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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020501028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902050102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902050102
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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April: Die Abgeordneten der Boeren lassen es sich eifrig angelegen sein, die im Felde stehenden Burghcrs anfzusuchen, um mit ihnen die Frage der Capitulation zu besprechen: sie besuchen nach und nach alle Distrikte und halten Versammlungen ab. Louis Botha bereist die Districte im Südosten, Delarcy und Schalk Burger die im Westen, Lucas Meyer die nordöstlichen und Reitz die nördlichen Districte, Steijn und De Wet bereisen den Lranjestaat. Als Abschluß der Versammlungen findet am 25. Mat in Vereenigung eine allgemeine Versammlung stickt, um die Bedingungen der Uebergabc endgiltig zu be- rmhen. Die Ansicht angesehener Burghers, die bereits cavitulirt haben und in der Lage sind, die Gesinnung der Boeren im Allgemeinen zu beurtheilen, geht dahin, daß, wenn die Abgesandten der Burghers die Lage aufrichtig erklären, die Burghers wahrscheinlich von friedlichen Ge sinnungen sich letten lasten werden. Dagegen besagt ein Telegramm der „Tägl. Rundsch." Pis Brüssel: Wettere vom Kriegsschauplatz kommende Meldungen lasten erkennen, daß angesichts der Haltung ter englischen Regierung in der A m n e st i e f r a g e sich troße Erregung der gesummten kämpfenden Com- tnandos bemächtigt habe. Alle Meldungen davon, daß ein zelne Trupp.entheile bereit seien, -en englischen For derungen zuzustimmen, werden als -reiste Erfindung be- lzcichnet mit dem Htnzufügen, daß gerade durch die feste iH a l t n n g d e r B o e r e n, die in der Amnesticfrage nicht nachgeben wollen, ein großer Zuwachs an Cap- ' rebellen erfolgt sei. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Mai. Immer wenn der Reichstag einen neuen Tagungsabschnitt vor sich sieht, kommen seine Berathungcn in rascheren Fluß. Es wird immer weniger, zu den Fenstern binauSgesprochen, die Reden werden kürzer und sachlicher und die Abstimmungen folgen einander in immer kleineren Zwischenräumen. Das ist begreiflich, aber nicht stets zum Vorlheil der BerathungS- gegenstände, die nicht selten über das Knie gebrochen werden, im Gegensatz zu denen, die am Anfang und in der Mitte der TagungSadschnitte mit ungebührlicher Breite erörtert werden, als ob daS HauS gar nichts Anderes zu thun hätte. Ganz läßt sich diese Verschiedenartigkeit in der Behandlung der Gegenstände !der Tagesordnung schon deshalb nicht beseitigen, weil gegen Idas Ende der Tagungsabschnitte weit mebr Material aus fden Commissionen vorliegt, als gegen die Mitte. Aber eine etwas bessere Bertheilung der Zeit auf die Berathungsgegen- ^siände ließe sich doch Wohl erzielen, schon dadurch, daß man pärlicheren Gebrauch von der Verweisung an die Com missionen machte. Gestern würde eS mindestens nichts ge schadet haben, wenn die Vorlage wegen des Gebühren tarifs für den Kaiser Wilhelm-Canal, die zu anderer Zeit sicherlich mancherlei Ausstellungen erfahren hätte, nicht ohne Debatte in dritter Lesung angenommen worden wäre. Auch von den Wahlprüfungen, die man gestern vornahm, hätte die eine und die andere ein näheres Eingehen wohl