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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011228027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901122802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901122802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-28
- Monat1901-12
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Jahrgang. 0 L «l 25 ooo i»tr» 2 2 2 2 2 >50 75 Xw rw 2 2 5 722 »25 725 S22 t25 soo toll 425 320 2 r»dn 225 110 025 825 «85 8 cktr» 74/12) orto, ontd, rdi»- t.) 1. iS/12) » in rur», 25^2) a, in , von Low" >2 .2 2 »2 >0 02 75 50 75 50 >50 WO 125 .20 >10 142 !22 30 ,25 »5 ,70 . 0». or«n. ooo. .0 12 ,5 ,5 0 Y »r, iw L- tlS rs >«> Der Krieg in Südafrika. Die National-Trout». Ein Holländer, der sechs Monate in den Concentrationslagern zugebracht hat, Macht jetzt nach seiner Rückkehr im „Amsterdamer Handelsblatt" Nähere Mittheilnngen über die auf englischer Äite rtN Verbände der Rational - Scouts kämpfenden Boeren, denen Man schlechthin den Namen „Ve r r ä t h e r c o r p s" ge geben hat. Obwohl dies« Bezeichnung klar genug di« Verachtung kennzeichnet, die die patriotischen Boerrn für die boerischen Frei corps in englischen Diensten hegen, macht der genannte Holländer doch ein«n Versuch, sie zu entschuldigen. Er meint, man habe kein Recht, von Verrath zp sprechen, ebenso wenig anzunehmen, daß diese Boeren aus Erbitterung über die Fortsetzung des doch nutzlosen Widerstandes ihrer Landsleute in den Reihen der Eng länder kämpften. Viele Boeren hätten nach dem Einmärsche der Engländer in den Oranjefreistaat und Transvaal die Waffen freiwillig niedergelegt. Später seien diese in die Concentrations lager gebracht worden. Dort sei es sehr schmal hergegangen, das mitgebrachte Geld sei bald ausgegeben gewesen, während die verabreichten Nahrungsmittel qualitativ und quantitativ unge nügend gewesen seien. Da keine Gelegenheit vorhanden gewesen sei, etwas zu verdtenen, und die Sorge für die darbenden Frauen und Kinder alle anderen Rücksichten beherrscht habe, so hätten viele dieser Boeren das Anerbieten, in englischen Dienst zu treten, angenommen. Aber man hätte ihnen ausdrücklich zugesichert, daß sie nicht gegen ihre Landsleute, sondern nur als „onttle- rnnxers" Dienst thun sollten, d. h., um das den Boeren abge nommene Vieh an seinen Bestimmungsort abzuliefern, oder zur Bewachung von Brücken u. A. Verwendung finden sollten. Diese Darstellung, so bemerkt hierzu die „Köln. Ztg.", bedarf der Richtigstellung. Zunächst fehlt es in den riesigen Conoentrations- lagern keineswegs an Arbeitsgelegenheit. Die Engländer haben genaue Bestimmungen aufgestellt über die Bezahlung der dringen den Arbeiten. Aber freilich, die Herren Boeren in den Lagern, unter denen ja viele der reichen Cbafse angehören, hielten sich zu gut dafür. Ferner ist das Anerbieten, Dienst zu nehmen, nicht von englischer, sondern von boerischer Seite gekommen, und der britische Obercommandirende hat lange geschwankt, ob er diese ehemaligen Feinde «instellen solle, bis er sich nach den an fänglichen guten Erfahrungen dazu entschloß. Auch wird aus drücklich hervorgchoben, daß die National - Scouts aus reichen Boeren beständen, von denen man also annehmen darf, daß sie nicht gedarbt haben. Endlich ist die Art der Verwendung durch die Bezeichnung Scouts genügend klargestellt; Scouts sind Kundschafter und werden im Anfklärungsdienste gebraucht, und gerade als solche sind