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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.04.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020407010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902040701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902040701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-07
- Monat1902-04
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Bezugs.Preis i» der Havpterpedttio» ob» de» im Stvdt- bezirk und den Vororten errichteten Au», gabestellrn abgeholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellnng in» Hau- »chO. Durch di« Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. S. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bet den Postanstalte» in der Schweiz Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten Ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expeottiou dieses Blattes möglich. Nedarttou und Expedition: Joharmt-gaffe 8. Fernsprecher 158 und SSL FUialevpedtti-nr« r Alfred Hahn, Buchhaudlg., UuiversitS tsstr. st, L. L-sche, Katharinenstr. 14, «. KönigSpl. 7. Haupt-Filiale in Lerliu: Köuiggrätzerstraße IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. VSSS. Morgen-Ausgabe. UchWr TaMM Anzeiger. Amtsblatt -es Aämglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Nolizer-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis dle 6 gespaltene Petltzeile. 25 Lj. , Reklamen unter dem RrdaetionSstrich ^4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrteuannohme Lö sexcl. Porto). Atta-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet deu Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz tu Leipzig. Nr. 173. Montag den 7. April 1902. 86. Jahrgang. Amtlicher Thell. Oeffentliche Zustellung. Der Kaufmann Adolf Natron zu Leipzig. BolknarSdorf, Mariannenstr. 112, Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Douat und vr. Schöppler in Leipzig, klagt gegen 1. den Kaufmann Georg Wilhelm Richard Teeltng, trüber in Leipzig-BolkmarSdorf, Ludwigstraße 95, I., jetzt unbekannten Aufenthalt-, 2. rc. wegen Ansprüchen aus Dienstvertrag und unerlaubter Handlung, mit dem Anträge a. die Beklagten al- Gesammtschuldner zu vrrurtheilen, an den Kläger sofort 450 nebst 4 7, Zinsen davon seit dem 1. März 1902 und am 1. April 1902 1650 nedst 47, Zinsen von 150 fett diesem Tage und 57, von 1500 seit 14. October 1901 -n zahlen und d. da- Urtheil gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Kläger ladet die Beklagten zur mündlichen Verhandlung Les Rechtsstreit- vor die III. Kammer für Handelssachen deS König lichen Landgerichts zu Leipzig auf den 27. Mat 1SV2, vormittags S Uhr, mit der Aufforderung, einen bei diesem Gerichte zugelaffeaea Rechts- anwalt zu bestellen. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht. Ter Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts Leipzig, am 27. März 1902. Konkurs-Versteigerung. Dienstag, de» 8., und Mittwoch, den v. d. MtS., je Borm. von 1V—2 Uhr, fallen im Auftrage des Koukursvcrwalters Herrn Rechtsanwalt Xe« Schenke» dorfftratze 21, im Hofe, zur Konkursmasse der Marie verehel. Voigt gehörige Gegen stände, als: I Schreibtisch, S Bücherschränke, 1 Wäscheschrank, 1 Küchenschrank, 1 Badeofen, «letderschränke, Tische, Stühle n. s. w., ferner Damenkletdung-ftückc, Wäsche, Liv. Bücher, anatomische Präparate, sowie ein Menschenskelet öffentlich gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, den 6. April 1902. LUckecüv, Lokalrichter. deu I». April gelangen im Hotel Albrecht zu Zeitz von Bormittags 9 Uhr ab auS der Obersörsterri Zeitz folgende Nutzhölzer zur öffentlichen Versteigerung: Schutzbezir! District Lichen- Stiimmk Buchen- StLmme Birten-, Erlen-, Linden- Fichten- und jNefern- L ! Z § § Stämme Stangen L Z Z <r> Z 8 <2 Z l-III IV bid VIII Stück Lonzig . . . 