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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020527014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902052701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902052701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-27
- Monat1902-05
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Neekame» unter dem RedactioaSstrtch (4 gespalten) 7» vor den FamUteauach- richte» (6 gespalten) KO Lj. Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und vffertenanuahme LS L, («xcl. Porto). Ärmahmeschluß fiir Auzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. M»rge»-Su»gaL«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» find stet» an di« Expedition t» richte». Die Expedition ist Wochentag» «nwrtrrbroche» geöffnet vo» früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Berlag vou L. Polz tu Leipzig. Nr. 283 Dienstag den 27. Mai 1902. 96. Jahrgang. Die neue AnfieLeluugsvorlage. Aus der preußischen Ostmark wird uns geschrieben: Die neue Ansiedelungsvorlage, die das preußische Ab geordnetenhaus bereits am Dienstag beschäftigen soll, hat den schwankenden Mittheilungen über die Höhe der Forde rung ein Ende bereitet. Mit der Inanspruchnahme von Milliarde Mark sind die „kühnsten" Erwartungen über troffen worden, und da — darin wenigstens, wenn auch sonst nicht, wird man den Auslassungen der „Freisinn. Ztg." über die Vorlage zustimmeu können — eine Viertelmilliarde „wahrlich kein Pappenstiel" ist, so wird auch jeder Freund wirthschaftlichcr und politischer Maßnahmen für -en Schutz des DeutschthumS in der Ost mark die Berechtigung der Forderung prüfen und seinen Bedenken Ausdruck verleihen müssen. Die Anschauungen un- Absichten, mit Lenen die Vorlage begründet wird, erscheinen an sich vernünftig. Zunächst wird man der Regierung Recht geben müssen, wenn sie an» gesichtS -er in absehbarer Zeit zu erwartenden Erschöpfung des bisherigen Fonds bei Zetten mit den gesetzgebenden Factoren ins Einvernehmen kommen ivill, wie weit da zu verfahren ist. Ob freilich zu „Dispositionen von langer Hand", wie die Vorlage sich ausdrückt, gerade die Bewilli gung einer Viertclmilliarde nothwcndig und rathsam ist, soll weiter unten erörtert werden. Wenn zur Beschleunigung der Besiedelung die Negie rung die Absicht hat, von dem Grundsätze der Eigen- thumser Werbung durch den Ansiedler gegebene» Falles abzuweichen und auch Pachtungen zuzulassen, so kann dieser Plan nur gutgeheißen werden. Von den bisher erworbenen Landbesitze ist erheblich mehr als ein Drittel noch nicht besiedelt,- daraus geht hervor, daß die Bewerbungen um Ansiedelung nicht Schritt halten mit dem Erwerbe des Grundbesitzes. In der Erwerbung des Besitzes aber eine Verlangsamung eintreten zu lasten, könnte unter Umständen den ganzen Zweck des Ansiedelungswesens ver eiteln. Es liegt also aut der Hand, -aß eine möglichst rasche Besiedelung sowohl aus wirthschaftlichen, wie auS politischen Gründen erwünscht ist. Die Möglichkeit hierzu wird geboten, wenn auch Landwtrthe, deren Mittel zum käuflichen Erwerbe nicht zuretchen, als Pächter herange zogen werden, unter Bedingungen natürlich, die ihnen den „Zug nach dem Osten" als vortheilhaft erscheinen lassen. Von -en Gegnern des Ansiedelungswcsens wird in dessen nicht sowohl gegen -en Plan der Verpachtung kleinerer Grundstücke an deutsche Ansiedler Widerspruch erhoben, als gegen die Forderung von hundert Millionen zur Erweiterung des staatlichen Domänenbesitze ß. Es ist richtig, daß diese Forderung ein vollständiges Novum der Ansiedelungspolttik