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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011214021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901121402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901121402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-14
- Monat1901-12
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Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Nokizei-Änttes der Ltadt Leipzig. .Anzeige«-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Ls. Reclamen unter dem Redactionsftrich (4gespalten) 75 vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zissernsap entsprechend Yöher. — Gebühren für Nachweisungen nnd Ofsertenannohme 25 H (excl. Porto). Extra - Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung -/I 60.—, mit Postbesörderung 70 - . Ännalfmelchluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 837. Sonnabend den 14. December 1901. S5. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Kriegsminister BroSrick über die Aartseynng des Voercnkrieges. Aus Glasgow meldet der Draht, daß der Kriegsminister Brodrick daselbst in einer großen Versammlung der dortigen konservativen Partei in längerer, nut heftigen Ausfällen reichlich gespickter Rede sich darüber ausließ, wie die englische Regierung den Krieg in Südafrika fortzusetzen und mit den Boeren umzuspringen gedenke. Nachdem Herr Brodrick zunächst die Negierungsgegncr u»d vor allen Dingen den in letzter Zeit so überaus aktiven Führer der liberalen Partei, Sir Henry Campbell Bannermann, als Feinde de« Vaterlandes und Freunde der Boeren hingeslellt und in Grund und Boden verdonnert batte, gab er seinen Zubörern die etwas schattenhafte und billige Versicherung, daß die Regierung eine große Anzabl von liebeln, welche vieEhre und Sicherheit des britischen Reiches bedrohten, verhütet habe, daß diese aber nothwendigerweise in ihren Einzelheiten vor läufig noch geheim gehalten werden müßten. Im Uebrigen könnten gerade die Führer der Boeren das beste Zeugniß dafür ablegen, daß die englische Negierung und ihre Generäle in Südafrika sich ganz gewiß nicht in einem Zustande der Lethargie befänden. Des Weiteren nahm Brodrick Veranlassung, im Tone der edelsten Ent rüstung, den man bei ihm jetzt schon gewohnt ist, die in letzter Zeil in liberalen und radikalen Kreisen und Blättern discutirle Behauptung zurückzuweisen, daß Feldmarschaü Lord Roberts, als er seinerzeit Südafrika verließ, aus höheren Be fehl sich bereitgefunden habe, kraft seiner Autorität den Boerenkrieg als beendigt zu erklären, wofür er bann in England die bekannte Rangerhöhung und Geldbelobnung er halten habe. Daun erging sich Mr. Brodrick des Weiteren in schönen Phrasen über den Krieg in Südafrika und constatirte mit theatralischer Geste, daß „die Regierung, als sie vor zwei Jahren das Schwert zog, die Scheide desselben fortgeworfen habe", — daß „England vor Ausbruch des Krieges fünf Jahre lang unaufhörliche Insulten von Seilen des Präsidenten Krüger habe ertragen müssen, und daß im Uebrigen Gewalt und Gewalttbat die Quintessenz jeden Krieges sei, während die von den Engländern bisher in so hohem Maße bewiesene Mäßigung und Nachsicht sich als „blödsinnige" Schwäche herausgestellt habe. Das würde jetzt Alles anders werden und di« Boeren sollten finden, daß man ihnen nicht länger gestatten könne, das