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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011207024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901120702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901120702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-07
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Polizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen »Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redaction-strich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zisfernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannohme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung ./t 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluk für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang. Sonnabend den 7. December 1901. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. December. So ruhig der gestrige — fünfte — Tag der Zolltarif debatte im Reichstage verlief, so bedeutsam war er schon deshalb, weil an ihm die anwesenden Minister von Bayern und von Württemberg daS Wort nahmen, um auch ihrerseits die volle Uebereinstimmung der verbündeten Regierungen in dieser wichtigen Angelegenheit nach drücklich zu bekräftigen. Der bayerische Finanzminister v. Riedel legte Verwahrung gegen die Behauptung ein, daß die Vorlage einseitige Interessen begünstige. Sie diene dem Gesammtwobl der Nation, indem sie die deutsche Landwirthschast erhalte uud die na tionale Arbeit schütze. Die bayerische Regierung befinve sich in vollster Uebereinstimmung mit der Erklärung des Reichskanzlers» daß der vorgelegte Tarif keine Abkehr von der Politik der Handelsverträge bedeute, daß aber der Abschluß von Handelsverträgen nicht unter PreiS- gebung viraler Interessen der Nation erfolgen solle. Ueber- trieben Hobe Getreidezölle allerdings würden sowohl vom Standpunkte der VolkSernäbrung als von dem der Handelsvertragspolitik den größten Bedenken unterliegen und auch der Landwirthschast auf die Dauer nicht vortheilbaft sein. Daß aber die Behauptungen der Gegner der Vorlage nicht zutreffen, beweise die Thatsache de» wirthschaftlicken Aufschwungs und der Verbesserung der Lage der Arbeiter seit der Einführung eines mäßigen Getreide zolls. Die gegenwärtige Krisis werde sich nur verschärfen, wenn die Regelung der HandclSbeziebungen hinauSgeschoben werde, und Zeiten der Arbeitslosigkeit seien jedenfalls für die Arbeiter empfindlicher, als die Wirkung der vorgeschlagenen Getreidezölle. Diejenigen, welche die Erledigung der Vorlage verzögerten, würden dies den deutschen Arbeitern gegenüber zu verantworten haben. Dieser letzter« Hinweis richtete sich gegen die freisinnig demokratisch-socialdemokratiscke Opposition, die aus den bisherigen Verhandlungen, wie der Abgeordnete Payer zugab, sich überzeugt hat, daß eine Mehrheit auf der weientlichen Grundlage deS Entwurfs gesickert ist, und die nun ihre Taktik darauf richtet, die Beratbung, zu nächst in der Commission und dann im Plenum, mit allen Mitteln zu verschleppen. Daß man auf der anderen Seite entschlossen ist, dieser Verschleppung mit allen Mitteln der Geschäftsordnung zu begegnen, erklärte gestern der zweite Redner deS CentrumS, der Abg. Speck, den man in Bayern als den Nachfolger des Herrn v. Riedel betrachtet. Den Gegenstand einer mehr häuslichen Differenz zwischen dem Minister und dem bayerischen CentrumSrevner bildete die Frage de- Gerstenzolls, den der Abg. Speck erhöbt wissen wollte, während Herr v. Riedel dem im Interesse der