di; Boeren bei ihrer Geländekenntniß von besonderem Wertste, llebrigens waren auch die harmlosere Beschäftigung als Viehtreiber und der Nachtdienst an Brücken und sonstwo, wenn auch vielleicht unblutig, so doch feindliche Handlungen gegen die eigenen Blutsverwandten. Es muß also bei dem Urtheile bleiben, daß diese Nationcrl-Scouts Verräther an ihrer eigenen Sache sind. Der Holländer muß denn auch zu geben, daß 'bei einzelnen Boeren auch andere Beweggründe aus schlaggebend gewesen sind, z. B. der Wunsch, 'dem nutzlosen Blutvergießen ein schnelleres Ende zu bereiten. Einen ganz be sonderen Beweggrund hatte nach diesem Gewährsmanne Jan C elliers, früher einer der hervorragenderen Führer der Boeren, außerordentlich tapfer,aber von einer Leidenschaftlichkeit, die ihm in seiner Jugend eine schwere Gefängnißstrafe zugezogen hatte, weil er «inen gefährlichen Feind mit seinem Taschenmesser förmlich massacrirt hatte. Wenn irgend ein Bo«r die Engländer tödtlich Fruttletsn. Gräfin Leszek. Ivj Roman von Heinrich Lee. Nachdruck rcrbowu Auf Zombkowiköwa hieß es, die Frau Gräfin weile mit Frau Camilla noch in Paris. So hatte es der gnädige Herr selbst ge sagt. Aber in der Dienerstubc wurden über die Frau Gräffn allerhand Geschichten geflüstert. Denn warum sah der gnädige Herr so verwandelt aus? Warum sprach er mit Niemand mehr ein Wort? Warum schloß er sich oft stundenlang ein, ohne daß man erfuhr, was er in seiner Einsamkeit that? Als Misko zurückkam, fand er auf seinem Schreibtisch einen Brief mit einer Unbekannten Handschrift. Der Brief enthielt nur drei Zeilen. Einige Minuten später tönte aus seinem Zimmer die Klingel. Der Kammerdiener eilte herbei und bei dem Anblick seines Herrn überfiel ihn ein Schreck. Der gnädige Herr sah bleich und fahl wie eine Leiche aus. „Ich verreise wieder", sagte er — „packen Sie wieder meinen Koffer." Achtes Capitel. St. Petersburg lag im Schnee. Zwischen den weißglänzenden, goldfunkeluden Palästen zog sich vie gefrorene Newa hin wie ein stahlblaues Band. Durch die breiten Straßen schossen die ein- und zweispännigen Schlitten mit dem hochgeschweiften Krummholz und auf dem Newski- Prospect, vorbei an den Spiegelscheiben der großen Magazine, der Frachtgeschäfte, i„ denen AnanaS, Granaten, Trauben und Pfirsiche auslagen, der Buch- und Kunsthandlungen — nur die Caf4s fehlten — drängten sich, während auf dem Fahrdamm mit klingendem Spiel ein Regiment Gardekosaken einhergeritten kam, elegante Damen und Herren, Officiere, Polizisten, laute Straßenverkäufer, jugendliche, in Uniform gekleidete Schüler und Schirmtappen tragende Kaufleute. An den Anschlagtafeln prangten große bunte Placat«, die Placate des Cirku» Ciniselli. Man sah darauf das verlockende Bild einer schönen Reiterin und eines Reiter», welche di« un glaublichsten Produrtianen machten, und darunter stand in mächtigen, weithin leuchtenden Buchstaben: Mademoiselle Sisi und Monsieur Leonard! Erstes Auftreten! Luch die Zeitungen hatten von dem Debüt de» berühmten Kilnstlerpaare» bereit» genügend Notiz genommen. Der Cirku» gehaßt Hai. dann ist es Jan Celliers gewesen, aber eben dieser Haß, oder vielmehr die Rachsucht machte ihn auch zum grimmigsten Feinde der Boeren. Zwei seiner Söhne befanden sich im Com- Mando von Beyers, der diese, wie es hieß, wegen Feigheit vor dem Feinde mt längerer Haft bestrafte. Dec alte Celliers war wllthend, und von diesem Augenblicke an hatte er kein anderes Verlangen, als