Völkerrecht ungestraft zu brechen, wie sie es bisher fast unauf hörlich getban hätten. DieseBoerenbauditen werben jetzt sehr bald sich vor einen kritischen Wendepunkt gestellt sehen, an welchem es sich entscheiden wird, daß wir sie nicht länger als kriegführende Partei bebandeln könnten. Unsere Regie rung wird sich in Zukunft mit keinen halben Maßregeln mehr abgeben, soweit die endgiltige Abwickelung ter ganzen Situation in Südafrika in Betracht kommt, und was neue Friedensverhanblungen anbetrifft, so stehen wir heute auf dem unerschütterlichen Standpunkte, daß dieselben nur noch von der Seile der Boeren auf Basis unserer ihnen längst be kannten Bedingungen auSgehcn können." Nach diesen energischen Erklärungen bemühte sich Herr Brodrick mit besonderem Eifer in der bekanuten Pbarfiäer- manier seine Zuhörer davon zu überzeugen, daß ber Krieg auf englischer Seite unter vollster Berücksichtigung aller Regeln des Völkerrechtes und der Civilisation geführt werde, während die Boeren und ihre Führer dauernd nichts Anderes thäten, als Schandthaten begehen nnd gegen alle Gesetze eines modernen Krieges sündigen. Bei diesem Thema verweilte der Kriegsminister mit besonderer Lebhaftigkeit und hatte sich ein angeblich unwiderlegbares stattliches Beweismaterial zusammengesuckt, um der ganzen Welt klarzulegen und die Ueberzeugung beizubringen, daß die Boeren besonders den armen Eingeborenen gegenüber sick die größten Greuelthaten zu Schulden kommen ließen. Lord Kitchener habe ihm Beweise dafür erbracht, daß in den letzten Wochen die Leichen von über 70 Kaffern, ZuluS rc. gefunden worden seien; und zwar meistens von Knaben und jungen Männern, die von den Boeren kalten Blutes ermordet wurden, und zwar nur zu dem Zwecke, um diese unglücklichen Burschen daran zu verhindern, den Engländern irgend welche Informationen zu geben. Natürlich leistet sich Herr Brodrick hier wieder eine seiner bekannten frechen Entstellungen, denn er wird ebenso wie Kitchener ganz genau wissen, daß die Boeren nur dann Eingeborene erschießen, wenn dieselben sich von den Eng ländern als Spione haben gebrauchen lassen. Brodrick muß sogar zugesteben, daß in einzelnen Fällen bei den Boeren eine kriegsgerichtliche Aburtbeilung der „ermordeten" Kaffern statlfand, aber solche Gerichte und deren Urtheile erkennt er natürlich nicht an, da dieselben seinen Schwindeleien den Boden entziehen. » DaS Kriegsamt veröffentlicht eine vom 13. Juli datirte Proklamation Kruitzinaer's, die man am 8. November an die Tbüre einer Farm im Bergriver-Tistrict gehestet fand. Kruitzinger erklärt darin, da die Annectirung bestimmter Distrikte der Capcolonie vom November 1899 noch in Kraft sei, sei kein Bewohner^ller dieser Distrikte berechtigt, Lebensmittel und Pferde iu die Städte und die englischen Lager zu liefern oder den Engländern über die Bewegungen der Boerentruppen Nachricht zu geben, wie es von den englischen Behörden verlangt worden sei. Die Proklamation bedroht jeden, der die Proklamation nicht be achtet, mit Einziehung des Eigentbums ober je nach dem Entscheid der Ossiciere Kiuitzinger's mit der äußersten Strenge des Gesetzes. Jeder Kaff r, der überführt werbe, daß er den Engländern eine Nachricht liefert, werde erschossen werden. * Wellington, 13. December. („Neuter's Bureau".) Der Premierminister von Neuseeland bat dem Äriegsamte telegraphisch weitere 1000 Mann sür den Krieg in Südafrika ange bot ea. Der Premierminister erklärte in einer öffentlichen Bei- iammlung, die Colonien seien ebenso entschlossen und bereit, dem Mutterlande zu helfen, wie zu der Zeit, als das erste Contingeat abgesandt wurde. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14 December. Eine ganz cigentbümliche Nolle spielt bei den Zolltarif beratbungen des Reichstags das Zentrum. Bekanntlich bat das Hobe Haus unter ber Führung vieler Fraktion auf die erste Lesung der Tarifvorlagc drei Tage mehr verweiltet, als nölhig war, und sich dadurch in die Nothlage verfitzt, im neuen Jahre die Elatsberatbung sehr zu beschleunigen. Man hatte nun wenigstens erwartet, das Eentrum würde in der zur weiteren Prüfung der Vorlage eingesetzten Com mission die Leitung in die Haub nehmen und hier die Berathnngen so zu fördern suchen, baß die zweite Lesung im Plenum sofort nach der Erledigung des Etats begonnen werten könnte. In dieser Erwartung wurde man bestärkt dadurch, daß die klerikale „Köln. Volkszeitung" kurz vor der Wahl der Commissionsmitglieder schrieb: „Die Coiumijsionsvorsitzenden werden nach einer gewissen Reihen folge von den Parteien vorgeschlagcn. Diesmal ist das Cenlrum an der Reihe, welches den Abg. Spahn Vorschlägen wird. Der selbe kommt einstweilen in dem Organ Les Bundes der Landwirthe gut weg: „Der Abg. Spahn ist, wie ihm auch seine Gegner zuge- slehen werden, ein tüchtiger Commissionsoorsitzender, der eine ge wisse entschiedene Art hat, die Berathungen in der Commission zu fördern und zu beschleunigen."" Und nun hat das Centrum den Vorsitz in der Zolltarif commission abgelehnt. Es will weder die Veraniworlung sür die Thäligkeit dieser Commission durch einen Mann aus seiner Milte übernehmen lassen, noch auch die Beratbungeu beschleunigen. Zum Vorsitzenden ist nun der bejahrte Herr v.Kardorsf gewählt, dei sich früher nicht zu unterschätzende parlamentarische Verdienste erworben har, aber jetzt kaum mehr die erforderliche Spannkiaft besitzt, um den schweren Ausgaben des Vorsitzenden der Zolltariscominission ge recht zu werden. Tie Aussichten aus eine beschleu nigte Tbätiakeit dec Commission sind dadurch wesent lich getrübt worden. Wiederum steht man also vor der Frage, waS das Centrum mit seiner Taktik bezweckt. Sind die Meinungsverschiedenheiten in fiinen Reiben noch so groß, daß es Zeit gewinnen will, um die Gegensätze zn überbrücken, oder hält es eine Verschleppungstaktik für geeignet, den ver bündeten Negierungen wieder einmal all oculo8 zu demonstriren, daß das Centrum zu guter Laune gebracht werden muß, wenn es solche an den Tag legen soll? Der Zeitpunkt wäre aller dings sür eine solche Beweisführung nicht übel gewählt, denn die Neichsregierung ist sichtlich wegen des Ausganges der Commissionöberatbung in Sorge und befürchtet, daß die CommisfionSbeschlüsfe in der Richtung der Verstärkung des Zollschutzes, namentlich für Erzeugnisse der Landwirth- schaft, über den Entwurf hiuausgeben werben. Tie „Berl. Pol. Nachr." veröffentlichen nämlich heute folgende Mahnung: „Hierin (in der Neigung eines sehr erheblichen Theils des Reichstags, die Zollsätze des Tarisentwurfs zu erhöhen) und in dem Gefühle der gewaltigen Ueberlegenheit, welches nach dem Ergebniß der Verhandlungen naturgemäß in der schutzzöllnerischen Mehrheck Les Reichstags besteht, liegt ohne Zweifel eine