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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.12.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011227011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901122701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901122701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-27
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dt» AbenbÄnSgav« Wochentog» «m » Uhr. Ne-«tto« «ud Lrprditto«: 8. Filialen: Alfred Hahn vvrm. v. Klemm'- Sorttm. UmversitiU-straße S (Paulimnn), Loutt 8-sche, Matchartnenstr. Part. »ad KünlgShlatz 7. Bezugs-Preis tz» der -«ptzqpedM« oder de« km Stadt» deatrk «d den Vororten errichtet«« Aus- ackrstÄl« »bgrholt: vterteljLbrlich 4.S0, bet äwetmaNger täglicher Zustellung ins Hau- 6.S0. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: viertrliährl. ^l 8. Maa abvanirt femer mit entsprechendem Postaufschlag bet dru Postanstalten in der Schweif Italien, Belgien, Holland. Luxem burg. Dänemark Schwede» und Norwegen, Rußland, den Douaustaate», der Europäischen Dickt, Egypten. Für all« übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition dies«» Blatt«» möglich. Lto MoraiwAusaabe erscheint um »/,7 Ub^ Morgen-Ausgabe. KiMgcr. TllgMatt Mzeiger. ÄAtsvratt -es Hönigttchm Land- IM- Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Motizei-Nmtes -er Lta-t Leipzig. Freitag den 27. December 1901«' Auzeigeu-Preis die 6 gespaltene Petitzeile LL Reklamen unter dem Redactionsstrtch (-gespalten) 78 vor de» Famtltennach- richten («gespalten) VS Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnannahme LS (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, oha« Postbtfärderung >il SO.—, mit Postbrfürdrrung ^l 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeige«: Abind-Lusgaber vormittag» ly Uhr. vrorge»-An-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. v«i deu Fllialen und Annahmestellen f« «ine halbe Stund« früher. Anzeige« sind stet» aa di« Expedition gu richt«». Die Expedition ist Wochentag-ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. SS. Jahrgang. Herzog Ernst -er Fromme. Ein Gedenkblatt zur Wiederkehr seines 300. Geburtstages. Von Pfarrer vr. Georg Berbia in Schwarzhausen bei Bad Thal i. Th. Am diesjährigen Weihnachtsfest feiern wir das Andenken eines großen Fürsten ans dem Stamme der Ernestiner, vielleicht oes größten seit dem Zeitalter der Reformation, Ernst des Frommen, der am 25. December des Jahres 1601 auf dem Schlosse zu Altenburg das Licht der Welt erblickt hat. Die Ge stalt diese» Mannes ragt nicht nur in politischer, sondern ganz besonders in religiös-sittlicher Hinsicht Uber die Grenzen des Lande», zu dessen Regiment er als Herzog berufen war, weit hin aus und es hat dieser edle, fromme Mann nicht nur das Leben der evangelischen Kirche, welcher sein volles Herz gehörte, eine hohe Bedeutung, auch die politisch« Tagesgeschichte wird an Vieser seltenen fürstlichen Erscheinung nicht ohne Theilnahme, ohne ehrerbietigen Ernst vorübergehen. Und dazu kommt, daß dieser Mann populär geworden ist, so weit die Thüringer Sprache klingt, wie kein anderer Fürst in deutschen Landen, und heute noch wie «in wahrer Vater seines Volkes geehrt, gelobt und ge liebt wird — denn unberechenbar ist der Segen, der seit jenen Tagen von ihm ausgeströmt ist zur religiösen und sittlichen Weiterhebung des Volkes, ja noch mehr, der heute noch greifbar und auch sichtbar daliegt in den verschiedensten Einrichtungen, Verwaltungen, Stiftungen, Vermächtnissen, mit welchen der fromme Fürst bei Lebzeiten seine Zeitgenossen