13 I I 9 3 361 328 M ... 27 17 14 42 43 39 27 8l 48 B Tot. 26 6 109 28 71 1135 517 7000 6800 Nickelsdors. 21 54 62 27 23 799 797 31 8 5 949 865 30 61 10 7 40 16 284 324 Tot. 2 I 1 1 1700 4600 Gossera . . 51 491 782 86 306 423 B 88 118 114 5 B Tot. 436 150 Breitenbacb Tot. 26 6 15 10 4 2 1200 386 1100 2500 Sumina >134195 !213> 115 83!45!70^724>4582 10271 14050 Das Ausgebot der Nadelhölzer aus District 13, 27, 21, 31, 61, 86 und 88 erfolgt nur in großen Loosen getrennt nach Fichte» und Kiefern. Der Berkaus der Laubhölzer und der im District 51 sowie in der Totalität lagernden Nadelhölzer wird dagegen in kleineren Loosen bewirkt. Verzeichnisse über die einzelnen Berkaufsloose können vom 8. April ab gegen Erstattung der Schreibgebühren von der Oberförster« bezogen werden. Die zuständigen Königl. Förster zeigen das Holz aus Verlangen an Ort und Stelle vor. Königliche Obcrförftcrci. Das Lhristeuthum und die Kaiser. ii. WaS aber im zweiten und dritten Jahrhundert un möglich schien, ein christliche- Kaiserthum, das sah man im vierten Jahrhundert verwirklicht. Constantin, von den christlichen Zeitgenossen der Große genannt, trat über zu dem Glauben, den seine Vorgänger auf den Thron verachtet und verfolgt hatten. Um die Frage, ob eS auS Ueberzeugung, oder au- Politik geschehen sei, wird heute noch gestritten. Da notorisch ist, daß Constantin, trotz seiner Begünstigung der Christen, ein ebenso unlauterer Charakter war, wie Marc-Aurel, trotz seine- qegentheiligen Verhaltens, ein sittlich reiner, so müssen Diejenigen, die von seiner „Be kehrung zum Christentum" reden, darunter etwas anderes verstehen, als WaS man sonst darunter zu verstehen pflegt, und „Sinnesänderung" jedenfalls nicht. Da- Wort „Neber- zeugung" aber ist vieldeutig. Wie da- gemeint sei, mag die scherzhafte Anekdote anschaulich machen, die aus dem An- fang des vorigen Jahrhundert- von einem glaubwürdigen Zeugen erzählt wird. Ein armer Jude bat den Pfarrer seines Ortes um Aufnahme in die christliche Gemeinschaft. Der aber, ein alter Rationalist, anstatt ihn darum zu loben, suchte eS ihm auszureden. „Wozu das in Deinem Alter? Ein ehrlicher Jude, der Du bisher warst, ist mir lieber, als einer, der sich ohne Ueberzeugung taufen läßt." „Aber ich habe ja die feste christliche Ueberzeugung, Herr Pfarrer." „So? Welche Ueberzeugung?" „Daß ich sonst keinen Hausirschein bekomm:." Constantin war kein Trödeljude, aber sein Uebertritt zum Christentum konnte auf derselben praktischen Erwägung beruhen, wie bei dem armen Hausirer: Auf der Ueberzeugung, daß sich mit der zu einer ansehnlichen Macht erstarkten Kirche zu verbinden, für ihn und das Reich vorteilhafter sei, als sie zu bekämpfen. Und diese Ueberzeugung hatte Grund. Die dankbaren Christen konnten sich gar nicht genug thun im Preisen ihre« kaiserliche:, GönDchw «iwSchechhKs^ seine Dienste mit Gegendiensten zu vergelten, wird ihnen heilige Pflicht. Mag es übrigens mit Constantin'S Glauben so oder ander- bestellt gewesen sein: sein Uebertritt, durch