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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190206153
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020615
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020615
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-15
- Monat1902-06
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1902
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X-8. p.1801 100»- »IIVII. vL7:M.4O KI.L t4«n. Ir LI»r^ »0. ».U. »v. ».IX «.v. n.l). ».IX «.v. »IX »ix »o. »v. o. IX »IX »8«»t-IX »v. «0 SM^t-IX -0U«e-U. »D.VV »o.r^ ß? Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.60, — zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« S.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich S, sür die übrtgeu Länder lautZritungSpreiSttfte. Ledaction und Lrpe-ttto«: Johanni-gaffe 8. Fernsprecher ISS uud »M FUteüSTpudM»««» r Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitätSstr.S, L. Lösche, Kathariaeustr. 14, u. KöuigSpl. 7. Haupt-Filiale LresLea r Strehlenrrstraße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Lerlin: Königgrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. S3SS. 'cipMtl' Tagtblal! Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 7d ^S,, vor den Familienoach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2S H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung ^4 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol- in Leipzig. Nr. 299. Sonntag den 15. Juni 1902. 96. Jahrgang. Aus -er Woche. Die herzbeklemmende Sorge um da« theure Leben König Albert'S von Sachsen, die vor acht Tagen auf der deutschen Nation lastete, ist auch heut« nicht gewichen; sie wachst vielmehr mit ihrer Dauer und stumpft im ganzen Reiche da« Interesse an den Vorgängen der politisch bewegten Woche ab, au deren Ende wir stehen. Der Reichstag ist nicht vertagt worden, ohne vorher die wichtigsten Aufgaben des Augenblicks überhaupt, sondern auch in einer Weise erledigt zu haben, die selbst Nichtpesst- misten eine angenehme Ueberraschung bereitete. Die Annahme des Branutweingesetzes war ja thatsachlich schon erfolgt, eS fehlte hier nur noch die Schlußabstimmung, auf deren Hinausschiebung bi- nach der Besorgung der Zuckersachen die Linke bestanden hatte — gemäß der früher von ihr so bitter getadelten Maxime deS äc> ut äss oder noch richtiger nach einem umgekehrten schönen VerkehrSmoduS: „Läßt du meinen Juden in Ruh', so lass' ich deinen Juden in Ruh'." Aber beim Zucker ging es über Erwarten gut. Zwar die Genehmigung der Brüsseler Convention war mit Sicherheit vorauSzusehen, dafür aber drohte die Contiugentirung der deutschen Production, eine äußerst prekäre Maßregel, und eS drohte ferner die Herabsetzung der Zuckerverbrauchsabgabe auf ein Maß, das den bedenklichen Stand der Finanzen in Reich und Staat noch empfindlich verschlechtert haben würde. Die Contiugentirung wurde abgewendet, obwohl die Re gierungen, wenn eS nicht anders gegangen wäre, sich anscheinend dazu verstanden hätten, und bei der Steuer paarte fick einige Nachgiebigkeit der Regierungen mit der verständigen Einsicht von Abgeordneten, die ursprünglich gleichfalls eine zur Zeil finanziell nicht zulässige Ermäßigung gewünscht batten. Eö wäre auch eine schöne Einläutuna der Rcichsfinauzreform ge wesen, wenn man mit der Zuschüttung einer Reichseinnahme quelle vorgegangen wäre! Die nun Gesetz gewordene Herabsetzung der Zuckerabgabe wird ausgeglichen werden, einmal durch eine Hebung des Verbrauchs, sodann durch daS nur wenig eingeschränkte Verbot des Saccharin«. Dieser letztere Eingriff hat Gegnerschaft auch bei Politikern gefunden, die keineswegs auf dem Manchesterstandpuncte stehen. Und eS ist richtig, daS Gesetz vernichtet oder vernichtet nahezu