Brauindustrie entgegentrat. Die Ausführungen deS württembergischen StaatSministerS v. Pischek gingen von dem Interesse der fast ausschließlich kleinbäuerlichen Landwirthschast Württembergs aus und gipfelten in der warmen Empfehlung der eine richtige Mittellrnie einhaltenden Vorlage unter entschiedener Abweisung deS Anspruchs auf darüber hinauSgehende landwirthschaftliche Zollsätze. Den württembergischen Volksparteiler Payer erinnerte der Minister daran, daß ein Therl der württembergischen VolkSpartei im Landtage sich für eine wesentliche Erhöhung der Ge treidezölle erklärt hat. Den klaffenden Zwiespalt in der socialvemokratischen Partei »hielt am Schluffe der gestrigen Sitzung der Abg. Frhr. v. Heyl dem Abg. Bebel vor Augen, den er an daS Referat des Abg. Calwer auf dem Mainzer Parteitage erinnerte. Bei der Verlesung der betreffenden Sätze: daß das amerikanische System Deutschland zur Abwehr berausfordere, daß der Arbeiter sich bewußt werden solle, nicht bloS Consument, sondern Producent zu sein, daß er tbeurere Lebenmittelpreise eher ertragen könne, als Mangel an lohnender Arbeit — verkiekten sich die sonst so lauten Herren auf den Bänken der äußersten Linken auffallend ruhig. Auch bei der Frage deS Redners, ob sie gegenüber dem Sinken deS Lohns der ConfectionSarbeiterinnen infolge der amerikanischen Concurrenz (von 2,50 auf 1,50 ^6) die Be seitigung der Schutzzölle gerechtfertigt fänden, blieb alles still. Zn wie weit die Hoffnung des Redners, daß die eigenen wirtbschaftlichen Interessen bei den deutschen Arbeitern mehr Gewickt haben würden, als die demagogischen Phrasen des Herrn Bebel, sich bestätigen wird, muß allerdings nach allen Erfahrungen erst abgewartet werden. Jedenfalls erhalten durch die letzten Beschlüsse des Senioren- conventS auch die Gesinnungsgenossen Bebel'S Gelegenheit, ihre Unbelehrbarkeit in gewohnter Weise zu bekunden. Ur sprünglich sollte bekanntlich vom Montag ab der dem Hause inzwischen zugegangene Etat beratben werden; da aber die Rednerliste zum Zolltarife sich mit immer neuen Anmel dungen füllte, so stieß der Seniorenconvent gestern seinen früheren Beschluß zu Gunsten des neuen um, die erste Lesung des Etats erst nach den Weitmacktsfcrien, un neuen Jahre 1902, zu beginnen und dem Zolltarife außer dem Reste der Woche noch mehrere Tage der folgenden zu widmen. Nur ani Montag und Dienstag soll die Zolltarifdebatte durch die Arendl'sche Interpellation betr. die Unterstützung der Militärinvaliden und durch die Interpellation betr. die Wreschener Vorgänge unterbrochen werden. Durch diese Disposition sind vorläufig auch die Versuche aufgeschoben, das Branntweinsteuergesetz aufzunebmcn; doch besteht die Absicht, diese Versuche nach den WeihnachlSserien wieder zu erneuern. WaS die Interpellation wegen der Wreschener Lchul- vorgänge und das gerichtliche Urtheil betrifft, so bat das geschichtlich gewordene Trifolium Centrum, Welfen und Polen den Wortlaut erst nach langem und heißem Be mühen zusammengestoppelt. Endlich bat es sich tabin ge einigt, dem Reichskanzler die Frage vorzulegen, ob cS ihm bekannt sei, baß die Vorgänge in Wreschen un In- und AuSlande ein Aufsehen erregt haben, das geeignet sei, dem Ansehen veS deutschen Reichs Abbruch zu thun. Welch ein Wechsel derZeiten!DieselbenParkeien,die durck ihre antinationale.Haltung wer weiß wie oft das Ansehen des deutschen Reichs geschädigt haben, sie treten jetzt als Hüter des Reicks in die Schranken! Spätere Geschichtschreiber werden hierüber