gewisse Gefah für den glücklichen Abschluß der Zolltariscampagne. Beide Momente könnten nur zu leicht dazu führen, daß aus erhebliche Aenderung des Tarifs im schutzzöllnerischen Sinne gerichtete Beßre- .bungell Aussicht ausV-rwirklichuug gewinnen Das ober wär- iw-ise'los fehröedenklich. Eniweder die jchutzzöllnerijcke Mehrheit ließe sich im Jnleresjr ihres festen Zusammenhalte»« bestimmen, solchen Bestrebungen nachzugebeu, dann käme entweder kein Zolltarif zu Stande, oder man würde, wenn demnächst auf Grund eines solchen Zolltarisentwurfs Handelsvertragsverhandlungen sich als aussichtslos erwiesen, zu einem schwierigen und nach allen Richtungen mehr als un erwünschte» Rückzüge genöthigt sein; oder aber der gemäßigte Theil der schutzzöllnerischen Mehrheit bliebe fest, und es käme dann zwischen ihm und dem auf wesentliche Verstärkung der Agrar zölle bedachten Flügel zu einer Spaltung, dann würde die schütz« zöllnerijche Mehrheit nicht mehr das zur Uebcrwiudung der Oppo sition ersorderliche Maß von Kraft besitzen. Die Tactik der Oppo- sition wird zweifellos dahin gehen, unter Zuhilfenahme der Geschäftsordnung dem Zustandekommen des Zoll- tarifs äußere Schwierigkeiten zu bereiten. Sie kann erfolg reich nur Lurch energisches Einsetzen einer starken und ge schlossenen Mehrheit durchkreuzt werden. Di« verbündeten Regierungen haben es an Deutlichkeit in der Präciiirung ihres Standpunctes und an Mahnungen zum Maßhalten nicht fehlen lassen. Noch am letzten Tage der Verhandlungen hat Graf Posa- dowsky, dem doch zweifellos volles Verständnis und liebevolle Fürwrge sür die Bedürfnisse der heimischen Production nachgerühmt werden müssen, es au den nachdrücklichsten Warnungen, den Bogen nicht zu überspannen, nicht fehlen lassen. Von dem Maß hallen und von der Verständigung der Mehrheit des Reichstages unter sich und mit den verbündeten Regierungen hängt jetzt der Erfolg ab." Da diese Mahnung zum Maßhalten sich selbstverständ lich zumeist an die maßgebende Fraktion des Reichstag« richtet, so sagt sie dieser auch, daß die Jnsp raioren der Mahnung genau wissen, wem sie deren Befolgung in erster Linie zu danken haben würden. Kein Wunder, wenn die Getreuen deS Herrn Dr. Lieber cS nun für zweck mäßig halten, die Negieiung so lange wie möglich in der Ungewißheit zappeln zu lassen und die Zwischenzeit zu tem Versuche zu benutzen, vor der Erneuerung unserer Handels verträge mit dem Aus lande einen Handelsvertrag zwischen Centrum und Regierung zu Stande zu bringen. Ganz so unschuldig, wie die „Berl. Polit. Nachr." behaupten, ist leider die Regierung nickt. Nickt einmal Graf Posadowsky ist, wie wir schon gestern betonten, den „Zuvielverlangenden" energisch genug entgegengetreten und alle übrigen Redner vom BundeSratbSNsche haben es noch Weit mehr an dieser Energie fehlen lassen. Das rächt sick nun und wieder einmal ist es das Centrum, da« aus dem Fehler den Vortheil zieht! Der Aerzer des Centrums über die politische Nieder lage bei der Polenvebatte zeigt sick u. A. in dem Ver langen eines Centrumsblatte«, die Geschäftsordnung des Reichstag« nack franzötisckem Muster abzuändern und eine Jnterpellai'on in Verbindung zu bnngen mit einer „Motion", die der Abstimmung des Reichstages unterworfen werden müsse und folgendermaßen lauten solle: „Der R icks tag, durch die Erklärungen der Regierung befriedigt lbezw. nickt