und ganze Gene rationen beglückt hat. Herzog Ernst ist der erste deutsche Fürst, der mit der ganzen Energie einer evangelischen, christlichen Per sönlichkeit den Versuch gemacht hat, die Errungenschaften der Reformation am Leibe des Volkes praktisch und lebensvoll zu verwerihen, und das in einer Zeit politischer Auflösung und sitt licher Verwüstung, mitten im Dreißigjährigen Kriege. Ein Fürst der inneren Mission — nach d«r es eine solche dem Namen und der heutigen Form nach gab — hat er es verstanden, sowohl kirchen- als staatsregimentlich epochemachend und vorbildlich zu Wirken, indem er das Problem vom christlichen Staate in Wahr heit gelöst hat, und damit zugleich Mittel und Macht empfing, fein Land in verhältnißmäßig kurzer Zeit auf eine Höhe des Wohlstandes, der Gesittung, der Bildung vorwärts zu führen, die uns heute noch Bewunderung abzwingt. Als Urenkel des unglücklichsten aller ernestinischen Fürsten, des Kurfürsten Johann Friedrich's des Großmüthigen, und als Sohn des früh verstorbenen Herzogs Johann und der feinsinnigen Dorothea, einer anhaltinischen Fürstin, war Ernst in der Christ nacht des JahreS 1601, früh ein Viertel nach ein Uhr geboren worden. Mit besonderem Geschick verstand es die Mutter, die im Kinde schon frühzeitig sich regenden Fähigkeiten zu entwickeln und zu Pflegen. Man kann wohl sagen, daß Ernst wahre Gottes furcht und aufrichtige Frömmigkeit schon mit der Muttermilch eingesogen habe. Schon im vierten Lebensjahre erhielt der Prinz den ersten Unterricht unter Aufsicht des glaubensfesten Jenaischen Professors Hartleder, dessen Erziehungsideale waren: ein frommer Regent und ein tapferer Kriegsheld. Der Hauptgegenstand des Unterrichts war Religion. Letztere war gleichsam das Herz der ganzen Erziehung, und ein großer Theil de» Tages war mit der Lectüre der heiligen Schrift und der Bekenntnißbücher ausgefüllt. Des jungen Prinzen Aufmerk samkeit war ebenso groß, wie sein Fleiß, und schon frühzeitig offenbarte sich hier eine außerordentliche christliche Gesinnung, verbunden mit regstem Gebetseifer, ein hoher sittlicher Ernst, ge tragen von barmherziger Liebe. Wahre Frömmigkeit blieb auch der Grundzug des Herzogs durch sein ganzes Leben. Wird doch schon von dem Knaben erzählt, wie er sich in einem Weihnachts briefchen an seine Mutter gewünscht habe: Lieb' Mütterlein, bitt' doch das liebe Christkindlein, daß es mir «ine Bibel bescheere, damit ich alle Tage darinnen lesen kann, wie Du e» thust! Morgens wurde nach dem Gebet je ein Capitel des neuen Testaments gelesen. Die heilige Schrift sollte in der Jugend als ein hoher Schatz für das Leben liebgewonnen werden. So besaß der Mann, waS fich schon der Knabe erworben. Aber nicht nur als ein Glaubeniheld, auch als rin Kriegsheld im Kampfe für die evangelischen Glaubensgüter verdient Herzog Ernst heute gefeiert zu werden. Wenn er auch als ein friedlieben der Fürst den Krieg als «ine Geißel Gottes betrachtete und nur wider seinen Willen zum Schwert« griff, so zögerte er doch keinen Augenblick, Land, Volk und die eigene Person einzusehen, als es galt, in jener furchtbaren Zeit des Dreißigjährigen Krieges für die Sache des Evangeliums einen Wall aufzuwerfen und das, was die ernestinischen Fürsten vor ihm erkämpft und erstritten, auch unter Wunden und Blut zu vertheidigen. An der Seite seines Bruders Bernhard von Weimar focht Herzog Ernst ritter lich mit in Thüringen und Franken. Persönlich nahm er Theil an den Schlachten am Lech, bei Landshut, bei Nördlingen und bei Lützen unter der Führung des Schwedenkönigs Gustav Adolf, ja er selbst war es. der den von