die Verhältnisse geboten, bezeugte ihn als einen politisch klugen Herrscher, und schon das verdient Anerkennung, daß er einsah, was seine bedeutendsten Vorgänger auf dem Throne nicht eiagesehen batten, daß man eine geistige Bewegung nicht mit Ausnahmegesetzen aus der Welt schafft oder gar mit Knüppeln todtschlägt. Constan ti«'S Lobredner haben es befremdlich gefunden, daß er sich erst, als er sein Ende ganz nahe fühlte, hat taufen lassen. Aber auch das kennzeichnet den klugen Mann. Schon war der Aberglaube verbreitet, baß die christliche Taufe die Schuld aller begangenen Sünden Hinweg schwemme, und so schien es dem Kaiser zweckmäßig, dajür einen Zeitpunkt abzuwarten, in dem zu den vielen allen, die er auf dem Gewissen hatte, kaum noch neue hinzukommen konnten. Aber eine andere» ungleich wichtigere Frage drängt sich uns auf. Wie hat sich das, was Jahrhunderte lang unmög lich schien, ein christliches Kaiserthum, verwirklichen können, was einst doch nicht nur vom Kaiser, sondern auch von den Christen abhängig war; denn wo es inr Versöhnung grund sätzlich verschiedener Parteien kommen soll, da müssen beide zur Nachgiebigkeit bereit sein. Zugestandeu, daß Constantin ein zum Frieden mit der Kirche geneigter Herrscher war, so reichte die- doch zur Versöhnung nicht aus, so lange die Christen dieselben bleiben, die sie unter Mari-Aurel waren . . . Nun eS spricht Alles dafür, daß auch sie im vierten Jahr hundert andere waren, als im zweiten. Dem „christlichen Kaiserthum" entsprach, um eS kurz auszudrücken, ein „kaiser liches Christenthum", ein Christenthum, das mit sich reden läßt und bereit war, sich mit dem Kaiserthum zu vertragen. Es geschah dies gewiß nicht mit bewußter oder gar absichtlicher Verleugnung christlicher Grundsätze; es machte sich vielmehr von selbst. Und wenn man die Bischöfe am Hofe Con stantins darum interpellirt hätte, so würden sie die that- sächliche Jgnorirunz mancher Schriftworte wahrscheinlich, und zwar bvuu tiäo, damit gerechtfertigt haben, daß dieselben ganz andere als die neu gegebenen Verhältnisse voraussetzten. JesuS hatte gesagt, „eS sei leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins Himmelreich komme"; aber sollte daß noch gelten, als reiche Leute sich taufen ließen und die Kirche in ihren Testamenten bedachten? JesuS hatte gesagt, „Niemand könne zwei Herren dienen"; aber man konnte eS doch, wenn sich der eine Herr dem anderen unterordnete, wie, nach seiner Versicherung, der Kaiser dem Herrn Christus. Auch das Bedenken gegen den Militärdienst schien hinfällig geworden, seitdem er von einem christ licken Herrscher geleitet wurde und christliche Bischöfe dessen Waffen segneten — zum Sieg über Menschen, die als Feinde des christlichen Kaisers auch Feinde Jusu Christi sein müßten. Was aber die Umwandlung des ursprünglichen Christen- thums in ein „kaiserliches" erleichterte, war dies, daß die Stellung der Christen zur Welt thatsächlich eine andere ge worden war. Noch im zweiten Jahrhundert tröstete man sich mit der Hoffnung auf Jesu Wiederkunft, und da lohnte es nicht, sich mit den Angelegenheiten einer Welt zu befassen, an deren Stelle bald „ein neuer Himmel und eine neue Erbe" treten sollten. Aber schon im dritten Jahrhundert hielten nur noch Wenige an diesem meist sehr richtigen Dogma fest. Dian fing an, an den Fortbestand der alten Erde zu glauben und sich mit ihr zu befreunden. Da- Wort: „die Welt