sicherlich aufs Höchste erstaunt sein. Ihre Verwunderung aber wird sich legen, sobald sie durch Kennlnißnabme der thatsäcklicken Wreschener Vorgänge sich davon überzeugt haben, daß ledig lich eine Verdrehung der Thalsachen die klerikat-welsisck-pol- nische Coalition in der Rolle von Veribeidigern des deutschen Ansehens zu zeigen vermochte. Hätte sich die deutsche Lehrerschaft in Wreschen die Unbotmäßigfeit ihrer Zöglinge einfach gefallen lassen, hätte das deutsche Gericht die polnischen Landfriedensbrecber aus irgend welcher Bedenklichkeit nicht nachdrücklich bestraft, — dann hätte das deutsche Ansehen in der That im In- und im AuSlande Notb gelitten. Wenn jetzt polnische Federn mit bewährter Geschick lichkeit in russischen, tschechischen und französischen Blättern Deutschlands Anseben als geschädigt ausgeben, so ist diese Mache zu durchsichtig, um außerhalb der Centrumspartei und ihres polnisch - welfisch - jocialdemokratischen An hanges irgend welchen Eindruck zu machen. Mit welchen Mitteln die Drahtzieher der polnischen Presse arbeiten, geht gerade jetzt aus dem gegen die „Praca" verbandelten Processe zur Genüge hervor. Daß unter solchen Umständen die zweite Frage der Interpellation, nämlich die Fiage nach der Stellung deS Reichskanzlers zu den Wreschener Vorgängen, eine andere Antwort als eine scharf abseitigen de erkalten könnte, muß als ausgeschlossen gelten. Die Interpellanten vermeiden in itner Interpellation den Fehler, den die gleiche Coalckion am 1. December 1885 gemacht bat, als sie den Fürsten Bismarck wegen der Ausweisungen nichtpreußlscher Polen befragte. Da mals wurde dem Reichskanzler nabe gelegt, Schritte gegen die weitere Durchführung der Ausweisungen zu tbun. Dieses Ansinnen einer Controle der preußischen Politik druck den Reichstag in einer Angelegenheit, die nickt zur Reichs gesetzgebung gehört, wurde in einer Botschaft Kaiser Wil beim's I. fckarf zurückgewiesen. In dem Cvmmentar, mit dem Füist Bismarck die allcrböchste Botschaft begleitete, lehnte er die Beantwortung der Interpellation und die Be theiligung an ihrer Erörterung ab. Da es bei den Wreschener Vorgängen sich um preußische Schul- und preußlicbe Gericktsangelegenheiten bandelt, könnte der Reichs kanzler trotz der ganz allgemeinen Fassung der Interpellation seinerseits die Beantwortung ebenfalls ablebnen. Wie aber im Jahre 1885 vom Abg. Windhorst die Frage der Aus weisungen bei der Beraihung des Etats zur Sprache ge bracht wurde, so ist das Gleiche in Bezug auf die Wreschener Vorgänge zu erwarten. Schon auS diesem Grunde erschiene eine Ablehnung der Beantwortung der Interpellation durch den Grasen Bülow nicht als angebracht. Hiervon aber ganz abgescbcn, muß es dem Reichskanzler und den nationalen Parteien durchaus erwünscht sein, die klerikal-polniscke Agitation betreffs der Wreschener Vorgänge in schärfster Weise zu beleuchten und zurück: uweisen. Gerade desbalb ist der Weg der Interpellation, den das klerikal-polnisch-welfischeKlecblatt beschritten hat,nur zu begrüßen. Daß der Neichetag sich mit der bloßen Beant wortung der Interpellation durch den Reickskanzler nicht zufriedengeben, sondern die Besprechung derselben herbei führen wird, ist zweifellos. Diese Discussion aber wird Ge legenheit geben, die Lehren der Wreschener Vorgänge nach allen Seiten zu ziehen. Hiervon kann die Sache des Deutsck- thums in den Ostmaiken lediglich eine Förderung erwarten. Die letzten Nachrichten über die Differenzen zwischen den beiden südamerikanischcn