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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020417026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902041702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902041702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-17
- Monat1902-04
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Abend-Ausgabe 1,10 Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig, 96. Jahrgang Nr. 193 Donnerstag den 17. April 1902. Nave F-rrilletsn 15) so,70 )4,25 Vrisk 5450 2775 330O 3700 4850 3000 210 IS WO 510 2200 SOO 10050 SSO 20 SIS leo 1580 1425 830 . L»Ii- vLolv. .OSLO >1700 3200 4185 SOO 1250 2O7S 220 IISO 2I2S 1700 1000 ISO 2S7S 2SS0 27 US 34S0 S.IO 540 3,80 »^20 6,30 >p »tr, » 04/1, v Vorn »0 <15/4> am>; In ooprior »»len. I» (1L/4, L»m- ev»rä Hanpt-Fillale Serlin: KSnIggrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. S3S3. 7.— 125 0,25 1,75 1.25 4.80 2, — 2.25 0,80 4.50 g,— 3.80 3, — 250 7.80 1.50 5.50 2, — 3, — 4, — 0,25 1,75 7,— 5.25 5.25 5.50 ),80 IKO I,SO 1,40 1,25 ),75 dnre- «r «In. dure- <r. ISI3 . U»w- <1v/4> IS/4> in Innriv* Vork; >/4> von >) V»o5 V4> von »t»,i«n. rlt«o»n. Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Die telegraphischen Mittheilüngen, die Über das italienische Grün buch und das schweizerische Blau buch vorlicgen, verbreiten einigermaßen Klarheit über den Ausgangspunkt des italienisch-schweizerischen Conflicts. Die Quelle der bedauerlichen diplomatischen Entfremdung beider Staaten ist die Verschiedenheit der Auffassung in Betreff der Frage, ob der schweizerische Bun desrath gegen das Blatt „Risveglio" auf Grund des schweizerischen Anarchistengesctzcs seinerseits ohne Weite res einschreiten mußte, oder ob die italienische Negierung verlor die schlaffe, gebückte Haltung und bekam frischere Farben. Der selbstquälerische, vcrgrübelte Ausdruck wandelte sich ein wenig. Sie fühlte, daß er ihren Worten mit größerer Antheilnahmc lauschte. Bernd wie seine Mutter waren große Naturfreunde. Mit liebevoller Auf merksamkeit versenkten sie sich in die Schönheit der Land schaft ringsum. Ein leiser Schreck und ein geheimes Grauen vor dem Kommenden stieg in der Gräfin auf, als sic sich gegen sechs Nhr hcimkehrend. dem Schlosse näherten. Sobald Bernd das Gebäude erblickte, war cs um seine er wachte, jugendliche Frische geschehen. Schweigsam und bleich folgte er aber dem leitenden Druck der mütterlichen Hand, die jetzt schwer wie Eisen auf seinem Arme ruhte und ihm die Richtung seiner Schritte angab. Bor dem großen Erkerzimmer, dem Lieblingsaufenthalt der Fa milie, hielten sie an. „Hier wird Anneliese wohl sein. Haltung und Ruhe, vor Allem Ruhe, mein Junge! sagte sie hastig und klinkte nach dem leisen AuSruf: „Jetzt!" die Thür auf. Bernd bebte zurück; aber nur eine Minute lang, dann trat er mit Marie zugleich ein- Die Vorhänge waren be reits geschloffen, über dem heute hier für das Diner ge deckten Tische brannte mit mildem Glanz der Kronleuchter. Ein zarter Blumenduft durchzog das behagliche Gemach. — Bor leinen Augen wallten unbestimmte, flatternde Nebel. Nur undeutlich sah er, daß in dem weichen Luther stuhl neben dem brennenden Kamin eine weibliche Gestalt saß. Bet dem vernehmlichen Qeffncn der Thür und dem Klange sich nähernder Schritte erhob sie sich und wandte sich um- „Ist da Jemand? — Sind Sic es, Mißchen?" — fragte eine matte Stimme. Bernd preßte die Lippen zu sammen. Das wogende Roth vor ihm zertheilte sich. Er sah das blaffe, mager gewordene Mädchengesicht unter der blonden Haarmaffe. Aber da, wo früher zwei klare, hell blaue Augen als schönster Schmuck des nichtssagenden Ge sichtes geleuchtet, lag jetzt eine leichte, weiße Binde. Die Schwellung der Lider war noch immer nicht ganz beseitigt. „Wer ist da?" wiederholte Anneliese ihre herz zerreißende Frage mit leiser Ungeduld. „Wir find es, mein Liebling, Bernd möchte Dich be grüßen. Darf er zu Dir kommen?" entgegnete Marie. Sie schaute nach ihm hin. Er stand da und zitterte wie Espenlaub. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Flehend blickte er sie an, zur Flucht bereit- Sie schüttelte den Kopf und zeigte warnend auf Anneliese. Diese stützte die linke Hand unsicher auf den Stuhl, die ander« streckt« Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne PostbefSrderung 60.—, mit PostbefSrderung 70.—. >2,— »7.60 >1,50 >3,10 >7,60 >8,75 >5,60 >7,50 >8,30 >8,50 >S — oloo. n 6er »ick i-cds »vteu Eine Depesche Lord Kitchener's aus Pretoria vom 16. April besagt: General Ja« Hamilton berichtet, -aß er am 12. und 13. April 61 Gefangene gemacht habe. Die Colonne des Obersten Rochefort, die mit dem Obersten Hamilton gemeinsam operirt, über raschte -es Nachts bet Schweizerneck ein Boerenlager, nahm 55 Boeren gefangen und erbeutete Wagen und Kriegsvorräthe. Zu der Angelegenheit des von australischen Officieren in Transvaal ermordete« deutschen Missionars Heese erfährt die Post: Es ist durchaus richtig, wenn hervor gehoben wird, daß die deutsche Regierung nicht in der Lage ist, eine Sühne zu fordern, da Heese britischer Unter- than war. Wohl aber hat die Missionsgcsellschaft Berlin I Schritte gethan, um Schadenersatz zu erlangen; es liegt ihr nämlich die Verpflichtung ob, für die Wittwc und die Hinterbliebenen vier Kinder des Ermordeten zu sorgen; und diese Verpflichtung ist bei dem jugendlichen Alter der Frau Heese und im Hinblick auf die noch ganz unmündigen Kinder (eines wurde erst nach dem Tode des Vaters geboren) eine recht beträchtliche. Die Missions gesellschaft hofft mit Bestimmtheit auf die Anerkennung ihrer Ansprüche. Grnndeigenthum in Transvaal. Eine neue englische Proklamation vom 7. März regelt das Verfahren vor den Grundbuchümtcrn in Transvaal, insbesondere bei der Eintragung von Grundeigcnthums- rechtcn. Die Kcnntniß durch das Publicum zu beobachten der Formalitäten ist für Jeden, der Grundbesitz in Trans vaal hat, von Interesse und großer Wichtigkeit. Die Aussichten auf eine baldige und gründliche ReichS- smanzrcform werden immer trüber. Bekanntlich hieß cS nach der Rundreise des Grafen Posadowsky, cs sei zwischen ihm und den Regierungen in Dresden, München, Stuttgart und Karlsruhe Ueber- einstimmung dahin erzielt worden, daß die finanzielle Wirkung des neuen Zolltarifs, resp. der neu ab- zuschließenden Handelsverträge, abgewartet werden solle, bevor der Reichsfinanzreform näher getreten werden könne. Wir wiesen damals darauf hin, daß eine bahnfahrt ein paar Stunden ruhen soll. Nachher aber wünscht unser Mädel Dich zu sehen Dich zu sprechen, meine ich!" verbesserte sie traurig. „Dann kommst Du mit mir hinunter, ja, Berr^d?" Er antwortete nicht. „Früher oder später mußt Du Dich an den Anblick doch gewöhnen, mein Herzenskind! Ich halte cs für rathsamcr, wenn Du cs schon heute thust!" fugte sie mit Nachdruck hinzu- Dann fnhr sie in leichtem Plauderton fort: „Hast Du schon gefrühstückt, nein? Ich nicht! Weißt Du, wir lasten uns Beide hier oben bei Dir eine kleine Mahlzeit scrvircn. Ich