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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020426011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902042601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902042601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-26
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r »0. »o. r >. aD.-8. p.1901 t. »v. -^oU«n» Bezugs «Preis tu der HauptexpediÜlm oder den im Stadt» bezirk und den Bororten errichtete« Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.80, — zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus »I 8.80. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich ^ssS, für die übrigen Länder laut Zettung-prei-liste. Redaktion un- Expedition: JohanniSgaffe 8. Fernsprecher l8S und LLS. Flli»tevp»Ptti»»e« r Alfred Haha. Buchhandlg^ lluiverfitätsstr.8,' 8. iitsche, Aatharineustr. Ich ». Köntgspl. V. Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraß» 8. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Hanpt-Filiale Serlin: KSuiggrätzerstraße 116. Fernsprecher «ml VI Nr. SS9S. Morgen-Ausgabe eipMer TllgMM Anzeiger. Nmtsvkatt SÄ Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Aathes «nd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. AnzeigeU'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem RrdactionSstrich (4 gespalten) 78 H, vor den Familiennach- rtchten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannuhme 35 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), uur mit der Morgen»lUuSgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit Postbesörderuug 70.—» Innahmeschlnß silr Anzeigen: Abeud-AuSgabe: Vormittag« 10 llhr. Mor-en-AuSgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« unuuterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig. ro. xsU^/7.02 k. l. tte» pk- »i> »» l.0. t. v. l. v. l.v. «.v. 0.0. »V. I. V I. I> »V. »I» M-I-V 0. Aar» ».0 «.v l.0. 6. :.vL7:10!.b0 : Lier« ».v. »V. »V. »>0.vv »-0.S.4 8L L l.0. l.v. l-v. l.0. I. 0. kalte». I>. l.0. t. v. ia.0p.l4 w-OpUt! l.0 1.V l.0. Nr. 2«S. Sonnabend den 26. April 1902. 96. Jahrgang. Leisere Trinkerfürsorge. v. Seit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches besteht eine Meinungsverschiedenheit darüber, vb die Trunksucht eine Krankheit oder lediglich ein Laster sei. Der Gesetzgeber betrachtet sie als eine Krankheit und die Gerichte verlangen daher vielsach zur Begründung des nach dem genannten Gesetzbuch bekanntlich möglichen Ent mündigungsverfahrens einen ärztlichen Nachweis der Trunksucht. Wir glauben, daß die Auffassung des Bürger lichen Gesetzbuches die richtige ist. Ausgebildete Trunk sucht ist stets eine Krankheit, aber diese ist, wie manche andere Erkrankungen, fast immer die Folge mangelhafter Selbstzucht, die schließlich in Verlotterung deS Charakters und völlige Energielosigkeit der Trinkbegierde gegenüber auSartet. Trunksucht ist also Krankheit, durch Laster her- norgerufen. Die moralische Qualität -es Trinkers steigt dadurch nicht höher, aber für die Trinkerfürsorge besitzt die Auffassung -cs Bürgerlichen Gesetzbuches immer hin einige Bedeutung, da sie das Entmündigungsverfahren erschwert. Wenn das Bürgerliche Gesetzbuch die Einleitung dieses Verfahrens gestattet, so hat cs damit die Trinkerfürsorge gewissermaßen zu einer öffentlichen Angelegenheit gemacht, wie es die Jrrenfürsorge ja längst ist. Jene Bestimmung des Bürgerlichen Rechts setzt geradezu voraus, baß auch staatlich begründete ober wenigstens staatlich anerkannte Trinkerheilanstalten vorhynben sind, wie eS derartige Anstalten zur Heilung anderer Krankheiten giebt. Bei den Trinkerheilanstalten ist eine staatliche Anerkennung um so nothwendiger, da ohne sic die Heilung -er Trunk süchtigen völlig zu Nichte gemacht