Republiken, Chile und Argen tinien, sind wie dies bei allen Nachrichten aus Südamerika mehr oder weniger der Fall ist, widersprechend und geben kein klares Bild von der augenblicklichen Situation. Einem Telegramm aus der argentinischen Hauptstadt zufolge betrachtet man daselbst die Angelegenheit als so gut wie erledigt und ist der Ueberzeugung, daß der Grenzstreit zu keinem ernsten Conflict führen wird. Ein anderes Telegramm aus Buenos Aires, welches über New Aork kommt, besagt, die argenti nische Republik verlange Genngthuung wegen des Wegebaues in dem streitigen Gebiet und beabsichtige im Weigerungsfälle die diplomati'cken Beziehungen mit Chile abzubrechen als Protest gegen die zweideutige Haltung Chiles in der Frage des Grenz- slreiteS.AuS der chilenischen Hauplstadt Santiago liegen gleichfalls Drahtnachrichten vor. Darnach soll die chilenische Regieiung Vorschläge für die Erledigung des Zwistes gemacht haben, und zwar sollen dieselben durchaus entgegenkommender Art sein und eine friedliche Lösung der Differenzen auf daS Wärmste befürworten. Der erregt» Ton der argentinischen Presse ist Gegenstand lebhaftester Aufmerkiamkeit und Erörterungen in Santiago und contrastirt merklich mit der gemäßigten und klugen Haltung der neuen chilenischen Regierung. Der argentinische Minister Or. Eduardo Wilde, welcher unlängst von einem Preß-Vertreter über seine Ansicht, betreffend die Beziehungen seines Landes zu dem west-andischen Nachbar, befragt wurde, äußerte sich dahin, daß er eS für gänzlich un wahrscheinlich hielte, daß die augenbl etlichen Differenzen zum Kiiege zwischen beiden Staaten führen würben. Beiden Republiken läge die wirtbschaftliche Entwickelung ihres Ge bietes zu sehr am Herzen, als daß sie dieselben durch Waffen lärm zu stören beabsichtigten. Deutsches Reich. I-. Leipzig, 0. December. Das Landgericht I in Berlin batte am 17. October den Maurer und „Redacteur" der anarchistischen Wochenschrift „Neues Leben", Otto Panzer, wegen Vergebens gegen die öffentliche Ordnung zu vier Monaten Gefängniß verurtheilt. Die Anklage war erhoben wegen eines Artikels, der sich in der am 19. September erschienenen Nummer des genannten Blattes befand und sich mit dem Attentate auf Mac Kinley beschäftigte. Der Verfasser deS Artikels warf den Capitalisten vor, daß sie Tausende von braven Arbeitern in ihren Betrieben töbteten. Ter Artikel klang aus in einer Aufforderung an alle Leser, mit den Anarchisten den Capitalismus abzusckasfen. Der Gerichtshof hatte an genommen, hierdurch sei die Classe der Besitzlosen öffentlich zu Gewallthäligkeiten gegen die Classe der Besitzenden auf- gesordert worden und die Möglichkeit habe sehr nahe gelegen, daß bei günstiger Gelegenheit Gewalthätig- keiten begangen worden wären. Der Einwand des Ange klagten, daß nur an einen Kampf mit geistigen Waffen gedacht worden sei, war vom Gerichte als unbeachtlich bezeichnet worden, da die Massen, an welche sich der Artikel wendet, die Männer der Faust seien. Der Angeklagte hatte sich selbst als den Verfasser des Artikels bezeichnet, das Gericht hielt dies indessen nicht für glaubhaft, da er seiner Bildung und seinem Auftreten nach nicht im Stande sei, in dieser Weise sich zu bethätizen. Da er aber als verantwortlicher Redactenr auf dem Blatte genannt war, wurde er als Tbäter verurtbeilt. — Seine Revision wurde heute vom Reichsgerichte als unbegründet verworfen. (D Berlin, 6. December. DaS dem Reichstage zu gegangene EtatSgesetz stellte die Einnahmen und Ausgaben auf 2 349 