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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190208106
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020810
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020810
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-10
- Monat1902-08
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1902
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühre» jur Nachweisungen und Offertrnanuahme 25 H (rxcl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 80.—, mit Postbeförderuog ^l 70.—. Armahmeschlnß fiir Anzeigen: Abend-SuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen stad stets aa die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 biS Abeud» 7 Uhr. Druck und Verlag voa^L^S o lz fit Leipzig. Nu 403. Sonntag den 10. August 1902. 96. Jahrgang. Aus -er Woche. Bier Jahre hat Rudolf v. Bennigsen dem öffentliche» Leben nicht mehr angehört und dennoch reißt sein Tod eine klaffende Lücke in den nationalen Besitz. Es ist nicht nur ein schmerzliches, eS ist in einer Zeit, die frisches, fruchtbare- staat liches Leben ohnehin nicht begünstigt, ein lähmende- Gefühl, sich an diesem Manne, der als Letzter «ine große Vergangenheit repräsentirte, aber noch der Gegenwart lauschte, nicht mehr aufrichten zu können. Er ragte als Mahner und keineswegs als durchaus stummer Mahner in das Treiben. Nun ist die letzte Säule gestürzt, das ganze Feld dem Epigonenthume frei überlasten. Die kürzlich von einem Patrioten in Baden ausgesprochene Wahrheit, daß die Politik .eine verzweifelt ernste Sacke" sei, hat nun keinen autoritativen Vertreter mehr. Und Keiner lebt mehr, der wie Rudolf v. Bennigsen die Schwierigkeiten, die fast unüberwindlichen Hindernisse kannte, die sich dem Werke der Einigung Deutsch land» entgegenstellten, und der demgemäß die ganze Verantwortung für leichtmüthige Gefährdung de- Er reichten zu ermessen wußte. Er war dabei, dabei al ber Beste der Helfer, die das Volk den großen Meistern an der Spitze Leö Staate- gestellt hatte. Dabei, als nur Vorbereitung möglich war, al- eS zu bauen und einzurichten galt. Bennigsen'- Geschichte ist seit der Mitte der fünfziger Jahre des abgelaufenen Jahrhundert- die Geschichte derjenigen inneren Bewegung, die zu dem er sehnte» Ziele führte. Neben dem provideutiellen Hohen- zollern, dem provideutiellen Bismarck der providentielle Hannoveraner, der Brücken schlug an Uferstellen, zu denen der noch nach der Offenbarung seiner Größe viel verkannte »preußische Junker" nicht erfolgreich berantreten konnte. Bennigsen'- Wirken harrt eines hervoragenden Historiker-, für den die Zeit noch nicht gekommen ist. Er wird viele Zusammenhänge darzulegen haben, die heute nur von Wenigen erkannt sind, und er wird Staunen und Empörung erregen, wenn er den Beweis erbringt, daß der staatsmännische Mit arbeiter des Fürsten Bismarck dort, wo er den einzigen großen Mißerfolg seine- politischen Werkes erlebte, Kn- Opfer jene- thörichteu, machtbegierigen und dabei thörichten AfterliberaliSmuS geworden ist, der im Laufe der letzten vierzig Jahre verschiedene Name» führte, aber doch immer derselbe geblieben ist. Die Erfahrungen, die Ben nigsen im Jahre 1877 mit sehr ungetreuen Freunden machen mußte, bergen die Schlüssel für da- Ver- ständniß der Mißentwickelung, die als gefährlichste Frucht die heutige Machtstellung des UltramontaniSmuS gezeitigt hat. Und nicht Bismarck, wie ost gesagt wurde, ist eS gewesen, der Bennigsen's zeitweiligen Rücktritt au» dem