befriedigt), geht zur Tagesordnung über." — Durch diese Verkoppelung einer Interpellation mit einem Besckluß- antrage möckte die Mehrheit der Negierung eine zahlen mäßige Niederlage beibriirgen in Fällen, in denen die Mehr heit eine politische Niederlage erlitten bat. Eine derartige Abstimmung aber bat wohl in Frankreich, nicht jedoch iu Deutschland einen Sinn. Denn in Frankreich muß das Ministerium zurücktreten, sobald die Kammer sick durch die Erklärungen der Regierung nicht befriedigt erklärt, iu Deutschland ist weder vom Rücktritte des allein verantwort lichen ReickSministerS, deS Reichskanzlers, noch von dem irgend eine- Staatssekretärs iu solchen Fällen die Rede. Zwischen Bayern und Württemberg bestehen von alterSber gewisse Antipathien, die in jüngster Zeit wieder etwas hervorgelrelen sind, und zwar durck Kundgebungen der beider seitigen Regierungen. Wenn der bayerische Mi ister- präsident v. Crailsheim bei Beratbung des Etats der bayerischen Post- uod Telegrapbenverwaltung im Finanz ausschuß der Abgeordnetenkammer das postalische Neservatrecht Bayerns betonte und ausdrücklich binzu- sügte, daß nur durck eigene Postmarken die postalische finanzielle Selbstständigkeit Bayerns gewahrt sei, so zielte er mit dieser Eiklärung nicht etwa nack Berlin hin, sondern nach Stuttgart. Man war in München nicht an genehm davon berührt, daß Württemberg in der Postmarken frage der ReichSpost ein ziemlich harmloses Zugestäntniß machte. In der Erklärung des bayerischen Minister präsidenten kam diese Verstimmung zum Ausdruck. Auch im Eisenbahnwesen bestehen Interessengegensätze, die, wenn sie nickt etwa gelöst werden sollten, ge eignet erscheinen, die gegenseitigen Antipathien zu ver- schäisen. Die begreifliche Neigung Württembergs, im Interesse seiner Eisenbahnen Anschluß an die preußische Verwaltung zu suchen, wird in Bayern ebensalls mißfällig bemerkt, und sollte in irgend einer Form ein lolcher Amckluß wirklich erfolgen, so Halle allerdings Bayern, wie dies in der Natur der Sache liegt, für seine EisenbahnertrLge Feuilleton. Die Marmorliebt. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. Noivtruck verboten. „So wird es gehen", rief Feodorowna fröhlich, „nicht wahr, Bacon, wir finden stets einen Ausweg? Sinv Sie «damit ein verstanden?" „Von Herzen gern!" „Schön; so verkündige ich denn hiermit feierlich, daß ich Ihre Werbung annehme. Kommen Sie, lieber Fmnz, küssen Sie Ihre Braut!" Der liebe Franz ließ sich das nicht zwei Mal sagen und küßte das blühende Mädchen herzhaft. Sie aber nahm fiinen Arm und sagte: „Nun zu der Tantle hinüber, die allerdings schon eine kleine Ahnung von der Sache hat, jedoch großen Zweifel hegte, daß Franz auf die Bedingung eingehen werd«. Wir dürfen sie nicht länger in Ungewißheit lasten." Die alte Frau segnete gerührt den Bund, sie wußte, daß sie Feodorowna nicht verlieren würde. Das erbprinzliche Paar gmtulirte von Herzen und gestand zu, daß man das Enrigniß nicht so rasch erwartet habe. Ge sprächsstoff hackte man infolge dieser Verlobung bis zum Beginn dec Tafel nun genügend; leider konnte man ihn nicht völlig auS- niitzen, da man mitten im besten Plaudern durch die Ankündigung eines Besuches gestört wurde. Die hereingebrachte Kart« zeigte den Namen Elimar Ernesti Der Prinz flüsterte dem Bankier eine Bemerkung zu, worauf dieser dem Diener sagte: „Führen Sie Herrn