742 456 (gegen 2 354 121086 im vorigen EtaiSjakre) fest. Die fortdauernden Ausgaben betrage» 1 960 455 968 »6 (gegen 1 914 922 914 .6), die einmaligen Ausgaben deö Ordinär iumS 191 073 113 (gegen 223 009 287 .6) und des ExtraordinariumS 198 213 375 (gegen 216 188 845 -6). Der Etat weist an Matricularbei- trägen einen Betrag von 568 135000.6 (gegen 570933000.6) und an lieberweis ungen an die Bundesstaaten 544235000.6 (gegen 570 933 000 .6 im vorigen EiatSjahre) auf. Der Reichskanzler wird ermächtigt, zur Bestreitung einmaliger außerordenilicher Ausgaben 182058995 .6 im Creditwege flüssig zu machen. Er wird ferner ermächtigt, zur vorüber gehenden Verstärkung der ordentlichen Betriebsmittel nach SV——SS»— Frrrilletsir. 2" Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. Nachdruck urrtotrn. „Letter Iwanow", rief der Fürst zornig, „Du hast meinen Gast beleidigt, Du wirst wissen, was Du zu thun hast!" Der dicke Iwanow saß wie vom Donner gerührt da, dann er hob er sich schwerfällig, ergriff sein Champagnerglas und wankt« nach dem Platz, wo der Prinz saß: „Hoheit, ich habe Sie nur als Grafen Bienheim kennen gelernt; ich wollte nicht beleidigend reden. Ich nehme meine Aeußeruung, die auf einer irrigen Voraussetzung beruhte, zurück und bitte um Entschuldigung. Ich war im Augenblick un geheuer überrascht und redete in der Erregung gleichsam geistes- abwesend." „ES ist gut", sagte der Prinz einfach, „ich nehme die Revo kation an und Alles ist ausgeglichen. Wir wollen verträgliche Verwandte sein!" Sie klingten die Gläser an; trotzdem war das Unbehagen, welches der Zwischenfall hervorgerufen, noch nicht verschwunden; der Fürst vergaß in seinem Aerger ganz, einen Toast auf das Brautpaar auszubringen. Um die peinliche Stimmung zu zer streuen und die Gesellschaft ins rechte Fahrwasser zu bringen, sprang Baron v. Eder auf und sprach in gutem Russisch: „Ich bin zwar kein Verwandter der hohen Fürstenhäuser, welche sich in dem Brautpaar in Liebe zusammengefunden, aller ich bin ein treuer Diener und Berather Sr. Hoheit des Erb prinzen und möchte als solcher sowohl, wie als Einwohner des Htrzogthums H . . . aus vollem Herzen dem erlauchten Braut paare ein Hurrah zurufen, das, zwar jetzt erst in der Heimath der hohen Braut erklingend, ein tausendfältiges Echo im Lande des hohen Bräutigams finden wird, sobald die frohe Kunde dieser Verlobung hinüber nach H . . . gelangen wird. Das hohe Brautpaar soll leben! Hurrah, hurrah, hurrah!" Der Bann war von der Gesellschaft genommen; man be glückwünschte das Brautpaar. Auch Graf Desan ergriff neuer dings mechanisch sein Glas; seine Hand.zitterte, der Kelch fiel zu Boden und zersplitterte. »Ist Ihnen nicht wohl, Herr Hofmcu schall?" fragte der Baron. Der Graf wandte sich wülhend nach der Seile: „Mir ist setzt nicht wohl, aber Ihnen wird später nicht wohl sein! Jubeln Sie nicht zu früh! Sie haben unseren Herrn ins Un glück gestürzt." „Sehen Sie doch hin, Herr Hofmarschall, schaut denn das Unglück so aus?" „Lassen Sie mich in Ruhe, ich will nichts sehen!" „Sie müssen doch gratuliren, der Prinz schaut bereits zu Ihnen herüber!" „Den Teufel auch, mit solcher Qual im Herzen — gratuliren müssen." „Nur rasch, Herr Graf, hier ist ein neues Glas; gehen Sie hinüber. Ihr Sündenconto ist schon groß genug, machen Sie keine neuen Dummheiten." „Wir rechnen noch ab", knirschte der Graf bleich vor Wuth, dann schritt er langsam zu dem Brautpaar hinüber. Dreizehntes Capitel. Spät nahm das Verlobungsfest sein Ende, denn