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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020809025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902080902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902080902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-09
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Man konnte auch annehmen, daß die Versuche, die Verdienste des großen Parlamentariers zu verkleinern, von derselben Seite ausgehen würden, die dem Gründer des deutschen Reiches seinen unsterblichen Ruhm zu schmälern trachten. Und wirklich ist eS so, wenn auch die mildere und versöhn lichere Natur Bennigsen'S eS mit sich bringt, daß seine Feinde etwas milder mit ihm verfahren, als mit dem „eisernen" Kanzler. Nichts aber beweist besser, als gerade die Gemeinsamkeit ihrer Gegner, daß BiSmarck und Bennigsen neben einander gehören, für ein und dasselbe Ziel seltene Kräfte eingesetzt haben. Deshalb sind auch die Kreise, aus denen Kund gebungen aufrichtiger Trauer, wärmster Anerkennung und innigen Dankes beim Tode Bennigsen'S in die Oesfentlichkeit dringen, dieselben, die bei der Trauerkunde aus FriedricbSruh im tiefsten Innern sich erschüttert fühlten. Dem Empfinden dieser Kreise und seinem eigenen hat der Kaiser würdigen Ausdruck gegeben durch folgendes Telegramm, das er aus Reval an den Gouverneur v. Bennigsen, den Sohn des Verstorbenen, gerichtet hat: Aufrichtig betrübt über das Hinscheiden Ihres Vaters, spreche Ich Ihnen und Ihrer Familie die herzlichste Theilnahme aus. Der Name Ihre- verewigten BaterS, in welchem Ich einen treuen Diener und ausgezeichneten Beamten verliere, wird mit der Geschichte des deutschen Reichs und dessen nationaler Wiedergeburt für immer verknüpft sein. Wilhelm I. L. Daß die Nachrufe, die die gesammte nationale deutsche Presse dem Geschiedenen widmet, insofern von einander ab weichen, als sie verschiedene Seiten seines Charakters, ver schiedene Abschnitte seines Lebens und Wirkens hervorheben und würdigen, ist begreiflich. War doch dieses Leben und Wirken so reichhaltig und vielgestaltig, daß der enge Raum eines Zeitungsartikels eine erschöpfende Würdigung des seltenen Mannes nicht zu fassen vermag. Wir sind uns bewußt, daß selbst die eingehenden Artikel, die wir s. Z. zur Feier des siebzigsten Geburtstages des verehrten Parteiführers veröffentlichten, noch lückenhaft sind und wesentlicher Ergänzung bedürfen. So werden denn vielleicht gerade die jetzt bekannt werdenden verschiedenen Schilderungen und Würdigung dazu beitragen, die Her stellung eines große» GesammtbildeS zu ermöglichen, daS dem Heranwachsenden Geschlechte zur Lehre, Anregung und An feuerung dient. Aus dem Nekrologe, den daS Organ der nationalliberalen Partei dem Verewigten widmete, sei Folgen des hervorgehoben: Mit Bennigsen sinkt einer der wenigen Männer deS Bürger» thumS auS Deutschlands Sturm-, Drang» und Werdezeit ins Grab, die mit klarem, Hellem Auge den Beruf Preußens für die Geschicke Deutschlands erkannt hatten und ungeachtet oller Anseindungen und der schwersten Kämpf« mit sich selbst ihr politisches Leben und Wicken sür diese Erkenntnis elnsehten. Die Zeit dieser harten politischen Roth- Wendigkeiten schuf Charaktere, welche sich in Rudolf v. Bennigsen zu einer Ideal-Gestalt abklärten. Die Lauterkeit