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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020531021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902053102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902053102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-31
- Monat1902-05
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England schließe nicht Frieden mit einem zerschmetterten Feinde, sonder« man müsse sich bemühen, einen tapfere» Feind in eine« braven Freund zu ver wandel«. Da» müsse unter Einhaltung liberaler Grund sätze geschehe«, sicht nach de« Ideen, die Salisbury entwickelte, als er sagte, daß eine estschloffene Regierung ia Südafrika noch auf Generationeu erforderlich sein dürfte. Sir Edward Grey, einer der eifrigsten Anhänger Rosebery'S, hielt ia eiuer liberalen Versammlung zu Alnwick gleichfalls eine Rede, in welcher er auSführte, er würde e» gern sehen, wenn den Boeren eine kräftige Hilfe zu Theil würde, damit sie ihre Farmen wiederaufbauen und daS Land auf den früheren Zustand bringen könnten; er hoffe, wenn der Friede zu Stande gekommen sei, werde die Regierung die Mittel finden für eme coloniale Selbstreaierung in Südafrika. Redner befürwortete eiae große föde rative südafrikanische Eolouie. Er gab alSdana der Ansicht Ausdruck, daß weder die gegenwärtige, «och irgend eine andere Regierung im Stande sein könnte, eine Politik der bedingungslose« llebergabe eiazuschlagea. * London, 30. Mal. Da- „Reuteffsche Bareau" erfährt: Eta Schiff, welchrS tn der Näh« von Eapstadt landete, zerriß eins der nach England gehenden Nabel auf der Westküste und be schädigte ei« anderes. Hierdurch wurde eine schwere Verzögerung der telegraphischen Verbindung hervorgerufea, da daS Ostküstenkabel nunmehr den ganze» Verkehr allein tragen muß. Politische Tagesschau. * Leipzig, 31. Mai. Forscht man nach den Ursachen, welche eine raschere Ueberwtnbung der gegenwärtigen Absatzstockung in -er deutschen Industrie verhindern, so wird man darüber nicht zweifelhaft sein können, daß eins der wesent lichsten Hemmnisse einer neuen aufsteigenden Bewegung tn der Industrie die Unsicherheit bildet, welche Über die künf tige Gestalt««- -er Handels-e-iehu«ge« Deutschlands zum Auslaude obwaltet. Wenn, wie jetzt, der deutsche Markt sich für die Aufnahme der Erzeugnisse unserer Industrie weniger leistungsfähig erweist, so muß, wenn anders Pro duktionsstockungen schwerer Art vermieden werden sollen, Ersatz durch Erweiterung des Absatzes im AuSlande ge schaffen werben, und zwar kommt es für die JndustÄe dabei wesentlich darauf an, daß ihr eine solche Erweiterung des Absatzes auf längere Zeit gesichert wird, damit darnach die Einrichtungen der Betriebe getroffen werden können. Wer Gelegenheit gehabt hat, sich von der Lage unseres Er- portes, namentlich der überseeischen Ausfuhr, in denHaupt- auSfuhrplätzen unmittelbare Kenntniß zu verschaffen, wird aber wahrgenommen haben, daß die Exporteure sich zur Zeit völlig außer Stande erklären, auf längere Zeit hinaus feste Abschlüsse mit der heimischen Industrie zu machen, weil sie mit Rücksicht auf die Unsicherheit der Gestaltung unserer Handelsbeziehungen zum Auslande keine genügende Sicherheit dafür haben, -ic etngegangenen Verpflichtungen auch erfüllen zu können. Man