nach russischer Sitte mußte ein Tänzchen den Abschluß bilden. Dem Hofmarschall Grafen Vesan war cs jedoch unmöglich, ein Pferd zu besteigen, als man gegen Morgen die Villa verließ; er mochte in seinem Aerger zu oft in das Glas geschaut haben. Man beförderte ihn daher in einem fürstlichen Wagen nach seinem Gasthof in Mariapol, während der Prinz, von Eder und Embder neben und hinter dem Wagen herritten. Gegen Mittag berief der Prinz den Hofrath zu einer Be sprechung. Letzterer legte das Memorandum vor, dessen Wort laut nur geringe Aenderungen erlitt. Der Prinz hatte gleich sam in Ergänzung und zur Erklärung des Memorandums einen eigenhändigen, von kindlicher Liebe dictirten Brief an den Herzog geschrieben, in welchem er ihm auch die Verlobung meldete und ein wohlaetroffencs kleineres Oelbild der Prin zessin Tscherkinsa, welches er zu diesem Zweck vom Fürsten er beten, beilegt«. Er bemerkte, daß das Bild nicht sein Eigenthum sei. Da die Saritzins den Romanows verwandt, so sei, schloß er, auch Prinzessin Tscherkinsa dem Kaiserhaus verwandt und mindestens ein Theil des väterlichen Wunsches erfüllt. Der Prinz hatte auf den Brief große Sorgfalt verwendet und Hof rath von Eder billigte ihn, wenn er auch meinte: , »Ist Se. Hoheit einer solchen Heirath geneigt, so giebt er stme Einwillibung, wenn der Brief auch weniger umfangreich wäre; ist er jedoch, was eher anzunehmen ist, derselben nicht ^d, so wird ihn auch die längste Epistel und das glänzendste Memorandum nicht umstimmen." „Sic sehen zu schwarz. Wir waren bis jetzt vom Glück be gunstigt, warum sollten wir es nicht ferner sein, da nur noch nn Schritt zu thun ist? Ich wollte eigentlich den Grafen als Courier nach H . . . senden und hatte es ihm schon angekiindigt, um ihn aus dem Wege zu schaffen; es sind mir jedoch Bedenken aufgestoben." „Was kann er Ew. Hoheit schaden? Höchstens mag er uns ein wenig lästig fallen. In H . . . dagegen würde er überall Stimmung gegen Ew. Hoheit machen. Gestern that er mir auf richtig leid, er wußte sich gar nicht zu helfen, so vollkommen war er durch das Ereigniß überrascht . . . ." „Er ist mir aufrichtig ergeben, glaube ich, aber etwas be schränkt und von langsamem Auffassungsvermögen. Gut, mag er bleiben, wenn Sie meinen, ich bitte aber, nehmen Sie sich seiner etwas an, damit er uns nicht neue Confusion macht." Hofrath von Eder besorgte die Absendung des Memoran dums, des Bildes und Briefes in einem Werthpacket, an Se. Hoheit den regierenden Herzog Philipp von W . . . ., worauf dec Erbprinz mit Embder nach der Villa Gallitschin hinüber ritt. Gegen Abend kam Graf Vesan zu dem Baron herüber und geberdete sich anfangs wie ein Toller wegen dieser Ver lobung; allein seine Wuthausbrüche prallten an der ruhigen, kalten Besonnenheit des Hofraths ab wie an einem Panzer. Dann zog er gelindere Saiten auf und stellte dem Baron vor, in welche schiefe Stellung sie Beide dem Herzog gegenüber kämen, der gewiß sie für das Geschehene verantwortlich "machen würde. In diesem Tone sprach der Aengstliche längere Zeit fort und der Baron hörte ihm geduldig zu, ohne seinerseits viel zu reden; denn er merkte bald, daß der Graf nur Stoff zu einem Bericht nach H . . . sammeln wollte. Der ganze Ent- wickelunasgang dieser so zur Unzeit gekommenen Liebe war dem Hofmarschall einfach unbekannt und von Eder der Einzige, der authentische Auskunft geben tonnte. Dieser jedoch warf dem Unglücklichen nur kleine unbedeutende Bruchstücke hin, aus denen er nicht klug werden konnte. Der