habe Hunger! Nachher gehen wir ein Weilchen spazieren. Das wird mir nach dem langen Sitzen in dem Zuge recht wohl thun!" Sie hatte geschäftig auf die elektrische Glocke gedrückt und gab ihre Befehle, als wäre sic in fröhlichster Stim mung. Während der Tisch gedeckt wurde, hatte sic Bernd nntergefaßt und mit leichter Gewalt in den angrenzenden Salon geführt. Dort zog sie ihn neben sich auf das Sopha nieder und verwickelte ihn in ein Gespräch über die Verwaltung Großbrandau's, die durch den Wechsel einiger Beamten eine Veränderung aufwies. — Auf ihre direkten Fragen konnte Bernd nicht stumm bleiben- Zu erst hatte er zerstreut und widerwillig geantwortet. Aber bald verlor er den Ekel vorm Sprechen, der ihn in den vier letzten Tagen auf seine Zimmer gebannt hielt. — Als das Frühstück ausgetragen wurde, war ein wechselseitiges un lebhaftes Gespräch im Gange. — Marie gab nicht nach. Mit Bitten und Ermahnungen setzte sie cS auch durch, daß er den aufgetragenen Speisen zufprach. Karl, der ans Zehenspitzen hin und hcrhuschtc, sah mit sreudeglänzenden Augen, daß sein Herr wieder aß und sogar zwei Gläser Wein trank- Er holte dienstfertig Hut und Stock, und Mantille und Hut für die Gräfin herbei nnd half ihnen beim Anlegen der wärmenden Sachen, welche der kühle Spätherbst erforderte. Vom Fenster aus blickte er seiner Herrschaft nach. Die Mutter hatte sich ab sichtlich fest auf den Sohn gestützt und ließ sich von ihm über die raschelnden welken Blätter in den Park hinein führen, der einen erdigen frischen Duft ausstrvmte. Ob gleich Marie körperlich und seelisch aufS Tiefste ermüdet war, wanderte sie mit Bernd zwei Stunden durch baS Wäldchen und am Ufer des klaren SecS entlang. Nicht eine Minute ließ sie das Gespräch stocken, sondern erhielt es mühsam bei seiner so schwer gefundenen Lebhaftigkeit. Dafür hatte sie die Freude, eine Veränderung in Bernd S ganzem Aeußrrrn wahrnehmcn zu können. Er NeLaction und Expedition: Johannisgasse 8. Fernsprecher 1S3 und 222. Fillaleapediliane« r Alfred Hahn, Buchhandlg., UaiversitLtSstr.S, 8. Lösche, Katharineastr. 14, u. KönigSpl. 7. ,40 .10 (so >,so >,80 ',40 >,25 >,30 1,50 >.75 riWgcr TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Raches nnd Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Hauses gefiel sich gestern wieder darin, Beschlüsse zu fassen, die nach den Erklärungen der Regterungsvertreter unannehmbar sind: beträchtlich erhöhte Zölle auf Fleisch, zubereitetes Fleisch, Würste und Fleischextract mit Mini malzöllen. Es scheint eben, als ob die Commission völlig unter dem Banne des Freiherrn v. Wangenheim stünde, dessen Verhalten eine Berliner Zuschrift der „Königsb. Hart. Zig." folgendermaßen schildert: Eines hat Frhr. v. Wangenheim vor den übrigen Lcmd- bündlern im Reichstage voraus: so nonchalant wie er kann sonst keiner sich gcberden. Wenn ihm Stadthagen „Luft" und „schnuppe" ist, dann mag das erklärlich und verzeihlich sein: aber um immerfort gegen Jedermann bei langwierigen Verhand lungen den Anschein zu wahren, als Wiste man Alles bester, muß man schon Frhr. v. Wangenheim sein, dessen verschlossene Physiognomie nur auf den einen Ausdruck gestimmt ist: „Uns kann keiner!" Den Staatssekretär Grafen v. Posa dowsky, welchem seine erbittertsten Widersacher die An erkennung nicht vorenthalten können, daß er so arbeitsam und kenntnisreich, so vielseitig und sachkundig ist, wie kein anderer von den jetzigen Staatsmännern, behandelt Frhr. v. Wangen heim ebenso nachlässig und abfällig. Nur