den Commandanten Beyers „zu fangen und niederzumachen". Nur deshalb ist er in englische Dienste ge treten, indessen ist ihm das Schicksal doch nicht zu Willen gewesen, denn wenn sich die vor etwa acht Tagen empfangene Nachricht bestätigen sollte, dann wäre Jan Celliers mit acht seiner „Mit- berräther" gefangen genommen und auf Befehl Ben Viljoen's er schossen worden, so daß er also seine Rache mit in's Grab nehmen mußte. Nach der Aussage einer eben erst aus Südafrika zurück gekehrten holländischen Lehrerin, Fräulein Van Breugel, sollen bereits vor zwei Monaten 13 Mann vom Corps Cellier's in Delavey's Hände gefallen sein, der sie in Wollmaransstad habe aufknüpfen lassen, weil „eine Kugel für sie noch zu gut gewesen wäre". Wir meinen, man wird gut thun, sein llrtheil Wer die „Verrätstercorpk" zurückznhalten. bis unanfechtbare Nachrichten darüber zu haben sind. Nach „Reuter's Bureau" sollen massen haft Boeren in die National - Scouts «ilen, aber man weiß, wie sehr diese Quelle bemüht ist, den guten Ruf und die Ehre der Boeren zu diScreditiren. Amtliche englische Meldungen stimmen damit nicht überein. * Ttandcrton, 27. December. („Reut«r's Bureau.") Die Verlust« einer Abtherlung der berittenen Infan terie unter General SPen er, welche im Bezirke Ermelo von den Boeren überrascht wurden, betrugen 10 Todte und 15 Verwundete. politische Tagesschau. * Leipzig, 28. December. Die warme Zustimmung, die der Kaiser vorgestern in Gotha der von dem Regenten Prinzen Hobenlobe- 8 ar gen bürg gegebenen Anregung zur Einigung der evangelischen Kirche» Deutschlands bekundet bat, wird nur in einem kleinen Tbeile der deutschen Presse besprochen und leider in einem noch kleineren mit dem »Listigen Verständnis. Dieses gebt z. B. dem „Hamb. Corr." ab, der erklärt, der Klang der kaiserlichen Worte sei so herzlich, daß es schwer falle, auch nur einen leisen Widerspruch zu erheben, und der dann den folgenden Widerspruch erbebt: „Immerhin können wir nicht unterlassen zu bemerken, daß der in mancher Beziehung sicherlich beklagens werthe Zustand der Zersplitterung auf dem Gebiete des protestantischen KirchenthumS in Deutschland auch sein Gutes hat. Man braucht nur daran zu erinnern, daß z. B. der in Osnabrück gemaßregelte Pastor Wein gart in Bremen, wo ihm wenigstens zeitweise eine Wirkungs stätte bereitet worden ist, keineswegs zur äußersten Linken, sondern weit eher zu der kirchlichen Mittelpartei gerechnet werden müßte. DaS ist einer der kleinen Beweise dafür, daß die zahlreichen Sonderorganisationen, in die die evangelische Kirche Deutsch lands zerfällt, zugleich eine gewisse Garantie für die Wahrung des protestantischen PrincipS der Freiheit enthalten." Bei diesem Widerspruche hat der „Hamb. Corr." ganz und gar übersehen, daß der Kaiser selbst den Gedanken an Ciniselli machte in diesem Jahre, wie immer, in St. Petersburg Wieder brillante Geschäfte. Ausverkaufte Häuser waren an der Tagesordnung und auch heute Abend war er wieder bis auf das letzte Plätzchen gefüllt. Was dem Cirkus Ciniselli in diesem Winter bisher gefehlt hatte, war eine hübsche Forcereiierin. Namentlich die ledige Herrenwelt war damit unzufrieden und hatte der Direction auch bereits eindringliche Klagen darüber zugehen lassen. Unter der Künstlcrschaar des Cirku» Ciniselli befanden sich allerdings zwei sehr gute derartige Reiterinnen, zwei Schwestern, die unter der FUHrüng ihres Vaters nun schon seit drei Saisons jeden Abend