Ernesti nach dem dritten Salon." „Sie entschuldigen, Herr .von Weraschek, wenn ich Sie bitte, meinen wahren Rang vorerst nicht bekannt zu geben, weil Herr Ernesti mich nur al« Grafen Helmborn kennt uüd so vielleicht unbefangen interessante Aufschlüsse über manche Vorgänge in H . . . giebt. Allerdings müßte sich meine Frau Gemahlin einstweilen zu Frau von Weraschek htnüberbegeben. Später wird Herr von Weraschek die Güte haben, sie als Gräfin Bienheim vorzustellen, falls es nöthig wird." „Also ein Komplott", lachte Feodorowna, als die Erbprin zestin das Zimmer verließ. Herr von Weraschek ging nach dem dritten Salon hinüber und kehrte alsbald mit dem Bildhauer zurück. „Sehen Sie, Herr Ernesti", sagte der Bankier, „lauter alte Bekannte, die sich auch wieder einmal nach München verirrt haben!" „Ein grüß' Gott, Herr Graf; ah, ergebenster Diener, gnädigste Baroneste — und Sie, Herr Baron, auch hier?" „Wie Sie sehen, lieber Ernesti", nahm von Eder zuerst das Wort, „und ganz munter und wohl, wie Sie sehen; an so ein bischen Ungnade stirbt man nicht." „Weiß Gott", meinte Ernesti, „da wird allerlei erzählt. Sie sollen ja mit dem Erbprinzen, auf den sie jetzt All« in H . . . warten, wahre NäuberstückckM aufgeführt haben. Ist es denn wahr, daß man Sie des Landes verwiesen hat?" „Das ist buchstäblich wahr!" „Na ja, wus die auch Alles von mir erfahren wollten! Sie wissen doch, Herr Graf, di« Marmorbüste, die ich an den Herrn Baron schickte und die derselbe im erbprinzlichcn Palais unter bracht«, da Sie auf Reisen waren, also die erregte auch ihre Neugier. Man sandte eines Tages nach mir, zeigte mir die Büste, fragte, ob ich sie gefertigt, und «wen sie darstelle. Ich gab Aus kunft, der Wahrheit gemäß, da sagte so ein Hofschvanze, ich glaube, Dich hieß der Mann, zu einem anderen: Sehen Sie, Lieber, also damals schon, Kunststudien, fauler Zauber!" „Hören Sie, Baron", bemerkt« Frazzilo, „Alle« waS durch Ihre Hände ging, war verdächtig." „So muß es sein; idenn es kam mir wie ein Verhör vor, was sie da Alles von mir wissen wollten. Aber, nicht wahr, Herr Graf, Herr Baron, wir haben hier nichts Unrechtes getrieben; bisweilen ein bischen scharf gezecht, das ist Alles! Und als ich endlich die Geduld verlor, und die Hofschranzen fragte, was sie das ongingc und warum sie sich um solche Dinge kümmerten, da sagten sie, dem Baron sollte der Proceß gemacht werden. Das ist daun wohl auch geschehen, allein etwas Genaues hat man nicht zu hören bekommen, nur der arme Osenmann hat daran glauben müssen; sie haben den Mcmn ohne Pension davongejagt. Es wurde überhaupt in H . . . bald ungemüthlich. Wenn man irgendwo nur ein unrechtes Wort äußerte, gleich bat s der Dietz oder ein Awderer erfahren. Als ich mein Geld weg hatte, bin ich schleunigst nach dem Bahnhöfe gerannt und nach München gefahren. Als ich einmal sagte, di« Büste gehöre dem Grafen Helmborn und sei vom Baron nur einstweilen da-hin gestellt tvv» den, da leichten die Leutchen Wie toll, daß ich ganz wüthend wurde und rief: Na, der wird Ihnen schon einen Proceß an den Hals hängen, warten Sie nur, wenn er von seiner Reife zwrückkommt. Uy- da sind Sie nun, Herr Graf; ich würde mich ordentlich freuen, wenn Sic denen in H . . . einen tüchtigen Rechts anwalt schickten, es könnte den hochmütigen Fräcken nicht schaden!" „Vielleicht geschieht es noch mit der Zeit", meinte