vergeht" mußte darum nicht aufgegeben werden; man deutete es nur anders als bisher. ES kommt endlich in Betracht, daß die Kirche als solche, längst vor Constantin, eine Verfassung bekommen hatte, Aehnlichkeit mit der staatlichen, die Umwand lung de- ursprünglichen in ein „kaiserliches Christenthum" erleichterte. Da- Reich Gottes soll sich, nach den feier lichsten Erklärungen seines Stifters, vor den Reichen dieser Welt dadurch principiell unterscheiden, baß es keine Rangordnung kennt, also daß in ihm ein römischer Kaiser nicht mehr bedeutet als der Zöllner ZachäuS. Nicht einmal Rabbi soll sich der Christ nennen lassen; denn Alle sind einander gleich als Brüder und als Kinder desselben Vaters, lieber die Bedeu- tung dieses demokratischen Grundsatzes für Urchristenthum kann kein Zweifel aufkommen; aber ebenso gewiß ist, daß er je länger desto mehr verleugnet wurde. Dem Apostel Paulus sind noch alle Christen „Geistliche", d. h. vom hei ligen Geist erfüllte Menschen. Doch schon im zweiten Jahr hundert unterschied man sie in Geistliche und Laien, und im dritten Jahrhundert soll als Christ nur gelten, „wer seinem Bischof gehorcht und ihm, als seinem geistlichen Vater und Vorgesetzten, alle Ehre erweist." Wer sich nun dazu ver stand, dem konnte cs nicht allzu schwer fallen, auch vor dem weltlichen Herrscher in „allerunterthänigstem Gehorsam" zu ersterben, zumal ihm darin die Bischöfe, so lange sich die Kaiser ihnen willfährig erwiesen, mit gutem Beispiel voran gingen. Ich läge „so lange als" —! denn diese Be grenzung ist für vaS neue kaiserliche Christenthum be- zeichnend. Es war durch ein Compromiß zu Stande gekommen, in dem beide Theile von ihren seitherigen Forderungen Einiges nachließen. Der christliche Kaiser verlangte nicht mehr, daß man seinem Bilde Weihrauch opfere; aber sollte er denn auch auf jede seine fürstliche Person schuldige Huldigung verzichten? Over fühlte man sich als Christ verpflichtet, sie ihm zu versagen: Nein, damit war man jetzt freigebiger als je. WaS man heute unter „Dyzau tinismuS" versteht, fing unter Constantin an und ist „kaiserlich-christlichen" Ursprungs. „Eure Göttlichkeit, eure Ewigkeit, eure Unvergänglichkeit, Unüberwindlichkeit" u. s. w., das waren Titulaturen, die vom christlichen Herrscher bean sprucht und von christlichen Unterthaneu ihm zugestandeu wurden. Der christliche Kaiser mußte sich der Glaubensregcl unterwerfen, d. h. er mußte rechtgläubig sein; aber sollte er auck der Kirchenzucht unterstehen, wie die anderen Laien? Die Geschichte des vierten Jahrhunderts weiß von einem solchen Fall. Der Kaiser Theodosius I. beugte sich vor dem Bischof Ambrosius, als ihm dieser wegen seiner Grau samkeit gegen die Stadt Theflalonich die Kirche verschloß, und 600 Jahre später büßte Heinrich IV. im Schloßhof zu Canossa, aber das waren Ausnahmen von der Regel, nach der die Hoftheologen vor den gröbsten sittlichen Verirrungen der Kaiser ein Auge —oder auch beide— zudrückten. Die christlichen Kaiser konnten nickt mehr zu den Göttern erhoben werde», da diese selbst den Olymp verlassen hatten; aber etwas sollte» sie doch auch im Jenseits vor ihren Unterthanrn voraus haben, indem man sie als „Hochselige" von den Seligen zweiten und dritten Ranges unterschied. Die Voraussetzung deS „christlichen Kaiserthums" und seiner Verträglichkeit mit dem „kaiserlichen Christenthum" war, wie wir gesehen habe», daß beide Contrahenten die Be