sich producirten, aber sie waren eben nicht hübsch und dabei furchtbar mager. Gute Forccreiterinncn sind rin rarer Artikel und hübsche erst recht. Leonard besaß von früher her ein „Photo" von Sisi. Daraufhin und auf Grund einer Samm lung von Zeitungsausschnitten, dir er aus ihrer gemelnschaft- ltchrn Künstlerlaufbahn sich aufgehoben hatte, war cs ihm ge lungen, das Engagement mit Ciniselli sofort perfect zu machen. Die Vorstellung l-atte bereits begonnen. Leonard saß in seiner Garderobe, einem länglich schmalen Raum, die kahlen weißen Wände mit Costümen und Requisiten behängt, an deren einer ein ebenso langer und schmaler, mtt Schminktöpfrn und sonstigen Loilettenutensilien bedeckter Tisch entlang lies. An diesem Tische hatte jeder Künstler seinen re- stimmten, an der Wandfläche durch seinen Namen bezeichneten Platz. Leonard ließ sich frisircn. Er saß da mit entblößtem Oberkörper, denn ein Hemd trug er bei der Vorstellung grund sätzlich nicht, ein Hemd brachte nämlich nach seiner Ueberzeugung, die auch von vielen seiner Kollegen getheilt wird, bei der Vor stellung Unglück. Außerdem halte er sich mit dem Director vorhin gezankt — er hatte den Zank direkt vom Zaun gebrochen — denn Zank mit dec Direction bei einem Debüt bedeutet für den betreffenden Künstler Glück. Uebrigens halt« Leonard auch allen Grund dazu gehabt. Er hatte die Placate gesehen, sein Bikd — und er fand sich darauf entstellt. Er war ein schöner Mensch, der Lithograph aber hatte eine Vogelscheuche aus ihm gemacht. Wenn das nicht sofort geändert würde, so hatte er der Direction gedroht, dann breche er das Engagement ab — und di« Direction wußte sehr wohl, daß er dann auch Sisi mit sich nehmen würde. Sich Alles von der Direction gefallen zu lassen, wie in seinem letzten Pariser Engagement — daS hatte er nun gottlob nicht mehr nöthig. Leonard war gespannt. Er war darauf gespannt, ob der Brief, den er nach Zombkowikowa geschrieben, seine Wirkung gethan hatte. Er hotte Sisi's Gatten darin mitgetheilt — natür lich anonym — daß Sisi heute Abend, und zwar hter in St. Petersburg, zum ersten Male wieder vor» Publicum treten eme Beschränkung der Freiheit der cinzelnen Kirchcn mit den Worten abgelehnt bat, es liege ihm fern, auch nur in Wünschen und Hoffnungen der Selbstständigkeit Anderer zu nabe zu treten. WaS er und gleich istiu Prinz Hohenlohe-Langenburg berbei- sübren Helsen möckte, ist zunächst eine äußere und nach außen sich richtende Zusammenfassung der evangelischen Kirchen, welche von selbst allmäblich zu einer inneren Annäberung fübrt, die Fälle wie den Fall Wcingart zu immer größeren Seltenbeiten macht. So fassen denn auch die „Hamb Nachr." die Kundgebung des Kaiser« auf. Sie weisen darauf bin, daß der Kaiser durch die Betonung der notbwendigen Selbst ständigkeit der einzelnen Kirchen die Schwierigkeiten an- gedeutel bat, die einer inneren Annäherung noch weit mehr als einer äußeren Zusammenfassung entgegenstchen, und kommen zu dem Schlüsse: „Wie aus politischem Gebiete in der Eigenart d>r deutschen Stämme und ihrem zähen Festhalten daran eins der stärksten Hindernisse der nationalen Einigung zu überwinden war, so stehen aus c o n f e s si o n e l l e m der Einigung der verschiedenen evangelischen Kirchen analoge Widcrstände entgegen. Jede Kirche hält an ihren Dogmen und Formen streng fest, erblickt in der Abweichung der anderen Kirchen Fehler, wenn nicht Glaubensirrtbümer, und ist für Compromisse, ohne