Halle aus heranstürmenden Reiterschaaren des General» Pappenheim die Spitze bot, Letzteren persönlich angriff, vom Pferde warf und den Sieg der Schweden, trotz des Unterganges ihres Königs, vervollständigen half. Wir sehr aber dem frommen Herzog nicht die Zerstörung de» VolkSglück», sondern vielmehr der Aufbau der Wohlfahrt auch der feindlichen Unterthanen am Herzen lag, geht au» dem miloen und heilsamen Instructionen hervor, die er für da» ihm nach Kriegirecht zugefallene Würzburger Land sofort nach Ueber« nähme der Regentschaft erließ. E» ist bezeichnend für die Toleranz de» Herzogs, daß er den ka tholischen Geistttchen oe» Stift«» Wurzburg den Eid d«r Treu« zwar abverlangte, doch mit ausdrücklicher Wahrung ihrer Ge wissens- und Glaubensfreiheit. Nicht minder schön kennzeichnet ein Au-spruch de» am 23. December 1634 nach Würzburg zurück gekehrten Fürstbischof» Franz Graf von Hatzfeld den edlen Cha rakter de» Herzog» Ernst: „Seine außerordentliche Sorgfalt und weise Sparsamkeit hätten da» Würzburger Land in einen besseren Zustand gebracht, al» wenn er e» selbst verwaltet hätte". Traurig sah e» freilich im eigenen Land« genug aus. Hier schienen alle Ordnungen, all« Zucht und Sitte gelöst zu sein, in Folg« der entsetzlichen Verwüstungen und Brandschatzungen nicht nur der Kaiserlichen, sondern auch der schwedischen zügellosen Soldaterka. Da» Wort de» 74. Psalm» hatte sich buchstäblich er füllt: „Da» Land ist allenthalben jämmerlich verbüket und di« Häuser find zerriss««". Di« Aecker lagen rum großen Theil un bebaut und wüst, di« Dörfer waren niedergebrannt und ent- völkrrt. wa» dir Hunger und da» Schwert vrrschont hatte, da wurde «ine Beute der gräßlichen Pestilenz. Im Dorfe Sichleben bei Gotha starben über 400 Menschen an der Pest, ganze Ort schaften waren vom Erdboden verschwunden. Friedrichroda war zur Hälfte niedergebrannt uni) mehrmals geplündert. In Netleben waren noch 17 bewohnte Häuser, 59 Häuser, 57 Scheunen und 90 Ställe waren verwüstet. Kein Ort in ganz Thüringen war von den Gräueln des Krieges ganz verschont geblieben, und im Gebietstheile des Herzogs Ernst sah es am traurigsten aus. Und doch sollte gerade dieser Fürst das auserwählte Rüstzeug Gottes werden, seinem Lande zu helfen wie rin zweiter Joseph. Charakteristisch sind seine eigenen Worte, die er später einmal im Testament an seine Söhne richtet: „Das Fürstenamt besteht nicht in großem Pompe und äußerlicher Anstalt, sondern vielmehr in ordentlicher Führung des Regiments und fleißiger, guter Auf- sicht, daß es im Lande allenthalben, sowohl in geistlichen als welt lichen Sachen, richtig hergehe, Gottes Ehre besonders, Jedermann gleichen und unparteiisches Recht ertheilet, schütz geleistet, das Gute belohnet, das Böse bestraft, und was sonst versprochen, fürstlich gehalten werde. Wenn diese Stücke wohl in Acht ge nommen werden, so bleibet die Reputation und Autorität nicht aus, sondern hängt als ein sonderlicher Segen an denselben." Zuerst wollte Herzog Ernst seinen Unterthanen geistlich ge holfen wissen, und hier zeigte er sich als ein Erzieher seines Volkes im edelsten Sinne des Wortes. Kirchen und Schulen waren nach seiner Auffassung die Hauptpfeiler eines wohl ein gerichteten Staates und so hielt er es für eine Hauptaufgabe, das im Kriege niedergegangene Glaubensleben nach Kräften zii^heben und zu fördern. Viele Geistliche und Lehrer hatten ihre Stellen verloren und waren aus ihren Gemeinden verjagt worden. So galt es, die zerstörten Kirchen, Pfarr- und Schulhäuser wieder aufzubauen, und die leeren Stellen mit neuen, jungen und brauchbaren Kräften zu