werden kann. Die wenigen bisher bestehenden Privatanstalten haben nämlich keine Mittel, etwa ihnen vom Vormund zugeführte ent mündigte Trinker solange als eS die Heilung erfordert zurückzuhalten. Glaubt der Vormund, der sich denn doch ost durch den Augenschein und die Versprechungen der Ent mündigten täuschen läßt, daß der Aufenthalt seines Schütz lings in der Anstalt nicht länger nothwenbig sei, so hat der Leiter derselben, wie gesagt, keine Mittel, den Abgang zu verhindern. Ausgebildete Trunksucht ist jedoch nicht in wenigen Wochen oder Monaten heilbar. Sie ist es um so weniger, da es sich bei ihr nicht nur um eine Genesung von körperlicher Erkrankung, sondern besonders auch um eine Erziehung des Charakters, um eine Kräftigung des Willens, um Veredelung des ost recht verrohten Gemüths, mit einem Worte — um die sittliche Läuterung -es Menschen handelt. Eine derartige Emporhebung des Gesunkenen ist natürlich auch in einer Trtnkerhetlstätte nur selten voll kommen möglich. Aber in ihr muß doch der Boden ge lockert werden, sic muß im ehemaligen Trinker den Keim zu einer reineren Lebensauffassung kegelt und kräftige Wurzel treiben lassen, sie muß ihm vor Allem neben der gewährten körperlichen Erholung und Heilung den Alkohol meiden und die Nüchternheit und Arbeit lieben lehren. Diese Grundlage zu einer besseren Lebensführung kann jedoch in den Trinkerheilstätten nur gelegt werden, wenn der Aufenthalt des entmündigten Kranken in ihr lediglich von der sachverständigen Ueberzeugung und von dem Verantwortungsgefühl des leitenden Arztes abhängt. Unter diesen Umständen darf man vielleicht die Hoffnung hegen, daß wenigstens die staatliche Anerkennung der Trinkerheilstätten nur eine Frage -er Zeit sein wird. Im Allgemeinen wollen die deutschen Regierungen noch weiter eine abwartende Stellung einuehmen. So hat die sächsische Regierung jüngst zu einer Bittschrift des „Sächsischen Landesverbandes gegen den Mißbrauch geisti ger Getränke" erklärt, daß sie die Errichtung staatlicher Anstalten zur Unterbringung der Trunksüchtigen, -er be reits wegen Trunksucht Entmündigten und solcher Per sonen, die sich freiwillig zu ihrer Heilung einer Anstalts behandlung unterwerfen wollen, zur Zett noch nicht für spruchreif halte. Die sächsische Regierung will Vereins bestrebungen auf diesem Gebiet gern unterstützen, aber sie will noch weitere Erfahrungen sammeln, ehe sie die Grün dung von Trinkerheilstätten als staatliche Aufgabe be trachtet. Bei der Würdigung -er Erfolge der gegenwärtigen Privatanstalten darf man jedoch die engen Verhältnisse nicht übersehen, unter denen sie arbeiten. Namentlich inuß die soeben erörterte Thatsache genügend betont wer den, baß die Anstalten nicht das Recht haben, die Er krankten stets genügende Zett in Behandlung zu behalten; manche Mißerfolge werden allein hierauf zurückzuführen sein. In der letzten Versammlung der Letter der Trinker heilanstalten des deutschen Sprachgebiets wurde geradezu ein Trinkerfürsorgcgesetz gefordert, das auch die Zwangs heilung der Trunksüchtigen ermöglichen müsse. Eine weniger abwartende Haltung, wie die deutschen Regierungen, haben die Landesversicherungsan- stalten zur Trinkerheilung eingenommen. Bekanntlich giebt diesen das JnvaliditätSgesetz das Recht, den Ber- sicherten auch durch rechtzeitige Einleitung deS Heilver fahren- vor einem frühen Zusammenbruch seiner Kräfte zu bewahren, also vorbeugend zu wirken. Dieses Recht haben die genannten Versicherungsanstalten in den letzten Jahren namentlich in Beziehung auf die Tuberkulose immer mehr in Anspruch genommen. Im Rheinland stieg die für Hetlversuche von der Versicherungsanstalt auS- gegebene Summe voi 13 NM in 1886 auf etwa 1 Million Mark in 1900; die Versicherungsanstalt Berlin wandte im letztgenannten