die keine Ein heit zu erreichen ist, nur schwer zu haben. Deshalb wird man auch die Wirkung der kaiserlichen Worte in Gotha bei aller Wür digung ihrer Gewichtigkeit nicht überschätzen dürfen. Jedenfalls aber kann der Kaiser darauf rechnen, daß seinem Gedanken die Zustimmung aller vernünftigen Leute innerhalb der protestantischen Welt zu Theil wird." Dann Weist daS ehemalige Organ des Fürsten Bismarck noch auf etwas Anderes hin, was in der That Beachtung fordert: „Wie die katholische Presse diese kaiserliche Kundgebung vermerken wird, darauf darf man einigermaßen ge spannt sein. Der Umstand, daß das deutsche Reich eine protestantische Spitze hat, macht den Anhängern der intransigenten rvmijch-katholüchen Kirche den Kampf gegen dasselbe unter allen Umständen zur Pflicht, wenn aber gar die prote stantische Spitze in einer für Rom empfindlichen Weise hervortritt, wie dies in Gotha der Fall gewesen zu sein scheint, so darf man sich darauf verlassen, daß von nltramontaner Seite darauf lebhaft reagirt wird. Denn wenn der deutsche Kaiser den Gedanken einer Einigung aller protestantischen Kirchen Deutschlands neu anregt, so wird der Kaiholicismus dies, einerlei wie der Kaiser die Sache anfgefaßt wissen will, als Aufruf zu einer Einigung hinstellen, die sich eo ipso nur gegen die römische Kirche richten könne. Unsere Römlinge sind geschulte Dialektiker und werden sich diese Gelegen heit. den Eifer der Katholiken anzuregen, schwerlich entgehen lassen. Freilich kann die Sache auch anders kommen; das hängt davon ab, inwieweit das Cenlrum als „regierende" Partei der jetzt bestehenden Situation das Bedürfniß entnimmt, oder nicht ent nimmt, über die Neußerung deS Monarchen stillschweigend hinweg, zugehen. Bon dem entsprechenden Einflüsse auf die katholische Presse wird eS dann abhängen, welche Stellung diese einnimmt." Zm Grunde könnte es ja gleichgiltig sein, wie dic klerikale P esse sich äußert, wenn nicht bekannt wäre, baß gewisse sehr einflußreiche Kreise, die mit den politischen Machtmitteln des Centruin« zu rechnen würde. Und zwar nicht allein. Sie hätte sich einem früheren Collegen an den Hals geworfen. Wenn der Herr Graf sich über zeugen wolle, dann brauche er blos zu kommen. Leonard hing, während der Friseur ihm eben den Scheitel zog, seinen Calculationen nach. Ohne Sisi's Mann irgenowie näher zu kennen, sagte er sich doch von ihm, daß er sie suchen und nach einer solchen Mitthcilung ihr auf der Stelle Nachreifen würde. Dann mußte es zwischen diesem Manne und Sisi zu einem Zusammenstoß kommen, ver Augenschein war gegen sie, einer etwaigen Verkheidigung von ihrer ^eite konnte er natürlich nicht glauben und alles Uebrige ergab sich von selbst. Dieser Mann würde sie verstoßen und Sisi, hilflos wie immer, würde dann wieder ihre alte Zuflucht suchen — bei ihm, der als ihr Lehrer auch die begründetsten Ansprüche an sie hatte. Sollte es dem Herrn Grafen gelüsten, etwa mit ihm selber anzubinden — nun davor fürchtete Leonard sich nicht. Mit Camilla hatte er darüber nicht gesprochen, er traute ihr nicht. Das Ergebniß mußte sein: Sisi wurde aus einer Gräfin Leszek wieder die Sisi, dic sie gewesen war — und seine Frau. Der Friseur war mit seiner Arbeit fertig. Als er gegangen und Leonard in der Garderobe nun allein war, zog er aus einem Koffer, den er unter dem Tische flehen batte, einen kleinen, glänzenden Gegenstand hervor, dem Aus sehen nach eine silberne Münze, «in AmUlet mit