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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020415023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902041502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902041502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-15
- Monat1902-04
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Abend-Ausgabe Le« Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang Nr. 18S Dienstag den 15. April 1902. 85.15 i 87.— ! S4,— Fereillet-n 55/5 2850 8300 13700 4850 3000 210 0 0 0 L r: H»m- 11 ovnrck m. «3 unserer danach Hinsicht rascher 10S7S 11700 3150 41»!> 500 1250 2075 300 1150 2030 1715 1000 185 2S75 2825 2775 3450 85.25 218,15 ?ncd. 176.75 02,25 107,50 53,50 202.75 3^3,25 185,— 168 — 164.25 177.75 108.25 108,60 190 50 la <1er 1/OVLlS IVisnsr Vs L,u- Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. * London, 14. April. Nach einer heute veröffentlichten Ver lustliste ereignete sich am 13. April bei Machavie (?) ein Eisen bahnunfall, bei dem 13 britische Soldaten umgekommen und 13 verwundet worden sind. * London, 15. April. Lord Kitchener berichtet aus Pretoria unter dem 14. April: Seit dem 7. April sind von verschiedenen britischen Abtheiluugen 55 Boeren getödtet, 43 verwundet und 167 gefangen genommen worden, 5 haben sich ergeben- In der Capcolonie halten sich die Boeren noch in zerstreuten Trupps auf, die zumeist nach dein äußersten Westen gezogen sind. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. kosende Laute zu- Eva verstand nicht eine Silbe; aber sie ahnte, daß der Sinn nur ein beglückender sein könne. In dumpfem Rausche ließ sie alles über sich ergehen. Er führte sie in eins der stilleren Gemächer. Dort ließ er die Taumelnde ans einen Stuhl sinken. Dann aber zog er sic wieder empor. Leine Leidenschaft übermannte ibn. Seine Arme umschlangen das junge Mädchen, während er ihr Gesicht mit glühenden Küssen überfluthetc. Todtcn- bleich mit geschlossenen Augen, stand sie, den Kopf nach hinten gebeugt, als er ihren bebenden Mund in langem Kusse schloß. — Sie war fast vhuinächtig, als er sic nieder gleiten ließ. „Eva, süße, einzige Eva!" flüsterte er leise. Stimmen erschollen: „Eomicssc Warell! — Graf Bran- dau! Wo stecken Sic denn?" — Schritte näherten sich. Aufgeregt, aber dennoch besonnen eilte Bernd naei, der Thür. Es galt, für Eva Feit zu gewinnen, da ihr Aussehen sic unbedingt verrathcn hätte. So deckte er den Eingang mit seiner Gestalt und rief den Kommenden hastig zu: „Bitte, besorgen Sic schnell ein Glas Wasser. Ter Eointcssc ist vom Tanzen schwindlig geworden. Ich mußte sic hierher führen!" — Die beiden Herren eilten davon, einem der Diener den Auftrag zu ertheilen. Sic kamen mit einer ganzen Gesellschaft wieder zurück, um besorgt nach der Leidenden zu sehen. — Eva hatte sich inzwischen aufgerichtct, und ihren Anzug, die unordentliche Frisur geglättet. Mit der wicdertchrendcn Besinnung sand sie ihren herben Mädchenstolz zur Ueberraschung Bernd s wieder. Todtenbleich noch immer, aber mit zuckenden Lippen, ging sie au ihm vorbei. „Sie haben mich wie eine niedrige Person behandelt, Bernd, aber nicht wie es einem Ehrenmann zulam!" zischte sic ihm zu. „Eva, Sie wissen, n»as ich für Sic empfinde!" murmelte er betreten. — „Dann hätten Sie erst Ihre Werbung Vorbringen sollen. Berstehen Sie denn nicht, daß man eine Eomtesse Warell nicht wie eine Schneiderin abküßt! Oh, ich hasse Sic!" „Eva!" — Er versuchte, ihre Hand zu erhaschen. „Wagen Sic nicht, sich mir zu nähern! Ein zweites Mal lasse ich mich nicht überrumpeln!" — Die Anderen waren