lebt daher in Bezug auf die deutsche Ausfuhr lediglich von der Hand in den Mund, und eine Gestaltung der Beziehungen des deutschen Aus fuhrhandels mit der Industrie, wie sie deren Interessen ent spräche und zur Ueberwindung der gegenwärtigen Absatz stockung wesentlich wäre, erscheint so lange völlig ausge schlossen, bis wieder Sicherheit darüber besteht, wie unsere Handelsbeziehungen zum Auslande sich für eine längere Periode gestalten werden. So lange aber dieser Zweig des heimischen Erwerbslebens der gedeihlichen Entwicke lung entbehren muß, wird cs auch schwerlich gelingen, das Erwerbsleben im Ganzen wieder so lebenskräftig zu ge stalten, daß auch der inländische Markt wieder die Auf nahmefähigkeit gewinnt, die er bis zum Jahre 1000 besaß. Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß die mög- lichst rasche Beseitigung der Unsicherheit, die in Bezug auf die Gestaltung unserer Zoll- und Handelsverhältnisse jetzt lähmend auf Handel und Industrie lastet, im dringen den Interesse nicht bloS unserer an der Ausfuhr bethet- ligten Erwerbszweige, sondern des ganzen deutschen Er werbslebens liegt, und daß demzufolge Jeder, der es gut mit der heimischen Production meint, an seinem TheUc dazu beitragen muß, dieseZeit der Unsicherheit zu verkürzen. Die Erreichung dieses Zieles hängt, wie die Dinge heute liegen, in der Haupffache von dem Gange der Verhand lungen des Reichstages über die Zolltarifvor lage ab. Solange über diese nicht Entscheidung getroffen ist, bleiben die Dinge in der Schwebe und kann an die Her stellung neuer, fester, auf lange Frist berechneter Be ziehungen zu denjenigen Ländern, mit denen Deutschland Güteraustausch pflegt, nicht gedacht werden. Auch unter dem Gesichtspunkte möglichst rascher Beseitigung der zur Zeit bestehenden Unsicherheit über unsere handelspolitische Zukunft ist daher der überaus langsame Gang der Be ratungen der Zolltarifcommisson ernstlich zu beklagen. Diejenigen, welche die Verhandlungen in der Commission in der Absicht hingezogen haben, dadurch daS Zustandekommen der Vorlage möglichst zu erschweren, haben daher genau so wenig im wohlverstandenen Interesse unserer Ausfuhr und unserer Industrie gehandelt, wie Die jenigen, welche Monate dazu verwandt haben, um von der Regierungsvorlage wesentlich abweichende und von den Regiernngsvertretern als unannehmbar bezeichnete Be schlüsse zu Stande zu bringen, die in der Hauptsache doch wieder beseitigt werden müssen, wenn die Verhandlungen über die Zolltarifvorlage einen positiven Ausgang nehmen sollen. Je mehr in dieser Hinsicht in der Vergangenheit bereits gegen die wirklichen Interessen des heimischen Er werbslebens und der heimischen nationalen Arbeit ge sündigt worden ist, um so dringlicher erscheint es, daß in der Folge mit aller Energie auf eine beschleunigte Er ledigung der Berathungen über die Zolltarifvortage, und zwar mit dem Ziele hingewirkt wird, sich bei den Beschlüssen überall auf einer Linie zu halten ,auf der die Zustimmung der verbündeten Negierungen zu den Beschlüssen des Reichstages zu erwarten ist. Gegenüber der fundamentalen Bedeutung, welche die baldige Herstellung fester handels politischer Verhältnisse für das heimische Erwerbsleben hat, und gegenüber der Verantwortung, die auf Denjenigen lastet, von denen die