parlamenta rischen Leben verursacht bat, daS waren — Andere. Bis marck vielmehr und seine ReichSpolilik haben unter Beuuig« sen'S Mißerfolg schwer gelitten. Der Hintritt des großen Parlamentarier-, der aber weit mehr als ein Parlamentarier war, könnte dazu verlocken, auf den Niedergang des Parlamentari-muS einen Blick zu werfen. In Bennigsen hat der Reichstag und hatte schon früher das preußische Abgeordnetenhaus seinen vornehmsten Redner verloren. Und diese Eigenschaft hinderte nicht, daß er der wirksamste Redner war. Er sprach freilich auch nur, wenn er etwas zu sagen hatte. Heute ist jener Vorzug und diese Selbstbeschränkung so gut wie verschwunden. Ja, die Tribüne ist nicht einmal mehr, wa- schon einen schlimmen Schritt bedeutete, in erster Reibe ein Tummeplatz der Partei leidenschaft, sie ist zum Sprungbrett persönlicher Eitelkeit geworden. Daß es dahin kam, bat allerdings noch andere Ursachen, als daS Wirken dieser Triebfeder. DaS Gewicht des Wortes wird allgemein nicht mehr wie sonst einaeschätzt und dir Quantität beeinträchtigt die Qualität. In den letzten Reichstagssitzungen hat man auch von amtlicher Stelle Reden gehört, von denen man nicht erkennen konnte, warum sie gehalten waren, wenn nicht etwa um ihrer selbst willen. Und dieser Tage erst hat in der Zolltarifcommission Graf Posadowsky vor einem Herrn Or. Hahn ganz einfach einen Rückzug antreten müssen, weil er, der Staatssekretär des Reichsamts des Inner», zu viel gesagt hatte. Es ist wahrlich nicht erquicklich, von einem höchsten Vertreter der ReichSregierung in einer Parlamentscommission die Bitte oder, wenn man will, Auf forderung zu vernehmen, seine Worte „nicht zu extensiv auS- zulegen". Tie Nothwendigkeit, mit diesem Verlangen heran zutreten, war aber eben durch die Extensität gegeben, der sich Graf Posadowsky befleißigt batte. Sehr viel danken-werther al» die Herbeiführung dieser Episode war eine Eröffnung, die der Staatssekretär über die Erfahrungen eine- leitenden Verfechters des Zolltarifs machte. Er bemerkte: „Meine Menschenkenntniß hat sich im Laufe der jahrelange» Verhandlungen über den Zolltarif ganz außerordentlich vermehrt. Vielleicht wird später einmal die Geschichte diese» Zolltarif- arten- mäßig geschrieben werden, dann wird manche» Interessant« bekannt werden. Wenn man sieht, wie Personen, di« nach außen hin formell ihren freihändlertschen Standpunkt bekunden — nicht Mitglieder des hohen Hause- — und die dann Hölle und Himmel im Geheimen in Bewegung setzen, nm für ihre fpeclellen Product« Prohibitiv- fchutzzölle zu erlangen, dann verm«hrt man sein« Menscheuknatniß ganz außerordentlich." ES ist also die Classe der öffentlich nicht- Begehrende», die durch ihre Begehrlichkeit der Regierung da- Leben sauer machen sauerer anscheinend, al- die extremsten Agrarier, die mit ihren excessivcn Forderungen öffentlich auftrrtea und deshalb auch von der Oeffentlichkeit abaetha» werden. UuS war übrigens di« Existenz solcher heimlicher Sünder Wohl bekannt. Die „Voss. Ztg." kennt „die Fälle nicht, auf di« er (der Staats sekretär) anspielt." Nun, „die" Fälle kenne» wir auch nicht, ihre Zahl ist wahrscheinlich Legion. Aber etliche, »ad zwar solche, auf welcke dir Kennzeichnung des Grafe» Posadowsky buchstäblich paßt, sind uns nicht fremd gebliebra und «S ist schier zu verwundern, daß die .Boss. Htg." so ganz und gar im Stande unschuldigen Nichtwissen» geblieben ist. Hat sie nicht wenigsten» von der auf „Himmel uud Hölle" sich erstreckeudeu MaschiuisteuthLtigkeit