dem Bildniß seines Namensheiligen, und hing e« sich um den HalS. Dann zog er den Cochat Uber den Rumpf und nun war er fertig. Hierauf legte er seinen Paletot an und ging hinaus nach dem Stall, um nach den beiden Pferden zu sehen. Gegenüber den Herrengarderoben lagen die für di« Damen. Inmitten großer Wolken von herumliegenven TUllkleidern, Shawls und anderem bunten Flitter, der nachher für das Ballet gebraucht wurde, war auch Sisi jetzt damit beschäftigt, sich anzu kleiden — oder vielmehr sich von Camilla ankleiden zu lassen. Es war ein hübsches rosa Kleid, was ihr Camilla anzoq, aber Sisi halte kein Auge dafür. Sie war so blaß, daß ihre Bläffe selbst durch die röthe Schminke drang, die Camilla mit der Hasenpfote in reichem Maße auf ihren Wangen aufgekragen hatte. Der große Abend war gekommen, aber Sisi jubekte nicht. Ganz anders Camilla. Sie schwamm wieder im gewohnten Wasser. Ihr war wohl und behaglich zu Muthe. Sie zog von Sisi's Corset den seidenen Schnürsenkel durch das unterste, das letzte, Loch und sagte dann: „Wissen möcht' ich blos, wa» Du hast. An was Du denkst. Warum Du nicht den Mund aufthust." Woran Sisi dachte? Ein Bouquet von weißen Rosen lag auf dem Lisch. E» haben, jede „Verärgerung" der ausschlaggebenden Partei und ihrer fresse zu verhüten ober durch ci:>e „BersöbnungSlhal" aiiszulöschcn versucben. An solchen Ver suchen wird e« auch diesmal nicht fehlen; sollten sic gelingen, so würde sich die evangelische Einheitsbewegung mit tcr Sympatbie de« Kaisers begnügen müssen, während bec UltramontanismuS sick eines greifbaren Vorthcils ersrcnen dürfte. Das Centralorgan der soctaldcmokrntischen Partei bat, wie zu erwarten war, daß Weihnachtssest vazu benutzt, tie Lage der deutschen Arbeiterschaft im schwärzeste» Lick'!e erscheinen zu lassen; nicht nur der Leitartikel, sondern auch Notizen in allen übrigen Tbeilen deS „Vorwärts" diene» der Absicht, das Jnteress- ter Partei durch Verbctziiiig tcr Massen zu sörtern. Wer Gelegenheit hat, einen Blick in die von Arbeitern besuchten Vergnügung«- und Sckanklocale zu werfen, muß sich sagen, daß es so schlimm nicht sein kann, wie der „Vorwärts" glauben macken will. Aber auch daS socialtemokratiscke Centralorgan selbst trägt zur Kritik seiner Uebertreibungcn bei, wenn anck nicht in seinem redactionellen, so tock durch seinen Anzeigen- tbtile. Tabei legen wir gar kein Gewicht aus die überans zahlreichen Anzeigen von Vergnügnngslocalen aller Art, tie sicherlick nickt im „Vorwärts" inserirt wären, wen» nickt vie Eifahrung lehrte, daß sie da« Arbeiterpublicum beran- zieben. WaS tie wirksamste Kritik der Tenvenzsckilderun.gen teS „Vorw." ausmacht, sind die von der soc i a l demo kr a t i sck e n Partei selbst veranstalteten Festlichkeiten und Vorstellungen. ES würde zn weit führen, alle die Veranstaltungen aus;»- zählen, die im 6., 2., .1, 4. Berliner ReickStagSwaktkreise von den socialdeniokiatiscken Parteiorganisationen und ihre» einzelnen Gruppen wäbrend der Feiertage getroffen Worten sind, um die „Genossen" zu «nterbalten: eS >ei in dieser Be ziehung auf die I. Beilage der MittwockSnunnner de« „Vor wärts" verwiesen. Als bezeichnende Einzelbeit aber sei hervorgeboben, daß die Musikinstrumenten-Arbeiter ibr Weih- nachtsvergnllgen am „dritten" Feiertage, vie Parketbotentrger das ihrige sogar am „vierten" abbalten. Zur Correctnr ter Tendenzjckilderungcn de« „Vorwärts" wird man diese Arbeiter festlichkeiten wohl heranziehen