darstellt, aber wir halten gerade diese Neuerung durchaus nicht für zweckwidrig. Wir können der „Voss. Ztg." nicht zusttmmen, wenn sie ausruft: „Nicht die Zahl -er Offictere, sondern die Regimenter kleinbäuerlicher deutscher Besitzer müssen verstärkt werden, wenn das Deutschthum im Osten Preußens eine wirkliche Stütze erhalten soll." ES kommt hier nicht so sehr darauf an, deutsche Offictere, um bet der Ausdrucks weise der „Vossischen Zeitung" zu bleiben, ein- zuseycn, als vielmehr darauf, die polni schen Offictere zu beseitigen; mit anderen Worten, den polnischen Großgrundbesitzer nach Möglichkeit aus der Ostmark herauszukaufen. Man sage nicht, daß dies ja durch die bisherige Art der Besiedelung zur Genüge geschehen könne. Es giebt — und zwar ganz besonders in -er Ostmark in Folge der Beschaffenheit des Grundes und Bodens — große Flächen, die nur tm extensiven Betriebe bewtrthschaftet werden können, die also die Parcellirung und den landwirthschastlichen intensiven Kleinbetrieb nicht zulasten. Derartige Grundstücke gegebenen Falles zu er- werben, ist aber unmöglich, so lange der Grundsatz der Zer» stückelung unter allen Umständen festgehalteu werden soll. Da eS nun finanziell bedenklich erscheinen könnte, wenn der Staat solche große Betriebe an einen einzelnen Privat mann weiter verkaufen wollte, so erscheint die Umwandlung in eine Staatsdomäne und die Verpachtung an einen tüch tigen Mann, der als Pächter unter -er Eontrole der Regie rung steht, als der geeignetste Weg. Bon einer „Verstaat lichung des GrunbeigenthumS in den Ostmarken", als welche die „Freis. Ztg." das Ziel der Vorlage auffaßt, kann darum noch lange nicht geredet werden, denn selbst bei der Bewilligung von hundert Millionen Mark werden die neuen Staatsdomänen doch nur einen bescheidenen Bruch- theil der Gesammtfläche der in Frage kommenden Gebiete einnchmen können. Sic werben aber trotzdem dadurch von Bedeutung sein, daß sie landwtrthschaftliche Mittel- und Sammelpuncte des DeutschthumS darstellen werden -- vorausgesetzt, baß der Staat die als Domänenpächter ge eigneten Persönlichkeiten mit mehr Geschick herausfindetr als es bet der Auswahl des BeamtenthumS in der Ostmark manchmal der Fall ist. Damit kommen wir zu den Bedenken, welche die Vorlage in uns erweckt. Stimmen wir auch ihren Grundsätzen im Großen und Ganzen zu, so erscheint cS unS doch sehr fraglich, ob der vreußische Landtag gut daran thun wird, die geforderten 2öO Millionen Mark aufetn - malz« bewilligen. Die Regierung will von langer Hand disponiren können. Einverstanden, aber ist denn dazu eine solche Riesensumme nöthig? In den IS Jahren von 1880 bis 1902 hat sie 144 Millionen verbraucht und wir-, selbst wenn die noch unbcstebeltcn 04 000 Hektar besiedelt sind — was Loch auch nicht von heute auf morgen vor sich gehen wird —, noch immer 17 Millionen übrig haben. Wen» zu den noch vorhandenen öS ibczw. nach der Besiedelung der S4 000 Hektar noch 17) Millionen jetzt noch 60 bis 80 Millionen hinznbcwilligt werden, so kann die Regierung zunächst miede» auf eine Reihe von Jahren hinaus, und zwar sowohl bei einer Beschleunigung des Ankaufs un ser Besiedelung, wie auch bei der Neuschaffung von Do» wänen, das Ansiedclungswcrk fortsctzen. Wirb der Regie rung gleich die gewaltige Summe von 250 Millionen be willigt, so wird dadurch die Gefahr vergrößert, daß die Bcr- laufSpreise ins Unverschämte erhöht werden und daß auch bet dem Ankäufe mit minderer Sorgfalt und Prüfung ver fahren wirb. Die sorgliche Prüfung aber erscheint um so gebotener, als die Regierung das Ansicdelungswerk jetzt