Entscheidung abhängt, fallen die kleinen ZweckmäßigkeitSrücksichten, welche sich an die Ge staltung -er einen oder anderen Position eines Tarife- knüpfen, -er in der Hauptsache doch nur die Grundlagen für die künftigen Vertragsverhandlungen bilden soll, nicht entscheidend ins Gewicht. Wir hoffen daher, daß der Reichskanzler nach dem Wtederzusammen- tritte des Reichstags die erste beste Gelegenheit benutzt, um dem Hause nachdrücklich zu Gemüthe zu führen, daß die nationale Production und der deutsche Handel nur dann vor länger bauern der Lähmung bewahrt werden können, wenn der Zoll tarif bald unter Dach und Fach gebracht wird. Im preu ßischen Abgeordnetenhause wird sich eine solche Gelegenheit von selbst bieten, wenn — voraussichtlich ge schieht dies am Montag — die Anträge der Abgeordneten Graf Limburg und Freiherr v. Zedlitz über die Verstärkung -es landwirthschaftlichen Zollschutzes zur Berathung kommen. Aus dem Wahlkreise des verstorbenen Centrumsführers Dr. Lieber kommt die interessante Nachricht, daß zwischen den Vertrauensmännern des Nassauer Bauernvereins im Wahlkreise und denen des Bundes -er Landwirthe eine Verständigung erfolgt und ein Hauptmann a. D. v. Gra t'erg als gemeinsamer Candidat -er beiden Organi sationen ausgestellt worden sei. Herr v. Graberg ist vor einigen Jahren zur katholischen Kirche übergetreten und hat auf die Anfrage des Landraths Berg, welcher Partei er angehöre, rundweg die Antwort gegeben: der Centrnmspartei. Man hat also hier zum ersten Male mit der Thatsache zu rechnen, daß der Bund der Landwirthe mit einer Organi sation der Centrumspartei, denn das ist der Nassauer Bauernverein, fraternisirt. Der Bauernverein ist lediglich in den streng katholischen Theilen des Wahl kreises vertreten. Die Vertrauensmänner des Bundes der Landwirthe sitzen in den Ortschaften südlich der Lahn, in denen -ic evangelische Hälfte der Bevölkerung des Kreises wohnt. Bisher war der Gegensatz dieser evan gelischen Hälfte zu der vom Centrum beherrschten katho lischen nördlichen Hälfte des Wahlkreises ein so ausgeprägt scharfer, daß zunächst abgewartct werden muß, ob er sich durch die Persönlichkeit des Herrn v. Graberg und durch die wirthschaftlichen Forderungen, die dieser Herr vertritt, überbrücken lassen wird. Wir möchten cs lebhaft bezweifeln. Die zunächst wichtigere Frage ist aber, was nun das Centrum beginnen wird. Es hat seinen Kandidaten, einen Herrn Rechtsanwalt Dr. Dahlem in Oberstein, bereits als Candidaten proclamirt. Das Berliner Organ des Bundes der Landwirthe meint, daß der Centrumsleitung jetzt nichts übrig bleibe, als diesen Candidaten zurückzu ziehen, zumal er Rechtsanwalt fei, also bei den Nassauer Bauern eine besondere Vorliebe nicht finden werde. Die Forderungen aber, welche der Nassauer Bauernverein ver tritt, gehen theilweise sogar noch über die Forderungen hinaus, welche die Berliner Bundesleitung formulirt hat, ohne daß allerdings im Parlament irgend ein Mitglied des Bundes ernsthaft dafür eingetreten wäre, denn der be kannte Antrag Herold, den auch die konservativen mit unterstützt haben, rückte ja schon bis auf die Differenz von KO Psg. an die Regierungsvorlage heran. Das Centrum soll sich also jetzt im Wahlkreise Dr. Lieber s dem Befehle des Bauernvereins unterwerfen und soll sich damit