Jahre für die Heilung Lungenkranker 405200 auf. Großartige Lungenheilstätten sind von den Versicherungsanstalten entweder selbst gegründet oder ihre Entstehung ist doch mit Hilfe ber zu billigem Zinsfuß her geliehenen Anstaltsgelder sehr wesentlich gefördert. Auch der AlkoholiSmuS ist leider zu einer verheerenden VolkSkrankhctt geworden und cs muß durchaus als un entschieden angesehen werden, ob er oder die Tuberkulose der BolkSwohlsahrt mehr Schaden zufügt. Es ist daher vollauf zu verstehen, wenn die vorwiegend bet der Be kämpfung der Trunksucht bctheiltgtcn Kreise von den San-eSverstcherungSanstalten erwarten, baß sie auch Sei der wetteren Ausgestaltung ber TrtnkerVetlung ähnlich wie bet ber HchwindsuchtSgefahr ihr« kräftig« Unterstützung nicht versag«« werben. Wt« wir b«r«itS anbeuteten, haben einige Lieser Anstalten ihre vorbeugende Aufgabe der Trunksucht gegenüber bereits erfaßt. So haben die Ver sicherungsanstalten Berlin, Brandenburg, Kiel Ostpreußen, Thüringen, Westpreußen und Rhetnprovinz Trinker in entsprechende Heilanstalten untergebracht; Braunschweig Hannover, Hessen-Nassau und Lübeck haben zugesagt, Trinkerheilstätten gleichfalls zu benutzen. Darlehen zum Zinsfuß von 3—1 Procent erhielten bisher fünf Trinker heilanstalten und zwar handelt es sich um Beträge von 15 000 bis 160 000 die von den Versicherungsanstalten in Kiel, Berlin, Düsseldorf und Braunschweig, natürlich gegen entsprechende Sicherheit, gegeben wurden. Die er wähnte Versammlung -er Leiter Leutscher Trinkerheil anstalten nahm mit großer Befriedigung von dieser Hilfe Kenntniß und sprach die Bitte aus, daß die Landcsversiche- rungsanstalten in Zukunft in erhöhtem Maße diesen Heil stätten ihre Theilnahme zuwcnden und von ihrer Hilfe Gebrauch machen möchten. Die bisherige schwache Unter stützung der Trinkerheilstätten durch jene Anstalten führt man darauf zurück, daß die Arbeit der ersteren und ihre Er folge noch zu wenig bekannt ist. Vielfach glaubt man, daß ein gewohnheitsmäßiger Trinker überhaupt nicht heilbar sei; selbst zahlreiche Aerzte stehen einer Trinkerheilung recht -weifelsüchtig gegenüber un- sie versäumen daher, für ihre Alkoholkranken das Heilverfahren zu beantragen. Daß jedoch eine völlige Trinkerheilung möglich ist, siel» unerschütterlich fest. Allerdings muß zu dem Aufenthalt in -er Anstalt eine entsprechende umsichtige, klug inbividu- alistrende und sehr viel Geduld, Energie und Aufmerksam keit erfordernde Nachbehandlung kommen. Die Zahl ber Heilung vom Alkoholismus ist eine längere als bei den meisten Krankheiten. Zu einem halben oder ganzen Jahr Anstaltsaufenthalt muß eine oft auf mehrere Jahre ausge dehnte Beobachtung, Fürsorge, Leitung und Gewöhnung des Pfleglings kommen und eS ist meistens nothwendig, dabei so leise und umsichtig zu verfahren, daß dieser seine Beobachtung un- Leitung gar nicht merkt. Mit großer Vorsicht muß die Umgebung, -er gesellige Verkehr gewählt werden. In Lieser Beziehung bieten bekanntlich die ver schiedenen Enthaltsamkeitsvercinigungen den besten Halt gegen Rückfälle. Es ist sicher, daß die Heilung eines Trunksüchtigen schwer ist, aber unmöglich ist sic keineswegs. Es wäre auch gar zu traurig, wenn cs von dieser Gesundheit, Charakter und Wohlstand vernichtenden, das Glück zahlloser Familien zerrüttenden Krankheit keine Rettung geben sollte. Von dem Augenblick an, wo sich die Culturmcnschheit der furcht baren Gefahr des Alkoholismus voll bewußt wird, wird auch dessen unheimliche Macht gebrochen sein. Bis dahin gilt es allerdings noch einen harten Kampf zu führen gegen allerhand Trinksitten, für Aufklärung und Auf rüttelung der Geister und nicht zuletzt im Dienste einer dem socialen Ernst der Krankheit entsprechenden Trinker fürsorge. Der Krieg in Südafrika. Die