dingungen erfüllten, unter denen ihr Bündniß zu Stande gekommen war. Wie nun, wenn es der eine oder der andere daran fehlen ließ? Dann überhäufte man sich gegen seitig mit Vorwürfen und, da eS keine höhere Instanz gab, an die man hätte appelliren können, so gestaltete sich der Streit öfters zur Machtprobe, — heute würde man sagen zur Culturkampsfrage, die bald zu Gunsten der Macht, bald zu Gunsten der Kirche entschieden wurde. Kräftige Herrscher entsetzten unbotmäßige Bischöfe ihrer Aemter, — schon Constantin hat eS gethan; selbstbewußte Päpste straften die ihnen widerstrebenden Fürsten mit Bann und Jnterdicl und entbanden ihre Unterthaneu von der Pflicht des Gehorsams. Man pflegt zu sagen: solche Conflicte entstanden durch die Ueberhebung der Kirche, seitdem sich die Päpste, die nun auch echt byzantinisch „Ew. Heiligkeit" angeredet wurden, als Statthalter Gottes ansahen; und das ist wohl wahr, aber — es ist nicht die ganze Wahrheit. Der tiefere Grund ist die mit Constantin anfangende Verquickung des reli giösen und staatlichen Lebens. Dieses verträgt eS nicht, von der Kirche beherrscht zu werden, und jene« erkrankt, wenn es staatlich beherrscht oder gar an empfindlicher Stelle ver letzt wird. Ja, geschieht letztere-, dann hören wir nicht nur die Ultramontanen, sondern auch Männer wie Luther, Zwingli, John Knox u. A. geltend machen, „daß man Gott mehr gehorchen müsse, als den Menschen", und daß die Pflicht des Gehorsam- da aufhöre, wo die Obrigkeit etwas der christlichen Religion Widerstreitendes verlange. Ein Unterschied ist allerdings, insofern sich der Katholik die Frage, ob dieser Fall vorliege, von der Kirche, der evangelische Christ hingegen von seinem Gewissen beantworten läßt, so wie Luther auf dem Reichstag zu WormS: „Hier stehe ich und kann nicht anders, macht mit mir, was ihr wollt!", aber- sachlich können sich beide, unter Umständen, zu demselben Ver halten veranlaßt sehen. Hiernach ist die landläufige Annahme zu berichtigen, daß sich das Christenthum mit jeder beliebigen Staatsform ver trage. Gerade in unveräußerlichen Grundlehren des Christen- tbums: die von der Wesensgleichheit aller Menschen vor Gott und daß ihm allein Jeder für sein Thun uno Lasse» persönlich verantwortlich sei, schließen die Annahme auS, daß man daneben noch einem anderen Herrn: einem Kaiser, oder König oder Papst, zum unbedingten Gehorsam ver pflichtet sein könne. Und so ist eS auch nicht zufällig, daß die meisten Staaten der christlichen Welt aus despotisch Feuilleton. Der erste Schultag. Skizze von A d h -. Bleier. illachtruck verboten. Heute geht eS in dem wohlgeordneten Haushalte des Tischlermeisters Hennig, der nicht nur ein tüchtiger Mann in seinem Fache und ein Meister ist, der auf Zucht und Ordnung im Hause wie in der Werkstatt hält, der auch eiu zärtlicher und treusorgcndcr Vater seiner Familie ist, nicht ganz so still und geebnet zu, wie es sonst üblich ist. Es herrscht daselbst eine gewisse Erregung über ein bevor stehendes wichtiges Ereignttz. Frau Lina, Meister Hennig's Ehefrau, die eine ebenso mustergiltige Hausfrau wie Mutter ist, hat alle Hände voll zu thun, sie ordnet Dieses und ordnet Jenes, wobei sie aber stets ihre lieben Kleinen, Fritzchen und Aennchen, um deretwillen die Erregung herrscht, scharf und wohl auch etwas ängstlich besorgt beobachtet. Fritzchen und Aennchen, reizende Zwillinge, sollen morgen zum ersten Mal in die Schule