eine Richtung vorschretben lassen, die auch nicht im mindesten meyr Unterstützung im Parlament findet, die überhaupt nur noch demonstrative Bedeutung hat und dazu wohl ge eignet wäre, das Zustandekommen irgend einer Tarifvor lage zu vereiteln. Daß eine solche Bewegung im kentrum gegen das Centrum gerade im Wahlkreise Lieber s jetzt ent- steht, ist schon bemerkenswerth. Wie das kentrum dieser Bewegung Meister werden wirb, ist überaus fragwürdig. Davon kann natürlich keine Rede sein, -aß die Partei officiell abdankt und sich einfach an das Schlepptau des Bauernvereins legt. Herr Dr. Dahlem wird als Candidat stehen bleiben und die Vertrauensmänner des Centrums, die Geistlichen, werden, wie sie dies auch gethan haben, als der Streit um die Militärvorlage eine Spaltung im Cen- trumslager herbeizuführen drohte, mit verdoppeltem Eifer für den officiellen Candidaten wirken. Line Stichwahl ist aber dann auf alle Fälle zu erwarten, wenn der Bauern verein auch nur einen Bruchtheil der Centrumswähler ab zusplittern vermag. Denn so groß war die Mehrheit über haupt nie. daß das Centrum hätte siegen können, wenn es mit zwei Candidaten zunächst inS Feld gezogen wäre. Die „Germania" und die übrigen Centrumsorgane geberden sich so, als ob ihnen die Candidatur -es Bauernvereins außerordentlich große Verlegenheit bereitete. Das kann taktisch den Zweck haben, die officiellen Vertrauensmänner scharf zu machen, damit sie sich mit allem Eifer gegen diese Candidatur ins Zeug legen. Es kann auch ernst ge meint sein. Der Bund der Landwirthe hingegen scheint seiner Sache nicht sicher zu sein, denn er kann den evan gelischen Bauern im Nassauischen doch die Thatsache nicht vorenthalten, daß es eben nicht eine reine Wirthschafts- Candidatur ist, die bei Herrn Graberg in Frage kommt, sondern nur eine andere Nummer desselben Garnes vom Centrum, das die evangelischen Bauern bisher unbedingt verworfen haben, gleichviel, ob sie damit etwas mehr oder weniger von ihren wirthschaftlichen Forderungen durchzu setzen in der Lage waren. Wie man in Un-arn öffentliche Meinung macht, zeigt der „Pester Lloyd* mit folgender Notiz: „Ein ungarisches Schulfest der Sachsen*. Aus Botfaln im Komitat Brass- wird unS geschrieben: „Am 20. Mai sand hier rin glänzendes Schulfest nebst Mai feier statt, an der sich die Bevölkerung der drei benachbarten Dörfer Szent-PSter, Szaß-HermLny und PrazSmar brtheillgte. Während de» Schulfestes wurde die neue Bütsalner Schulsahne eing,weiht und mit Schleifen in den ungarischen Nationalfarben geschmückt; bei dieser Gelegenheit hielt der hiesig« Pfarrer Haltrich eine von echtem patriotischen Geiste durchwehte Rede, in der er die Anwesenden ausforderte, gute Staatsbürger und dem ungarischen Staate aufrichtig treu ergeben zu sein. Die schöne Rede Pfarrer Haltrich'S wurde von der zahlreichen Zuhörerschaft sehr beifällig ausgenommen. Die neue seidene Schulsahae ist von hiesigen Frauen und Mädchen mit kunstvollen Stickereien geschmückt worden." Da der „Pester Lloyd" das einzige große ungarische Blatt l ist, das im AuSlande gelesen wird, so kann das ausländische Feuilleton. ej Gesellschastssüudeu. Von Irmgard Sorraü. Alle «echte Vorbehalten. „Hat er Dir denn gar kein direktes Wort an mich auf getragen ?" „Nein, das eigentlich nicht, sieh mal", der