seiner Gesinnung, die echter Menschlichkeit entsprungene Milde seines UrtheilS, der Schwung seines politischen Idealismus hoben ihn weit empor auch über die kleine Schaar der Auserwählien im Reiche deS Parlamentarismus. So ward Rudolf von Bennigsen nicht nur durch seine politische Befähigung, sondern auch durch den Adel seiner Charaktereigenschaften der Leitstern sür die nationalliberale Partei, dessen Gian; und Einfluß selbst nach dem Tode deS edlen Mannes für uns nicht schwinden soll! Wird die Geschichte den Fürsten Bismarck noch den fernsten Ge schlechtern als den genialen, gewaltigen Schöpfer des deutschen Reiches preisen, so wird sie neben ihm den Namen des Mannes nennen, der zur Vorbereitung der Siege der deutschen Sache an seinem Theil nicht minder Großes geleistet wie seinerseits jener. Mit Recht durfte in der Festschrift zum 70. Geburtstage Bennigfen's von Adolf Kiepert gesagt werden: „Neben dem Namen BiSmarck hat in allen deutschen Gauen kein zweiter so Hellen, guten Klang wie der Rudolf von Bennigsen! Tenn eS ist der Name eines von hohem Idealismus getragenen Patrioten, eines durch klaren, scharfen Ver stand ausgezeichneten Staatsmannes, eines vornehmen, ritterlichen, zu allen Zeiten bewährten, unbeugsamen Charakters, es ist der Name deS unermüdlichen Vorkämpfers deS deutschen Bürgerthums." Bald nach dem Blind'scheu Attentat aus Bismarck fand die erste Begegnung des Letzteren und Bennigsen'S statt. Die Bemühungen Bismarck'S wie Bennigsen'S im Interesse der Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit Hannovers gehören der Geschichte au. Nachdem Bennigsen seine Hoffnung, die Selbstständigkeit Hannovers als Bundes staat gewahrt zu wissen, vereitelt sab.war sür ihnder zn beschreitendeWcg klar vorgezeichnct. Die Aufforderung, die provisorische Regierung Hanno- Vers zu übernehmen, lehnte er ab, da er völlig frei dastehen wollte. Die tiefe Sehnsucht unseres Volkes nach nationaler politischer Einigung, so gewiß sie von Anhängern auch anderer Parteien gctheilt wurde, fand ihren vollsten Ausdruck bei der nationallibcralcn Partei. Diese Partei des gemäßigten nationalen Liberalismus conslituirte sich unter Bennigsen'S Vorsitz am 28.Februar 1867 — am Tage der Constituirung traten der FractionüZReichstagsabgeordnete bei, am 12.Märzzählte sie bereits 71 Mitglieder. Die Stunde fri cher Trauer um Len Heimgang deS ersten Führers der Partei ist nicht dazu angethau, sich darüber zu verbreiten, wie leicht und doch auch wieder wie schwer es der nationalliberalen Partei unter Bennigsen's Führung gemacht wurde, denjenigen bedeutenden Antbeil an dem Ausbau r.lsaffungL- mäßiger Zustände zunächst im Norddeutschen Bunde und dann im deutschen Reiche zu nehmen, mit dem sich der irgend einer anderen Partei in früherer und späterer Zeit nicht wohl messen läßt. Dabei blieb die Persönlichkeit Bennigsen's hochragend weit im Vordergründe stehen. Kein Linderer als der erste Kanzler selbst erkannte an — noch zu einer Zeit, wo in Folge der Anseindungen von allen Seiten und weil damals die wirthschastlichcn Meinungs verschiedenheiten auch auf die bis dahin ausschlaggebende Partei zersetzend wirkten, ein bedeutender Rückgang der nationalliberalen Volksvertreter stattgefuuden halte —, daß er Bennigfcn als den betrachte, der ihn „am meisten gefördert" habe, und