auch in dem Sinne erweitern will, daß gegebenen Falles deutsche bäuerliche Besitzer, die sich auf ihrer Stelle nicht halten können, zu Staatspächtern ihres bisherigen Besitzes gemacht werden. Wenn Jemand sich nicht im Besitze hat halten können, so wird mit doppelter Sorgfalt nachgeprüft iverden müssen, ob er sich als Pächter eignet. Ob hierin und im ganzen Ansiedelungswcscn überhaupt mit guter Sorgfalt verfahren wird und ob die vielfach doch neuen Principicn sich bewähren, darüber wird der Landtag eine scharfe Eontrole auözuüben haben. Es ist aber bekannt, daß eine solche Eontrole viel wirksamer ist und daß auch die Ausstellungen, die der Landtag macht, viel mehr Berücksichtigung finden, wenn die Regierung immer wieder mit Bewilligungsantrügen hervortreien muß, atS wenn der Landtag auf einmal sein ganzes Bewilligungs recht aus der Hand giebt und nur noch alljährlich einen Rechenschaftsbericht erhält. Im ersteren Falle kann der Landtag verlangen, im letzteren muß er sich auf die Kritik beschränken. Ein so weitgehendes Vertrauen, wie die Bewilligung von 250 Millionen Mark auf einen Ruck, könnte die Regie rung nur dann verlangen, wenn ihre Polenpolitik über haupt über allen Zweifel erhaben wäre. Bis jetzt aber ist inehr der gute Wille zu loben, als die That. Graf Bülow hat erklärt, daß er ein M a n d a r i n e n t h u m unter den Beamten nicht dulden werde — un- er hat damit zugleich einen sehr wichtigen und leider auch sehr wunden Punct berührt. Vor Kurzem aber haben in der Ostmark erscheinende Blätter gemeldet — und diese Meldungen sind bisher unwiderlegt geblieben —, daß zwei deutsche Beamte auS der Ostmark fortgegrault worden seien, weil sie unter ihrem Stande geheiratet hätten. Nun, das wäre ein Man- darinenthum par oxosllonoe. Auch bei der ja bald bevor stehenden Einrichtung deutscher Vereinshäuser an ver schiedenen Orten wird sich zu zeigen haben, ob das Bewußt sein deutscher Solidarität -en Kastengeist bet dem Beamten- thume überwiegt und ob, wenn dies nicht der Fall ist, die Berliner Regierung mit kräftiger Hand dazwischenfährt und zum warnenden Exemplnm einige besonders statt liche Zöpfe an den Thoren von Posen und Bromberg auf hängt. Dieses Beispiel zeigt vielleicht, aaß das Ansiedeluags- werk zwar ein sehr wichtiges Stück der Germanisirungs- politik ist, aber durchaus nicht -aS ganze. Un- auch gerade darum empfiehlt es sich nicht, auf einmal die 250 Millionen Mark zu bewilligen. Denn je mehr auf diesem Gebiete auf einmal gethan wir-, desto größer ist die Gefahr, daß die Polcnpolitik der Regierung der Einseitigkeit verfällt und daß andere, sehr wichtige Maßregeln auf diesem Gebiete der Vernachlässigung anhetmfallen. Wir sind stets An hänger einer energischen Polenpolitik gewesen, aber gerade darum müssen wir -ringend davor warnen, dem Jrrthum zu verfallen, daß mit -em Gelbe allein Alles gemacht sei. In dem Kampfe -er Polen liegt, daß muß auch der Gegner anerkennen, ein große» Maß von Idealismus, dem ein ebenso großes Maß von deutschem Idealismus entgegen gesetzt werden muß, d. h. vor Allem Pflichtgefühl und Solidaritätsgefühl. Schon darum darf man die so zu sagen materiellen Maßnahmen nicht allzu sehr in den Vorder grund stellen. Der Krieg iu Südafrika. Zwischen Krieg «nb Frieden. „Daily Mail" erfährt, daß der baldigen Ankün digung des Kriegsende» jetzt nichts von Wich tigkeit im Weg« stehe. Die Meldung, daß da« FriedeuSabkommen erzielt worden, dürfe stündlich er wartet werden. Da« Abkommen würde die Wünsche der Nation in jeder Hinsicht befriedigen und beweisen, daß di« Regierung das Vertrauen