junge Officier wurde etwas verlegen, „daS wollte er Dir lieber selbst sagen. Ob nun früher oder später, raus muß cS doch ein mal. Ich habe nämlich den Doctor gleich mitgebracht. Er bat drum und sagte, ich möchte mich doch für eine Un terredung bei Dir verwenden. Aber um Gotteswillen, Charlotte, mach doch nicht solch finsteres Gesicht. Was ist denn weiter dabei?" „Hast Du Dir denn die Folgen überlegt, Wilhelm?" „Welche Folgen denn? Meiner Ansicht nach giebt es keine. Du bist tn den Augen des Mannes bis inS Kleinste entschuldigt. Was willst Du also noch verlangen? Du hast sehr gelitten, das weiß ich und das kann ich jetzt verstehen, wo ich -en Mann kennen gelernt habe. Der Doctor hat Dich auch geliebt, liebt Dich wahrscheinlich noch, jetzt hat er den Wunsch, Dich selbst zu sehen, er weiß, daß er viel gut zu machen hat. Weshalb also sollt Ihr Euch nicht voll ständig auSsvhnen? Ich würbe denken, eS müsse Dir auch lieb so sein. Welche Folgen also sollte dies Wiedersehen mit sich bringen?" „Noch heute Abend werbe ich vor aller Welt als die Braut des Grasen Montlsart erklärt werden, mit Recht erwartet man jetzt diesen Schritt. Mein halbes Jawort habe ich gegeben, es ist für mich bindend. Du sagst nun, Doctor Senten liebe mich noch, gut, wir söhnen uns völlig aus. Was dann, wenn ich ihn auch noch liebte, wenn ich nicht die Kraft hätte, auf ihn zu verzichten?" „Wozu Gespenster herausbeschwüren? Du liebst den Mann ja nicht!" „Warum soll das so unmöglich sein? Wenn ich'S nun doch thäte?" „Ich sage Dir, Du thust eS nicht und darfst eS gar nicht. Du hast Doctor Genien fünf Jahre lang verleugnet und fünf Jahre lang die Huldigungen Anderer angenommen. Es ist nicht möglich, daß Du uns die ganze Zeit über Deine wahren Gefühle getäuscht haben solltest." „Doch, eS war so", sagte sie hart, „mein ganzes Leben ist von jener Zeit ab eine große Lüge gewesen." „Warum hast Du das gethan? Warum bliebst Du nicht die große Schwester, al» die ich Dich kenne?" „Warum, Wilhelm? Hätte er mir das kleinste, arm seligste Recht gegeben, ihn zu vertheidigen oder auf seiner Seite zu bleiben, oder hätte er mir nur einen einzigen Grund für sein unverständliches Handeln angegeben, dann wäre ich sein geblieben vor den Augen der Andern. Er nahm mir aber Alles, er ließ mich fallen, ohne auch nur einen Versuch zu meiner Hilfe zu machen. Die Andern kamen und lachten mich aus. Sie fragten mich: „Kannst Du denn billigen, was er thut? Kannst Du'S auch nur verstehen?" Ich mußte mit „Nein" antworten. Da sahen sie mich theils höhnisch, theils mitleidig an. Ich war stolz, ich wollte keinen Hohn und kein Mitleid. Du weißt das Alles nicht, Helm, Du warst ja noch ein halbes Kind da mals. Ich schloß mich Denen an, die die Verschmähte freundlich annahmen. Das war meine Familie. Der alte Name und die Familicnehre erforderten dafür ein Opfer. Ich mußte den Schein wieder Herstellen, indem ich mich vor Aller Augen von dem Manne wandte, den ich geliebt hatte. Ich mußte wieder ganz zu Denen gehören, die ich um seinetwillen hatte verlassen wollen. Ich bin diesem Ver langen nachgekommen, weil er sich ganz von mir zurück gezogen hatte und weil ich jede Hoffnung auf eine glückliche Lösung aufgcben mußte. Bon derZeit an habe ich angefangcn, mich durch innere Kämpfe aufznreiben, ich bin