ein Ge werbe, das so ehrlich und — vom Standpunkte der Saccharinproducenteu gesehen — so berechtigt ist wie nur irgend ein anderes. Allein die Gesetzgebung, die unbestreit bar die Pflicht hatte, die für Arbeiter, industrielle Unter nehmer und Laudwirthe ungleich wichtigere Zuckerindustrie zu retten, konnte sich dem Saccharin gegenüber im Stande der Nothwehr glauben und für sich anführen, daß die Ver- süßungSkraft des künstlich aus Kohlen gewonnenen Mittels fast 600 Mal so groß ist als die des Zuckers. Die Con- currenz des Saccharins, bisher schon bedrohlich, würde ungeheuere Dimensionen angenommen und gewaltigen Capitalverlust sowie ArbeitSnolh verursacht haben. Zu dieser Erwägung tritt die nicht minder gewichtige, daß breite Massen von Verbrauchern sich über die Natur deö Saccharins irren. Die Erzeuger dieses Süßstoffes, das haben wir schon hervorgehoben, sind ehrliche Leute, sie erwecken über die Eigenschaften ihrcS ProductrS keine falschen Vorstellungen. DaS Saccharin selbst aber ist ein Gaukler: eS giebt sich durch seinen Geschmack sür Zucker auö, der bekanntlich großen Nährwert!» hat, eS ist aber in der That, vom Standpuncte der Ernährung, ein Phantom, daS lediglich eine Gaumentäuschung hervorbringt. Für die Kranken, die Zucker nicht genießen dürfen, aber den Süßgeschmack nicht entbehren wollen, ist das Saccharin eine holde Lüge, die sie sich aber auch unter dem neuen Gesetze vorerzählen lassen können uud werden. Die Masse der Saccharinverbraucher aber hat stets geglaubt und wird auch ferner geglaubt haben, in dem künstlichen Stoffe etwas in seinen wesentlichen Wirkungen Zuckerähn- liches zu erhalten. DaS Saccharin aber ist kein Surrogat, es verhalt sich zum Zucker nicht etwa wie die Cichorie zur Kaffeebohne, sondern wie 0 zu 1. Die Urheber des Ver botes brauchen sich also in ihrem Gewissen nicht beun ruhigt zu fühlen. Deutschland tritt in dieser Rich tung auch keineswegs bahnbrechend auf, eine Reihe anderer Staaten, darunter England, sind ihm voranzegangen. Es muß sich nur sorgfältig davor hüten, auf dem mit dem Saccharinverbote betretenen Wege weiter zu schreiten, oder vielmehr daS gegen ein GaumentäuschungSmittel zulässige Verfahren auf Nahrungsmittel zu übertragen, die nichts gegen sich haben, als agrarischen Concurrenzueid. Die Zuckerdebatten haben einige allgemeinepolitische Gesichts punkte hervortreten lassen und die Blätter, die überhaupt dem — nicht geschloffenen, sondern nur vertagten — Reichstage eine Nachrede halten, sprechen, obwohl der Tagungsabschnitt über ein halbe- Jahr in Anspruch genommen, fast nur von den Verhandlungen und Ergebnissen der letzten Tage. Biel ist auch, wenn man nicht über Reden reden will, sonst nicht zu sagen. Von greifbaren vollendeten Leistungen sind außer Zucker und Branntwein nur zu neunen die SeemannSordnung, das Schaumweinsteuergesetz, die Beseitigung des ambulanten Gerichtsstandes für diePrese und natürlich der Etat. Auf die vom Reichstage betbätigte „Initiative" verlohnt sich Wohl noch einzugehen, eine Betrachtung über daS Verhältniß der Parteien zur Regierung und untereinander, wie sie sonst bei Sessionsschluß oder Sommervertagung üblich ist, fände diesmal wenig Anknüpfungspunkte. Und hier waren eS eben auch nur die letzten Augenblicke, die einiges BemerkenSwerthe zu Tage förderten. Dazu gehört, daß die Herren Richter und Singer sich auSeiuandersetzten und «inger dem „Großpensionär der Sccialdcmokratie" die Apanage, um nicht zu sagen die Almosen, vvrrechnete, die die „kleine Partei" von ihrer großen Erbin erhält. Richter aber wirb bei den nächsten Wahlen wieder um Wahlunterstützuog bei der Social demokratie bittlich einkommen und sie wieder erhalten. Ferner wird hervorgehobeo, daß Gras Bülow da» klrrikal-conserva- tive Ansinnen, auf