eine» Herru gehört, der im Hauptamte Hüte fabricirt und im Nebenamt« rührige- Mitglied der demokratischen, also antiröllnerischen Fraction eine» EiozellandtageS ist? Die Sache ist sogar gedruckt und, wenn auch nicht in aus erlesenem Italienisch, so doch gut schwäbisch - derb ge schrieben. Die zollpolitischen TartüffeS sind jedenfalls nicht besser al» die „Schreier" von Profession. Schlimmer aber auch nicht. Auch diese trete» nicht öffentlich mit der Bezeichnung dessen heraus, wa- sie in Wahrheit wollen. Nämlich da- Scheitern der ganzen Action, da» Verbleiben beim Alten vermöge Nichtkündigung der Verträge und als Folge diese- Verlaufes die Consennrung der Erregung und somit der Ge- folgS- und Zahlungsbereitschaft der Laadwirthe. Auf dem Wege zu diesem edlen Ziele wird «S der Leitung de» Bundes der Land- wirthe kaum unangenehm sein, daß ihr Vertreter in der Commission von dem conservativen Grafen Schwerin- Löwitz und dem CeotrumSmitgliede Herold soeben unsänftig- lich angefaßt worden ist. DaS ist Zeugniß über die Qualität als „einzig wahre" Bauernführer und man wird im Lande Capital daraus zu schlagen suchen. Allein schließlich scklägt Untreue doch einmal den eigenen Herrn. Und auch die Socialdemokratie wird ihre Unauf richtigkeit, mit der sie die Industriearbeiter mittel- einer von ihr grundsätzlich verworfenen FreihaodelSpolitik hintergebt, früher oder später zu bereuen haben. Ueber ihren „Witz" mit dem Ordenszoll ist ihr schon jetzt gar nicht wohl. Da läßt der „Vorwärts" errathen und die von wegen des Frei handel» um die Socialdemokratie besorgte »Voss. Ztg." sagt eS gerade heraus, daß der Spaß schädlich wirken werde. Uns aber ist er sehr willkommen. Die Zollcommission beräth über die wichtigsten Interessen von Millionen von Arbeitern, der „Arbeiterpartei" aber ist di« Sache gerade gut genug, um sich einen „Jux" zu macken. Max und Moritz — wenn auch ohne den echten Gassenbuben-Humor der Vorbilder —: das ist eia Bild, da» vielen arbeitenden Socialdemokraten nicht gefallen wird. Die künftige politische Entwickelung Bayerns. Qs Das bayerische Centrum stellt sich an, als ob es in jedem Falle ans der Krisis, die herbeizuführen es un ausgesetzt bemüht ist, siegreich hervorgehen müsse. Das führende bayerische Centrumsorgan hat erst Lieser Tage sein Bedauern über die Nichtauflösung des Landtages ausgesprochen, weil es einem fröhlichen Wahlkampfe angeblich mit den besten Erwartungen entgegengesetzt» hätte. „Man so thun", sagte Bismarck einmal. Dem bayerischen Centrum wäre sicherlich gar nächt wohl gewesen, wenn der bayerische Landtag aufgelöst worden wäre. Das Gcdächtniß des CentruursorganS kann doch nicht so schwach sein, daß cs schon vergessen hätte, wie die Schaffung der gegenwärtigen Centrumsmehrheit im bayerischen Landtage nur durch das Wahlbündnis mit der Socialdemokratie ermöglicht worden ist. Die Social demokraten haben inzwischen Gelegenheit gehabt, ihre Thorheit, die sie selbst zur völligen Einflusslosigkeit vcr- urtheilte, zu bereuen, und nach den letzten Heldenstückchcn des Centrums in der Kammer denken sie gewiß nicht ernstlich daran, jemals wieder dieselbe Thorheit zu be gehen, wenn auch einem Thcile von ihnen vor der Zer schneidung des Tafeltuches zwischen Rothen und Schwarzen in Bayern grauen muss. Ohne die Hilfe der Social demokraten aber erscheint der Sieg des Ccn- trums ausgeschlossen, um so mehr, als der „Rache act" des Centrums, alle der Cultur und Kunst dienenden Ausgaben aus dem Staatshaushalte herauszustreichcn, wohl