Fricbensverhaudlunge«. Wie man in Len Boerenkreisen in Europa über die Friedensverhanblungen denkt, geht aus folgender Mit- thcilnng der „Corresp. Nederland" hervor: Den von „Reuter" ins Werk gesetzten Ableugnungs versuchen gegenüber stellen wir wiederholt fest, -aß Eng land die neuerlichen Friedensverhanblungen eingelettet hat; erst auf eine im Anschluß an die holländische Ver mittelungsaction erfolgte Anregung von englischer Seite sind die Boerenregterungen zu den Verhandlungen ge kommen. Die Boerenregicrungen sind dieser Anregung gefolgt, um zu erfahren, um wie Vieles England bei seinem noto rischen Friedensbedürfntß seine Frtedensbedingungen nock weiter zurückgeschraubt hat, als dies bei der vorjährigen Zusammenkunft zwischen Botha und Kitchener schon der Fall gewesen war. Für die Boerenregicrungen war im Uebrigcn die That sache, baß England mit ihnen verhandeln wolle, also ent gegen seiner famosen Annexionsproclamatton die staat- lichc Selbstständigkeit der beiden Boerenrcpubliken voll anerkenne, Anlaß und Vorbedeutung genug, zu -er ge wünschten Besprechung zu erscheinen. Erst al- Englalnb die Boerenregicrungen beisammen hatte, spielte eS sich wieder als -er Sieger, -er bictiren könne, auf: eS erklärte, sich zu Concesstonen, gemäß der strikten Forderungen der Boeren: Unabhängigkeit und Amnestie, nicht verstehen zu können. Da jedoch die Boeren, die gegenwärtig nicht nur Len größten Theil der beiden Boerenrcpubliken unumschränkt beherrschen, sondern auch ganze DtstActe in der Lapeolonte und in Natal besetzt halten, ohne daß eS -en Engländern gelänge, sie daraus zu vertreiben, da die Boeren c» bet dieser Kriegslage nicht nvthig haben, einen Frieden von England- Gnaden anzunehmen, reisten ihre Regierungen non Pretoria ab. Nach der englischen Darstellung wären durch diese Ab reise die Verhandlungen nicht abgebrochen, sondern nur unterbrochen worden: die Boerenführer hätten sich unter einander und mit Len englischen Bevollmächtigten auf die englischen KriedenSbedtngungen geeinigt und wollten diese nur ihren BurgherS gewissermaßen als den Repräsentanten deS BolkSraadS zur Ratification unterbreiten. Wie dabei gearbeitet wird, um den Frieden als ge sichert htnzustellen, mag die Nachricht beweisen: „Frau Schalk Burger, bekanntlich eine Engländerin, und Frau SmutS befänden sich, dem telegraphischen Rufe ihrer Gatten folgend, auf der „Eanada" bereits auS England auf dem Wege nach Südafrika." Diese Nachricht ist von A bis Z unwahr. Die beiden Frauen sind nie aus Afrika hinaus- gekommen, Frau Burger, ein« echte Boerenfrau, befindet sich zur Zett in Durban: Krau SmutS war eine der ersten Boerensrauen, die in Pretoria auS ihren Häusern ver trieben worden sind, und hat sich daraushtn nach Durban begeben, wo sie sich heute ebenfalls noch befindet. Die Engländer verfolgen mit ihrer optimistischen Dar stellung d«r Situation b«n Zweck, die vorrinregtrrungni als unschlüssig und geneigt, nachzugeben, erscheinen zu lasse«. Im Schooße der englischen Regierung ist man sich vollständig darüber klar, was in Pretoria vorgegangen ist, aber man will vorerst Zeit gewinnen, mit der man dann noch Anderes zu gewinnen hofft. Die Zustimmung deö Parlaments zn den bedeutsamen finanziellen Neuerungen hat man ja bereits erlangt, und die Millioncnanleibe ist auch glücklich untergebracht. Im Uebrigcn kann cs Einem kaum entgehen, daß auch die englische Presse ihren bis herigen Optimismus bereits herabznstimmcn beginnt und das englische Volk vor übertriebenen Hoffnungen warnt. Und Kitchener hat aus der zweimaligen Unter redung mit den Boerenführern anscheinend auch die Ueber zeugung gewonnen, daß sie einem Frieden auf der Grund lage der englilschen Bedingungen nie und nimmer zustim men werden; man hätte sonst absolut keine