verdient. Vollständig reif zur Verabschiedung war da gegen der NacbtragSelat wegen der Veteranenbeihilfe. Am längsten hielt sich das Haus gestern bei der zweiten Berathung der Vorlage über den Servistarif nnd die Classeneintheilung der Orte, sowie über Abänderung des Gesetzes betreffs der Bewilligung von Wohnungs geldzuschüssen auf. Die Budgetcommission, der diese Vorlage überwiesen worden war, batte die in der Vorlage vorgeschlagene neue Classeneintheilung und den ferneren Vor schlag, daß von 1902 ab nur alle 10 Jahre eine Revision stattsinden solle, abzulehnen und nur ein Nothgesetz anzu nehmen beantragt, nach dem die nächste Revision der Classeneintheilung spätestens mit Wirkung vom 1. April 1904 ab erfolgen soll. Ferner soll nach dem Commissions antrage vom 1. April 1902 die Servisclasse V iort- fallen und die unter diese Classe fallenden Ort schaften der Classe IV eingereiht werden. Diesen An trägen trat das Plenum bei, desgleichen der von der Commission vorgeschlagenen Resolution, durch welche die verbündeten Regierungen ersucht werden, mit dem er wähnten noch einen besonderen Gesetzentwurf über Vie Be willigung von Wohnungsgeldzuscküssen vorzulegen. Vergebens hatte im Laufe der Debatte der Staatssekretär Graf Posa- dowsky erklärt, daß sich über die Classificirung einzelner Orte würde reden lassen, daß aber eine vollständige Neueintheilung aller Orte im Reiche auf Grund ausreichenden Materials in zwei Jabren nicht herbeigefübrt werden könne. Von Seiten der Commissionsvertreter wurde dagegen angenommen und in der Debatte geltend gemacht, daß daS in zahllosen Petitionen bereits eingegangene Material eine hinlängliche Grundlage biete. Die Städte, die es angebt, mögen nun nicht säumen, dieses Material noch zu vermehren. — Heute steht u. A. der „Toleranz"-Antrag deS CentrumS auf der Tagesordnung. Hoffentlich ist die Feriensehnsucht der antiklerikalen Fractioncn nicht stark genug, um sie von möglichst vollzähligem Erscheinen in der heutigen Sitzung und gründlicher Beleuchtung des Antrags abzuhalten. Die sogenannte Maifeier ist keinen Federstrich mehr Werth, an diesem TerrorisirungSprojectchen bat die Socialdemokratie, wenigstens die deutsche, gezeigt, was sie nicht kann. Von den ja auch hier zu Lande unausbleiblichen Mittbeilungen über vereinzelte Maistreiks und deren Consequenzen für die Feiernden abgesehen, wäre über das Wesen der verunglückten Weltdemonstration in diesem Iabre kein Wort mehr zu ver lieren und zu ihrer schwächlichen Markirung — außerhalb der Arbeitszeit! — höchstens noch zu bemerken gewesen, daß die socialdemokratischen Oberherren in Berlin, der Capitale der Partei, von der Absicht beseelt gewesen waren, bei der Auswahl der dortigen Festredner confessi on el le Parität walten zu lassen, daß sie aber zu Gunsten des jüdischen Elements von der Verwirklichung absehen mußten. Die israelitischen Herren überwiegen, wie auö dem von uns mitgetheilten Berliner Mai-Menu bervorgeht, ganz bedeutend. Eine amüsante Wahrnehmung, daß die Eigenschaft der Juden als auserwäbltes Volk gerade und vornehmlich in der atheistischen Socialdemokratie zum Vorschein kommt, zugleich aber eine be zeichnende Erscheinung. Zur handarbeitenden Bevölkerung, zum „Proletariat", wie die Socialdemokratie diesen Bevölkerungstdeil zu nennen geruht,stcllen inDeutsckland dieZuven