edel leute, besonders gegen den Grafen Bienheim, denn doch sehr kraß ist." „Ich kann nichts dafür, daß Iwanow sich nicht zu benehmen weiß; doch werde ich es in Zukunft unterlassen, ihn spöttisch zu behandeln, wenn es Dir mißfällt. Ich fürchte nur, er bildet sich dann ein, ich liebte ihn . . .- „Er hat neulich die Vermuthung ausgesprochen, Du wüßtest gar nicht, was Liebe sei!" „Der gute Junge", seufzte Verowna, „wie recht hatte er damals . . ." „Damals? So hätte sich das also geändert? So wüßtest Du jetzt, was Liebe ist?" „Tante, der Mensch wird täglich älter und darum weisheitS- boller; auch ein Mädchen lernt allmählich ahnen, was Liebe ist." „So! Und die Ahnung glaubst Du nun zu haben?" „Gute Tante, spare Dir die Mühe; ich weiß ganz genau, auf was Du hinzielst, es ist umsonst, mich mit Worten zu Hinterlisten und zum Reden zu bringen. Was ich nicht sagen will, sage ich doch nicht." „Das weiß ich wohl; es ist auch gar nicht nöthig, daß Du mir Bekenntnisse machst. Ich weiß doch, daß Du den Grafen liebst oder zu lieben glaubst." „Nehmen wir einmal an, es sei so . . .» „Um Gotteswillen, Verowna, rede nicht so leichtsinnig!" „Es ist ja nur eine Annahme; ich sage doch nicht, daß es so sei. Also angenommen, ich liebte den Grafen und wünschte ihn zum Gemahl, was würde geschehen?" „Dieses Unglück soll nicht über uns und Dich kommen, Gott verhüte es!" „Warum?" „ES ist ein Ausländer, kein Russe", bemerkte die Fürstin. „Und das sollte in meinen Auaen rin Fehler sein? Weißt Du nicht, wessen Blut in meinen Adern rollt?" „Ich denke, das der Saritzin's", sagte die Fürstin mit einem gewissen Pathos. Da erhob sich Verowna, ihre Augen funkelten und ihre Lippen wurden beredt; man konnte zweifeln, ob sie bei ihrer Rede wirk lich an die Anwesenheit der Fürstin dachte, wenigstens sah sie dieselbe nicht an: „O armer, unglücklicher Tscherkinsa, verlassen von der letzten Kraft, der Du vertraut, von der Kraft der Waffen, flohst Du mit Weib und Kind, mit Mühe das Leben bewahrend, als Bettler in die Gebirge! Vergieb mir, Deiner Enkelin, daß sie es nicht als Schimpf rächen darf, wenn man ihr sagt: In Deinen Adern rinnt das Blut der Saritzin's! Vergieb mir, aber ich bin ein schwaches Mädchen — und mein Wille war es nicht! Nein, mein Wille war es nicht, daß mein Vater, Dein Sohn, o großer König, sich zum russischen Sclaven erniedrigte und eine russische Sarihin mir zur Mutter gab. Heil Dir, armer, gestürzter König, Heil Dir in Deinem Unglück und Heldentod«, glücklich bist Du zu nennen, denn Du hast die Er niedrigung Deines Geschlechts nicht geschaut! Ich bin nur ein schwaches Weib, aber ich werde bei keinem Athemzuge meines Lebens vergessen, daß ich eine Tscherkessin bin und keine Russin, daß ich Deine Enkelin bin, würdig, Tscherkinsa zu heißen! Bei Deinem heiligen Schatten und der unbegrenzten Bewunde rung für Deinen Heldentod, die in meinem Herzen lebt, schwöre ich es Dir zu, daß nie, nie ein Feind meines Volkes mich sein Weib nennen soll!" Sie kniete nieder und weinte heftig; sie hatte es gar nicht bemerkt, daß die Fürstin gleich nach dem ersten Sake weg gegangen war, daß von einer anderen Seite der Graf Bienheim dem Zelte sich nahte, vom Diener hierher gewiesen. Er stand hinter Verownr und hörte ihre exaltirte Rede und ihren Schwur; er vernahm ihr Schluchzen und Jammern und ver hielt sich still. Plötzlich sprang sie auf, als fühlte sie mit einemmale seine Nähe, starrte ihn mit den verweinten Augen an, bewegte auch die Lippen, sprach aber nicht, und als er mit seiner klangvollen Stimme innig bat: „Kommen Sie zu sich, Durchlaucht-, da lachte sie schmerzlich: „O ja, Durchlaucht sagen sie Alle — und mit Gütern haben sie die Tochter der Saritzin ausgestattet, aber was der Tochter der Tscherkinsas zukommt, wer in der Welt kann es ihr geben?" „Ich!" sagte der Graf. „Ach ja, Sie sind hier, Herr Graf, ich vergaß mich! Ver zeihen Sie, daß ich die Worte sprach, die Ihnen unverständlich sein müssen. Was ist Ihnen Tscherkinsa!" „Mehr al» Sie denken, Durchlaucht!" „Nennen Sie mich doch nicht mit diesem russischen Gnaden titel, ich mag ihn nicht hören." „Ganz wie Sie wünschen, Prinzessin! Warum meinen Sie übrigens, daß mir Tscherkinsa nichts wäre? Glauben Sie, ich kennte di« Riesenkämpfe Ihres Volkes nicht, ich hätte den Wage- muth der Tschertessen nicht bewundert und nicht voll Mitgefühl di: Niederlage des Heldenstammcs bedauert? Mein Gott, ich habe ja in den letzten Monaten nichts gelesen, als die Geschichte dieser Kämpfe; es ist kaum ein Buch darüber erschienen, das ich nicht besitze. Ich glaube, ich habe Nachts im Traume mitge kämpft in den tscherkessischen Bergen . . ." „Sie, Herr Graf? ^Wic