fast immer fried- und freudlos, trotz allen äußeren Glanzes, gewesen. Dazu habe ich mich fast krank nach dem Manne gesehnt, dem mein Herz gehörte. Mit den Jahren wurde ich ver nünftiger, ich sah ein, daß auf diese Weise mein Leven nicht fortgehen konnte. In diese Zeit fiel meine Bekanntschaft mit Montluart, weshalb ich gerade ihm den Vorzug unter meinen Bewerbern gab, weiß ich nicht. Vielleicht fesselte er mich mehr als die Anderen. Nach und nach räumte ich ihm alle die Rechte ein, die der Andere gehabt hatte. Jetzt, wo es zu spät ist, soll ich Doctor Senten Wiedersehen. Wenn ich nun nicht die Kraft habe, ihm zu entsagen, wenn ich alle Bedenken und alle Rechte hingebc, um ihm wieder zu gehören? Was dann?" „Charlotte, ich würde Dich anch dann nicht verurteilen können, wenn ich auch diesen Entschluß des Grafen und der Familie wegen beklagen müßte. Aber an Eins möchte ich Dich vorher erinnern! Die Liebe ist groß und hat Kraft, viel zu überwinden und viel zu vergessen. Wirst Du wohl vergessen können, daß Dich Doctor Senten eine Zctt lang verachten konnte, daß er Dir zutraute, was man einer edlen Krau nicht zutrauen darf? Kannst Du ver gessen, daß Du Doctor Senten verleugnet hast? Kannst Du jede Erinnerung auslöschen, wie man Dir tn Schwetz- stcdt begegnete, und wirst Du vollständig das glänzende, reiche Leben vergessen, was innerhalb dieser Jahre gelegen hat? Bist Du sicher, daß jeder Mißklang schwinden wird?" „Nein!7 „Sich', Charlotte, mit diesem „Nein" hast Du eine be stimmende Antwort gegeben. Du hast dadurch nicht mehr das Recht, Doctor Senten anzugehören. Du hast auch nicht das Recht, Graf Mvntlöart abzuweisen, er weiß, daß er vorläufig nicht in Dir die liebende Braut erwarten darf, aber er hat das Recht, daß Du die ihm zugestandenen Hoff nungen erfüllst. Nun fragt sich noch eins. Soll Senten abreisen oder fühlst Du Dich einem Sehen gewachsen?" Einen Augenblick ist cs ganz still, dann blickt das junge Mädchen auf. „So bitte ihn, zu kommen" antwortet sie entschlossen. „Gleich oder später?" „Möglichst gleich, der Weg zum Hotel ist ohnedies weit. Ich bitte Dich nur noch, dafür Sorge zu tragen, daß wäh rend dieses Besuches Niemand stört, auch dafür, daß ich bis fünf Uhr allein in meinem Zimmer bleiben kann!" „Natürlich, liebe Lotte. Ich werde Alles besorgen. Du weißt ja doch, wie ich Dich liebe und wie ich wünschte, es lüge in meiner Macht, Alles fern zu halten, was Dir weh thun kann. Oft geht es aber nicht —, Charlotte, Dein Sehenwollcn bedeutet gleichzeitig ein Versprechen, das Du mir und Dir selbst giebst!" „Ich weiß es, Wilhelm", giebt sie einfach zurück. Zum „Fünf-Uhr-Diner" läßt sich Baroneß bereits an kleiden. Nachher könnte vielleicht keine Zeit sein. Sie wählt ihr schönstes und kostbarstes Kleid aus weißer Seide und echten Spitzen. Die Jungfer hat einen schweren Stand, denn ihre junge Herrin ist absolut nicht znfrieden zu stellen, aber die Brave thut unverdrossen ihr Bestes und denkt bei sich: „Ja, ja, unsere Baroneß kann heute nichts schön genug bekommen, weil heute Abend der Graf ganz allein zum Diner geladen ist." Und die Baroneß wieder denkt gar nicht an den Grafen, sondern an einen ganz, ganz Anderen. Dem will sie gefallen und dem will sie auch wiederum als eine Fremde erscheinen, so wie er sie gar nicht zn