daß „ihm das deutsche Reich jedenfalls großen, sehr großen Dank schulde". Ein Leben reichen Schassens, bleibender Erfolge und fortwirkender Anregung liegt abgeschlossen da, und nennt man die besten deutschen Namen, so wird auch der Rudolf von Bennigsen's genannt werden in allen Zeiten. Die nationalliberale Partei aber darf nicht nur sagen „er war unser" sondern auch: „er bleibt unser". In den Besprechungen über die Bedeutung der Zu sammenkunft Kaiser Wilhelm ' s mit Zar Nico laus vor Reval begegnen wir in der Wieuer „Neuen Freien Presse" einer politischen Auffassung über das österreichisch-russische Balkan-Abkommen, die nicht ohne Widerspruch und Richtigstellung von deutscher Seite bleibeu darf. Das genannte Wiener Organ glaubt sich in die Stimmung der deutschen Regierung über jenes Abkommen versetzen und ihr nervöse Schwingungen nnd Beunruhigungen darüber nachfühlen zu können. Die Un möglichkeit, in die Haut eines Anderen zn schlüpfen, hat die „Neue Freie Presse" mit dieser Kunst des Nach empfindens wiederum bewiesen. Deutschland, weit ent fernt davon, sich einer nervösen Beunruhigung über das österreichisch-russische Balkan-Abkommen hinzugcben, hat dieses im Gcgentheil als einen Fortschritt in den Be strebungen zur Paeisicirung des Balkans und der fried lichen Beziehungen Oesterreichs zu Rußland begrüßt. ES fühlt sich durch diese Annäherung nicht im Mindesten be unruhigt und setzt das Nämliche bei Oesterreich für die Be strebungen nach Aufrechterhaltung des guten Einverständ nisses zwischen Deutschland und Rußland vortus. In den Ländern der österreichischen Krone Nieder österreich, Oberösterrcich, Steiermark, Mähren, Kärnten nnd Vorarlberg stehen Neuwahlen für die Land tage bevor und die Wahlvorbereitungen haben bereits begonnen. Wie schon seit Jahren, werden auch diesmal wieder die Wahlen in Niedervsterrcich wegen der Kräfte messung zwischen den Ehristlich-Svcialcn und den übrigen deutschen Parteien besonderes Interesse in Anspruch nehmen. Demnächst dürften die Wahlen in Mähren Spannung Hervorrufen, weil hier wieder der erbitterte Kampf zwischen Deutschen nnd Tschechen gekämpft wird nnd vielleicht zu einer entscheidenden Wendung führt. Bekanntlich ist das Krüsteverhältniß der beiden Nationali täten in Mähren ziemlich gleich, so daß es den Deutschen nnr unter der äußersten Anstrengung bisher gelungen ist, sich die Mehrheit zu erhalten. Nun sind freilich die Tschechen dort zur Zeit in nicht weniger als drei Frac- tionen gespalten, Jungtschechen, Alttschcchen und Klerikale stehen einander gegenüber, und namentlich die fortschritt lichen Jungtschechcn fürchten einen Einbruch der Kleri kalen in ihr Revier. DaS war der Grund, weshalb noch vor Schluß der Landtagssession der bis dahin einheitliche Elub der tschechischen Landtagsabgeordncten gesprengt wurde und sich in seine drei Bestandgruppen anflöste. Da durch wurde das bisherige Wahlcompromiß zwischen den drei Gruppen gleichfalls gesprengt. Vorläufig zögern die Jnngtschcchen, dieses zu erneuern. Die bereits einberufene Sitzung des Executivcvmitt's der jungtschcchischcn Partei, die das Wahlcompromiß beschließen sollte, wurde ver schoben, und das Partei-Organ, die „Lidove Novtny", droht, das Wahlcompromiß werde gar nicht zu Stande kommen. Schließlich aber werden sich die feindlichen Brüder