kämen Sie zu solchem Interesse für ein Volk, das seine Selbstständigkeit eingebüßt und vielleicht schon in d«r nächsten Generation vergessen hat, daß es selbst ständig gewesen? Sie, ein Deutscher, was haben Sie für die Ihnen völlig unbekannten Tschertessen übrig?" „Wahrhaftig, ich hätte es vor geraumer Zeit selbst nicht geglaubt, daß ich mich so leidenschaftlich für die Vergangenheit des tscherkessischen Heldenvolkes begeistern könnte! Wie das ge kommen ist, interesfirt Sie vielleicht, da müßten Si« mir aber gestatten, Ihnen eine kleine Geschichte zu erzählen. Darf ich?" „Ich bitte, Herr Graf, nehmen wir Platz, eine Geschichte hört sich dann besser an." „Man schickte mich auf Reisen, ich sollte mich bilden, fremde Völker und Sitten kennen lernen, und ich kam zuerst nach Eng land. Man kann in London etwas seh«n und erleben, auch ich machte die Augen nicht zu, und manches kühne Abenteuer be greife ich heute nicht mehr, das mir damals Vergnügen gemacht. Ein Freund, ein reicher Lord, lud mich zu sich ein, ich weiß nicht mehr, welchem Vergnügen es galt. Als ich ankam, mußte ich warten, ich blätterte in den im Parlour umherliegenden Albums, achtungslos, mit halbem Interesse, wie man eben zum Zeitvertreib in Albums zu blättern pflegt. Da fesselte plötzlich ein Bildchen, das Photogramm einer Mädchen-Marmorbuste, meine Aufmerksamkeit. Wen mochte dies Bild darstellen? Dies war mein erster Gedanke und ist lange meine Frage geblieben. Der Lord schenkte mir auf mein ungestümes Bitten das ganze Album und meinte lachend, ich solle mir noch ein paar aus suchen. Ich aber wollte nicht sagen, daß ich nur das eine Bild wünschte. Bon diesem Augenblick war ich wie bezaubert, ich gab alle Juaendthorheiten auf, studirt« viel, um mich zu zer streuen, und forschte nach dem Original der Marmorbüste. In London fragte ich bei allen Photographen und Kunsthändlern, in Berlin setzte ich später mein« Nachforschungen fort, leider ohne Erfolg. Da lernte ich meinen Freund, den Baron Redev, kennen, einen weitgereisten Mann, der mir in Berlin «inen lcbenrettenden Dienst erwies. Zu ihm, zu seinem Kunstoer- ständniß gewann ich Vertrauen, ec sah das heilig verwahrte Phoiogramm und nach kurzem Besinnen sagte er: „Dies Bild ist nicht in England angefertigt, ich vermuth«, daß Albert in München es ausgenommen hat." Wir reisten nach München und fragten, wer weiß wo, jedoch umsonst. Zwar war das Lichtbild von Albert hergestellt und nebst vielen anderen nach England verkauft worden, allein wann und nach welchem Bild hauerwerk cs angefertigt sei, dafür hatte man keine Anhalts punkte mehr. Ich hatte in H .... zu thun und überließ dem Baron die weitere Forschung. Da eines Tages erhielt ich von Redev eine Depesche, welche das bedeutungsvolle Wort: „Heureka" enthielt." „Und was hatte «r gefunden?" fragte die Prinzessin eifrig. „Er hatte die Marmorbüste entdeckt! Ich reiste nach Mün chen, wurde bei dem Kunstmäcenas Weraschek eingcführt, lernte Baronesse Nuttorow kennen und sah endlich im Wintergarten die Marmorbüste, nach der das Photogramm angefcrtigt war. Ich hätt« hinausschreien mögen vor Jubel und durfte doch nicht, da jetzt erst das unauffällige Forschen beginnen mußte. Ich that nun so, als ob mein Freund, der Baron, in die Marmor büste verliebt sei, und verspottete ihn weidlich. Baronesse Fco- dorowna erfand für den wunderlichen Zustand meines Freundes den Ausdruck „Marmorliede". Der gute Mensch that Alles für mich und nahm den unverdienten Spott willig hin, um mir zu dienen. Er ist eine brave, treue Seele, an der ich mit inniger Freundschaft hänge." Verowna war während der Erzählung mehrmals erblaßt und wieder erröthet, sie ahnte das Ende der Geschichte. „Damals starb mein Bruder und ich mußte plötzlich ab reisen, ohne nach München zurückkehrcn zu könne». Wer das Original der Büste war, wußten wir zwar, allein di: heikle Frage, ob dieses liebliche Mädchen noch frei sei, stand unbeant wortet offen. Wer sollte sie thun? Natürlich kein Anderer, al» der Baron; er schrieb an Herrn von Weraschek, stellte sich rasend verliebt, kurz verfaßte einen konfusen Brief, ach und der gute Herr v. Weraschek antwortete wirklich. Ich hätte ihn umarmen und küssen mögen, den edlen alten Herrn, denn — o Jubel und Freude — das holdselige Mädchen war noch frei, die Königin der Schönheit war noch zu haben. Zwar erfuhren wir, daß man sie gedrängt hab«, einem Vetter Iwanow die Hand zu reichen, daß sie jedoch zu dieser Verbindung nicht geneigt. Also auf nach Rußland, hinab nach dem Äsow-Meer, hieß e» nun . . „Was werd' ich hören?" sagt« Verowna leise in peinlicher Verlegenheit.
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