Erklärung für seine ungewöhnliche Weigerung, einen allgemeinen Waffen stillstand zu bewilligen. Es müßte denn sein, daß die Zusage Kitchener's, während der angeblichen Bcrathungen inner halb der Commandos und miteinander alle möglichen Er leichterungen gewähren zu wollen, den thatsächlichen Waf fenstillstand bedeutet, der vorerst wenigstens ruhige Vor bereitungen zur Krönung ermöglichen und befördern sott. Mit der Abreise der Bocrcnrcgierung aus Pretoria iss jedoch thatsächlich das Ende der Aricdcnsverhandlungen anzunehmen und die Hoffnung auf einen bevorstehenden Frieden cndgiltig aufzugeben. Wer den Charakter des Boercnvolkes kennt, wird in dem erfolgten Schritt aber mals das unzweideutige Entweder — Oder erkennen: Selbstständigkeit und Amnestie oder Fortsetzung des Krieges bis zum Aeußcrsten. Die Behauptung, daß sich hinter der Abreise der Boerenregterungen aus Pretoria am Ende nur die Un einigkeit zwischen den Vertretern der beiden Staaten ver berge, fällt damit ohne Weiteres in sich selbst zusammen; ebenso grundlos ist die Vermuthung, die Boerenführer hätten nur eine Ausrede gewählt, um sich aus einer An gelegenheit zu ziehen, in der sic einen offenen Bruck- scheuen. Wären die englischen Bedingungen annehmbar gewesen, so hätten die Regierungen der Boeren, die den Krieg nicht um des Krieges willen führen und zu einem ehrenvollen Frieden stets bereit sind, keine» Augenblick gezögert, sic anzunchmen. Wenn sie dann die Verhandlungen über unannehmbare Bedingungen nicht sofort cndgiltig abge brochen, sondern sich wirklich zn ihren Commandos be geben haben, um diese um ihre Meinung zu fragen, so haben sic das nicht mehr aus Rücksicht auf den Frieden gc- than, sondern lediglich deshalb, weil sie die Verantwortung für den schwerwiegenden Entschluß, wciterznkümpfcn, nicht allein tragen wollten. Darüber und nur darüber allein konnten sic die Entscheidung allen Bürgern anheimstellcn, wic dies in den Republiken in solchen, das Wohl und Weh -es Volkes so tief berührenden Fragen stets ge schehen ist. Einen Beweis dafür, daß sich die Verhandlungen zer schlagen haben, mag man auch darin erblicken, daß den Führern im Felde die neuerlich zur Discussion gestellten Friedensbedingungen der Engländer keinen Anlaß ge boten haben, vfficiellc Verbindung mit den Führern in Europa zu suchen. Die Verhandlungen sind also nicht einmal so weit gediehen, daß den Führern in Südafrika eine Bcrathung mit den Vertretern der Boeren in Holland angezeigt oder erwünscht erschien. Dieser Meinungsaus tausch wird im gegebenen Augenbllick bestimmt erfolgen, wie fest abgemacht und im Interesse der Boeren, die die politische Lage in Europa und die Stimmung für sich ken nen müssen, geradezu unerläßlich ist. Cs ist nicht blos un wahrscheinlich, sondern ganz unmöglich, daß England die Erlaubniß dazu verweigern kann, da diese Verständigung für die Boerenführer in Südafrika die oonäitio sino gua non für jede Verhandlung über den Frieden ist. Alle gegcntyciligen Behauptungen Englands zielen uur darauf ab, die Führer der Boeren im Felde gegen diejenigen in Europa und umgekehrt auszuspiclen und dadurch einen Druck auf die Freidcnsbedingungen auszuüben. Die Boercnregierung in Europa bet Friedensverhanblungen ganz zu übergehen, ist für die Engländer ebenfalls un möglich. Die Boeren im Felde erkennen den Manu, der sein ganzes langes Leben ihnen und ihrem Land geopfert hat, noch immer durchaus als ihren Präsidenten an, und wer den nichts unternehmen, was über den Krieg und sein Ende und damit über ihr Schicksal entscheidet, ehe sie sich nicht mit ihm berathen haben. Beispielsweise ist Beweis dafür, daß auch die jüngst veröffentlichten Berichte De la Rey'S, I. C. SmutS', Kemp'S u. s. w. alle an ihn erstattet sind. Wenn diese nothwcndige und