schon wieder vertragen, derrn die gemeinschaftliche Feindschaft gegen die Deutschen ist ein vortrefflicher Kitt für sie. Die Demission deS gregorianisch-armenischen Patriarchen, Msgr. Ormanian, hat, wie der „Polit. Corr." auö Kon stantinopel berichtet wird, durchaus nicht die Wirkung erzielt, daß die Behörden sich zu einer Milderung der die Armenier bedrückenden AuSnahmSmaßregeln veranlaßt fühlen. Die Ucbertritte der Armenier zu anvcren Confessivnen nehmen zu, da dies den Armeniern das einzige Mittel biete, sich den Aus- nahmemaßregcln zu entziehen. Diese Bewegung, welche Msgr. Ormanian nicht einzudämmen vermochte, gehörte zu den Haupt ursachen seines Rücktritts. Sehr bedauert wird in armenischen Kreisen der Abgang deS bisherigen Gouverneurs von Musch, Ismail Hakki Pascha, der seines Amtes enthoben und vurch den ehemaligen Gouverneur von Prizrend, Mahmud Pascha, ersetzt wurde. Gegen ISmail Hakki Pascha hatten die Armenier dieser Provinz, so sehr sie auch unter den Aus schreitungen der Kurden zu leiden batten, niemals Beschwerden erhoben. Er hat sich gegen die Armenier stets gerechter als seine untergebenen Beamten erwiesen und man meint in Musch, daß eben dieses Verhalten an manchen Stellen Arg wohn gegen ihn hervorgerufen und seine Absetzung herbei- gejührt haben dürste. Deutsches Reich. Berlin, 8. August. (Stipendien zum Besuche gewerblicher Fachschulen.) Den Handelskammern ist in letzter Zeit durch die Regierungspräsidenten Mittheilung von einem Erlaß des Ministers sür Handel und Gewerbe gemacht, der.sich auf die Gewährung von Stipendien an tüchtige junge Leute zum Besuche gewerblicher Fach schulen bezieht. In dem Erlasse wird gewünscht, daß solche Stipendien in wesentlich größerem Umfange als bisher von öffentlichen Corporationen, insbesondere auch Handelskammern, zur Verfügung gestellt werden. Dabei sollen nicht nur diejenigen Corporationen in Betracht kommen, in deren Bezirk gewerbliche Fachschulen vorhanven sind, sondern vornehmlich auch solche, die der Fachschulen entbehren, da es hier besonders schwer ist, sich durch den Besuch an Fachschulen weiter auözubilden. Es kann nur gewünscht werden, daß diesem Ersuchen des Ministers in möglichst großem Umfange entsprochen werde. Das gewerbliche Fachschulwesen Preußens hat dank der Thätigkeit des Staates und der Mit wirkung der Gemeinden, die beide übrigens noch sehr Wohl einer Steigerung fähig sind, insofern während der letzten Jahr zehnte einen großen Aufschwung genommen, als eine ganze Anzahl neuer Schulen errichtet ist. Je mehr diese Schulen besucht werden, um so besser wird es mit der Entwickelung des Gewerbes bestellt sein. Hier mitzuwirken, ist schließlich nicht blos Pflicht von Staat und Gemeinden, sondern auch der öffentlichen Corporationen. * Berlin, 8. August. Ob von Curpfuschern stam mende Arzneiverordnungeu in den Apotheken an gefertigt werden sollen, wird jetzt sehr eingehend in der ärztlichen und pharmaccutischcn Presse erörtert. Die Aerzte bemühen sich auf das Eifrigste, die Curpfuscher in ihrem Treiben zu beschränken. Bei den Aerztekammern sind Sonderabthei- lungen zur Bekämpfung der Curpfuscherei eingerichtet. Namens der Aerztekammern werden Curpfuscher beim Staatsanwalt angezeigt und mit allen gesetzlichen Mitteln — beran- gezogen wird auch das Ge>etz über den unlauteren