Frazzilo- „Verzeihen Sie, Herr Graf, wenn ich hier als Künstler eine Zwischenbemerkung mache. Sie sehen dem Erbprinzen nach den von mir gesehenen Bildern wahrhaft täuschend ähnlich, ich find' es wenigstens." „Sehr schmeichelhaft, Herr Ernesti", lachte Frazzilo, den solche Quiproquos höchlich cnnckisirten. „Dieser Erbprinz, dem ich ähnlich sehen soll, muß nach Allem, was man hört, ein schnei diger Herr sein." „Ist er auch", bestätigte Ernesti lebhaft. „Vor Allem hat er ein Mäldchen geheirathet, welches er wirklich liebte . . „Durfte er denn das?" „Er hat nicht erst ungefragt! Aber daher kommt ja der ganze Spectakel; der Herr Baron muß das besser wissen als ich; der hat den Erbprinzen begleitet." „Ah, das ist stark, Baron", rief der Graf mit erheuchelter Entrüstung, „warum erzählen Sie uns nicht« davon? Ich dacht«, Sie seien in Privatangelegenheiten gereist . . „DaS sind Dienstgeheimnisse, Herr Graf", bemerkt« der Baron mit feinem Lächeln. „Sie sind doch jetzt nichr mehr im Dienste dieses Hofes?" „Troßbem spreche ich darüber nicht." „Nun, Herr Baron", meinte der Bildhauer, „wenn Sie ge hört hätten, was diese Hofschranzen All«S über Sie gesagt haben, dann wären Sie nicht so feinfühlig." „So, lieber Ernesti", begann Frazzilo wieder, „der Skandal in H . . . ging wegen einer Dame los? LRerolrer Irr ckomm^, heißt's mithin auch hier!" „Was ich darüber weiß", erzählte der Künstler, „habe ich von einem Journalisten, Namens Trael, der den Herrn Baron auch kennt. Ob Alles wahr ist, was er mir berichtete, weiß ich nickt, aber es klang oft gar z,u romanhaft; auch möchte ick es lieber ein anderes Mal erzählen", fügte «c mit einem Seitenblick auf Vie Baronesse hinzu. „O, ich will nicht stören", sagte Feodora, „ich will einmal nach Tante sehen." „Nein, nein", unterbrach sie Franz lebhaft. „Ja, so, unser Ernesti weiß noch nichts! Hören Sie, die liebe, gute Baroness-, die uns in diesem gastlichen Hause schon so manche frohe Stunde bereitet hat und auch in Zukunft, so Gott will, bereiten wird, ist seit einer Stunde meine süße Braut." „Donnerwetter", fuhr Ernesti empor, „und das höre ich jetzt erst? Meine aufrichtigste Gratulation!" „Sie ließen ja Niemanden zu Worte kommen, Herr Ernesti", sagte Feodorowna. „Wahrhaftig, vor lauter Hofgeschichten. Gott sei Dank, daß ich wieder unter cmständigrn Menschen leben darf!" „Erlaubt es Ihre Zeit, Herr Ernesti", begann nun auch der Bankier, „heute unfir Gast zu sein? Sie müssen doch auf das Wohl des Brautpaares anstoßen. Die heutige, erste Feier ist ganz unter unS; nur eine Freundin meiner Nichte wird zugegen sein, di« Gräfin Blenheim, sie weilt augenblicklich drüben bei meiner Frau. Wie ist's, sind Sie frei?" „Ich bleibe; bei Ihnen weiß man «, daß eine Einladung von Herzen kommt. Da drüben in H . . . hätte mich so ein Lieg oder Bär, so ein Digges, Merrn oder Fahrer, und wie sie Alle heißen von der Partei der Herzogin, hundert Mal einlaben können, ich wäre nicht geblieben." „Da sind Sie wieder im schönsten H . . . schen Fahrwasser", scherzte die Baronesse. „Bei Tische müssen Sie sich dieses Themas mehr enthalten, denn unsere liebe Gräfin wird kaum viel Interesse für ihr völlig fremde Dinge haben!" „Aber ganz, wie Sie wünschen, gnädige Baronesse", stimmt« Ernesti bei, „ich dacht« nur, weil der Herr Baron in H . . . s.
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