de» Lande« durch die Un- beugsamkeit ihrer Haltung in allen wesentlichen Puncten ge rechtfertigt habe. Das Ergebniß der Unterhandlungen in Pre toria dürfte heute, spätestens Mittwoch, dem Parlament bekannt gegeben werden. Inzwischen sei die Entsendung weiterer Verstärkungen von Truppen, Pferden und Kriegsmaterial nach Südafrika eingestellt. Nicht ganz so optimistisch ist der Londoner „Sunday Special". Er bringt in Form einer Johannesburger Depesche folgende Mittheilung: Die Friedensverhandlungen schreiten ruhig fort. Drei Fragen der Boerrndelegirten wurden den» CabinetSrath unterbreitet: erstens,welcheZeitbi»zur Gewährung drrAutouomie verstreichen wird: zweitens, wie e» mit dem Gebrauch der Boeren- sprach« in den Schulen gehalten werden wird; drittens, wie lange den Caprebellen da» Stimmrecht entzogen sein wird. Man glaubt, daß betreffs aller drei Punct« «ine Verständi gung erreicht werden wird; doch könne da» endgiltigr Ab kommen länger auf sich warten lasten, al» man allgemein glaubt. Auf Parole. Die „Corresp. Nederland" schreibt: Von einem ausge dienten englische» Unterofficier, der im südafrikanischen Krieg« grwtsra ist, wird in „Truth" berichtrt, rr habe erzählt, daß bei der Imperial Jeomanry, die sich bereit» auf dem Wege nach Südafrika befindet oder eben dafür gedrillt wird, ehe malige Soldaten, di« von den Boeren gefangen genommen und unter der Bedingung, daß sie nicht mehr gegen sie kämpfen, wieder freigelasten worden waren, zu Officieren ernannt worden sind. Ec habe diese» Vorgang ein« unerhörte Schändung der besten Gepflogenheiten im Heere genannt und auf die Frage, wrlche Beweise er für jene Behauptung anfuhren könne, eine ganze Reihe jener Wortbrüchigen, von denen er einige persönlich kenne, aufgezählt. Darunter befinden sich Leute, die am 13. Oktober 1900 bei Heilbron, und solche vom Duke of Cambridge'» Own, die in dem mörderischen Gefechte bei Lindley gefangen genommen worden find und dann «ine Zeit lang nur Kampdienst verrichtet haben, da sie eben nur auf Parole freigegeben worden waren. Die Ehr« de» „untadeligen und unvergleichliche» englischen Heere«" erfordert e«, daß da« KriegSamt auf diese schwere Anklage unverzüglich antwortet. * Pest, 26. Mai. (Telegramm.) In der heutigen Plenar- sihung der österreichischen Delegation weist der Minister des Auswärtigen Graf GoluchowSkt auf eine Anfrage, ob die Regierung geneigt sei, anläßlich der Pferdeeinkäufe für England ein Pferdeaussuhrverbot zu erlassen, auf seine vorjährigen Ausführungen hin und erklärt, ein derartiges Ausfuhr verbot könne »nr erlassen werden, wenn die Gefahr vorhanden sei, daß der Pferdebedarf für das Inland nicht zu decken sei. Da an läßlich des griechisch-türkischen Krieges kein PferdeouSfnhr- verbot erlassen worden sei, so wäre nicht einzusehen, weshalb ein solches anläßlich eines Krieges in einem fernen Welt- theile nothwendig sei. Bezüglich einer Anfrage über ein angebliches Ausfuhrverbot in Deutschland verliest der Minister eine aus Berlin eingetroffene Depesche, die besagt, es sei absolut unrichtig, daß Deutschland ein derartiges Ausfuhrverbot erlassen habe. Eine Interpellation über die aus Transvaal ausgewiesenen österreichisch.ungarischen Staatsangehörigen beantwor tend, thrtlt Graf GoluchowSki mit, e« sei dem besonderen Entgegen- kommen der englischen Regierung zu verdanken, daß aus der be willigten Pauschaientschädigungssumme, deren Bertheilung bereits vorgenommen worden sei, den Geschädigten nahezu der gesammte angemeldete effectioe Schaden ersetzt worden sei, so daß diese An- gelrgeuheit für Oesterreich-Ungarn