Hofrath betheuerte, selbst in das Meiste nicht eingeweiht zu sein, so sei er nament lich von der raschen Verlobung ganz überrascht worden. Vesan glaubte ihm freilich kein Wort, aber er that so, als bedauere er diese Unkenntniß, da doch Se. Hoheit der Herzog gewiß einen genauen Rechenschaftsbericht fordern würde. „Das glaube ich auch" bestätigte Eder, „da kann eben nur unser Herr helfen; er wird schon wissen, wann und wie er sich in die schöne Prinzessin verliebte." „Jawohl, eine unebcnbürtige Prinzessin, also gar keine Prinzessin in gewissem Sinne. Nie wird sie Herzogin von W . . ., das müssen Sie selbst zugeben." „In die Zukunft kann Niemand sehen, uud es kommt meist anders, als man sich es denkt. Warum haben Sie denn nicht Protest gegen diese Verlobung eingelegt, statt in aller Er- gebenheit dem Prinzen zu gratuliren? Ich glaube, Hoheit denken, Sie freuen sich ganz außerordentlich über das Ereigniß, deswegen will der Prinz Sie ja auch als Ueberbringer der frohen Botschaft nach H . . . . senden." „Reden Sie ihm das nur aus; ich könnt« mich jetzt am Hofe nicht sehen lassen. Geben Sie nur Acht, was das für ein herrliches Echo wird, das von H . . . . herübertönt!" „Besonders, wenn Sie mit einem gut gefärbten Bericht nachhelfen. Ich hatte Sie eigentlich gar nicht für so intriguant veranlagt gehalten. Können Sie denn nicht menschlich fühlen? Vermögen Sie dem hohen Herrn nicht das Liebesglück zu gönnen, das sich selbst der ärmste Mann erringen kann?" „Das sind nichts als humane Phrasen ohne Werth. Vor Allem mißgönnt Niemand dem hohen Herrn ein Liebesglück, aber Liebe und Heirath sind eben zweierlei Dinge. Der Prinz ist nicht der ärmste Mann und kann nicht die nächste beste Dame als Gemahlin wählen; er ist sich, seinem Stamm und seinem Lande etwas Anderes schuldig." „Das sind zopfige Vorurtheile, an denen man nur in Europa krankt; cs wäre für die Fürstengeschlechter nur gut, wenn endlich damit gebrochen würde. Uebrigens dürften Sie gut daran thun. über die Ebenbürtigkeit der Prinzessin Tscherkinsa nickt zu schnell den Stab zu brechen; es kommt schließlich ganz auf Se. Majestät an, welchen Rang sie dem Königssprossen zucrkennt oder wieder zurückgeben will." „Ach was, diese tscherkessischen Räuberbanden mögen ihren Häuptling einst König genannt haben, im westeuropäischen Sinne sind dies keine Könige gewesen." „Sie waren schon Könige, als die Großfürsten von Moskau sie sehr fürchteten und um ihr Wohlwollen sich bewarben." „Und dann arm, wie eine Kirchenmaus", fuhr der Graf fort, „denn die Güter der Prinzessin gehen, wie ich hörte, an die Saritzins über, falls die> Heirath zu Stande käme, was ja undenkbar ist." „Sie haben recht gehört. Ich habe mir aber sagen lassen, die Herzogin Aurelie, die Mutter unseres Herrn, soll nickt ein mal einen präsentablen Schmuck gehabt haben, als sich der Herzog mit ihr verlobte." „Aber sie war eine ebenbürtige Prinzessin und damit war Alles gut." „Die Ebenbürtigkeit ist also dec oiroulus viriosus, in dem wir uns ständig bewegen. Würde es Ihnen nicht genehm sein, ew Öderes Thema anzuschlagen; mir wird die ewige Eben bürtigkeit geradezu langweilig." „Sie ist der Cardinalpunct. Da ich nicht hoffen darf, von ^hnen speciellerc Auskunft, wie es gewissermaßen in der Ord nung wäre, zu erhalten, so muß ich eben meinen Pericht, so gut es geht, abfassen; ich kann dem Herzog nur versichern, daß ich an den Vorgängen unschuldig bin, daß man mich mit Absicht
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