auch in vielen gebildeten katholischen Kreisen leb haften Anstoß erregt hat, weil dieser Act nicht nur die Cultur- und Kunstfeindlichkeit beS Centrums, sondern auch seine politische Unreife zu Tage gefördert hat. Auch in ihren RetchStagSsitzen ist die bayerische CentrumSpartei mehr und mehr inS Wanken gekommen. Hier haben sowohl die Socialdemokratte, als vor Allem der bayerische Bauernbund in mehr als einem Wahlkreise die Position des CentrumS erschüttert. Hat doch bei den letzten allgemeinen Wahlen der Bauern bund die sehr stattliche Ziffer von mehr als 140 000 Stimmen aufgebracht. Man braucht nur einmal die Wahlresultate von 1893 und 1898 im Regierungsbezirk Oberbayern, also in der nächsten Umgegend der Lande». Hauptstadt, zu vergleichen, um zu sehen, welche Fortschritte der Bauernbund gemacht, und zwar lediglich auf Kosten deS CentrumS. Im Wahlkreise Aichach erhielt im Jahre 1893 das Centrum 12 071, der Bauernbund 41 Stimmen, 1898 daS Centrum 8097, der Bauernbund 5468. In Ingolstadt sank das Centrum von 11180 auf 6868 Stimmen, während -er Bauernbund von 589 auf 5769 stieg. In Wasserburg erhielten die Bauernbündler 1893 nur 1219 Stimmen, 1898 aber nahmen sie dem Centrum den Wahlkreis ab. Aehnltche Erfolge erzielte der Bauern- bund in den Wahlkreisen Weilheim, Rosenheim und Traunstein, in denen er 1898 zusammen nur wenig über 1000 Stimmen erhalten hatte, 1898 aber nahezu 18 000 Stimmen auf seiner Candibaten vereinigte. Nicht ganz so groß, aber auch für das Centrum nicht unbedenklich, stnd die Fortschritte der Socialdemokratie. Im Jahre 1881 hatte daS Centrum noch beide Münchener Sitze inne, jetzt ist auch nicht entfernt daran zu denken, dass es jemals eines dieser Mandate erhält. Im Wahl- k/eise Würzburg gelingt eS der Socialdemokratie bereits, mit dem Centrum in die Stichwahl zu kommen; in dem ganz ländlichen Wahlkreise Rosenheim wurden bereits etwa 3000 soeialdemokratische Stimmen abgegeben, und wenn die Gocialdemokratie auch nicht die Aussicht hat, selbst diesen Wahlkreis zu gewinnen, so könnte sie doch bei den nächsten Wahlen ihn dem Bauernbund in di« Hände spielen. Da» bayerische Centrüm hat also durchaus keinen Grund, sich auf den unerschütterlichen Felsen hinaus zuspielen, und der „kommend« Manw", Prinz Ludwig, wird «S sich zweimal überlegen, sich einseitig ans dies« Partei zu stützen, ganz abgesehen davon, daß sein aus gesprochene» SelbstständigkettSgrfühl ihm verbieten wird. sich zum Vollstrecker des Willens einer einzelnen Partei zu machen. Prinz Ludwig hat wiederholt in seinen Reden be wiesen, daß er einen starken historischen Sinn besitzt. Nun, die Geschichte der europäischen Staaten im letzten Jahrhundert dürfte ihm gezeigt haben, daß Länder mit klerikaler Herrschaft in Verfall gerathen. Frankreich war unter Ludwig XVIII. und Karl X. und dann wieder zu den Zeiten der Kaiserin Eugenie in den Händen der Klerikalen und die Folgen waren die Julirevolution bezw. der Krieg von 1870. Spanien hat durch den Klerikalismus den Rest seiner einstigen Macht eingebüßt. In -em klerikal regierten Belgien kommt cs häufiger zu revolutionären Zuckungen als in irgend einem anderen europäischen Staate. Kein bayerischer König dürfte Lust haben, die Zahl der Beispiele zu vermehren. Deutsches Reich. -4- Berlin, 9. August. (RudolfvonBennigsen und das Welfenthum.) Vor einer Reihe von Jahren, kurz nach dem Tode eines Grafen von Bennigsen, der als Senior des Geschlechts galt, waren wir mit einem hannöverschen welfischcn Grafen zusammen, der