nach jeder Richtung hin einen befriedigenden Ausgang genommen habe. Deutsches Reich. I,. Berlin, 26. Mai. Eine Anzahl Küstenstationen für Funkentelegraphie wird in nächster Zeit von der Marine eröffnet werden. Nachdem durch eingehende Ver suche die Kriegsbrauchbarkeit der Telegraphie ohne Draht erwiesen worden ist, sollen jetzt die vom Reichstage bereit gestellten 300 000^k für funkentelegraphische Zwecke der Mariae verwendet werden. Als System kommt ausschließlich dasjenige von Slaby-Arco zur Anwendung. Welche Punctc an der Ost- und der Nordseeküfte für die Stationen auSgewählt sind, ist noch nicht bekannt geworden. Auf der Strecke von Memel bi« Kiel kommen vier oder fünf Plätze in Frage. An der Nordserküste werden Cuxhaven, Helgoland, Schilligrbede und Wilbelm-Haven sicherlich berücksichtigt werden, da sie alle für die Marine außerordentlich wichtig sind. Alle größeren Schifft der Kriegsmarine und viele Torpedoboote sind schon jetzt mit Einrichtungen für drahtlose Telegraphie ausgerüstet. Die Errichtung von Stationen an der Küste — „Funkspruchstationen" sagt man in der Marine — verleibt den Schiffen eine größere Sicherheit aus See und einem Flottenverbande auf dem Operationsgebiete größere Be wegungsfreiheit. DaS Verstehen von Signalen, die Ueber- mittelung von Befehlen, Wetterberichten und Rapporten, kurz eine Verständigung in der Ferne ist über die Sichtweite binausgerückt und gegenwärtig noch auf 130 km möglich. Diese Grenze wird wohl schon bald weiter gesteckt werden. — Inwieweit die Funkenspruckstationen derHandelSschifffahrt zu Gute kommen werden, ist noch schwer zu sagen. Daß sie in Fällen von Seenotb, wie bei Havarien aller Art, Auslaufen und FeuerSgrfahr, Hilfe herbeirufen werden, ist selbst verständlich; unsere Kriegsschiffe Haden auch zu allen Zeiten jedem in Seenoth angetroffenen Schiffe deutscher oder fremder Nationalität bereilwilligst Hilfe geleistet. Die in der Ostsee verkehrenden Kauffahrteischiffe werden aber schwerlich in die Lage kommen, mit den Funkenspruchstationen zu verkehren, denn weder Post- noch Frachtdampfer besitzen die dazu nöthigen Einrichtungen. In der Nordsee kommen die großen Hamburger und Bremer Oceandampfer, in erster Linie die Schnelldampfer, in Betracht und da wäre eS allerdings sehr wünschenswerth, wenn eS diesen Schiffen ermöglicht würde, mit den der Marineverwaltung unterstehenden Küstenstatiouen Nachrichten auszutauschen. Bedenken können in dieser Hinsicht um so weniger bestehen, als der Dienst auf den Funkspruchstationen in den ersten Jahren ihre» Bestehen» sicher nicht übermäßig anstrengend sein wird. Die Zahl derjenigen Handelsschiffe, denen über haupt die Möglichkeit zu solcher Verständigung gegeben, ist ja noch sehr klein. -7- Verltu, 26. Mai. (Die Feinde der deutschen colonialen Entwickelung.) Herzog Johann Albrecht vou Mecklenburg, Präsident der Deutschen Eolonial-Ge- sellschaft, bat in der Tagung der Gesellschaft zu Halle u. A. gesagt, daß r» unsere Ehrenpflicht sei, uns von dem Tribute an andere Nativ nen rein zu machen, indem wir unsere Colonien ausgestalten und auS ihnen Dasjenige, wovon unsere große Bevölkerung lebe, billiger beschaffen, während andererseits unsere Industrie ihre Erzeugnisse dorthin absrtzen lönne. Diese Ausführungen werden von der „Freisinnigen Zeitung" als „sonderbare Ge danken" bezeichnet und den, Herzog wird unterstellt, er habe damit den internationalen Handel für «ineArt von Uareinlichkeit erklärt. Diese Unterstellung ist eine bös willige Verdrehung, denn wenn Jemand sagt, daß wir un« vom Tribute an da- Ausland rein