Wett bewerb— wird die Bestrafung von Curpfuscher« zu erwirken gesucht. Viel mehr als früher wird dafür gethan, die All gemeinheit über die Schäden der Curpfuscherei aufzuklären. Im weiteren Verfolgen der Curpsuscherfache ist den Arrzten schon lange auch das entgegengelrcten, daß den Bestrebungen der Curpfuscher dadurch Vorschub geleistet wird, daß Arznei verordnungen von Curpfuschern in den Apotheken angefertigt werden. In Äerzlekreisen bestrbt daS Verlangen, daß eS den Apothekern verboten werden soll, Arzneiverordnungen von Curpfuschern auszusühren. Der letzte Aerztetag in Königs berg nahm einen Beschluß an, im Sinne dieses Verlangens der Aerzte beim BundeSrathe vorstellig zu werben. Welches ist die Rechtslage in der Sache? Die gejammten Arzneien, die der Apotheker vorräthig hält, zerfallen in zwei Gruppen. Die erste Gruppe umfaßt alle sog. starkwirkenden Arzneimittel. Diese dürfen von dem Apotheker nur auf die Verordnung eines Arztes, Zahnarztes oder Thierarztes abgegeben werden. Alle anderen Mittel sind dem Hand- Feuilleton. Das Fräulein von Saint-Sauveur. 6j Roman von Grövtkle. (Stachdruck verböte» ) Landry's Aufenthalt war nur von kurzer Dauer. Am Morgen seiner Abreise sah er, als er in den Wagen steigen wollte, um zum Bahnhöfe zu fahren, einen mit Steinen beladenen Karren heranrollen, dann einen zweiten und einen dritten. Der Nachbarpüchter stand mit gespreizten Beinen dabet und beobachtete ihn mit tückischer Miene, während die Karren noch immer dahtnfuhren und den Weg versperrten. „Ich werde noch den Zug versäumen", brummte Landry. Und so abstoßend auch die heimtückische Miene des ManneS sein mochte, wendete er sich doch an ihn und fragte: „Was sollen denn diese vielen Steine?" „Herr und Frau Chantefleur lassen bauen: sie wollen verschiedene Veränderungen in ihrem Schlosse vor nehmen." „In ihrem Schlosse?" Der Pächter beutete mit dem Arme auf das unschein bare HauS jenseits der Mauer, welches zur besonderen Freude der gelehrten Arbeiterin so lange Zeit hindurch leer gestanden hatte. „Ach, das?" machte Landry geringschätzend. „Besten Dank für die Auskunft." Er griff an seinen Hut und ließ sein Pferd einen scharfen Trab einschlagen, um die versäumte Zeit einzu holen. „Arme Pathin!" sagte er sich- „Ich fürtchte, die Un annehmlichkeiten werden erst jetzt für sie beginnen." AuS diesem Grunde hatte bas Telegramm der Frau Regnier ihre Freunde in solchen Schrecken versetzt. Ihr Brief erläuterte die kurze Depesche. Unbekümmert um die Llauseln eines MtethvcrtrageS, den er mit seinem Schloß — denn er nannte bas HauS, welches sich jen seits der Gartenmauer erhob, niemals ander» — zugleich geerbt hatte, machte sich der neue Ltgenthllmer, der an fänglich eitel Zucker und Honigseim gewesen, Tag für Tag neuer Eingriffe in die Rechte der Frau Signier schuldig, wobei er sich wohl streng hinter dem Wortlaut, nicht aber auch hinter dem Sinne de» Vertrages ver schanzte. Er hatte zahlreiches Geflügel mit sich gebracht, das nervenzerrütteud krähte, gackerte, piepste und sich nicht selten auch in den wvhlbehütctcn Garten der Frau RLgnier verirrte, wo eS die gräßlichsten Verwüstungen anstellte. Sie kam derart um ihre zartesten Salalspröß- linge, nm ihre Erdbeeren und die saftigsten Erbsen,' ja, ein wunderschöner Kirschbanin, der ein paar Wochen rüber als