sehen gewohnt ist. Daß dicfc neue Charlotte Attenburg ihm noch tausend Mal bcgehrenswcrther sein wird, daran denkt sie nicht. Nach einer knappen Stunde wird er ihr gemeldet, und als er dann cingetreten ist, fängt sie an, ihm entgegen zu gehen, langsam und sicher. Er aber steht nach den ersten Schritten still nnd sieht sic an. Nein, das ist nicht mehr das kindliche Mädchen, wie er es all' die Jahre vor sich gesehen hat, und wie er immer gedacht hat, sic müsse genau den selben Eindruck auf ihn machen. Es ist eine voll erblühte, wunderschöne Frau, die er sich gar nicht anders denken kann, als in dieser eleganten Umgebung und im Schmuck der Seide und der funkelnden Edelsteine. Ein Glimmen tritt in seine Augen, ein heißes, leidenschaftliches Begehren. Sie merkt nichts davon, denn sie steht erst auf, als sie dicht vor ihm steht. Da hält sie ihm die Hand entgegen, und er faßt darnach und möchte diese Hand küssen, aber er wagt es nicht, denn diese Han- liegt kalt wie Eis in der seinen. Er sieht sie jetzt auch lächeln, cs ist ein müdes, erzwungenes Lächeln, das ihm weh thut, denn es liegt eine ganze Welt von Schmerz dahinter. „Mein Bruder überbrachte mir Ihre Bitte, daß Sie mich gern sehen möchten. Es freut mich, daß diese Stunden noch mir gehören, so daß ich Ihrem Wunsche nachkommen konnte." Als er vor Ergriffenheit immer noch nicht sprechen konnte, fuhr sie mit fester Stimme fort: „Daß wir uns doch noch einmal Wiedersehen würden, haben wir wohl Beide nicht mehr erwartet. Ich für meinen Theil kann Ihnen nur versichern, daß mich dieses Sehen glücklich macht, weil ein Mißvcrständniß, das uns Beide gequält hat, heute aufgeklärt ist. Das Leben wird wieder frei vor uns liegen." „Ich danke Ihnen dafür, daß ich kommen durfte, Baroneß, und vor allen Dingen danke ich auch für diese Worte. Ich weiß, daß ich Beides nicht verdient habe. Und —" „Verzeihen Sie, Herr Doctor, daß ich Sie unterbreche und gleich anfangs eine Bitte an Sie richte. Wir sind Diejenigen gewesen, die auf Schweystedts Altären als Opfer ersehen wurden. Wir wurden in Gewebe von Lüge und Bosheit verwickelt. Heute, wo sich Vieles auf geklärt hat, stehen wir uns gegenüber. Auch wir sin- schuldig, Eines hat dem Anderen wehe gethan, aber ich meine, es ist widerstrebenden Herzens geschehen. Die Verhältnisse, in die wir gerathen waren, haben uns da zu veranlaßt. Wir wollen nicht abwägen, welche Schuld die größere sei. Wir wollen Beide vergessen. Ja? Wollen Sie, Herr Doctor?" Ob er wollte. Er kniete vor ihr nieder, und jetzt küßte er auch ihre Hände, alle beide. Sie ließ ihn einen Augen blick gewähren, weil sic sah, wie glücklich und erregt cr war. „Stehen Sie auf, Herr Doctor", bat sie dann mit einer so weichen Stimme, wie cr sie noch niemals von ihr gehört hatte. „Sie sollen nicht vor mir knien, Sie nicht. Lassen Sic'S die Anderen thun. Von Ihnen verdiene ich S nicht. Sie sollen in gleicher Höhe mit mir stehen als mein Freund und Uber mir stehen als der Mann, zu dem ich als junge- Ding schon mit Verehrung aufblickte. So, und nun kommen Sie in meinen kleinen Blumenerker, dort wollen wir unS von den Tagen erzählen, die hinter nnS liegen. Die Zeit ist nur kurz, die wir noch für uns haben, wir wollen sie möglichst auSnutzen."
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