daS Recht der Verlängerung der Brüsseler Zuckerconvention zu verzichten, sofort mit unwiderstehlicher Entschiedenheit und demgemäß mit dem gewünschten Er folg« zurückwie«. Man sagt, der Kanzler hätte auch bei den Zollvorlagrn so verfahren sollen, und wäre daS ge schehen, so würde die große Aufgabe der Session weiter gediehen sein, als eS der Fall ist. Dem wäre entgegenzuhalten, daß Zuckervertrag und Zoll tarif politisch und handelspolitisch sehr verschiedene Dinge, Interessen und — Empfindungen berühren, daß jene An gelegenheit überdies eine verhältnißmäßig einfach gelegene und dringliche war, waS bei den Zollgesetzcn — leider, möchte man sagen — Beides nicht zulraf. Wir wollen der Geschichte nicht vorgreifen, die entscheiden wird, ob Gras Bülow in diesen Zollstreitigkeiten die Conservativen in der That zu gut behandelt hat. Eines ist schon heute seslziistellen: Ein ungleiches Verhalten der Regierung, ihrer Officiösen (und der Demokraten) gegenüber den Conservativen und dem Centrum. Alles, was jene verübt, hat dieses mit gesündigt, in der Zollpolitik nicht nur, sondern auch in der Canalsache. Während die Conservativen aber, unseres Erachtens ver dientermaßen, Vorwürfe ernten, geht das Centruin un behelligt als der Liebling der politischen Götter und Menschen einher. WaS die Demokraten angcht, so weiß man warum. Aber die Machthaber! Sollten die sich etwa fürchten? Deutsches Reich. -4- Berlin, 14. Juni. (Neichska nzler Fürst Bismarck über daSRecht desKaiserS, Verträge zu schließen.) Bekanntlich haben Graf Bülow und der NeichSIagspräsident Graf Ballestrem anläßlich des Antrages Herold und Genossen zur Brüsseler Convention Einspruch dagegen erhoben, daß der Reichstag versucht, internationale Verträge unter einer Bedingung zu genehmigen. Der jetzige Reichs kanzler und der Reickstagspräsicent befanden sich dabei in grundsätzlicher Ucbereinstimmunz mit dem Stand punkt, den Reichskanzler Fürst Bismarck in einem ganz ähn lichen Falle eingenommen bat. Und zwar betraf dieser Fall die revidirte Elbschifffahrtsacte, die in der Reichs- tagssitzungvom8. Mai 1880 zur zweiten Berathung stand. Der Abg. vr. Delbrück, der frühere Minister, stellte damals Namen der Commission den Antrag, die Elbschifffahrtsacte im mit dem Vorbehalte zu genehmigen, daß die zur Zeit auf der Elbe bestehende Zollgrenze nur durch Gesetz an eine unterhalb dieser Grenze befindliche Stelle verlegt werden könne. Hierauf entgegnete Fürst Bismarck u. A.: „Die revidirte Elbschifffahrtsacte ... ist für uns keine Lebens frage. Wenn ich sa^e, für uns, so muß ich erwähnen, daß ich im Namen Sr. Majestät des Kaisers spreche; eS bandelt sich nickt um eine Gesetzvorlage, die Ihnen auf Grund von BundeSrathsbeschliissen gemacht wird, sondern um daS Recht des Kaisers, Verträge zu schließen, und um die Herbeiführung der Genehmigung des Reichstages, die zur Giltigkeit eines solchen Vertrags erforderlich ist, nachdem die Zustimmung des BundcsratbS zu demselben durch frühere Verhandlungen gesichert ist. Ick kann also hier ausnahmsweise sagen, die ReichSregierunz würde obne Bewilli gung dieser Elbschifsfahrtöacle ihre Functionen ungestört fortsetzen können und befindet sich durchaus nickt in einer Notwendigkeit, bei Gelegenheit der Annahme derselben sich Bedingungen auferlegen zu lassen, die das Verfassungsrecht ibr nicht ohne- bin schon auserlegt. Auch der Vorbehalt, von welchem die Mehrheit Ihrer Commission die Annahme abhängig gemacht, bat sür mich nicht die Bedeutung, auf seine Annahme oder Ablehnung erhebliches Gewicht zu legen. Entweder haben die Herren Recht, die behaupten, der Antrag beanspruche nur giltigeS Reckt, dann ist er überflüssig, oder er hat die Ten denz, neue» Recht zu machen, dann, meine Herren, überschreitet diese Absicht