besetzen. Ganz besonders kümmerte sich der fromme Herzog um das Seelenheil seiner Unterthanen. Die heilige Schrift stand im Mittelpuncte seines persönlichen Glaubenslebens. Sie war sein liebstes Buch, fein tägliches Handbuch. Selbst auf Reisen wurde es mitgenommen und der Herzog ließ sich aus demselben im Reisewagen einige Capitel vorlrsen. Mit allen Mitteln war er in der Folgezeit feiner ganzen Re gierung darauf bedacht, die heilige Schrift auf möglichst ein fachem, praktischem Wege dem Volke zugänglich zu machen. AuF der kleine Mann, der Bürger und Bauersmann, der Arbeiter sollte Gelegenheit haben, den Geistesschatz des Buches aller Bücher möglichst genau kennen zu lernen und zu verstehen. Bald nach Antritt seiner Regierung kam der Herzog auf den Gedanken, eine Volksbibelausgabr, „daß Jeder, auch der gemeine Mann, die darin sich befindenden dunklen Stellen gründlich verstehen und zu feiner Seelen Seligkeit desto besser gebrauchen möge." 29 sächsische und thüringische Theologen wurden beauftragt, die biblischen Bücher daraufhin zu bearbeiten. Unter diesen Theo logen befanden sich O. Johann Gerhard, Joh. Mich. Meyfarth und Salomon Glaß. Dieses in kurzer Zeit zu Stande gebrachte Bibeltverk fand in ganz Deutschland freudige Aufnahme. Die Prediger von Nürnberg verkündigten mit hoher Begeisterung von den Kanzeln der Kirchen das Erscheinen des Ernestinischen Bibelwerkes. War dieses literarisch« Unternehmen für die erwachsenen Glieder der Kirche berechnet, fo galt die Herausgabe eines anschaulich ge haltenen biblischen Geschichtswerkes vorzugsweise den Unmün digen und Kindern. Außerordentlich groß ist die Bedeutung des Herzogs für die Volksschule. Seine Schulreform ist epochemachend gewesen für die ganze Folgezeit und heute noch grundlegend im Herzogthum Gotha. Nicht nur materiell hob er den gestimmten Lehrcrstand durch eine zeitgemäße Fundation der Schule und der Uni versität Jena. Die Methode des Unterrichts zu reformiren war sein Hauptbestreben und es gelang ihm, Männer zu finden, wie «inen Reyher, einen Ratichiüs u. A., deren Ideen schon damals eine Umwälzung des ganzen Unterrichts ankündigte. Der von Reyher ausgearbeitete Schulmethodus ist die Grundlage geworden, auf dem in der Folge in ganz Thüringen und weit über dessen Grenzen hinaus, weitergebaut worden ist. Di« neuen Schul bücher wurden nach einer Verordnung jährlich jedem Schulkind« einmal unentgeltlich aus den Mitteln der Mildencasse verabreicht. War auch das Endziel des damaligen Unterrichts praktische Frömmigkeit auf Grund der heiligen Schriften und des Kate chismus, so wurden doch die „nützlichen Wissenschaften", besonders die Naturwissenschaften, reg« gepflegt, auch in der Volksschule, besonders aber auf den Gymnasien in den Städten. Die Mängel und Gebrechen der einzelnen Schulen lernte der Herzog genau kennen durch die sofort nach seinem Regierungs antritte befohlenen Kirchen- und Schulvisitationen, welche, jähr lich wiederholt, das sogen. Jnformationswerk bei den Jungen wie bei den Alten zeitigten. Gerade dieses letztgenannte Werk trug den Namen des Herzogs in alle deutsche Gauen, und zog eine ganz« Reihe wissenschaftlicher Persönlichkeiten in die Haupt stadt des Landes. Ueberaus groß sind di« Verdienst« Ernst's um di« evangelische Kirche. War auch sein Christenthum ein streng und eng con- fessionelles, so war der große Mann mit dem weiten und scharfen Blicke doch ganz ^dävon entfernt, intoleranten und engherzigen An schauungen zu huldigen. Er ist zum Reformator seiner Kirche im weitesten Ginn« geworden. ES ist doch bezeichnend genug, daß der «dl« Mann