hinzugckvmmen. Hochausgerichict begrüßte sie Eva. Bernd blieben betreten stehen. Sie ging mit den Anderen davon. Mehrmals versuchte er im Verlaufe des bestes, an Eva einige Worte zu richten. Geschickt wich sie ihm aus. Ihr Gesicht nahm einen hochmütliigeir Ausdruck an, wenn er sich ihr näherte. Allgemach gericth er in eine wahrhaft verzweifelte Stimmung. Was hatte er eigentlich ver- Haupt-Filiale Lerliu: KöniggrStzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. Anzeigen-Prei- dle 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnannahme LS H (rxcl. Porto). Ne-artion und Expedition: IohannlSgasse 8. Fernsprecher 153 und 222. Filia1e»p»PM-«-n r Alfred Hahn, Bnchhandlg., Universitütsstr.8, 8. Lösche, Kathartnenstr. 14, n. KSnigspl. 7. >0,25 )5.— >0,50 >8,90 >3.- >0,50 >0,50 16,— 16,— 74,60 30.50 I, 33 II, — 17.75 53.75 44.40 29.40 21,— 12.50 SO LO,75 76,90 35,— 21.50 08,80 4450 18,80 19.75 62.25 40.60 04,50 88.25 32.50 01,90 72.75 17,10 81.50 85.60 32,— 6»,— !23,— .09,50 .42,— .65,— ^23,50 80,— 170.25 189 10 169.60 92.50 19100 510 2200 300 10050 950 20 615 140 159 > 685 l 830 bstk xe- önidned, sr. Lurch und durch nationales Blatt werden wir in gewissenhafter Weise darnach trachten, zu verhindern, daß die Deutschen oder Internationalen, mögen sie sich nun Centrumsmänner oder Socialdemokraten u. s. w. nennen, die Energie und Krasie des polnischen Bolles in Schlesien auszubeuten. Auf eigenem polnischen Gefilde ein selbstständiges polnisches Volk — das ist unser Losungswort!" Dieselbe Tonart schlagen alle anderen Polnischen Blätter an und galizische Organe, wie der „Przeglond WSzech- polski", malen bereits den Kampf zwischen Deutschthum und Polenthum in den blutigsten Farben aus: „Das polnische Volk muß wissen", heißt es, „daß sein Nationalkampf ein Kampf auf Leben un v Tod ist, daß eS in diesem Kampfe kein Erbarmen, keine Capitulation auf irgend welchen annehmbaren Grundlagen giebt, daß man in ihm nur siegen oder sterben kann." - «I« 4) in - (13,4) tu »Icker,««* Nur-por« ->>»- (13/41 MN n»cv > ^w»t«r- I 4) lürll» Ul UW«> '4) 1>1r»rck Bezug-.Prei ¬ st der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4 50, — zweimaliger täglicher Zustellung inS Haus S.dv. Durch die Poft bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich 6, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. dirung -er Schuldentilgung macht 4 500 000 Pfund frei? die Erhöhung der Einkommensteuer erbringt 2 Millionen, die der Stempelabgaben ^2 Million und die Korn- und Mehlzülle dürften 2 600 000 Pfund ergeben. Der Korn zoll ist kein Schutzzoll,- hat doch ein ähnlicher Zoll lange nach der Aushebung der Korngesetze bestanden. Ich glaube auch nicht, daß dieser Zoll den Brodpreis beein flussen wird. Die Form, in der die Anleihe von 32 Mil lionen Pfund ausgenommen werden soll, wird später be kannt gegeben werden. Man denkt vielleicht, was ich ge fordert habe, wird niemals erforderlich werden, aber es ist immer das Beste, die unangenehmste Aufgabe zu wählen. — Nach -er Rede -es Schatzkanzlers bemerkt Har court, -er Vorschlag bezüglich des Kornzolls sei der bedeutsamste,- ein solcher Zoll würde die allerärmsten Classen belasten. FriedenSverhandlungcn. * London, 15. April. (Telegramm.) „Daily Mail" be richtet aus Johannesburg unter dem 14. April: Die leitenden Delegirten der Boeren hatten heute eine Besprechung mit Milner, an der auch Lord Kitchener theilnahm. Wie verlautet, werden Lord Kitchener und Milner die Verhandlungen vereint weiterführen, die, wie man annimmt, bereits begonnen haben. Milner giebt die Vorschläge der Boeren an Chamberlain weiter. 