die Machtvollkommen heit, die dem Reichstage durch die Reichsverfassung beigelegt ist. Der Reichstag kann allein sür sich nicht neues Recht machen, am allerwenigsten sollte er cs meines Erachtens versuchen im Wege von Bedingurzgcn, die er der Reichsregierung stellt in dem Augenblick, wo sie von ihm die Genehmigung eines an und für sich unbedenk lichen Vertrags verlangt. DaS ist eine Art Pression, die auf die Regierung geübt werden soll, damit sie in die An erkennung einer Auslegung des VerfassungSrechlS willige, eine Pression, welche erhebliche Zweifel an der Sicherheit, mit welcher die Auslegung von anderer Seite für richtig gehalten wird, aufkommen läßt, eine Pression, der sich die Neichsregierung in keinem Falle fügt. Ich bitte also, wenn dieser Vorbehalt angenommen wird, nicht zu glauben, daß damit an unserer Verfassung etwas geändert würbe." — Die revidirte Elbschifffahrtsacte ist im Reichstage, nach einer Angabe Poschinger's, unerledigt ge blieben. Daß ein früherer Minister wie Delbrück den eben erwähnten Antrag stellen und daß ein früherer Minister wie Fürst Herbert Bismarck den Antrag Herold unterstützen konnte, ist ein Beweis dafür, daß nicht mehr im Dienst befindliche Staatsbeamte leicht zu einer Stellungnahme ge langen, die sie aus staatsrechtlichen Gründen während ihrer Amtszeit hätten bekämpfen müssen. xbr. Berlin, 14. Juni. („Genosse" Bernstein.) Bei der Berathung deS Zuckersteuergesetzes im Reichstage bat bekanntlich auch der Genosse Bernstein das Wort ergriffen und zwar zum ersten Male im Reichstage, was ihm ein gewisses Interesse sicherte, daS aber nur kurze Zeit dauerte. Wer den Genossen Bernstein auS seinen Schriften kennt, wird sich wohl ein falsches Bild von ihm machen. Der Redner Bern stein und der Schriftsteller baden kaum etwa» mit einander gemein. Der letztere ist ein fleißig grübelnder Theoretiker, der die Entwicklung in anderen Ländern beobachtet hat und sich keinen VerS darauf machen kann, daß die deutsche Socialdemokratie nicht längst dieEierschale ihres communistischen Ursprung» abge- streift hat, um in der Welt der Wirklichkeiten und mit dem deutschen Staate Geschäfte für den Arbeiter zu machen, so gut eS irgend geben möchte. Er selbst verläßt daS Gebiet der theoretischen Betrachtungen nicht, wenn er die Genossen auf da« Gebiet praktischer Arbeit heranzudrängen sucht, er behält sich vor, auch dann, wenn sie seinem Natbe gefolgt sein sollten, ihnen von der hohen Warte auS wisseuschast- lich und theoretisch den Weg zu beleuchten. Als Schrift steller hat er eben dadurch, daß er an den TageSkämpfen selbst möglichst keinen Antheil nahm, seine Bedeutung sich er worben. Nun ist er in die Arena deS parlamentarischen Kampfes herniedergestiegen und was erleben wir da? Abgesehen von der holperigen Form seiner Rede — er liebt es, die ersten fünf oder sechs Worte jedes Satzes zweimal zu sagen, und er spricht zu rasch —, reicht der Inhalt dessen, was er sagt, nicht entfernt an den Werth dessen heran, was er schreibt. Und er kommt überdies mit tem Schriftsteller Bernstein be denklich in Conflict. Kein Anderer hat so deutlich wie er aus den englischen Beispielen gezeigt, wie schließlich doch die Volkswirthschaft erheblichen Schaden nimmt, wenn sie sich auf das reine Freibandelsprincip einrichtet, also die NabrungS- und Bedarfsartikel von dorther beschafft, wo sie am billigsten zu haben sind. Jetzt mit einem Male ver- thcidigt er die Beseitigung jeder Zollschranke für Zucker mit der Bemerkung, daß, wenn der Colonialzucker für gewisse Zwecke besser als der Rübenzucker sei, er so billig wie möglich ins Land gehöre. Die Arbeiter in den Rübenzucker fabriken Deutscklanrs werden dies mit Verwunderung hören. Zn der That könnte ja der Colonialzuckcr, wenn wir jeden Zollschutz