ein verschwindend kleines Contingent und die „Akademiker" sind gerade beim Berliner GroS der Partei beliebt. Dennoch! Also, die Maifeier hätte außer, dieser — überdies längst bemerkten — Imparität, der Muse auch nicht mebr zum kleinsten Epigramm Stoff geboten — wenn nicht zwei Commissionen deS gloriosen regierenden Reichstages dem Stroh, mit dem die Socialdemokratie sich am 1. Mai bekränzt, den Anstrich von Lorbeer beigebracht hätte. Wir haben schon berichtet, daß die Petit ions- commisson die für heute in Aussicht genommene Sitzung auf „Einspruch" der socialdemokratischen Mitglieder, der mit dem Hinweis auf den „Weltfeicrtag" begründet war, aus fallen ließ. DieBudgetcommission, der wichtigste ständige Ausschuß des Reichstages, hat aus gleichem Grunde daS Gleiche gethan. Hier haben allerdings die Socialdemokraten die Maifeier nicht erwähnt und nur im Allgemeinen von einer Abhaltung gesprochen. Auf eine solche Rücksicht zu nehmen, hätte sich am Ende Horen kaffen, wenn nicht die bürgerlichen Mitglieder der Budgetcommission aus dem schon in den gestrigen Morgenblättern berichteten Vorgänge hätten wissen müssen, um was es sich handelt. Die Nanonalliberalen und die Conservativen in diesem Aus schüsse haben denn auch den Kopf nicht in den Sand gesteckt und sich energisch, aber vergebens, gegen die Respectirung reö Beschlusses eines Pariser Socialisten- congresses durch den deutschen Reichstag erklärt. Die Na tionalliberalen hatten auch in der PetitionScommission durch den Mund des Abg. Franken Verwahrung einlegen lassen. Herr Franken, beiläufig bemerkt, kein geborener „Bourgeois", sondern ein ehemaliger Schlossergeselle, bemerkte, es sei ein großer Unterschied, ob das Centrum wegen eines kirchlichen Festes den Ausfall einer Sitzung wünsche, oder ob auf eine Parteiveranstaltung Rücksicht genommen werde. Der Unter schied liegt in der Thal auf der Hand, schon weil dort kirchliches Gebot und hier Willkür waltet. Das Centrum war anderer Meinung. Vielleicht weil eö ein PräcedenS schaffen wollte, weil eS sich mit dem Gedanken trägt, dem deutschen Reichstage den Tag der Proclamirung deSUnfehl- barkeitSdogmas als Ruhetag aufzuoctroyren. Jedenfalls bat die ultramontane Partei der Socialdemokratie geholfen, Religion und Parteipolitik auf eine Stufe zu stellen, und da ibretwegen an gewissen hohen kirchlichen Festen im Reichstage gefeiert wird, so wird sie keinen Einspruch erbeben können, wenn die Socialdemokratie einmal darauf bestehen wird, daß die Geburtslage von Marx und Lassalle auch im Reichstagskalender rotb angestrichen nnd durch SitzungsauSfall geehrt werden. Daß der Freisinn mitthat und wegen Wahlunterstützung in der Furcht der Herren Singer und Bebel seine Ergebenheit bezeigte, versteht sich von selbst. Die bewiesene Schwäche wird das Fiasco des Maifeiertages, insoweit er als wirtb- schaftlicher Geßlerhut gedacht ist, nicht hindern und die Arbeitgeber würden sich durch die Weisheit dieser CommissionS- mehrheiten in ihrer entschiedenen Abwehr der Mai-Zu- muthung gewiß auch nickt haben irre machen lassen, wenn daS böse Beispiel so früh gegeben worden wäre, daß sie eö noch hätten befolgen können. Aber in den Augen der Anhänger wild daS politische Prestige der socialdemo kratischen Führer durch die Capitulation der bürgerlichen Mehrheiten gehoben und deswegen ist die