'chWcr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. mit in die Oper zu fahren. Auch die Einladungen, welche jetzt Schlag auf Schlag folgten, nahm er an- — So waren die beiden Liebenden täglich beisammen. Die Nachrichten aus Großbrandau lauteten allmählich besser. Trotz aller Anfragen konnte er nichts Näheres über die Krankheit erfahren. Die mütterlichen Briefe blieben kurz und befangen. Sie stellte eine ausführliche Aussprache bei ihrem baldigen Kommen in Aussicht. Bernd schüttelte oft den Kopf über ihre veränderte Schreibart. Besonders ihre immer wiederkehrende Warnung, sich nicht fest zu binden, erstaunte ihn und gab ihm gleichzeitig Eva gegen über eine gewisse Befangenheit. Wäre er seiner sonstigen Natur gefolgt, so hätte er dem ewigen Rcdcgcplänkcl, den Wortschlachten zwischen ihr und sich, längst ein Ende gemacht. So aber banden ihm die ständigen Warnungen der Dwtter die Zunge. WcnnEomtcssc Eva und er getrennt waren, vergingen sie vor Sehnsucht nach einander. So bald sie zusammenkamen, begann die Fehde, welche beide nervös machte. Eva wartete auf ein Liebeswort und wurde, als dies nicht erfolgte, noch schnippischer. Er hielt sich mehr zurück. Nur manchmal beim Tanzen vergaßen sich beide, dann preßte er die Geliebte fest an sich und stürmte selbstvergessen mit ihr durch den Saal. Wenn dann die Musik schwieg, und er sic zum Platze führte, lächelten sie sich traumverloren an. Und ein Glücksschauer bannte ihre Äugen ineinander. — Eines Nachts hatte er sie in einem wilden Walzer durch den Raum gewirbelt. Ihr Köpfchen hatte in trunkener Seligkeit an seiner Schulter geruht. Sein Arm hatte ihre feine Taille mit eiserner Kraft umspannt. Der holde Duft, der ihr entströmte, und die Musik betäubten ihn. — Gerade an dem vorangegangenen Tage hatten sie sich gegenseitig furchtbar gequält. Er war bei Beginn des Balles von den anwesenden jungen Damen stürmisch umworben worden. Der schöne, reiche Brandau galt allen als crprcbenSwerthcS Ziel. Auch Eomtesse Warell hatten die Herren auSzcichncnd gefeiert. — Ucber die sie um gebenden Gruppen hinweg hatten sich die Blicke der Beiden gesucht und gefunden. Jeder freute sich um des Andern willen seiner Triumphe. — Endlich, lange nach Mitter nacht hatte er einen eingelegten Tanz von ihr erbeten und erlangt. — Mit hcrvorbrcchendcr Wildheit hatte er sie an sich ge rissen und war mit ihr unter die wirbelnden Paare ge- rast. Plötzlich beugte er sich zu ihr hinab. Tein Mund lag fast auf ihrem Ohr, und leise flüsterte er ihr abgebrochene, Ver Krieg in Südafrika. Die Sriegs-Rechanng. * London, jl4. April. (Telegramm.) Unter haus. Das von Hicks-Beach eingebrachte Budget schätzt das Deficit dieses Jahres auf 451/2 Millionen Pfund Sterling. Es wird beantragt, das Deficit zu decken durch Suspendirung -er Schuldentilgung, Erhöhung der Ein kommensteuer um einen Penny pro Pfund Sterling, Er höhung der Stempelabgäben auf Schecks, Eouponö und Sichtwechsel auf 2 Pence, Erhebung eines Zolles von 5 Pence für den Eentner feines und grobes Kornmehl, Aufnahme einer Anleihe von 82 Millionen Pfund und Ausgabe von Schatzwechseln in gewisser Höhe. (Wdrhlt.) * London, 14. April. (Unterhaus.) In seiner VudgetreLe führte Hicks-Beach aus: Aus dem letzten Jahr ist ein Saldo von vier Millionen Pfund Sterling geblieben. Die Kohlen- und Zucker-Zölle sind von Erfolg gewesen, indem der Zuckerzoll 6 890 000 Pfund Sterling, -er Kohlenzoll L 300 000 Pfund erbracht hat. Was die künftigen Ausgaben betrifft, so habe ichH 0 ff - nung auf ein glückliches Ergebniß der ConferenzenderBoerenführer, aber ich kann mich bei einer solchen Gelegenheit Lurch solche