jeder andere seine süßen Früchte zeitigte, war ,n einer einzigen Nacht von unbekannten Thätern voll- tündig geplündert worden. Und um das Maß voll zu machen, kamen die Dienstleute des Eigenthümcrs mit Leitern über die Grenzmauer gestiegen, um mit ihren Mägden zu plauder». Nun sollte ihr Einer sagen, ob sie sich für längere Zeit vom Hanse entfernen durfte! Wenn das so weiter ging, würde sic ja leider die Hilfe der Gen darmen in Anspruch nehmen müssen. „Ach", meinte Herr von Saint-Sanvcur philosophisch, „wenn man mit den Gendarmen anfängt, so dürften die Leiden unserer armen Freundin noch lange nicht zu Ende sein! Es stand geschrieben, Antoinette, daß Deine Tante Laurence nach Tvurnettes gehen wird. Sie hätte cs gewiß nicht geglaubt, wenn es ihr Jemand gesagt hätte!" Achtes Capitel. Endlich sollte das angekündigte Fest also stattfindcn! Yolande konnte gar nicht glauben, daß es schon so weit sei. Im Hause deS Marquis von Saint-Sauveur hatte man sich ein wenig vom hohen Roß herab mit der Sache be freundet. Ein Gleiches konnte nicht von allen Einge ladenen behauptet werden. „Tout-Bvurgcs" war cingc- laden worden, selbst jene Personen, die noch niemals einen Fuß in das Schloß Tournellcs gesetzt hatten. Drei Viertel der Frauen wollten, von Neugierde verzehrt, der Ein ladung Folge leisten: und mehr als die Hälfte der Gatten wollten nicht einmal von der Sache hören, die dadurch in nicht wenigen Häusern einen Zwist zwischen den Ehegatten erzeugte. Das Bedenklichste an der Einladung war ja der Um stand, daß auf den Einladungskarten die Worte zu lesen waren: „Um 4 Ubr Festspiel im Park: „Ter Dichter, die Frau und die Muse", von Jehan Olivettes." Nun bedenke man einmal: ein Festspiel im Park! DaS hatt« man doch in Bourges noch niemals erlebt! Wird man die Künstler aus Parts kommen lassen, oder wird der Dichter seine eigenen Bers« declamtren? Wer wird, letzteres angenommen, die Rollen der zwei Frauen Spielen? Yolande? Möglich, denn sie fürchtete sich vor gar nichts. Aber die dritte Darstellerin? Das Ivar ein ununterbrochenes Rathen und Kopfzer brechen, ein Summen nnd Surren ging durch die ganze Stadt, daß man es auf Schritt und Tritt Horen mußte: am lautesten ging cs aber selbstverständlich bei den Schneide rinnen und Putzmacherinnen zu. Am festgesetzten Tage staute sich eine lange Reihe, zum größten Theile tadelloser Equipagen auf der znin Schloß Tournellcs führenden Straße. Da man sich gegenseitig nicht Vorfahren konnte, so gab man sich den Anschein, als sähe man sich nicht, und eine geradezu beängstigende Stille herrschte in den verschiedenen Fuhrwerken bis zu dem Augenblick, da das „Abladen" der Gäste, wie sich Landry sehr respcctöwidrig ansdrückte, vor der Freitreppe stattfand. Ein stattlicher Majordomus meldete mit weit hin vernehmbarer, tiefer Stimme Name und Stand der anlangenden Gäste. Es gab unter denselben erstaunte, aber auch gereizte, spöttische Gesichter, als man diese Eerc- mvnic gewahrte: dies hinderte aber nicht, daß Jedermann sich vor Frau von Tournellcs verbeugte und ihr die magere, knochige Hand drückte. Das Unglaubliche war zur Thatsache geworden: die Familie Tournellcs hakte gesiegt! Den ersten Begrüßungen und Höflichkcttöphrascn folgte ein Augenblick allgemeiner Verlegenheit. Es hatte den Anschein, als musterten sich die Gäste