beseitigten und wenn die Frachten billig genug wären, um die Hälfte des Preises, der beute noch immer am deutschen Markte erzielt wird, bier verkehren. Nur müßten dann natürlich die Arbeiter auswandern oder in ankeren Verrieben Unterschlupf finden, soweit sie an der Zuckerproduction bis jetzt bethciligt waren, denn es ist richtig, daß bei ausreichendem Plantagen betriebe in Westindien u. s. w., wozu der Nohrzuckerbetrieb in Afrika sich leicht hinzugesellen tönnte, die Hälfte des deutschen Bedarfes vom Rohrzucker befriedigt werden könnte. Aber wir hegen die Vermulbung, daß der Genosse Bernstein bei dieser Art der Begründung feines Kampfes gegen cen Zuckerzoll einfach entgleist ist, und wenn er in dieser Weise fori fährt, sich selbst zu desavouiren, wird in nicht allzu ferner Zeit er fick selbst um den Einfluß und die Beachtung bringen, die er als Schriftsteller genoß. * Berlin, 14. Juni. Die Affäre Schmoller-Woth wird in der „Deutschen Juristen-Ztg." von dem Landrichter vr. Mittelstädt erörtert. Er kommt zu folgendem Schluß: Wenn, wie nach dem Referat anzunehmen, eine politijche Meinung, die sich zum Theil wieder auf die Aeußerungen Dritter stützt, lediglich mitgetheilt wird, dann liegt wohl die Kundgebung eines eigenthümlichen Gedankens, nicht aber ein geistiges „Werk' vor, und eS kann die Vervielfältigung eines Werke- oder cineS Theiles eines Werkes is 41 des Urheberrechts-Gesetzes) nicht in Frage kommen. Nun hat aber Prof. Schmoller erklärt, das Referat fei eine ganz unzureichende und vielfach mißverständliche Wiedergabe eines etwa einstündigen LortrageS. Hiernach muß man onnehmen, daß Prof. Schmoller in feinem Bortrage nicht nur feine Meinung über den Zolltarif mitgetheilt, sondern feine politische Ansicht ein gehend entwickelt und ansgesührt hat, und es liegt dann zweifellos ein ,,Vortrag" im Sinne deS Gesetzes vor. Aber kann man in diesem Falle annehmen, daß der Student den Vortrag als solchen wiedergegebcn hat? Das, waS Professor Schmoller im Hörsaal ge sprochen hat, war denn doch in seiner Totalität etwas ganz Anderes, als Das, waS in dem Referate des Studenten zum Ausdruck gekommen ist. Man kann nicht einmal annehmen, daß der Student den „wesentlichen Inhalt" des BortrageS veröffentlicht hätte, — und daher kann auch Las Verbot der Mitlheilung des „wesentlichen In halts" eines noch nicht veröffentlichten Werkes (Z 39 I. o.) nicht in Frage kommen. Vielmehr hat der Student lediglich einzelne Aeuße- rungen, die ihm wesentlich dünkten, weil er sie für sensationell hielt, wiedergegebcn. Ten wesentlichen Inhalt Les Vortrages kann jene Aeußerung über die Absichten der Regierung unmöglich gebildet haben; dies umsoweniger, als der Autor selbst erklärt haben soll, er habe jene Aeußerung in dieser Form gar nicht gethan und das Referat sei daher unrichtig gewesen. Die Veröffentlichung einer einzelnen Meinungsäußerung aus einem Vortrage, noch dazu in entstellender Form, aber ist eine Jndiscretion und nicht die Verviel fältigung eines Geistcswerkes. In jedem Falle ist die Vcrurlheilung auf Grund des neuen Urheberrechts.Gesetzes zu Un recht erfolgt, und man wird gespannt darauf sein dürfe», wie das Urtheil der durch den Studenten angerufenen höheren Instanz aussallen wird. (-) Berlin, 14. Juni. (Telegramm.) Der Kaiser hörte gestern im Neuen Palais noch den Vorlrag des Cbcfs des Civilcabinets vr. von LucanuS. Zur FrühslückStafel war Botschaftsrat!) v. Schlözer und Gemahlin, sowie Frau Baronin v. Lhncker geladen. Nachmitlags unternahmen beide Majestäten eine Spazierfahrt. Zur Abcnblafei, die im Marmorpalais stattfand, war Viccavmiral Freiherr v. Senden und Oberpräsident v. Belhmann-Hollwcz und Ge mahlin geladen. Heute Vormittag hielt der Kaiser das große Garde-Cavallerie-DivisionS-Exeiciren