gezeigte Connivenz zu bedauern. Während die Abkehr von Rom in Oesterreich und in den romanischen Ländern unseren KlerikaliSmuS mit großer Bekümmerniß erfüllt, sind in EnglanV Strömungen genug bemerkbar, die gestatten, daß die deutschen Klerikalen ihre Blicke hoffnungsvoll nach Großbritannien richten. Dazu berechtigen sowohl zahlreiche Uebertritte von der anglikanischen zur katho 98. Jahrgang. lischen Kirche, als auch offen zu Tage tretende Bemühungen, um die Wiedervereinigung der anglikanischen Kirche mit Rom. Zu diesen Bemühungen gehört die Schrift „England und der Heilige Stuhl. Ein Versuch zur Förderung der Wiedervereinigung", die von dem anglika nischen Geistlichen Spencer ZoneS kürzlich veröffentl'cht worden ist. Jones stellt den Anschluß an Rom mit seinen klar abgegrenzten Dogmen, seinem obersten Lehramt und seiner festen Leitung als eine Lebensfrage für die anglikanische Kirche dar. Es ist deshalb nicht erstaunlich, wenn die klerikale „Köln. Volksztg." dem Buche von Jones das schmückende Bei wort „wahrhaft phänomenal" giebt und die Stellung des deutschen Protestantismus gegen Rom klagend mit den englischen Stimmungen vergleicht. Aus ihrer Klage zieht das rheinische CenlrumSorgan eine Schlußfolgerung all gemeinster Art, die zur Kritik herauSfordert. Die „Köln. Volksztg." behauptet nämlich, daß unter dem Gegensätze des deutschen Protestantismus Rom gegenüber im Vergleich mit England die christliche Liebe leidet: „In England", so sagt das rheinische Blatt, „baut man auf, bei uns ist die Zerstörung das Losungswort." — Die christliche Liebe der Engländer auf Kosten der christlichen Liebe in Deutschland zu rühmen, dafür scheint die Zeit doch nicht ganz angethan zu sein. Denn weder die Anzettelung noch der Verlauf des BoerenkriegeS, wogegen die christliche Liebe der über wältigenden Mehrheit in England nichts einwendet, stellen der christlichen Liebe Albions dasjenige glänzende Zeugniß auS, auf der die „Köln. Volksztg." zu Ungunsten Deutschlands trumpft. Daß nach klerikalem Eingeständniß der Boeren- krieg Englands in eineZeit fällt, wo derGedanke der Wiedervereinigung Großbritanniens mit Rom esinen „ungeahnten Aufschwung" genommen hat — davon wird man mit dem größten Interesse Kenntniß nehmen, und der Historiker wird für diesen klerikalen Wink dankbar sein dürfen. Deutsches Reich. Berlin, 30. April. Die Vorlage wegen der Zuckerconvention wird den Reichstag voraus sichtlich bereits in den ersten Tagen -er nächsten Woche be schäftigen. Die Neichsregierung hat offenbar in der Ab sicht, die größtmögliche Loyalität gegenüber den anderen Bertragsrnüchten zu bethätigen, die Convention so rasch als möglich und ohne Rücksicht darauf, wie die anderen betheiligten Regierungen vorgehen, den gesetzgebenden Körperschaften des Reiches unterbreitet. Aus diesem Grunde ist ein vorgängiges Benehmen mit der deutschen Zuckcrindustrie nicht für angängig erachtet worden, so großer Werth auch naturgemäß ans deren sachkundige Be rathung und Stellungnahme zu legen ist. Gleichwohl wird dem Reichstage für seine Berathung diese wichtige Unterlage nicht fehlen. Die Zuckerindustriellen haben, den bewährten Traditionen -er großen industriellen Ver bände folgend, sich wohlweislich davor gehütet, zu der Frage, deren Schwierigkeit so groß ist, wie ihre Bedeutung für die Lebenöinteressen der