Hoff nungen nicht beeinflussen lassen. Nichts ist in der gegen wärtigen KrisiS mehr geeignet, zum Frieden beizutragen, als der Entschluß -es Parlamentes und des Landes, den Krieg, wenn unglücklicher Weise die Hoffnungen sich nicht erfüllen sollten, zu einem erfolgreichen Ende zu führen, kostees,waseswolle. (Beifall.) — An Extraans- gabcn sind während des gegenwärtigen Jahres zu decken die Kosten eines Theils der südafrikanischen Polizeitruppe, die Kosten -er Unterstützung der zuckerproducirenden Eolonien in Westindien für die Zett der Abschaffung der Zuckerprämien und die Zinsen der neuen Schuld. Diese Erfordernisse sind auf insgesammt etwa 18 500 000 Pfund Sterling zu schätzen. Von ihnen abgesehen, belaufen sich die Staatsausgaben auf 174 600 000 Pfund Sterling, während die Einnahmen auf der Grundlage der bestehenden Besteuerung auf 147 785 006 Pfund zu veranschlagen sind, so daß das zu deckende Gesammtdeficit 45 500 000 Pfund Sterling be trägt. Man könnte mich fragen, was geschehen soll, falls in einigen Wochen Friede eintreten sollte. Ich möchte dem Hause bemerken, daß, wenn es auch eine kostspielige Sache ist, Krieg zu führen, eS gleich, falls kostspielig ist, ihn zu Ende zu bringen. Wir werden für Belohnungen und Ehren ge schenkefit rdasHeer zu sorgen haben und eine be trächtliche Macht in Südafrika halten müssen. Wir werden auch für die Unterstützung unserer dortigen Colonie Vorsorge zu treffen haben, sowie für den Wiederaufbau und die Wiederaus st at- tnng der Farmen, nicht nur von Denen, die unsere Freunde gewesen sind, sondern auch von Denen, die kühn und ehrenhaft unsere Feinde gewesen sind und die wir zu unseren Freunden zu machen hoffen. (Beifall.) Wenn der Friede unter befriedigenden, Dauer und Sicherheit ver- bürgenden Bedingungen zu Stande kommt, wird das Haus zweifellos in diesen Dingen generös sein. — Die Ausgaben während der drei Jahre des südafrika nischen Krieges belaufen sich auf 160 Mllionen Pfund, die des chinesischen Feldzuges auf 5 Millionen, aber die von China zu zahlende Entschädigung beträgt 6 Millionen und ist ein werthvolles Acttvum. Der Schatz kanzler unterbreitet dann die gemeldeten Vorschläge zur Deckung des Deficits und bemerkt dazu: Die Suspen- keine entscheidenden Schritte. Brief mit ausführlicher Nachricht folgt. Allseitige Grüße. Gott behüte Dich, Liebling! Deine Mutti." „Nun, Bernd, wie steht es daheim?" fragte Neubert theilnehmend. Bernd fuhr wie aus tiefem Traume empor. „Anneliese ist lebensgefährlich krank, trotzdem die Aerzte noch hoffen. Mutti will sie nach hier überführen lassen. Was mag nur sein, welche Krankheit meinen sie? Sie war doch niemals krank!" „Du, Bernd, die Geschichte hat in ihr gesteckt, darauf kannst Du Dich verlassen. Das Mädel war ja so verändert, daß man sie kaum wtcdererkannte. Sie hat uns nicht einmal adieu gesagt. Manchmal hatte ich ordentlich Angst, daß sie geistesgestört sei, wenn sie ihre Antworten herausstottcrte. Dabei immer Thräncn in Bereitschaft. Entsinnst Du Dich nicht mehr?" „Ja, ja!" sagte Bernd. — „Aber so plötzlich und gleich so schwer! Mr ist dies etwas unheimlich!" „Anneliese ist doch die Försterwaise, die Ihre Mutter erzog. So eine kräftige Blondine, die wie das blühende Leben aussah, nicht wahr?" sagte Warell. — „Ja, Herr Graf!" „Offen gesagt, ich kenne Ihre Pflegcschwcster nicht genau; aber mich hat sie immer etwas gelangweilt. Sie ist sehr unbedeutend, glaube ich!" rief Eva. „Sie ist ein durch und durch guter Charakter!" vertheidigtc sie Bernd schatt. „Na, mein Sohn, Du bist jetzt milder ge stimmt, weil sie krank ist; aber Du selbst hast sie immer