gehen. Das ist ein bedeutungsvoller Tag, nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern, insbesondere aber für die Mutter. Sie sorgt sich, daß ihre Lieblinge auch gern die Schule be suchen möchten, sie hofft und bangt, ob sie mit ihrer plan mäßigen Erziehung ihrer Kinder zur Schule, womit sic für sich und ihre Kleinen Ehre einzulegen wünscht, immer daS Richtige getroffen hat. Darüber dürfte kein Zweifel sein, Meister Hennig'» Frau hat eS sich ernstlich angelegen sein lassen, ihren Kindern gute Gewohnheiten, Liebe zur Wahrheit und Höflichkeit, beizuvringen, sie hat sie zum Fleiß und zur Ordnung Seim Umgehen mit ihren Spielsachen »nb Kleibern angebalten, sie hat darauf Acht gehabt, daß sie auf Reinlichkeit an sich selbst und ibrer Kleidungsstücke halten, weil, wie die kluge und einsichtsvolle Mutter Hennig behauptet, vom Lehrer nicht Alle» verlangt wer den könne, außerdem aber geht sie von dem Standpunkte aus, daß ihren lieben Kindern das Jn-die-Lchulc-gehen leichter sein wird, wenn sie eben im Hause zu alledem an gehalten werden, was in der Schule als erstes Gesetz gilt. Nun schärft die Mutter ihren lieben Kindern noch das Eine und das Andere ein, dann probirt sie dem Fritzchen ein Prachtstück von einem neuen Paar Hosen und einem Paar blitzblank geputzten Stulpstiefeln an, um ganz sicher zu sein, daß diese dem sehr zart gebauten Fritzchen bequem sitzen. Aennchen muß noch ein mal zeigen, ob es sich ohne Hilfe seine Jacke an- und abziehen kann, und zu guterletzt müssen Beide darthun, ob sie ihre Schul- utcnsilien ordentlich iu und wieder aus der Schulmappe zu packen verstehen. Alles geht wie am Schnürchen. Mit rothglühendcn Wangen betrachten die Kleinen geschwind noch ein Mal die schönen Schiefertafeln, auf deren Holzeinfassungen die Namen Fritz und Anna Hennig in kräftig geschriebenen Buchstaben zu lesen sind, die schönen Schiefersttftkasten und die mit Gold, Silber und buntfarbigem Papier umwickelten Schicferstifte rc. Fritz bezeigt das Eine und das Andere mit feinem Finger und poltert eifrig heraus: „DaS ist mein — und — und — und daS ist mein!" „Ich habe ebensoviel wie Du", erwidert rasch Anna, „kannst Du denn nicht zählen, Fritz?", und selbstbewußt zählt sie die ihr gehörigen Gegenstände, und die, die Fritz eigen sind, ab. Mit großen Augen und weit geöffnetem Munde schaut Fritz seine Schwester an. AIS nun Fritz und Aennchen nochmals die pracht vollen Schicferstifte mustern, da will ihre Aufmerksamkeit kein Ende nehmen, mit Blicken der Bewunderung nehmen Ne einen nach dem andern in ihre Hände, wobei sic zu- fammen auSrufen: „Wie hübsch — wie hübsch — ah, ah, wie hübsch!" Da plötzlich entdeckt Aennchen, daß einer der Schiefer stifte Fritzchen» nicht gespitzt ist. Mit dem Stifte in der Han- will eS davon eilen, Fritz aber will eS nicht dulden und in weinendem Tone sagt er: „Ich will meinen Goldsttft haben— meinen Goldstift will ich eben yaven!" „Fritz, mit diesem Stifte kannst Du nicht schreiben, das geht ein für alle Mal nicht!" — „Aber ich will eben doch meinen Goldstift haben!" jammert Fritz weiter. „Das geht eben nicht", wiederholt Aennchen, „weine nicht, Fritz, wenn Du in der Schule immer gleich weinst, so wirst Du von den Jungen ausgelacht werben — ue, Fritz, Du bist ein zu dummer Junge!" Aennchen läuft nun eiligst davon, um den Schiefcrstift auf einer der Lteinstufen vor der Hofthüre zu spitzen. Nach einigen Minuten tritt