heimischen Zuckerindustrie und des damit zusammenhängenden Rübenbaues, ab irato oder auch nur im Affect Stellung zu nehmen; ihre Stel lungnahme soll vielmehr das Ergebniß sorgsamster Ab wägung der sachlichen Gründe sein, welche vom Stand punkt der von ihnen vertretenen Interessen für oder wider die Brüsseler Convention ins Gewicht fallen, und wird demzufolge ein für die Beschlußfassung des Reichs- FeuiNrtsn. if Der Militärcurat. Roman von Arthur Achleitner. Siaiddruck vnLoten. Erstes Capttel. Ueber der weiten, regungslosen Seefläche, die seitlich von starren, kahlen, röthlichen Felsen besäumt ist, blaut der wolkenlose Himmel des sonnigen Südens und eine drückende Schwüle liegt über Land und See, das Leben schier lähmend. Wo der blaue See endet, fließen die Farben des Wassers und des Firmaments in einander, und -ort ist der Machtbereich der italienischen Tricolore. Zwischen lichterfüllten Olivcnhügeln und weißglänzenden Ciironenterraffen hindurch, das blaue Gewässer durch- schqeidend, zieht die alte deutsche Rcichsgrenze hindurch. In,der Windstille deS Mittags ist der See ein schillernder Ep»gel geworden, dessen Glitzern das Auge blendet. Wie schiHngenlahme Vögel liegen einige Barken in der regmgslosen Fluth, in solcher Schwüle verzichten die Fisl«r auf jegliche Fahrt und harren schwitzend jener Lufircümung, die bet guter Witterung regelmäßig des Nachmittags auS dem Süden kommt und die vielfach ge flickt »braune Leinwand der lateinischen Segel schwellen wird.) TiEblan wird die Farbe deS Gewässers nun, eilig treibt diese JndMowelle aus Süden heran, die Ora, -er Sübwijd bläst, «r Spiegel wird trüb, das Wasser zittert, ein Scckotrren utzd Sausen, das an Vorboten eines Ge witters DemahnenXwürde, wenn nicht das wolkenlose Fir mament und laßender Sonnenschein jegliche Sorge bannten. Am Olivenhain wandelt sich das dunkle Laub in lichte» Gewelle, ^in Wogen im Wind, der die Helle Unterseite der vlätt» nach oben kehrt und ein Farben spiel im Olivenlaub «zielt, das den Beschauer an schlichte dckitsche Saatfelder geahnt, -essen Halme der Wind im Ant zu gebührender «erbeugung zwingt. Lin heiterer Sturm bei lachendem Sonnenschein. Immer mächtiger n»,d die Ora. immer «regier wirb der See, pfeilschnell schießen die Barken mMgeschwellten Segeln im Winde, cslist, als will der Sübstvrm das aufgewühlte Gewässer samnt allen Lebewesen hiMpeg aus dem felsumstandencn »cckAgen Norden treibenRAlle» vernichten, was sich ihm kntMnstellt. X Klatschend schlagen die schaumgekrönten Wogen in die Wassergräben und gegen den Damm, hinter welchem das quadcrngefügte, trutzigc Gemäuer einer Caserne aufragt, deren Fenster in der Südfront nach dem See schauen und einen unvergleichlichen Ausblick in die Wundcrwelt des sonnigen Südens gewähren. Jetzt bläst die Ora wild herein, der Sturmwind rüttelt an den Fensterläden wie im Ziegeldach, ingrimmig nach Opfern suchend, die zer schmettert werden könnten. Und ächzend beugen die Bäume im Garten neben dem Casernengcbäude die dichten Kronen, der Sturmwind knickt manches Geäst nnd ent führt es im Wirbelflug über enge, düstere Gassen und altersgraue Dächer -er kleinen Stadt San Giorgio. Staubwolken jagen die dunklen Gassen hindurch, sic ver treiben die müßigen Gäste, die bisher, auf den Stühlen sitzend, vor dem Cafv Risattt die Zeit todtschlngcn, ins