bestrebt war, mit den entferntesten Völkern in Verbindung zu treten, um für die Ausbreitung eines großen, aeisterfiillten Christenthumes wirken zu können. Es interesfirtea den Herzog ebenso sehr die Zustände der christlichen Kirche in Abessynien und Aethiopien, welch« trotz aller muhamedanischen Verfolgungen erhalten worden war, wie die Beschlltzung und Beförderung der kl«inen evangelischen Gemeinden in Moskau, deren Bestand sehr bedroht war. Ja, e» gewinnt fast den An schein, als hätte der Herzog ernstlich an die Evangelistrung de» ganzen großen russischen Reiches dabei g«dacht! Ebenso großartig gedacht, wie weise vorbereitet sind des Her zogs Unionsbestrebungen innerhalb der deutsch-evangelischen Kirche. Di« Einrichtung de» Collegium Hunntanum sollt« dazu dienen, einerseits „eine starke Vormauer, ein« feste Gegenwehr gegen die Feinde der evangelischen Kirche, insbesondere gegen die römisch - jesuitische" sein, andererseit» aber dazu dienen, „eine Beilegung aller Religionlstretttgketten innerhalb der evange lischen Krrchengemrinschcrften auf Grund der heiligen Schrift" anzubahnen. Ernst der Fromme war der Schöpfer der Idee von einer großen, allgemeinen, deutschen und internationalen Landes kirche, «ine» Corpus Evcmaelicorum, Aber beide Li«bling»pläne de» univ«rs«ll d«nk«nd«n Fürsten scheiterten in "der praktischen Ausführung an >den Gegensätzen der einzelnen Länder und an der Verschiedenartigkeit der in Frage kommenden politischen und persönlichen Verhältnisse. — Was aber der Herzog auf Schulen gelehrt und von würdigen Geistlichen auf den Kanzeln gepredigt wissen wollte, das lebte er, selbst wie ein Patriarch seines Volkes und ein Hoherpriestrr seiner Kirche, seinen Unterthanen als rin lebendiger Hüter des Wortes vorbildlich vor. Er ging mit dem besten Beispiele voran in der Erfüllung aller kirchlichen, gottesdienstlichen und sittlichen Pflichten, ein eifriger, ernstlicher Beter, in "dessen Familien leben, auf welches mir zuletzt zuriickkommen werden, keine Morgen- und Abendandacht fehlen durfte, als ein selbstloser und sich selbst beherrschender Mann, als ein Wohlthäter und Förderer aller christlichen Liebestbätigkeit, deren herrliche Früchte uns heute noch di« höchste Achtung, ja geradezu Verwunderung abzwingt. Es klingt fast wie ein Wunder, zu hören, in welch' kurzer Zeit es dem Herzoge gelang, Ordnung zu schaffen in den verwüsteten und beraubten Landen, dem Hunger und der Noth zu wehren, Arbeit und Verdienst zu erschließen, und trotz der theuren und geldarmen Zeit Schätze zu sammeln und Fonds zu stiften, welche dazu bestimmt waren, nach der verschiedensten Richtung hin materiellen oder sittlichen Nothständen abzuhelfen. In Herzog Ernst verehren wir den Begründer einer gesetzlich geordneten Waisen- und Armenpflege, denn er selbst war es ja, der am Tage des Friedens-Dank-Festes im Jahre 1650 zuerst 20 000 meißnische Gulden aus persönlichen Mitteln zur Stiftung eines Waisenhauses bestimmte, dessen Segen heute noch fortwirkt. Außerordentlich hohe Summen wandte der Herzog zur Er richtung weiterer frommer Stiftungen auf. Etwa 500 000 meiß nische Gulden wurden im Laufe seiner Regierungszeit dafür ver ausgabt. Als die Stadt Gotha zwei Mal hinter einander, in den Jahren 1646 und 1665, von Brandunglück furchtbar heimgesucht wurde, steuerte der gutherzige Mann zur Linderung der Noth aus eigenen Mitteln eine Summe bei, die sich auf 100 000 Thaler belief. Gleich beim Antritt seiner Regierung hatte er an das durch den Krieg ausgesaugte Landvolk unentgeltlich oder doch zu ganz niedrigen Preisen Saatkorn und Frucht austheilen