machen sollten, so be zeichnet er damit in keiner Weise unsere Handelsbeziehungen zum Auslande als etwa- Unreinliches. Ein ebenso boS- williges und absichtliche- Mißverständniß ist eS, wenn man sich anstellt, daß man da- „möglichst", welches den Ausführungen de- Herzogs naturgemäß zu Grunde liegt, übersieht. Der Herzog weiß selbstverständlich ebenso gut, wie Herr Richter, daß Deutschland die 4 Milliarden seine» Export« nicht allein nach den Colonien werfen kann und daß andererseits die 58 Millionen seiner Bevölkerung nicht von den Colonien au« ernährt werden können. Wa« er will, ist 1) daß die Colonien dabin entwickelt werden, eine möglichst große Menge tropischer Pcoducte, die wir zur Zeit noch in großen Masten au- den holländischen, englischen Colonien und au« Amerika beziehen, dem Mutter lande liefern zu können, und daß sie 2) durch die Steigerung ihrer Expovtfähigkeit und damit ihre» Wohlstände« in die Lage kommen, gute Abnehmer für fertige Product« au» dem Vaierlande zu werden. Wer immer wieder darüber jammert, daß die Colonien zur Zeit noch erheblich« Zuschüsse verlangen, sollte doch den Versuch, diesem Uebelstande abzuhelfen, begrüßen, statt ihn al« „sonderbaren Gedanken", der in dem Kopfe eine- Führers der Colonialbewegung „spuke", zu bezeichnen. Diese Ausdrucksweise ist zugleich höchst un angemessen dem Herzoge von Mecklenburg gegenüber, nicht weil er Herzog ist, sondern weil er eS verschmäht, gleich manchem anderen seiner Standesgenoffen in bequemem vornehmen Müssiggänge dahinzuleben, und vielmehr sein Leben einer ernsten und großen vaterländischen Aufgabe widmet. Wenn ein Fürst sich einer sozusagen bürgerlichen Arbeit weiht, sollte doch eigentlich gerade die bürgerliche Demokratie dafür Verständniß und Sympathie besitzen, wenn sie sich nicht dem Verdachte aussetzen will, daß der fürstliche Stand eines ManncS ihr dasselbe ist, was dem Stiere das rothe Tuch. * Berlin, 26. Mai. ZudemProccssedcSPro- fessvrs Schm oller wird der „Allgem. Ztg." aus ihrem Leserkreise geschrieben: In dem Processe des Pro fessors Schmoller gegen den Studenten Wvth wegen Ver öffentlichung einiger Arnßerungen aus seinen Vorlesungen ist, so viel wir sehen, auffallender Weise nirgends auf einen berühmten P r ä c c d c n z f a l l hingewiesen worden, der seinerzeit weithin das grüßte Aufsehen erregt hat. Er spielt ebenfalls zu Berlin, im Jahre 1844, und be trifft den Philosophen Schelling. Dieser war von Friedrich Wilhelm IV. 1841 aus München fortberufen worden, nm in der preußischen Hauptstadt die glaubens feindlichen Strömungen durch seine Lehre zu bekämpfen. Unter athemloser Spannung seiner von allen Seiten her beigeeilten Zuhörerschaft gab er die sehnlich erwarteten Aufschlüsse, ließ sich aber zu einer Drucklegung seiner Vor trage nicht herbei, obwohl man ihn durch die Beschul digung zu reizen suchte, feine Lehre habe das Licht zu scheuen. Bald begann man, Auszüge aus seinen Vor lesungen in die Zeitungen zu bringen; ja sogar mehrere Schriften erschienen, die ganze Partien in wörtlicher Nach schrift Wiedergaben und zn polemischen Zwecken ver- wertheten, darunter eine solche von dem späteren Schopen- hauerianer F r a u e n st ä d t. Schelling reagirte nicht, auf private Anfragen nannte er die letztere Publikation „das Product einer bettelhaften und schmutzigen Buch- machcrei". Als aber sein alter Feind, der rationalistische Theologe Paulus in Heidelberg, ein Eollcgicnheft auf eigene Kosten hatte nachschrcibcn und wörtlich unter Zu gabe der wüstesten Schmähungen abdruckcn lassen, riß ihm die Geduld, und er klagte gegen den