eigentlich selbstverständ liche Verständigung dahin auSgelegt wird, als säßen in Holland und Brüssel die Intransigenten, die Starr köpfigen, die Unversöhnlichen, die gegen jede Verständi gung sind, so ist diese Deutung ebenso falsch als ungerecht. Die Führer der Boeren im Felde können in der Annahme und Ratification von Fricdcnsbebingungcn völlig selbst stündig handeln; eS werden ihnen hierin nie und in keiner Weise von den Vertretern in Europa die Hände gebunden sein. Wenn heute die Führer im Felde die Unmöglichkeit der Fortsetzung oder die Aussichtslosigkeit des Kampfes erkennen und darum den Frieden suchen würben, so wür den die Führer in Europa nie und nimmer „in verbohrtem Starrsinn und ewiger Unversöhnlichkeit" die Fortsetzung deS Krieges u. s. w. -ecretiren, wie sie andererseits auch nie und nimmer die allgemeine Forderung der Un abhängigkeit der beiden Republiken und die Amnestie der Aufständischen fallen lassen und die Kämpfenden zur Niederlcgung der Waffen unter nicht ehrenvollen Be dingungen veranlassen können, so lange die Führer und die Leute im Felde an jener festhalten und die Kriegslage ihrer Erfüllung günstig erachten. Beide Parteien glauben uur. taS allgemeine Veste hauptsächlich dadurch erreichen zu können, daß jeder endailtigen Entscheidung über den Frieden die gegenseitige Verständigung vorauSgeht. Deutsches Reich. ^.Berlin, 25. April. iMilitä rische Uebuug und gewerkschaftliche Unterstützung.) Zu -er bevorstehenden Generalversammlung des Buchdrucker verbandes hat eine Reihe von localen Buchdruckerveremeu. z B. in Bonn, Posen, Bochum, Dortmund u. s. w., den Antrag eingebracht, daß -er Buchdruckerverband die zu einer militärischen Uebung einbernfencn Verbandsmitglieder finanziell unterstützen möge. Gegen diesen Antrag an sich braucht nichts eingewendct zu werden, da den militärfreien Buchdruckern im Vergleich mit den zum Militär ausgehobenen in wirthschaftlicher Hinsicht -er Regel nach ein gewisser Vorsprung sicher ist, der es rechtfertigt, daß die Gesammtheit der im Buch druckerverbände Organtsirten die zu Ucbungeu Ein- berufeuen unterstützt. Aber die Berechtigung deö gedachten Zieles rechtfertigt nicht die agitatorische Art, in welcher in dem Organ des Buchdruckerverbandes von einzelnen Mit gliedern für jenes Ziel eingetreten wird. Als Beispiel für die gegenwärtigen Verhältnisse wird -ort u. A. an geführt: „Es wird ein verhetrathetcr College zu einer Hebung herangezogcn, die Familie ist nur auf rein, sage und schreibe 22 Pfg. pro Tag Minimum und zugleich auch Maximum angewiesen. Was sind die Folgen? Ta er nirgends einen Zuschuß oder eine Unter- stützung zu erhoffen hat, ist er schließlich ge zwungen, leihweise Mittel aufzunehmen oder sonstwie ganz bedeutend in Schulden zu verfallen. . . . Mancher Leser wird wohl noch sagen, es ist Sache des Staates, seine Leute zu unterstützen. Ich aber sage, gerade wir sind ver pflichtet, unsere Collegen vor jeder Noth und Entbehrung zu schützen, denn erst abwarten, bis -er Staat seine sorgende Hand auSstreckt, nun, dann kann man warten bis zum St. Nimmerleinstage." — Der Verfasser der vorstehende» Auslassung befindet sich iu der g r ö b st e n Unkenntnis; über die thatsächlichen Verhältnisse. Denn was er selbst vom St. Nimmerleinstage nicht erwartet, die Unterstützung der Familien zn militärischen Hebungen Einberufener, ist seit einem Jahrzehnt gelten de s R e ch t. Durch R e ich s g c s e tz v om 10. Mai 1892 ist bestimmt, daß die Familien der zu Friedensübungcn cinberufenen Reservisten, Land- und Scewehrleute, sowie Ersatzrcservistcn auf Verlangen Unterstützungen erhalten. Diese betragen für die Ehefrau M, für andere Unter- stützungsbcrechtigte je 10, zusammen bis 60 Prvcent des ortsüblichen Tagclohus, und werden aus Reichsmittcln