lassen, damit die verwilderten Aecker und Ländereien wieder bestellt wer den m-sch^en. Ferner wurden den Bauern, „die sich selbst in brr spanwn nnd die Aecker umreisten mußten", Darlehen und Vorschüsse gegeben zur Anschaffung von Zugvieh, Pferden und Ackergcräthschaften. In der Stadt Gotha war ein Korn- und Fruchtmagazin angelegt worden, welches di« Einwohner mit billigem Getreide versorgte und dem Brodwucher steuerte. Die Armen- und Krankenpflege suchte Herzog Ernst auf dem Wege der Gesetzgebung zu ordnen, indem er es seinen Unterthanen zu einer Pflicht machte, bei fröhlichen Ereignissen, bei Taufen und Hochzeiten, der Armen zu gedenken. Bei all den feierlichen Gelegenheiten wurden die Armen gespeist, ja für die Aermsten im Lande wurde eine milde Stiftung gemacht, wonach jährlich über 2800 Gulden vertheilt werden mußten. Aus eigenen Mitteln gab der Herzog jährlich beinahe 1200 Gulden dazu. Noch wenige Jahre vor seinem Tode, am 15. Januar 1670, stiftete Ernst die große Fundation der Mildencasse von 142 000 Gulden. „Gott giebt's, der Fürst erspart's", war des Herzogs Antwort, als er einmal gefragt wurde, woher er denn die Mittel zu seinen reichen Stiftungen nehme- Herzog Ernst war eine sehr an spruchslose Natur, dabei aber sehr sparsam. „Nicht reiche Ein nahme, sondern sparsame Ausgabe macht reich", pflegte er zu sagen. Allen unnötbigen Aufwand, allen Luxus nannte er „einen unersättlichen Vielfraß". Lustjagden, Ballete, Komödien und di« in jener Zeit an fürstlichen Höfen sehr beliebten Feuerwerke kannte man in Gotha nicht. „Ein Fürst", so sagte er einmal, „welcher den Mangel vertilgen will, der muß die Mutter desselben, die Verschwendung, vertilgen." Und diesen Sinn für eine weise und gesunde Sparsamkeit suchte er auch bei seinen Unterthanen, ohne Ansehen der Person oder des Standes, zu jvecken. Einschneidend waren des Herzogs Verordnungen gegen allen übertriebenen Aufwand bei Familien festen, bei Hochzeiten und Taufen, sowie gegen den Luxus, der mit Kleidern und Schmuck bei Männern wie bei Frauen ge trieben wurde. Mit straffer Zucht ging der Herzog vor gegen das Laster der Trunksucht und Unzucht. Andererseits aber betrachtete er es als eine Pflicht des Gesetzgebers, die Besserung der Strafgefangenen anzustreben. Der Fürst ging persönlich zu den «Gefangenen und tröstete sie aus Gottes Wort. Auf seinen Befehl wurde die Tortur und Folter eingeschränkt. Besonders eifrig betrieb der Herzog die Heilighaltung des Sonntags. Mit fast puritanischer Strenge wurde die Sonntagsordnung in den Städten und auf dem Lande eingehakten. Sämmtliche Kaufläden, all« Bier- und Brannt weinhäuser waren während der Predigtzeit geschlossen. Tanz und Spiel war ebenfalls untersagt. Der öffentliche Kirchgang wurde jedem evangelischen Christen. Hoch und Niedrig, zur Pflicht ge macht. Trotzdem ober nun die ganze Sinnerrichtung d«S frommen Mannes und di« volle Energie eines 'wahrhaft überzeugten GtaubenSlebenS auf di« Wahrung der geistlichen Interessen und die Bethätigung der Lehren d«S Evangeliums hin gerichtet war, so fehlte es doch andererseits nicht an den mannigfachsten Ver suchen, auch die materiellen und sichtbaren Güter nach Möglichkeit zu fördern und die Entdeckungen, Errungenschaften jener Zeit, kurz, auch all« technischen Fortschritte für das Allgemeinwohl und für das Land nutzbar zu machen. In diesem Sinne war der Herzog im weitesten Sinne ein Mann deS Fortschritts, den Alle» interessirte, was auf dem Gebiete der Naturwissenschaften damals gezeitigt wurde. Ernst der Fromme war ein großer Naturfreund, dessen Herz am schönen Walde seiner