Herausgeber auf Nachdruck. In einer ,,-lppellation an das wahrheits liebende Publicum" suchte Paulus sein Verfahren zn recht fertigen, ja sogar sein Vorgehen gegen die in seinen Angen schädliche Philosophie als gemeinnützige That hinzustellen und dedncirte, sein Buch fei kein Nachdruck, sondern ein Vordruck und überdies durch die darin geknüpften historisch - kritischen Ausführungen sein geistiges Eigen» thnm. Bis hierher liegt die Sache principiell ebenso wie im Falle Schmoller, aber das Urthcil fiel damals anders aus: das Gericht gab dem unbefugten Veröffentliche! der Vorlesungen Recht. Man sieht, Professor Schmoller hat es bei den preußischen Gerichten besser getroffen, als sein berühmter Landsmann und Universitätscollege vor zwei Menschenaltern. (^) Berlin, 26. Mai. (Telegramm.) Der „Staats- anzeiger" widmet dem verstorbenen Präsidenten de« Ober- verwaltungSgerichtS, Wirklichen Gebeimratb I)r. Kuegler einen Nachruf, in dem eS beißt: „Die glänzende Laufbahn vr. Kueg- ler'S entsprach seinen ungewöhnlichen GeisteSgaben und seinen hervorragenden Verdiensten. Schnelle Auffassung, durchdringen der Verstand, sicheresUrtheil und ein klarer Blick für da« Wesent liche und Mögliche waren in ihm mit der Kraft der schöpfe rischen Gedanken, mit einer seltenen Gabe der Darstellung in Schrift und Wort und mit einer unermüdlichen ArbeitSfreudig- keit verbunden, die sein innerstes persönliches Interesse an den der Volksschulverwaltung gestellten Aufgaben immer aufs Neue gestärkt und belebt haben." DaS Blatt hebt sodann dir Arbeit de- Dabingesckiedenen an der Entwickelung und Förderung des VolkSschulwesenS, an den Aufgaben der An- siedelung-commission unk der Neuorganisation der Genoffen schaft für freiwillige Krankenpflege im Kriege hervor. D Berlin, 26. Mai. (Telegramm.) Der „Localanz." berichtet: Der Bicepräsident deS Reichstage- Graf zu Stolberg-Wernigerode floß am Sonnabend auf seiner Besitzung Großkammin bei Küstrin nach Thontauben. Dabei versagte daS Gewehr und ein Schuß entlud sich rückwärts. Die Patrone traf die Stirn de» Grafen und ries eine heftige Blutung hervor, durch die der Graf bewußtlos wurde. Man hofft jedoch, daß die Verletzung keine schlim meren Folgen hat. k. Berlin, 26. Mai. (Privattelegramm.) Die „Tägliche Rundschau" erfährt, daß die Gemeind« Noeda im Großherzogtbum Weimar beschlossen habe, nachdem der Groß herzog die Bestätigung deS gewählten Pastor- Wein gart versagt hat, eiue freireligiöse Gemeinde zu bilden. — Im Auftrage de« Kaiser- hatte sich der Prinz Friedrich Heinrich von Prenßen nach Schloß Serrake in Mecklenburg begeben, um den Kaiser am Sonntag bei der Beisetzung des Prinzen Albert von Sachsen- Altenburg zu vertreten. — Prinz Albrecht von Preußen, der mit seinem zweiten Sohne, Prinzen Joachim Albrecht und den Herren, welche ihn nach Madrid begleitet hatte», am Sonntag früh Ubr von dort wieder in Berlin eingetroffen ist, empfing Mittag- 12 Ubr in seinem hiesigen Palais den Oberst und Commandeur von Krusenstier» und den Rittmeister von MikowSky vom Kleinrussischeu 40. Dragoner-Regiment, wrlche dem Prinzen Namen« ihres Regiments die Glückwünsche zur Wiederkehr des Tage» überbrachten, an welchem der Prmz vor fünfzig Jahren, als sein Vater zum Cbej de« Regiment ernannt worden, ä la suito desselben gestellt worben ist. Am Sonntag Abend fand ein größeres Diner zu Ehren der russischen Officiere statt. — Mit Genehmigung deS Kaisers hat -er preu ßische Laubeskrtegervcrband, wie der „Ost deutsch. Rundschau" mitgetheilt wird, Vorschriften
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