erstattet. Sicherlich kann die Lage der Familien Ucbungs- pflichtiger durch eine gewerkschaftliche Unterstützung noch verbessert werden. Aber die Auffassung, als ob der Staat cs an jeder Fürsorge für die van der allgemeinen Wehr pflicht in Anspruch Genommenen fehlen lasse, ist voll kommen haltlos. Berlin, 25. April. (Acndcrungen in der Ausbildung der Referendare.) Wir erblicken nicht in dem mehr oder weniger gut bestandenen Assessor examen die Garantie für die Tüchtigkeit des künftigen Richters, sondern in der praktischen und guten Ausbildung des Referendars. Deshalb begrüßen wir es, so wenig wir'uns im Uebrigcn mit dem Gesetzentwürfe bclr. die Ab änderung des juristischen Studiums in Preußen befreunden können, gern, daß bei dieser Gelegenheit verständige Vor schläge zur Aenderung des Vorbereitungsdienstes der Re ferendare gemacht werden. Dazu rechnen wir vor Allem die Zusage der Regierung, daß die Referendare in der Protokollführung entlastet werden sollen. Wir haben cs seit Jahr und Tag als nachtheilig bezeichnet, daß die Referendare viel zu sehr mit der Thätigkett des Gerichtsschreibcrs belastet werden. In Civilsachcn mag dies noch angehen, da bei diesen das Protokoll nicht um- fangreick; ist, so daß der Referendar Zeit hat, den Aus führungen der Parteien zu folgen. In Strafsachen aber ist die Protokvllführung meist wahre Hetzarbeit, und wenn der Referendar den ganzen Vormittag über in Strafsachen protokollirt hat, so wird er in der Regel am Nachmittag kaum zu wissenschaftlicher Arbeit im Stande sein. Selbstverständlich werden auch in Zukunft die Re ferendare öfter in Strafsachen Protokolle abfassen müssen, weil es nur nützlich ist, daß sie auch die Thätigkett der Subalternbeamten praktisch auSüben können, aber es muß eben aufhörcn, daß sic Monate hindurch wöchentlich mehrmals Protokolle abfafsen. Zu gleicher Zeit sollte aber auch darauf gesehen werden, daß die Referendare nicht gar zu viele Erkenntnisse in Strafsachen aufgebürbet bekommen. Selbstverständlich ist die Ab fassung eines Erkenntnisses in viel höherem Grade eine geistige und specicll juristische Thätigkett, als die Führung des Protokolls, aber immerhin ähneln die Erkenntnisse, be sonders in SchöffengerichtSsachen, einander so, daß bei der Abfassung sehr vieler Erkenntnisse die Thätigkett etwas mechanisch wird. Die Hauptbeschäftigung des Refe rendars soll immer die civilistische sein, einfach aus dem Grunde, weil sie schwieriger ist, als die strafrechtliche. Sehr praktisch und be- herzigcnswcrth ist ferner der Vorschlag, daß die Referen dare in der A n f a n g s st a t i o n möglichst an solchen Ge richten beschäftigt werden sollen, die vorwiegend m i t ländlichen Verhältnissen befaßt sind. Wir möchten diesen Vorschlag sogar dahin erweitern, daß auch bei der zweiten amtsgerichtlichen Station thnnlichst hicr- aufRücksicht genommen werden sollte. Das schwierigste Ver handeln ist naturgemäß mit dem Landmannc, der weniger redegewandt und mißtrauischer ist, als der Städter. Für den Referendar, der später vielleicht auf lange Jahre als Richter an ein kleines Amtsgericht mit ganz ländlicher Umgebung kommt, ist eS daher sehr wichtig, daß er bei Zeiten lernt, wic mit -em Landmannc zu verhandeln ist. Aber nicht nur das „Wie" soll er lernen, sondern auch Las „WaS", d. h. er soll wenigstens einige Kenntnisse von ländlichen Verhältnissen erhalten. Dies kann praktisch von der größten Bedeutung werden. Wir führen als Bei spiel die Auvgebingcverträge an. Die Altsitzer machen sich häufig viel mehr auS, als ihr Rechts nachfolger ihnen abgcben kann, aber der junge Bauer sagt leicht zu Allem Ja, weil er darauf brennt, selbstständiger Besitzer zu werden. Die Folgen davon sind dann endlose
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