uns er zählte, wie Rudolf von Bennigsen, damals noch Ober präsident von Hannover, bei der Beerdigung des Grafen von dem gesummten anwesenden welfischcn Adel in be leidigender Weise „geschnitten" worden sei. Der Erzähler, im Uebrigcn ein ruhiger und fein gebildeter Mann, strahlte förmlich in der Erinnerung an dieses Helden stückchen. So fanatisch war und ist -er Hatz der Welfen gegen den Mann, der ihnen als ein Berräther galt und der doch, wie in allen Stücken ein echter Edelmann, so auch hierin voll vornehmer Gesinnung schon zu einer Zeit kein Hehl aus seiner politischen Gesinnung gemacht hatte, wo es in Hannover gefährlich war, national - deutsche Ge sinnungen zu hegen. War doch nach der Begründung des Nationalvereins die Wuth der welfischcn Adelskaste darüber, dass das Mitglied eines der ältesten hannöver schen Adclsgeschlechter zu den Begründern und Leitern dieses Vereins gehörte, so groß, dass der hannöversche Minister v. Borries bieUnvorsichtigkeit beging, vor ver sammelter Kammer zu erklären, daß, um der Gefahr der Herstellung einer preußischen Centralgewalt zu entgehen, die deutschen Staaten genöthigt wären, sich miteinander oder mit auswärtigen Mächten zu ver binden, die sehr zufrieden sein würden, die Hand in Deutschlands Angelegen- yeitcn zu bekommen. Wäre cs also nach Herrn von Borries gegangen, so wären die traurigen Zeiten wieder gekehrt, wo fremde Staaten sich in deutsche Angelegen, heiten cinmischcn und sich dafür mit deutschem Boden be lohnen durften. Wo also war der Verräther? Im Lager derer, die mit dem Anstande liebäugelten und durch ihren Starrsinn den Untergang herbciführten, oder bei den von Bennigsen geführten Nationalvcrcinlern, die den Zusammenschluss Deutschlands gegen das Ausland herbei führen wollten und die, wie Bennigsen in erster Reihe, im Jahre 1866 sich bemühten, die Neutralität Hannovers dnrchzusctzcn, mit der die Selbstständigkeit Hannovers als Staat sich hätte erhalten lassen? Berlin, 9. August. (Die Soctaldemokratie bei Stichwahlen zwischen Centrum und Nationalliberalen.) Vor einigen Tage» haben die Socialdemokratcn einen Candibaten für die nächstjährigen Reichstagswahlen im badischen Wahlkreise Freiburg ausgestellt. Die „Köln. Volksztg." im trauten Verein mit der demokratischen „Frankfurter Ztg." macht sich nun darüber luftig, daß ein badisches national liberales Blatt schon jetzt auf die Stinuncn der Social demokratie bei einer Stichwahl zwischen dem Centrum und den Nationalliberalen in diesem Wahlkreise rechnet. Die „Frankfurter Ztg." erwartet, daß die Antwort der Soctaldemokratie ablehnend ausfallen werde, weil ja die Nationalliberalen ihrerseits gar nicht daran dächten, bet Stichwahlen für einen Socialdemokratcn einzutretcn, sondern sich dann immer auf ihre Stellung als staats erhaltende Partei besännen. Es trete also der Egoismus der Nationalliberalcn bet diesem Annäherungsversuche deutlich zu Tage. DaS Frankfurter Blatt unterscheidet sich ja in der politischen Tendenz sehr von der Social demokratie, aber es hat doch wohl nicht daS Recht, im Namen dieser Partei Antworten zu crtheilen. ES ist wohl kein Zufall, daß der Vorschlag des „Vorwärts", auf dem diesjährigen Parteitage in München principtell Stellung gegen das Centrum zu nehmen, ge rade bet soctaldem akratischen Blättern Badens Anklang gefunden hat. Die badischen Social demokraten haben bisher dem Centrum bei den Wahlen zum Reichstage und z»un Landtage Wahlhilfe geleistet, aber sie haben Erfahrungen machen müssen, die der „Vorwärts" dahin auSdrückt, daß seit 1898 das Centrum „seine reactionäre Entwickelung" vollendet habe und dass darum die Frage der Stellungnahme gegen das Centrum gerade in diesem Augenblicke „reif und unaufschiebbar" geworden sei. Nun kann doch weder dem „Vorwärts" noch den ihm zustimmenden socialdemokratischen Blättern etwas daran gelegen sein, daß lediglich eine wohlklingende Resolution angenommen wird, die ein Verdammung»- urthcil über daS Centrum aussprtcht, sondern daß die Gegnerschaft gegen daS Centrum praktisch zur Durch, führung gebracht wird. Dies kann aber die Soctaldcmo- kratie nur in der Weise thun, daß sie in Fällen, wo daS Centrum mit anderen Parteien zur Stichwahl steht und wo sie die Entscheidung in der Hand hat, ihr« Stimmen gegen daS Centrum in die Waagschale legt. Gerade aber das Großhcrzogthum Baden ist das Land, wo dies praktisch am ehesten zur Durchführung gelangen kann. Bei den letzten allgemeinen Wahlen ist in den Wahlkreisen Freiburg, Lahr und Offen- bürg in der Stichwahl das Centrum durchgekommcn, weil «» die Unterstützung der Socialdemokratcn gefunden Halle; in allen drei Wahlkreisen wäre anderenfalls der nationalliberale Bewerber gewählt worden. Dazu kommt noch als vierter Wahlkreis Konstanz, wo aller dings nicht allein die Soctaldemokratie den Sieg der Nationalliberalen herbeiführen könnte, sondern wo noch die Hilfe der Bolkspartei nothwendtg wäre. Wird nun die Socialdemokratie in dieser Weise die Stellungnahme gegen das Centrum praktisch zur Durchführung bringen? Wir geben durchaus zu, daß die Nationalliberalen ihrer seits nicht bei Stichwahlen für einen socialdemokratischen Bewerber eintreten würden, und wir wissen ferner genau, -aß die Socialdemokratcn Alles eher, als zärtliche Empfindungen für die Nationalliberalcn hegen. Die Socialdemokratcn aber sind eine praktische Partei. Sie unterstützen auch die Freisinnigen nicht aus Liebe zu dieser Partei und auch nicht, weil ihnen diese Partei etwa Gegendienste leistete, sondern weil sie von ihrem Stand- puncte aus die Freisinnigen für ein geringeres Uebel an sehen als die anderen bürgerlichen Parteien. Aus dem selben Grunde könnte sie auch zu der Unterstützung nationalliberaler Candibaten gelangen, denn die Natio nalliberalen sind für sie schon darum das kleinere Uebel als das Centrum, weil auch die Socialdemokratie ein Interesse daran hat, die parlamentarische Meinherrschaft des Centrums zu brechen. (7) Berlin, 9. August. (Telegramm.) Der „NeichS- anzetger" sagt in einem Nachruf auf de» verstorbenen Oberpräsidenten a. D. vr. Rudolf v. Bennigsen: Ja den verschiedenen schwierigen und verantwortungsvollen Aemtern entwickelte der Entschlafene in hingebender Arbeit, unter stützt durch außergewöhnliche Fähigkeiten, eine ver dienstvolle und erfolgreiche Tbätigkeit, die wieder holt durch hohe Auszeichnungen allerhöchste Anerkeuuug gefunden bat. Ein treuer und überzeugter Führer seiner Partei, ließ er doch niemals die großen gemeinsamen Ziele au» dem Auge, und wenn er mit Erfolg in 'großer und bewegter Zeit seine hervorragenden Kräfte für die Neugestaltung de» Vaterlandes einsetzen konnte, gebührt der Dank hierfür nicht nur seinem hohe» Patriotismus, seiner glänzenden Be- gabung, seiner bedeutsamen Thätigkeit al» Beamter, Parlamentarier und Redner, sondern auch seiner klugen Mäßigung al» Parteipolitiker, die ihm neben der Liebens würdigkeit und der Lauterkeit feine- Charakter» die Unterstützung aller patriotisch gesinnten Männer sicherte. So wird auch bei allen Parteien und in allen Kreisen für seinen Namen ehrenvollstes Gedenken bleiben. O Berlin, 9. j August. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Nach amtlichen Ver öffentlichungen der englischen Regierung sind für daß Gebiet der ehemaligen Voerenstantcn Entschädigungsansprüche, die in der Zeit vom 31. März bis 30. Juni einschließlich ent standen sind, bis zum 31. August 1902 bei Vermeidung des Ausschlusses bei der Entschädiguugscommission i» Britisch- Südafrika anzumelden. — AuS Anlaß der heutigen Krönung de» Königs Eduard fand heute Vormittag 11 Uhr in der hiesigen englischen Kirche im Park von Monbijou ein feierlicher Gottesdienst statt. Der Altarraum des Gotteshauses war mit Palmengruppen und herrlichen Blumenarrangements sebr reich decorirt. Am Auftrage des Kaisers erschien Prinz Friedrick Leopold in der Paradeuniform seines schleswig- holsteinischen Ulanen-NegimentS Nr. 15, begleitet vom per sönlichen Adjutanten Rittmeister v. Rathenow. DaS aus wärtige Amt war durch den Unterstaatssekretär vr. Mühl berg vertreten. Weiter bemerkte man Mitglieder des diplomatischen Corps, den großbritannischen Genrralconsul Schwabach und zahlreiche Mitglieder der englischen Colooie. Unter Mitwirkung des Kirchenchors wurden von der Gemeinde feierliche Lieder gesungen. Eine Predigt wurde nicht gehalten. Zur Feier de- Tage- hatten die hiesige englische Botschaft und daö Generalcousulat Flaggenschmuck angelegt. („Nat.-Ztg.") — Zur Zolltarif-Frage wird jetzt in der klerikalen Presse »»gekündigt, die CentrumS-Fractiou beabsichtige, vor Beginn der zweiten Commissionslesung — der etwa für Mitte September in Aussicht genommen ist — zusammen zutreten und ihren Mitgliedern in der Commission weitere Directiven zu geben. Vermuthlich würden die übrigen Fractionen, wenigstens die zollfreundlichen, eS ebenso halten. Man werde obne Zweifel auch gleich Ver suche einer Verständigung von Fraction zu Fraction machen. Seien diese erfolgreich, so werde die Zeit bis zum Wieder- Zusammentritte deS Plenum- — da die Linke Obstruktion nicht treiben werde — auöreichen, um diesem sogleich, wenn noch nicht den ganzen Tarif, so doch wichtige Tbeile vorzu legen und ibm ein ununterbrochenes Arbeiten zu ermöglichen. Zu diesem Plane bemerkt der „Westfäl. Merkur": „So wenig wir die Schwierigkeiten eines Ausgleichs der Mei- nungSverschirdenheitrn innerhalb der Fractionen und «iner Ber- stündigung der Fractionen unter einander verkennen, so haben wir doch die feste Ueberzeugung, datz sie überwunden werden. Weniger vertrauensselig sind wir in Bezug auf di« Verständigung mit der Regierung, ohn« die doch alle Verständigung der Parteien werthlo» ist. Die Regierung scheint noch Immer auf dem Stand- puncte zu stehen, daß ihre Vorlage mindesten» in allen wichtigen Punkten al- unantastbar anzusehen sei." — I» der neuen Vorschrift für den Betrieb und die Verwaltung der preußischen Truppenküchei, ist bei der Anschaffung der Verpflegung-mittel auf die beimische Landwirthsckaft große Rücksicht genommen. So ist be stimmt worden, daß in den Truppenküchen nur Kuhbutt er, keine Kunstbutter, wie Margarine verwendet werden darf. Schinken muß von im I»lande geschlachteten Thieren her rühren. Amerikanische» Schmal: darf nicht verwendet werden. Die Verwendung ausländischer Conservtn ist untersagt. — Vom preußischen Ministerium für .Handel und Ge werbe sind bekanntlich vor einigen Monaten Fragebogen betr. die Einführung de- Befähigungsnachweise»
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