untereinander und schätzten sie die Anwesenden nach deren Anzahl. Einige bekannte Persönlichkeiten fehlten in dem glanzvollen Kreise, und schon begann man sich die Namen derselben znzuflüstcrn, als ein funkelnagelneuer Dog-Cart, vor welchem ein herrliches Pferd mit einem direct auS London verschriebenen Geschirr gespannt war; mit eleganter Enrvc um den Rasenplatz fuhr und vor der Freitreppe anhtelt. Der Groom sprang herab, um das Pferd zu halten, und nach einer kurzen Pause ließ der Majordomus mit voller, schmetternder Stimme den Namen laut werden: „Herr Graf Landry von VillorL." „Tölpel!" sagte sich Landry, während sein. Groom mit dem Tog-Lart weiterfuhr. „Wozu giebt er mir diesen Titel, den mein Vater schon vor KO Jahren abgelegt hat?" Er begrüßte Frau von Tournellcs, reichte dem hinter ihr stehenden Poeten die Hand und erkundigte sich nach Fräulein Yolande. „Sie wirb sofort erscheinen", erwiderte die alte Dame mit einem Lächeln, das gar schlau sein sollte. Die Gäste wollten sich schon enttäuscht in dem Park zerstreuen, als ein herrlicher, bis in die geringsten Einzel heilen tadelloser Landauer — ein Landauer, wie man ihn etwa einem gekrönten Haupte zum Geschenk anzubieten wagen würde — unter scharfem Trab seiner zwei pracht vollen Pferde dahergcrollt kam und hart vor der Frei treppe hielt. Der die geschätzten Namen mit weitliin schallender Stimme verkündende Majordomus brauchte sich jetzt nicht erst mit dem Bedienten ins Einvernehmen zu setzen, sondern rief der Menge, die sich bereits zu zer streuen im Begriffe war, mit donnernder Stimme zwei Namen zu, die die gleichgiltigsten Gemüther Halt zu machen veranlaßten: „Stiftsfränlcin Gräfin von Saint-Sauveur, Fräulein von Saint-Sauveur." Die beiden Damen stiegen aus, der Wagen fuhr lang sam weiter, und als erster Genuß ward der Menge der Anblick der zwischen den Damen von Saint-Sauveur und der Dame des Hauses ausgetauschten Verbeugungen zn Theil, ein wirklich seltenes Schauspiel: denn es hatte sich noch niemals zugetragcn. Wie geblendet verweilten die Augen deS Dichters auf Antoinette, ohne daß er sie von ihr abznwenden verinocht hätte, was auf der Stelle rvahrgenonnnen und mit einigen treffenden Bemerkungen begleitet wurde. Wirklich war Antoinette Henle noch schöner als sonst, wofern dies mög lich war. In ilirer Toilette au» pltfsirtem Seiden- mvusielinc, deren taubengraue Farbe mit dem Rosenroth der darunter befindlichen Leide einen perlmutterartig schillernden Glanz erzeirgte, und dazu der reiche, aber nicht übermäßige Schmuck kostbarer Spitzen, repräsentirtc Antoinette die wahre, vornehme und dennoch imponirende Eleganz, vornehm aus Absicht, impontrend, ohne es scheinen zn wollen. Der einfache, mit Tanbenflügcln geschnrücktc Hut, dessen Mousseltnkranse mit der Farbe deS Kleides völlig übereinsltmmte, hätte eine weniger frische, leuchtende Ge sichtsfarbe als die ihrige sehr geschädigt. Bon der Spitze ihrer feinen hirlchledernen Schuche bis zu dem auS grauem, durchsichtigem Achat gefertigten Griff ihres LonnenschirmcS war Alles, was Antoinette an sich trug, weise erwogen und combinitt worden, um ein Bild vollkommener Harmonie zu erzeugen. Frau von Tournclles, di« bet der eigenen Toilette so wenig Geschmack zu entwickeln vermochte, «ar dagegen
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