wenn Staatssekretär Frhr. v. Richthofen in Furioso sämmtlichc Register zieht, zeigt das Oberhaupt der Landbijndler in seinem eisigen Mienen spiel so etwas wie menschliches Empfinden. In der Widerlegung gegnerischer Argumente erweist sich Frhr. v. Wangenheim als ebenso untüchtig wie bei der Begründung seiner eigenen An träge .doch er steht ja an der Spitze des „Bundes der Land- wirthe"! Da müssen ihm natürlich die Mitglieder und die „Hörigen" folgen. Ein preußischer Feldwebel Würdeseine Helle Freude haben, wenn er sähe, wie Abg. Rettich dem Haupte des „Bundes "Ordre Pa rirt. Am Schluffe heißt cs in -cm Schreiben: „Die Land- vündler lassen sich durch Freiherrn v. Wangenheim ver treten, weil sie ihre Gegnerschaft gegen die Vorlage der Regierung unmöglich drastischer markiren könnten, als durch das Borschieben einer so gearteten Persönlichkeit. Und die Negierung? Ihre Vertreter, bis auf den Frei herrn v. Nichthofen, lassen sich von oben herab behandeln und stecken nachher wieder mit Freiherrn v. Wangenheim die Köpfe zusammen, um die „wundervolle Bildsäule" des Grafen v. Posadowsky aus dem großen Marmorblock hcrauszuhaucn." — Hoffentlich ändert sich das Bild gründ lich, wenn die Commission am Ende ihrer Arbeit an gekommen ist und an die Ncgicrungsvertrcter die ge bieterische Nothwcndigkcit hcrantritt, -em Bundesführer klar z» machen, daß sie nöthigenfalls ohne ihn auskommen und den Landwtrthcn beweisen können, wer die Schuld an der Nichterfüllung berechtigter agrarischer Wünsche tragen würde. Bezug-.Preis I« der Hanptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlichX 4.S0, — zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau» »> k.so. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich 6, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Der Krieg in Südafrika. Die Friedensverhandlungen. Es verlautet, im gestrigen Londoner Cabinetsrath seien neue Depeschen des Obercommissars Milner unterbreitet worden. Lord Hamilton sprach gestern in einer Rede, die er in Acton hielt, über die Friedensverhand- lungen und sagte: Wir könnten in der Erkenntniß, daß wir in militärischem Sinne hervorragend stark (?) sind, eine unversöhnliche Haltung cinnehmen, aber die Gefühle von Hochherzigkeit (?) gegenüber einem tapferen und stand haften Feinde, die uns im vergangenen Jahre dazu ge bracht haben, den Boeren großmüthige Bedingungen anzu bieten, beeinflussen innner noch unsere Handlungsweise; in dessen dürfen wir keiner Regelung der Angelegenheit zu stimmen, die das Reich von Neuem einer Probe unter werfen könnte, wie es die jetzt durchgemachte gewesen ist. Wie Salisbury bereits erklärt hat: Kein Theilchen von Unabhängigkeit darf den Boeren gelassen werden. Die gestrigen Mittheilüngen -er „Daily Mail" über die Friedensunterhandlungen werden an gut informirter Stelle in London als zuverlässig bezeichnet. — Wie jetzt bekannt wird, war zwischen Transvaalern und Oranjern in Klerksdorp noch keine wirkliche Einigung vor dem gemeinsamen Gange nach Pretoria erzielt worden. Schalk Burger und die Transvaaler waren entschieden nachgiebiger, als Steijn nnd De Wct; Steijn soll sogar nicht ohne ausdrücklichen Vorbehalt oder Ein spruch nach Pretoria gekommen sein. — Wie verlautet, hält das britische Cabinct an dem Grundsätze fest, daß nur von einer militärischen Convention wegen der Waffenstreckung die Rede sein könne, daß darin aber keinerlei Bestimmungen über die gegenwärtige oder künftige politische Entwickelung oder den Zeitpunkt des Eintrittes