Dummelchen genannt!" meinte Stephan. „Wir mochten sie immer gern, sie war bescheiden und stets gleichmäßig liebenswürdig!" mischte sich Paul Neubert ins Gespräch. — „Aber, Kinder, Ihr seid drollig!" lachte Franz. — „Ihr sprecht von ihr, als ob sie bereits sanft entschlafen wäre! Noch lebt Anneliese und mit ihrer gesunden Natur wird sie die Krankheit bald überwinden. Die Sache kann so schlimm nicht sein, wenn Tante Matte schon von einer Reise nach hier schreibt!" „Oh ja, cs muß ernst sein, sonst wäre die Gräfin jetzt nach Berlin gekommen!" war, der Professor ein.— „Jedenfalls können wir nichts daran ändern und nichts helfen. Laßt Euch darum nicht die Lanne verderben, sondern genießt die Ruhetage. So will cs Mutti auch, sonst hätte sie Dich hinberufcn, Bernd! Mich beruhiat die Depesche, denn selbst wenn, was der Himmel verhüte, es mit der lieben Patientin zu Ende ginge, würde man Dich haben kommen lassen!" Der vernünftige Zuspruch seines väterlichen Freundes beruhigte den jungen Mann auch. Er ließ sich überreden, Im preußischen Abgeordnetenhause wie im Reichstage stellen die polnischen Abgeordneten die in Preußen lebenden Polen stets als loyale preußische Unterthanen dar, gegen welche eine strengere Handhabung des Gesetzes im Interesse der Erhaltung des DeutschthumS in den Ostmarken unnöthig, zwecklos, ja verfassungswidrig sei. Gegenüber solchen auf Einschläferung der Wachsamkeit berechneten hohlen und un wahren Declamationen ist eS gut, immer wieder von Zeit zu Zeit die polnische Presse zu controliren, in der die wahren Ziele des Polenthums sich enthüllen. So führte sich das für die Provinz Schlesien von Herrn Martin Biedermann (!) neu begründete Blatt „GornoSzlonzak" folgendermaßen bei seinen Lesern ein: „Wir glauben unbedingt daran, daß die polnische Nation, eine Nation von 20 Millionen Köpfen, einst noch eine bessere Zukunft erleben wird. Diesen Glauben an eine bessere Zukunft wird uns Niemand entreißen können, diesen Glauben kann uns Niemand ver bieten, diesen Glauben werden wir nicht verlieren, selbst nicht in An« betracht der so drohenden und zahlreichen Anstürme und LeS Unwetters in Gestalt des Paragraphen des deutschen Strafgesetzbuches! Ein Pole, welcher diesen Glauben aufgegebcn hat, hat ausgehört, sich zu unserer Nation zu zählen, und nimmt die ehrenvolle Bezeichnung, ein Pole zu sein, zu Unrecht für sich in Anspruch... In der Urber- zeugung, daß unser Volk, wenn es national aufgeklärt wird, seine nationale Sonderstellung lebhaft verspürt und politisch reif wird, die einzige Garantie für eine bessere Zukunft Nation bildet, werden wir beständig und systematisch trachten, daS schlesische Volk in nationaler auszuklären und in der Politik auszubilden, damit es auf seine eigenen Füße kommt, selbst über sich ent scheidet und möglichst bald das Joch seiner bisherigen Beschützer abschüttelt, welche es am Bändel führen. Als ein Dingen deshalb, weil der Kaiser nicht im Zweifel darüber gewesen sein kann, daß er durch ein solches Anerbieten sich entweder einer Zurückweisung oder der Nothwendigkeit aussetzen würde, auf die weitere» Dienste deS Fürsten Hohenlohe und wahrscheinlich noch einiger anderer ver dienter Staatsmänner zu verzichten. Aber es kommt nicht darauf an, was wir glauben, sondern darauf, was die Parteien deS Reichstags glauben und ob sie eS für möglich halten, daß einem ihrer Führer für besondere Verdienste um das Zustandekommen eines dem Bundes- rathe genehmen Zolltarifgesetzes ein Anerbieten gemacht werde, dessen Annahme eine tief einschneidende Veränderung in der gesammten inneren Politik des Reiches zur Fowe haben