Innere, und auch die Jungen der Contrada verflüchtigen sich in die Hinteren Hauscingänge. Die Gasse, welche von der Caserne herauf zur Piazza Mcrcato führt, füllt sich trotz Sturmwind plötzlich mit Menschen, aus der Caserne kommt ein Conduct, voran ein Soldat mit umflortem Kreuze, zwei Tambourc, ein Sacristan, dem im Chorrock und mit der Militärdienstmütze auf dem Haupt der Garni- songetstliche folgt, sechs Soldaten des zu San Georgio liegenden 1. Jägcrbataillons tragen den Sarg eines Kameraden, auf dem der Fedcrhut und das Bajonett liegen, die Officierc geben dem Verblichenen das Geleit und die letzte Ehre, schneidige, sonnengcbräunte Gestalten, in würdiger Haltung und mit ernsten Mienen. Eine Ab- theilung Jäger schließt den traurigen, sturmumtostcn Zug. Dumpf wirbeln die mit schwarzen Tüchern verhängten Trommeln den Trauermarsch. Viel zu sehen ist an diesem Zuge zum Friedhof nicht, ein schlichtes Militärbegräbniß, das ergreifend wirkt durch die Bethekligung sämmtltcher Officierc des Bataillons, durch diese Bekundung der Zusammengehörigkeit Aller, die deS Kaisers Rock tragen fern von der Heimath. Welsche Todesfurcht hält Viele ab, den Traucrconduct zu beschauen, doch fehlt cs an Gaffern nicht, aus deren Augen Feindschaft sprüht, Haß gegen wackere Leute, Sol daten und Officierc, welche, dem Befehl gehorchend, an deS Reiches südlichster Grenze ihre Pflicht getreu erfüllen. An den Fenstern des Caf6 Risattt stehen zahlreiche, vom Wind vertriebene Gäste, deren Mienen errathcn lassen, was gesprochen wirb: Ein Zucco*) in Uniform * Zucco --- Kürbis, ein Schimpfwort für den Deutschen. weniger und Patatone *) hinterdrein. Kein Mitleid für einen Menschen, der das junge Leben lassen mutzte, sterben fern der Heimath; nur ein Deutscher! Größeres Interesse erregt der Militärcurat, dessen Ge sichtstypus und Karbe den Landsmann, den Südländer, erkennen läßt und der zu Fragen Anlaß giebt, wie ein Conpatrioto die Mütze -es österreichischen Militärs tragen mag. Hat dieser Curat noch kein Verständnitz für die nationale Bewegung oder ist er gar kein Apostat? Als der Conduct über die Piazza schritt, folgten ihm manche Blicke ans Damenaugen, die sowohl dem Curaten wie den Officieren gelten mochten. Niemand schloß sich dem Trauerzuge an. Die Tedcschi sollen ihren Tobten nur allein hinaus begleiten. Vom Thürmchen über dem Ossario außerhalb des Städtchens gellt ein hochgestimmtes Glöckchen, widerwillig gezogen von einem Jungen, den der Parroco zu diesem Dienst gezwungen hat. Der Sturmwind flaute ab; cs ist, als gönnte die Windsbraut dem Entschlafenen die Ruhe in fremder Erde. Bis an das offene Grab folgten die ernsten Officierc dem Sarge und weihevoll vollzog der Curat die Ceremonie, um dann dem Entschlafenen in deutscher Sprache einen militärisch-knappen Nachruf zu widmen. „Fern von der Heimath, ein wackerer Soldat unseres Kaisers nnd Herrn, ist ein Mann gestorben, der bis zum letzten Athemzugc getreu dem Fahneneide seine Pflicht erfüllte, gehorsam war seinen Officieren und ein guter Christ, in Beschwerden ausdauernd, in Entbehrungen geduldig und ergeben. Es war Gottes Wille, daß der Soldat, dessen Leiche nun der geweihten Erde übergeben wird, fern der Heimath sterben mußte. Gottes Reich ist aber überall, wie Gott allgegen wärtig ist. Gott der Barmherzige wird den Entschlafenen ansnehmen