thüringer Hetmath hing. Er war der Erste, den „thürrnger Rigi", den JnselSberg, durch Anlegung einer Straße für den Wanderer zugänglich zu machen; er weilte dort selber mit Vorliebe während einiger Sommertage im Kreise seiner Familie. Durch eine Art Zeichen-Telegraphie suchte der Herzog die beiden Gebietstheile in Thüringen und Franken zu verbinden, indem auf den höchsten Punkten der Berg« (Bürberg, Jnselsberg, Gleichberg, Heldburg u. s. w.) Stationen errichtet worden waren, welche sich durch eine Zeichen sprache verständigten. WaS der Herzog zur Hebung der Landwirthschaft gethan hat, das haben wir eingangs anqedeutet. Zu den großartigsten Unter, nehmungen jedoch gehört der Plan, welchen Ernst der Fromme zur Förderung de» Handel» in seinem Land« faßt« und zum Theil zur Aurfllhrung brachte: die Schiffbarmachung der Werra und der dadurch geschaffene directe Wasserweg von Thüringen bis nach Bremen an das Meer. Die verschiedenartigsten Versuch- wurden unternommen, diesen Plan zu verwirklichen. Da der Herzog überzeugt war, daß die Canalverbindung seinem Lande im Interesse des Handels und der Landwirthschaft von größtem Nutzen sein würde, ließ er kein Mittel dazu unversucht, ja, er er weiterte sogar noch den ersten Plan und versuchte, die Werra mit dem Main zu verbinden, um glrtchzeitig durch eine solche Canali sirung dem ersteren Flusse größere Wassermengen zur Schiffbar machuna zuzuführen. Beide Pläne scheiterten indessen, meist in folge der Schwierigkeiten, die sich aus den weitläufigen und um stündlichen Verhandlungen mit den benachbarten Staaten er- gaben. Ganz besonders große Verdienste erwarb sich der Herzog um das Bauwesen in seinem Lande. Ts war natürlich, daß sich nachdem Dreißigjährigen Kriege, der fast alle Kunstbauten der voraus gegangenen klassischen Epochen in Trümmer gelegt hatte, von Neuem der Baueifer regte, welchen >der Herzog durch zeitgemäße Bau Unternehmungen überall noch zu heben sucht«. Neben zahlreichen Kirchen- und Schulbauten war Ernst der Schöpfer des Schlosses Friedenstein zu Gotha, lvelches er an Stelle deS im Jahre 1567 zerstörten Schlosses Grimmenstein aufrichten ließ. Die Kirche des Schlosses wurde beim Bau zuerst angefangen. Die Inschrift, die Ernst ihr gab, über dem Portale war: „lsÜ8sI8". Diese Buchstaben waren vergoldet. Ein „Friedensstein" im wahren Sinne des Wortes war des Herzogs Schloß. Wenn die innere Mission des Evangeliums je ein Haus durchdrungen hat mit ihrer beglückenden, beseligenden Kraft, so war es der Frirdensstein mit seinen hohen, gesunden Gemächern, welche die Familie des Herzogs bewohnte. Achtzehn Kinder gingen aus der Ehe des Herzogs mit der alien- burger Prinzessin Elisabeth Sophia hervor, aber nur sieben Prinzen und zwei Prinzessinnen überlebten den Vater. Einzig dastehend in ihrer Art war die Haus- und Familien ordnung. nach welcher Ernst seine Kinder erziehen ließ. Ein Schriftsteller jener Zeit sagt: des Herzogs Hof sei einer Kirche ähnlich gewesen. Und ein gothaischer Dauer, der von einem Fremden gefragt wurde, was für einen Regenten sie «hätten, ant wortete: „Wir bab-n einen Fürsten von unserem lieben Herr gott." Ein Fürst von Gottes Gnaden, das war der fromme Herzog Ernst. Ein Fürst im Reiche der Liebe. Ein Fürst «der evan gelischen Kirche, welche er als den Sammel- und Brennpunkt wahrer und aufrichtiger Frömmigkeit betrachtete. Don hier aus schuf er sein? Liebeswerke, die sein langes Leben überdauert haben. Ist auch sein Leib längst verweset, sein Geist lebt noch fort, und das Bild des edlen Mannes leuchtet noch in unseren Tagen im engeren und weiten deutschen