könne. Dian male sich nur auS, zu welchen Scenen eS führen würde und müßte, wenn das Centrum seine Ver ständigungsversuche in den Tarisfragen noch eifriger als bisher fortsetzte und deshalb von den Führern des Bundes der Landwirlhe und den Linksliberalen den Vorwurf hören müßte, es wolle einem seiner Mitglieder Anerbietungen er kaufen, wie sie Herrn vr. Lieber gemacht worden seien! Nicht nur die Würde deS Reichstages stände auf dem Spiele, sondern auch die der Regierung. In erster Linie ist es der Reichskanzler, der dafür zu sorgen hat, daß es dahin nicht komme. Ihm kann es nicht schwer fallen, von höchster Stelle zu einer Erklärung ermächtigt zu werden, die allen Gerüchten den Boden entzieht. Je früher das geschieht, um so besser. Wird es hinausgeschoben oder unterbleibt eS ganz, so sehen wir dem weiteren Verlaufe der Tagung mit noch schwererer Sorge als bisher entgegen. Nach der Mittbeilung eines CentrumsblatteS hat der vielgenannte katholische Kirchenhistoriker Professor vr. Ehr hard in Wien die durch den Tod deS Professors Kraus erledigte Professur für Kirchengeschichte an der Universität Freiburg i. Br. angenommen, obwohl die österreichische Regierung und „zahlreiche österreichische Freunde" ihn in Wien festzuhalten versuchten. Ehrhard hat sich, wie bekannt, in seiner Schrift „Der KatholicismuS und das 20. Jabr- hundert" gleich Kraus und Schell als Vorkämpfer LeS religiösen KatholicismuS im Gegensatz zum UltramontaniSmuS bekannt. Er ist deswegen von den österreichischen Klerikalen mit einer Heftigkeit angegriffen worden, die das führende rheinische Centrumsorgan zu der eindringlichen Warnung an Ehrhard's Gegner bewog, den Bogen nicht zu Überspannen. Wenn Ehrhard nunmehr binnen Kurzem Oesterreich verläßt, so wird er eben die Ueberzeugung gewonnen haben, daß ibm im Donaustaate zu viel Widerwärtigkeiten würden bereiter werden, als daß er die Gelegenheit, in Deutschland einen hervorragenden Wirkungskreis zu bekommen, nicht benutzen sollte. DaS Scheiden Ehrhard's von Wien darf als ein Symptom dafür gelten, wie übermächtig im österreichischen KatholicismuS der jedem Fortschritte feindliche UltramontaniSmuS ist. Je geflissentlicher unsere klerikale Presse den Glauben nährt, daß für die Los von Rom-Bewegung so gut wie ausschließlich nicht religiöse, sondern politische und äußere Antriebe maß gebend wären, um so mehr fällt der Exodu« des Professors Ehrhard als ein Vorgang inS Gewicht, der auf die inneren Gründe für die LoS von Rom-Bewegung in Oesterreich hin deutet. Dafür, daß die Bewegung in Oesterreich sich immer mehr vertieft und verinnerlicht hat und daß der Ruf „Los von Rom" nicht „Los von Gott" oder „LoS von Oesterreich" ist, sondern vielmehr: Hin zum Evangelium! — dafür liefert übrigens die „Kölnische Volkszeitung" selbst einen schlagenden Beweis. Sie theilt mit, wie ein Dentschradicaler seinem Aerger Luft macht über die zunehmende kirchliche Vertiefung der Bewegung. „Derselbe hat schon viele Wanderprediger aus dem Reich gehört, gute und schlechte Redner; aber der Erfolg war stets derselbe: Die Menge war begeistert. Wer dagegen von der religiösen Be- wegung nichts hielt, ging geärgert von dannen. So wie diese gauze Bewegung sich jetzt entwickelt, ist nur anzunehmen, daß ein stets mehr sich zur Oberfläche wagendes protestantisches Muckerthum siegen und der radikal politische Gedanke dabei die Kosten bezahlen wird. Die Radicalen geben wieder in die Kirche und messen dem jungen protestantischen Prediger viel mehr Glauben bei, als sie es je einem katholischen Priester gegenüber gethan haben. Die politische Be- Eva oder Anneliese? 