dürfen. AuS Kanea wird der „Internat. Corresp." berichtet: Die Meldung, daß sich die vier krcttschrn Sckntzmäckte entscklossen baben, einen Tbeil der vom Prinzen Georg auf gestellten Forderungen anzunebmen, wnrke aus ter Insel »ul gemischten Gefühlen ausgenommen. Die einzige Forderung, welche sämmlliche Kreter ohne Parteiunterickiek erbeben, ist die Forderung ter Vereinigung mit Griechenland, dem gegen über alle sonstigen Zugeständnisse nur als Abschlagszahlungen angesehen werden. So wird jetzt bekannt, baß der kürz lich in Achen verstorbene kretische Freiheitskämpfer und frühere Präsident der Nationalversammlung SkalidiS nack Alben gegangen war, um eine Art Staatsstreich vorzubereuen. Nach seinem Vorschläge sollten sämmtlicke kretischen Abgeord neten zu der vor einigen Wochen erfolgten Eröffnung ter griechischen Abgeordnetenkammer nack Alben koninicn, in das ParlamentSgebäute eindringen, daselbst tie Sitze ein- nehnien und somit die Vereinigung mit Griechen land vollziehen. Die Ausführung deS Planes ver hinderte nur die vorzeitige Eikranknng und ter ,Tod des SkalidiS, wobei sich jetoch daS Leickenbegängniß zu einer war für sie abgegeben worden. Don irgend einem unbekannten Verehrer — denn es lag keine Karte dabei. Warum es nicht wenigsten» Kamelien waren — schalt Camilla. Aber diese weißen Rosen erinnerien Sisi an Zomb- towikowa, an den stillen Park, an den schwarzen Sumpf, der, von Erlen umkränzt, hinter dem Schlosse lag und auf dem die weißen Wasserlilien schwammen — und wenn die Abendsonne auf die Lilien schien, dann leuchteten sie wie Kerzen und der Sumpf sah aus wie ein schwarzes Tuch, wie ein Todtentnch. Ein Schauer durchbebte ihr Gebein. Sisi dachte an Misto. Wo war er? Warum holte er sie nicht? Diele tausend Menschen saßen drinnen in der Halle und warteten auf sie. Wenn er nun mitten unter ihnen saß.' Aus den Poren ihres Körpers rieselte ein feiner Schweiß und ihre Kniegelenke zitierten. „Zusammennehmen sollst Du Dich", schrie jetzt Camilla mit unterdrückter Stimme, und sie riß sie herum, „wie Du blos aussichst, ganz weiß!" Aus der Manege drang jetzt donnernder Applaus. Er galt einer abreilenden Schulreiterin. Applaus bei anderen Mitgliedern konnte Frau Camilla nickt leiden. „Die Schafsköpfe", sa^te sie, „was sie bei so 'ner Nummer blos zu klatschen haben, äie sind gar nicht werth, daß sie ivn» Ordentliche» zu sehen kriegen." Aber Sisi hörte nichts von dem Applaus. Es fror sie in dem leichten Kleide und sie sah immer nur den schwarzen Sumpf vor sich. Es klopfte. „Fertig?" fragte draußen Leonard. „Ja", rief Camilla zurück. Sie hüllte Sisi in den Pelzmantel ein. holte ihr ein paar plumpe Filzschuhe und dann öffnet« sie die Thür. „Wte sieht sie denn ans?" fragte Leonard, Sisi betrachtend und unzufrieden mit der Aufregung, die er an ihr bemerkte. „Es wird sich schon geben", beruhigte ihn Camilla, „wenn str erst draußen ist." In dem Raume, der hinter der Gardine von den Garderoben und dem Stalleingang begrenzt wurde, führten zwei Stallknechte die beiden Pferde herum. Leonard untersuchte noch einmal die Gurten nnd änderte noch eine Kleinigkeit an der Trense. Die beiden Thiere waren kanm zuM Miedererkennen, so brillant sahen sie aus. Der entstellend« gelbe Flecken, den Gffi'S Fuchs wallach an der Brust hotte, war »eeschmtnkt, und vie häßlichen Ohren seine» Collegen waren durch künstlich« ersetzt. Schweis«,
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