Vaterlande: „als ein treuer, auf Gott vertrauender Christ, als ein getreuer Patriot, als ein ge rechter und friedliebender Regent; mit einem Worte — soweit menschliche Schwäche es zuläßt —, als ein wahrhaft vollkommener Fürst." Urgeschichte -es Leipziger Theaters. Von Adolf Obermüller. Bei unserm heutigen Theaterwesen in Leipzig denken wir selten daran, aus wie unscheinbaren Keimen sich das Ganze entwickelt hat. Höchstens die Zeit von Goethe und Lessing fällt uns ein, im günstigen Falle auch noch die von Gottsched, wo die hiesige Bühne zwar auch noch — nach unserem Maßstade von heute beurtheilt — in ihren „Anfängen" stand, immerhin jedoch schon eine unzweifelhafte Bedeutung hatte, die volle Achtung bei der Bevölkerung und über di« 'Kreise der Stadt hinaus genoß, also in ihrer Existenz und Weitercntwickelung schon sicher war. Anders war es aber mit den Epochen, die diesem angedeuteten Zcitabschnittevorausliegen; diesesinduns weniger vorAugen und doch nicht minder interessant; bieten sie doch das Bild von einem Werdeproceß, der, mit einem unscheinbaren Steckling beginnens, aus dem man nicht den zukünftigen Baum vcrmuthen kann, lang sam zu einer gewissen Stetigkeit und Größe kommt; rin Werden proceß, ver, einem Wasser gleich, anfangs immer wieder als melancholisches Rinnsal im Wüstensand zu versiegen scheint und doch, sich kräftigend, zuletzt an ein Ziel kommt, wie man es vorher kaum nur im Traum sah. In der Urkunde eines gewissen Laurentius Faust: „Er klärung des Fürstl. Stammbaums aller Herzogen, Chur- und Fürsten, zu Sachsin u. s. w." findet sich eine Bemerkung des ^nhalts, daß 1513 und vorher „die gantze Historien vom Leiden, Sterben und Auferstehung Christi, zu Meißen, tn andern Städten mehr, sonderlich zu Leipzig, Hahn, und anderen Oertern dvleirniter agiret worden." Man kann hierbei an Aufführungen im Sinne der alten Mysterienspiele denken, wie sie ja allgemein die ursprünglichen Vorläufer unseres Dramas gewesen sind. Dann aber auch ist möglicher Weise unter „agiren" nur das Abhalten einer Procession zu verstehen, bei der di« Leidensgeschichte Christi vielleicht „mit vertheilten Rollen" ver lesen und mit allerhand symbolischen Handlungen begleitet wurde; also immerhin die erste Vorahnung dramatischer Dar stellung, wenn auch in ihrer Tragweite und Entwickelung« fähiakeit noch nicht zu erkennen. Ein Zeugniß von unzweifelhaft schauspielerischer Vor führung im heutigen Sinne datirt erst aus dem Jahre 1520. Es ist die lateinisch geschriebene — damals war Latein reden und Griechisch studiren das Wahrzeichen eines Gebildeten — ,Lomeäik navL (stulstoptwri llegeuckortii". Dies ist die erste urkundlich nachzuweisende theatralische Auf führung in Leipzig, ihr Verfasser, Christoph Hegendorf, der erst« au» unserer Stadt (wo er 1500 gehören ward), der ein Drama von literargeschechtlicher Bedeutung veröffentlicht hat. Er war ein Schüler de» bekannten Humanisten Petru» MosellanuS, der von seinem Geburtsort Bruttig an der Mosel schließlich 1517 alt Professor der griechischen und lateinischen Sprache an unsere Universität gekommen war; der Männer wie Tamerarius, Lruciger, Trotzendorf gebildet hatte und mit geistioen Größen wie EraSmu», Reuchlin und Hutten Im Ver kehr stand. Von ihm wird denn auch Hegendorf den Sinn für dir Alten bekommen haben; allerdings in welchem Geschmack dieser Dramatiker ihn bethatigte, ist vrellricht weniger auf Rech nung de» LehrerS ru setzen. Etwa? Komisches ^t die Hegendorf'sche „Komödie", leider aber in ganz anderer Pedeutung und an ganz anderer Stell«.
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