ab. Die Division stand Morgens um 7 Uhr aus dem Truppenübungsplatz in der Nähe deS Dorfes Ferbitz. Beide Majestäten trafen vom Neuen Palais auS zu Wagen ein und stiegen in Ferbitz zu Pferde. Der Kaffer ritt die Fronten ab, und begann alsbald eine größere Gefechtsübung. Nach einem längeren und sehr lebhaften Artillerie-Gefecht griff die Division von Westen her einen Feind an, der bei Dallgow durch die 3. Ulanen und die Leibgendarmerie dargestelll wurde. DaS 1. und 3. Garde-Regiment zu Fuß, Maschinengewehre, Radsahrcolonnen wirkten mit. Zum Schluffe nahm der Kaiser nach der Kritik einen Parademarsch über die bctheiligten Truppen bei Dallgow ab, wo sodann unter Zellen ein Frühstück eingenommen wurde. DieKaiserin kehrte vorher mit Wagen nach dem Neuen Palais zurück. Der Kaiser begab sich gegen 12 Uhr zu Wagen nach Babnhof Dallgow- Döberitz, wo ein Sonderzug bereit stand. — Der Uebung wohnten bei die direkten Vorgesetzten der Regimenter, die Herren des Hauptquartiers, die sremdherrlichen Ossiciere und die Herren der hier anwesenden österreichischen und der russischen Depu tation. Heute Abend gedenkt der Kaiser beim Osficiercorpö des Leib-Garde-Husaren-RegimentS zu speisen. (A Berlin, 14. Juni. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" meldet, daß dem ordentlichen Professor der Breslauer Universität, Geh. RegierungSrath Stalle, der den von Leverrier theoretisch entdeckten Planeten Neptun auffand und am 9. Jnni d. I. seinen 90. Geburtstag feierte, der Stern zum Kronen-Orden zweiter Classe verliehen worden ist. (D Berlin, 14. Juni. (Telegramm.) Der „Reichsanz." meldet, daß den Reichsgerichtsräthen Stephan Hoff mann und August Hcllwcg der Rothe Adler-Orden dritter Classe mit der Schleife verliehen worden ist. (-) Berlin, 14. Juni. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" theilt noch Nachstehendes bezüglich der Verringe rung und Neugliederung der ostasiattschen Besatzungs- brigade mit: Aufgelöst werden bas dritte ostasiatische Jnfanterie- Regiemenk, der Stab und die bisherige zweite (leichte Feldbaubitzen-) Batterie der Feldartillerie - Abtheilung, die Traincompagnie, die halbe Compagnie des Sanitäts corps und daS Lazarethpersonal. Die Angehörigen dieser Truppentheile, welche sich über den Herbst hinaus verpflichtet haben, werden in die bestehenbleibenden Truppentheile versetzt, kommen also nicht vorzeitig zur Entlassung. Diejenigen Mannschaften sämmtlicher Truppentheile, deren Dienstzeit im Herbst abläuft, werden behufs dem- nächstiger Entlassung in die Heimatb zurücköefördert und zwar mit dem Reichspostdampfer „Hamburg", der von Shanghai am 21. Juni abgebt und in Bremerhaven am 5. August ankommt, die Mannschaften deS zweiten Bataillons des dritten Infanterie-Regiments, beü dritten Bataillons des zweiten Jnf.-Regiments und der Escadron-Jäger zu Pferde; mit dem Neichspostdampfer „Prinz Heinrich" ab Shanghai am 5. Juli an in Bremerhaven am 19. August, die Mannschaften des Stabes und deS ersten Bataillons des dritten Infanterie- Regiments, des zweiten Bataillons des zweiten Infanterie- Regiments, der halben SanitätScoloune, deS Lazareth-PersonalS und der Feldlazarethe; mit dem Reichspostdampfer „Sachsen" ab Sbangbai am 19. Juli an in Bremerhaven am 3. September die Mannschaften deS Stabes und des ersten Bataillons des ersten Infanterie-Regiments und ein Drittel des zweiten Bataillons deS gleichen Regiments; mit dem Reichs» poslvampfer „Kiautschau" ab Shanghai am 2. August, an in Bremerhaven am 16. September, zwei Drittel des letztgenannten Bataillons und die Mannschaften der Gebirgsbalterie. Die ausgedehnten Mannschaften aller übrigen Truppentheile kommen mit dem als besonders geeignet sich erwiesenen Slomandampfer „Pisa" zurück, der voraussichtlich ab Taku am 21. August abgeht und in Bremerbaven Anfang Oktober eintrifft. Die neuen Listen der in Ostasien Verbleibenden gehen frühestens Anfang August ein. Frühere Anfragen beim Kriegsministerium können nicht sicker beantwortet werben. Der „Neichsanzeigcr" macht ferner Mittheilungen betr. die Gelegenheit, Postsendungen an Heimkehrenve und Nichtheimkehrendr gelangen zu lassen. V. Berlin, 14. Juni. (Privattelegramm.) Ter „Nat.