der colonialen Selbst verwaltung Raum finden dürften, und die Boerenvertrcter sich dafür auf die persönlichen Zusicherungen Milner's und Kitchener's und den guten Willen Englands verlassen müßten. - r „Zentral News" wird aus Pretoria gemeldet: Für Steijn und De Wet ist in der Vorstadt Sunnyside ein bequemes Logis besorgt worben. Alle Delegirten ersuchten um die Erlaubniß, die jetzt in Pretoria anwesenden Mit glieder ibrer Familien sehen zu dürfen, und erhielten die selbe. Delarey besuchte am Sonntag seine alte Mutter, die seit einiger Zeit in Pretoria wohnt. „Reuter's Bureau" meldet aus Graaff-Reinet, daß am 7. April bei den Verhandlungen gegen -en Bocrenführer Kruitzinger der Staatsanwalt, als Zeuge aufgerüfen, einen Brief vor legte, der von britischen Truppen aufgefangen und von Kruitzinger an Scheepers gerichtet war, und in dem Kruitzinger bas Vorgehen Scheepers' betreffs der Nieder brennung von Häusern im Camdebon-Districte bedauerte und sich im Allgemeinen als humaner Mann erwies. Der Gerichtshof sprach alsdann den Gefangenen von allen vier Anschuldigungen wegen Mordes frei. Der Ge fangene ging hierauf hinaus, er wurde jedoch sofort zurück gebracht, und jedes Mitglied des Gerichtshofes, ein- schließlich des Staatsanwaltes, schüttelte ihm die Hand. Anzelgen'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 7b H, vor den Familiennach« richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). sie ihm mit schmerzlichem Lächeln entgegen: „Ob er darf? Aber, Dtutti! Komm, Bernd, jetzt ist aus Deinem Dum- melchcn noch etwas weit Schlimmeres geworden. Aber auch daran bin nur ich, nur meine Dummheit schuld!" rief sie zitternd vor Erwartung. Ihr armes Hirn hatte es sich in der beständigen, sie umgebenden Dunkelheit ausgemalt, -aß sie mit ihrer Erblindung jetzt seine volle Sympathie wiedergewinnen könne, daß aus seinem Mitleid vielleicht Liebe werden könne. Und einige Bemerkungen der Pflege mutter hatten die stille Hoffnung in ihr noch verstärkt. Zum mindesten würde sie ihm jetzt nicht mehr so ganz uninter essant erscheinen! Mit einem unbestimmte» Laut war Bernd auf sie zngc- eilt und hatte sie in aufwallendem Astitgefühl in die Arme gezogen. Seine zuckenden Lippen preßten sich fest auf ihre Haare. Sie spürte seine brennenden Thränentropfcn, sein hämmerndes Herz. Auch sie brach in fassungsloses Schluchzen aus. Er ließ sie in den Stuhl gleiten und kniete vor ibr nieder, sein Kopf wühlte sich in ihren Schvoß. „Du Aermste, Du Aermste durch mich —" stammelte er. Sie fuhr mit tastendem Streicheln über sein Haar. Wie wohl ihr das that, trotz allen Jammers. Bernd war zärtlich m ihr, er beklagte sie un weinte um ihretwillen! Sie undevsprach ihm heftig und schob sich alle Schuld zu. Die beiden Menschen Überboten sich jetzt in wilden Selbstanklagcn. Sie wollte ihn, er sie entlasten. Und dieser tiefe, unsägliche Kummer, das Erschütternde dieser so gefürchteten Scene schmetterte Marie fast zu Boden. Sie stand noch immer regungslos. Grauen und Liebe lähmten sie. Die ganze Bedeutung von Bernd's nicht zu beruhigendem, fassungslosem Schmerze, seine Sclbstoer- wünschungen, wenn er, die Blicke hebend, Anneliese s Binde erschaute, waren nur ihr klar. Er beklagte mit ihrem Augenlicht feine gesammtr, zertrümmerte Hoffnung, seine Sehnsucht. Ihm selbst war das in dieser Viertel- stlmde nicht so zum Bewußtsein gedrungen. Er dachte jetzt vielleicht wirklich nur an Anneliese. Seine Mutter aber war zur Hellseherin geworden. Sie ahnte die Zu kunft