sie schüchtern und sehr klein laut wieder ein in die Stube. „Mutter", sagt Aennchen, „sieh mal, was ich gemacht habe, ich habe FritzchenS Schieferstift gespitzt, aber er ist dabei kaput gegangen, bitte, sei nicht böse!" „Bist Du böse mit mir?", so fragend wendet Anna sich um nach Fritz und küßt und drückt ihn schier zum Er sticken. Die Mutter ist nicht böse, Fritz aber ist untröstlich über seinen zerbrochenen Schtcferstift. „Nun hör' aber ans mit Deiner Heulerei, Fritz", ge bietet die Mutter, „kommt Kinder, wir wollen zum Vater gehen und ihn bitten, daß er dem Fritz einen neuen Schteferstift kauft!" Endlich lacht Fritz wieder und Anna erklärt in alt kluger Weise: „Fritz, lach' nur, immer lach', der gute Bater zankt nicht, das weiß ich ganz genau, eS war doch Pech, daß der Schieferstift zerbrochen ist?!" Nun -er Sturm sich wieder vollständig gelegt und Alle» noch gut verlausen ist, buchstabiren und lesen Mutter und Kinder miteinander eifrig noch ein Viertel stündchen in der Fibel. Der Lag neigt sich zur Ruhe, e» ist Zett, baß auch die erregten A-v-L^Schützen Fritz und Anna sich von de» Tage» Mühe und Arbeit auSruhen. „Kinder*, ruft die Mutter, „kommt schnell, schnell, ich will Euch zu Bett bringen!" FlugS sind die lieben Kleinen zu Bett gebracht, dann sagt die Mutter: „Aennchen» bete!" Aennchen faltet die Hände und betet: „Lieber Gott, ich bitte Dich, mach mich fromm und gut, und beschütze mich, und bitte, schenke mir eine schöne Zuckerdüte mit viel Ehocolade. Amen.!" Nun betet Fritzchen: „Lieber Gott, ich bitte Dich, mach' mich fromm und gut uno beschütze mich, und bitte, schenke mir zwei furchtbar große Zuckcrdüten. Amen!" Rasch erhob sich Aennchen noch einmal von ihrem Bett, legt die Hände ineinander und betet eifrig: „Lieber Gott, bitte, bitte, schenke mir auch zwei furcht bar große Zuckcrdüten. Amen!" Die Mutter lächelt, küßt ihre Lieblinge und erklärt ihnen, daß, wenn sie artig und folgsam wären, die lieven Engelcin ihnen Zuckcrdüten morgen in die Schule bringen würden. Kinoerzcit, glückselige Zeit! Am andern Morgen pünktlich ^47 Uhr sollen Fritz und Anna frühstücken. Anna ist sehr aufgeregt uno ißt nur wenig, eiligst erhebt sie sich von ihrem Titze, länst im Zimmer hin und her, wobei sie abwechselnd Hut und Schulmappe zur Hand nimmt und ihre Ueberjacke an- und abstreift. Fritz hingegen sitzt wie angewurzelt ans seinem Stuhle, er beobachtet mit ängstlichem Blicke seine Schwester und läßt das für ihn bestimmte Frühstück un berührt, erst durch daS energische Zureden der Mutter läßt er sich dazu bewegen, eine Tasse voll Milch zu trinken, die durch Wehrtropfen, die ihren Weg aus FritzenS Augen über seine Wangen hinweg in die Milch tasse nehmen, einen sonderbaren Beigeschmack erhält, was aber FritzenS Zunge gar nicht schmeckt, wohl, weil er die Mutter, die neben ihm steht, fest am Arme hält, sie zu sich htnunterzieht und ihr mit thränenersticktcr Stimme ins Ohr flüstert: „Mutter, ich will nicht in die Schule gehen, ich will bei Dir bleiben!" „Aber Fritzchen» Fritzchen", ruft mit beklommener Stimme die Mutter au», „Du wirst doch gern in die Schule gehen, Du wirst doch der Mutter . . ." „Muttern", ertönt da plötzlich deS Bater» Stimme au» der Stube nebenan, „bist Du mit Allem fertig?" Muttern hat eine Antwort noch nicht geben können, als der Bater auch schon in die Stube cintritt. lieber-
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