-Ztg." zufolge wird oer Schluss vcS Landtages jetzt für Mittwoch erwartet. Die AuSfübrungSbestimmungen zum Fleischbeschaugesetz sollen im Abgeordnetcnbause am Montag zurdritten Lesung kommen. Um ein längeres Hin undHer :u ver meiden, werden Vorschläge vorbereitet, durch die dem Gesetz eine Form gegeben werben soll, der gegenüber kein ernstlicher Widerstand deö Herrenhauses zu erwarten ist. Bermuthlich wird es sich dabei nur um verhältnißmäßig geringfügige Aenderungen, namentlich nach der Seite der Kostendeckung sür die Untersuchung, handeln, während die agrarischen Be schlüsse der zweiten Lesung aufrecht erhalten werden sollen in der wohl nickt unbegründeten Erwartung, daß die Negierung sich mit ihnen abfindcn werde. * Flensburg, 13. Juni. Wie endgiltig feststcht, trifft die Kaiserin am 29. Juni zum Appell ihres Regiments hier ein. * Hannover, 13. Juni. Graf Waldersee wird sich, einer Einladung des Königs Eduard folgend, zur Krönungs feierlichkeit nach London begeben. In seiner Begleitung wird sich sein Neffe Major Graf Waldersee befinden, der als GeneralstabSossicier bem Gcneralstabe des Generalfeldmar- schaUS zugetheilt ist. Um bem englischen Hofccremoniell zu genügen, haben sich die Herren sowohl mit Cwilanzügcn als auch mit Hofkleibern (Kniehosen, seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen) versehen. Duisburg, 13. Juni. Der Conflict zwischen der hiesigen Ortskrankenkasse für Fabrikarbeiter und ihren Cassenärztcn ist jetzt endgiltig beigclegr worden. In der gestrigen Generalversammlung der Casse wurde ein Entwurf deS strittigen 8 15 einstimmig angenommen, wonach künftig bei Streitigkeiten zwischen Casscnmitgliedcrn und Cassenürzten der Casscnvorstand entscheiden wird nach Anhörung zweier ärztlicher Gut achter, bei Streitigkeiten zwischen Cassenvvrstand und Acrzten nach Anhörung zweier Vertrauensmänner, von denen der Vorstand und die Acrzte je einen wählen. Tie Einigung bedeutet für die Casscnärzte eine erhebliche Nachgiebigkeit, da der Cafsenvorstand mit seinem Vor schläge, selbst entscheiden zu dürfen, durchgcdrungcn ist. Diese Nachgiebigkeit wurde dadurch bedingt, daß zahl reiche auswärtige Aerzte sich sofort der Casse zur Verfügung gestellt hatten, als der Acrztevercin vor Kurzem auf Grund der Nichtaunahmc seines Vorschlages, die Aufsichtsbehörde in allen Strcitigkcitssällcn entscheiden zu lassen, den Vertrag der Casse für aufgelöst erklärte. * Nürnberg, 13. Juni. Den „Münch. N. N." wird von bier berichte«: Nach Eintrag in das Handelsregister ist der Kaufmann Pickel auS dem Vorstande der Bleistiftfabrik vormals Johann Faber ausgeschieden und damit die Er ledigung der bekannten Angelegenheit des Rundschreibens an die polnische Kundschaft auch amtlich festgestellt. (-) Stuttgart, 14. Juni. (Telegramm.) In der Tarlfcommission de» Landtages wurde, wie der „Schwäbische Merkur" berichtet, bekannt gegeben, bei der Einführung der vierten Wagenclasse auf der Effenbabn würde der Ausfall für Württemberg unter Vergleickung mit dem Au«salle bei der Verstaatlichung der Hessischen Ludwigs- bahn 1 943 000 und unter Vergleichung mit dem Ausfälle bei der Einführung der preußisch-hessischen Effenbahngemein- schaft 2 019 401 betragen. Nach Schätzung der Eisenbahn verwaltung würde unter Anrechnung aller in Betracht kom-
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