vorher, wo für den lebenslustigen, kraftvollen Mann die blinde Gattin eine qualvolle Last werden würde. Aber dieses Opfer erforderte die harte Pflicht! Auch sic begrub di- stolzen Pläne für daS heißgeliebte Kind. — Später hat Gräfin' Brandau oft zugestanben, daß dieser Tag der schwerste ihres schweren Lebens gewesen fei. Die Gräfin fand zuerst die Ruhe wieder. Sic eilte auf da» jung« Paar zu und hemmte mit liebevollen Worten die Einzelstaaten vor peinlichen Ueberraschungen sichernde Reform auf schwankende Einnahmen aus Schutzzöllen nicht gegründet werden könne, aber wir glaubten wenigstens annehmen zu dürfen, der vom Reichskanzler Grafen Bülow ausgesprochene Gedanke, einen wesent lichen Theil der aus -en erhöhten Zöllen zu erwartenden Mehreinnahmen für sociale Reformzwecke zn ver wenden, sei aufgegebcn. Wie wir heute aus der „Social. Praxis" ersehen, war diese Annahme falsch. Das ge nannte Organ schreibt nämlich: „ Die Münchner „Allg. Ztg." hatte dieser Tage geschrieben, „es würde kaum richtig sein, der kommenden Reichsfinanz reform dadurch vorzugreifen, daß man bei der Verabschiedung des Zolltarifs gewisse Mehreinnahmen für bestimmte Zwecke der Socialreform festlegen und sagen wollte, cs sollten auf diese Weise die Unkosten der Wittwen- und Waisenversicherung der Arbeiter gedeckt werden". Hierzu sind wir in der Lage, auS erster Quelle festzustellen, daß der Reichskanzler bei seiner am 5. Mai 1901 im Reichstage abgegebenen Er klärung verharrt. In dieser hatte er der Absicht Ausdruck gegeben, daß er bei einer voraussichtlich erheblichen Steigerung der Einnahme aus den Zöllen Vorschlägen würde, solche Mehr einnahmen, speciell aus den Zöllen für L e b e n s m i t t e l, ganz wesentlich zur Hebung derWohlfahrtsein- richtungen im Reiche und zum Besten der weniger günstig gestellten Classen der Be völkerung zu verwenden." Die „Soc. Pr." erneuert angesichts dieser Absicht deS Reichskanzlers ihre Bedenken gegen die Bindung be stimmter einzelner Zollüberschüsse für socialpolitische Zwecke — „gerade im Interesse gesicherter Fundirung der Maßnahmen und Einrichtungen". Weit bedenklicher noch ist aber die Absicht des Kanzlers im Hinblick auf die so dringend nöthige Rcichssinanzreform. Was soll für sie übrig bleiben, wenn die Mehreinnahmen, speciell aus den Zöllen für Lebensmittel, für socialpolitische Zwecke fest gelegt werden? Es ist ohnehin sehr fraglich, ob wirkliche Schutzzölle, welche die Einfuhr verringern sollen, Mckyc- ertrüge liefern; werden solche aber größtentheils für Wohlfahrtseinrichtungen, so wohlthätig diese auch sein mögen, in Anspruch genommen, wie soll der dürftige Rest hinreichen zur Grundlage einer die Einzelstaatcn vor Steigerung der Matricularbctträge über die lieber- Weisungen sichernden Reichsfiuanzreform? Wir können uns nicht vorstellen, -aß Graf Posadowsky in Dresden, München, Stuttgart nnd Karlsruhe Zustimmung zu diesem Verwendungsplane für die erhofften Mehrein nahmen gefunden habe. Wahrscheinlich ist man in diesen Residenzen von der Meldung der „Soc. Praxis" ebenso überrascht wie wir. In diesem Falle wird man hoffent lich nicht zögern, dem Befremden über die Meldung un umwunden Ausdruck zu geben. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. April. Der Reichstag hat gestern wiederum die See» mannsordnung um einige Paragraphen „ge fördert", aber auch die Wahrscheinlichkeit des abermaligen Scheuerns des wlclMgenmeformwerkes vergrößert. In Folge der schwachen Besetzung des Hauses erreichten cs die Socialdemokraten bei 8 56, -er vom Heuerbezug in Krankheitsfällen für Angehörige handelt, daß ihr weiter als der Commissionsbeschluß gehender Antrag zur An nahme gelangte. Zur Annahme gelangte ferner ein Antrag Stockmann zum 8 69, der das Rücktrittsrecht an die Voraussetzung knüpft, daß ein Krankheitsherd von Cholera, Pest oder gelbem Fieber zur Zeit der An musterung in dem Anlaufshafen bereits vorhanden und hiervon dem Schiffsmann nicht vorher Mittheilung ge macht worden ist. Der Staatssekretär Graf v. Posa dowsky erklärte sein Einverständnis; mit dieser Fassung, sofern im 8 76 die von der Commission aufgeuommenc Bestimmung, daß im Falle des Rücktrittes dem Schiffs- manne noch die Heuer auf einen weiteren Monat gezahlt werden müsse, wieder in Fortfall gebracht werde. Auch der anwesende Vertreter der Marinever waltung warnte davor, zum Verlassen des Schiffes in kritischen Momenten unter Gefährdung der Passanten und der übrigen Mannschaft durch eine Prämie noch besonders anzureizen. Gleichwohl trat die Mehrheit dem Beschlüsse der Commission bet und führte damit die Vorlage noch tiefer in die Klippen. — Auch die Tarif-Commission des Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an dle Ex-rbitivn zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 btS Abends 7 Uhr. Eva oder Anneliese? Roman von Er n st Georgy. Nachdruck vrrkotrn. Der Bediente verneigte sich mehrmals. Er ktebte seine gütige Herrin. Seine untcrthänige Bescheidenheit hielt ihn zurück, das Gefühl zu zeigen. Trotzdem lachte er sic jetzt freudig an. Wenn sie kam, dann würbe ja Alles besser werden, dessen war er sicher. „Ja, gnädigste Frau Gräfin, — unser junger Herr Graf hat sich in dem runden Zimmer soll ich?" „Lassen Sie nur!" winkte sie ihm abwehrend zu. — ;,Jch werde selbst nach, sehen. Sie aber, gehen Sie zu dem alten Herrn Kahle und helfen Sie ihm. Er ist von der schweren Zeit sehr angestrengt und matt!" — Sic wartete, bis er sich entfernt hatte. Dann legte sie einen Augenblick die Hand auf das pochende Herz und holte tief Athem. Darauf klopfte sie leise an: „Bernd, mach' auf, mein Kind, ich bin es, ich, — Mutti!" Sie horchte. Wie langsam und zögernd kam er herbei. Der Schlüssel wurde umge- dreht- Die Klinke ging nieder und die gothische, be schlagene Pforte öffnete sich. Marie trat ein. Da stand er, scheu, gedrückt und um Jahre gealtert. Seine dunklen Augen, von tiefen Schatten umgeben, sahen ihr ungewiß entgegen. Die Gräfin unterdrückte ihre aufwallcnbe mütterliche Zärtlichkeit und das Schluchzen, welches ihr würgend im Halse cmporsticg. Sie fühlte, daß mau seinen nervv» überreizten Zustand nur durch größte Ruhe heilen konnte. Marie war an Selbstbeherrschung ihr ganzes Leben hindurch gewöhnt. Etwas stärkere Willens anstrengung, etwa» mehr Kraft bedurfte sic heute als in früheren Jahren; und eS gelang ihr! Erstaunt lauschte sie selbst auf ihre ruhig und weich klingende Stimme, die nur leicht verschleiert war. „Siehst Du, mein Bubi, da sind wir wieder da! Die Reise ging besser von statten, al- ich gedacht habe. Anne- liefe hat sich merkwürdig schnell in ihr trauriges Schicksal gesunden. Wenigstens giebt sie sich äußerlich unverändert. Ihre kräftige Natur hat die nervöse Erregung vollständig überwunden- Ihr weicher, dcmüthiger Charakter wagt keine Auflehnung gegen das Geschick. Mißchen ist eine aufopfernde Pflegerin, ein wahres Juwel. Sie bat Anne liese jetzt auf da» Sopha gebettet, w«il sie nach -er Stsen-
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