13) Roman von Ernst Ge org y. Nachdruck vrrbotrn. NcubrttS kamen jetzt in das Speisezimmer zurück und statteten ihren Dank ab. Der Professor küßte die Jüng linge innig auf die Stirn- — Dann ließ Adele den Kaffee reichen, und eine weihevoll behagliche Stimmung kam auf. Eva saß jetzt neben Bernd. Sie sah, daß er häufig nach der Uhr sah. Die Traurigkeit seines schönen Gesichtes that ihr leib. Vorsichtig versuchte sie ein Gespräch mit ihm an zuknüpfen; aber auf ihre kurzen Fragen bekam sic auch nur kurze Antworten. Der junge Graf erwartete jetzt die Nachricht auS Großbrandau mit brennender Ungeduld. — Abends wollte er mit Warell's in die Oper fahren, wovon sich die in Trauer befindliche Ncubert'sche Familie ausge schlossen hatte. Am nächsten Tage gab General Graf Brandau ihm zu Ehren ein großes Fest, wozu die Linden- Auer geladen waren. Auch in der folgenden Woche waren sic zu verschiedenen Diner» und Bällen gebeten. Wie hatte sich Bernd auf daS Beisammensein mit dem geliebten Mädchen gefreut! Er wollte sie seiner Mutter zeigen, sie ihr, wenn möglich, bereit» al« Schwiegertochter zuflihren. — Und jetzt! Eva war seltsam verändert, launisch und spitz; und Mutti war nicht hier. Ein starker Kttngel-ug. ließ den Grafen zusammen schrecken. „Himmel, sind Tie aber nervös!" rief Eva ebenfalls erschreckt. — „Ich ermatte eine Depesche!" sagte er leise und sprang aus, als daS Dienstmädchen mit einem Telegramm inS Zimmer trat. „Geben Sie her, Luise, das ist sür mtHl" — Cr riß eS ihr fast auS der Hand und eilte zum Fenster. „Ich bitte um Verzeihung!" fügte er zerstreut hinzu. Hastig entfaltete er das Telegramm. SS war ungewöhnlich ausführlich, da Matte den Sohn aus seiner Unruhe befreien wollte und ihm dennoch die Wahr heit nicht mehr ganz verschweigen konnte. Zusammen mit der Engländerin hatte sie, jedes Wort erwägend, die Ant wort verfaßt: „Dein Kommen unerwünscht. Anneliese lebensgefähr- lich erkrankt. Aerzte hoffen dennoch das Veste In einigen Wochen überführen wir sie nach Berlin. Laß Dich in nichts stören. Reff« oder handle nach Wohlgefallen. Nur n/Luvr sdotsn.» Uriel politische Tagesschau. * Leipzig, 15. April. ES ist ein eigenthümlicheS Zusammentreffen, daß unmittel bar vor dem Wiederzusammentritt des Reichstags ein Centrumsorgan — das „Wiesbadener Bolksblait" — und ein demokratisches Blatt — die Frankfurter „Kleine Presse" — übereinstimmend die Behauptung ausstellen, der Kaiser sei eS gewesen, der nach dem Zustandekommen des Flottengesetzes dem jüngst verstorbenen CentrumSführer vr. Lieber einen Ministerposten oder ein anderes hohes Amt angeboten habe. Der Reichstag wird sich ja mit dieser Behauptung nicht beschäftigen können, aber für seine Arbeiten wird es möglicherweise von nicht geringem Einfluß sein, ob eine Partei glaubt, der Kaiser habe in der That Herrn vr. Lieber eine solche Belohnung zugedacht gehabt und könne geneigt sein, Verdienste einer Partei um das Zustandekommen der Zolltarifvorlage auf ähnliche Weise zu belohnen. ES liegt somit im Interesse sowobl de« Reichstag«, wie der Regierung, daß volle Klar heit über die Behauptungen der genannten beiden Blätter geschaffen werde. Wir halten diese Behauptungen auch jetzt noch für unwahr. Nicht nur deshalb, weil nie etwas davon bekannt geworden ist, daß der Kaiser mit Herrn vr. Lieber zusammengetroffen wäre, sondern vor allen Zlnnahmeschlnß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AllSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an dke Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. > ) z r 2 0 0 5 01 o 0 0 0 5 0
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