in sein Reich wie jeden andern braven Sol daten, der treu seinem Kaiser dient. Das sage ich als Priester, der Gott dient und dem allerhöchsten Herrn auf Erden! Wir wollen am offenen Grabe eines Kameraden, der gestorben ist auf fremder Erde, gleich einem Krieger vor dem Feinde, geloben, festzuhaltcn am Fahneneide, festznstehcn zu Kaiser und Reich, bereit zu sein, zu opfern in jeglicher Stunde Gut und Leben für den allerhöchsten Kriegsherrn. Erfüllt dabei auch immer Eure Christen pflichten, auf daß Gott an Euch Wohlgefallen habe, Euch Kraft nnd Gesundheit verleihe nnd Euch segne! Wer seine Pflicht verletzt, den Eid bricht oder gar die Fahne verläßt, *) Patatoni --- Kartoffelesser, geringschätzige Bezeichnung für Lestrrreicher. der ist keinen Schuß Pulver werth und den mag Satanas holen! Nun betet kurz, aber gut, gehorcht Euren Offi- cicrcn, wachet über Euch selbst, denkt allzeit daran, daß der Soldat seinem Kaiser zu dienen hat mit Liebe, Hin gebung und unerschütterlicher Treue, zu jeglicher Stunde und wo immer er sei. Zu Gottes nnd des Kaisers Ehre! Amen!" Ein Gebet für die Seele des Verstorbenen schloß den schlichten, ergreifenden Act am Grabe. Still kehrte der Conduct in die Caserne zurück. Die Officierc verabschiedeten sich vom Curaten, Herrn Josef Corazza, der in der Sakristei Stola und Chorrock ablegte, die Dienstmütze mit einem vorher dorthin gebrachten schwarzen Hut vertauschte, und nun in geistlicher dunkler Kleidung als Civilist den Ort der Tobten verließ. Der Militärcurat Corazza ist ein hübscher Mann von etwa vierzig Jahren, so hübsch, daß die seine Messe in der Kirche der hl. Justin« besuchenden Damen unter sich zu sagen pflegten, es sei schade, daß ein so schmucker Mann zum Cölibat vcrurtheilt und Geistlicher geworden sei. Biel mochte zu solch' freundlicher Beurtheilung bei den welschen Damen wohl auch die Stammcsvcrwandtschast beigetragen haben, denn Giuseppe Corazza ist Südländer, von brauner Gesichtsfarbe, pechschwarzem Haupthaar, seine Gcsichtszügc scharf geschnitten, der Name romanisch wie die Zunge. Ein hübscher Geistlicher, zudem im Wesen und in Haltung ritterlich und schneidig, militärisch kurz und präcis die AuSdrncksweise, genießt der Curat viel Sym pathie im Städtchen, die vielleicht zu südländischer Schwär merei gesteigert werden könnte, wenn seine Zugehörigkeit zur Armee nicht in den Augen der Irredentisten abträglich wirken würde. Als Curat der Bersaglieritruppe würde Signor Corazza offenbar Favorit bei den Signori und deren Damen sein. Solcher Meinung gaben die Leute hinterher stets Ausdruck, wenn der fesche Curat durch die engen Gassen von San Giorgio ging oder gelegentlich mal ein Glas kirra n.irionnlo im Hotel Imperiale trank. Vereinzelte Versuche, den sympathischen Fcldpriestcr in die Gesellschaft der städtischen Honoratioren zu ziehen, wurden kurz nach dem Dienstantritt Cvrazza'ö beim Regi ment gemacht, doch lehnte der Curat in höflichster Weise solche Einladungen ab. Corazza war eben taetvoll und empfand eS peinlich, daß man just ihn ob feiner welschen Abstammung cinladcn wollte, das deutsche Lffictcrcorps aber in unverkennbarer Geringschätzung von den über die nahe Grenze schielenden „Patrioten" ianorirt wurde. Den Grund der Ablehnung gab -er feinfühlige und katser-
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